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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §37 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des SX, geboren am 28. August 1969, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 3. August 1995, Zl. Fr-302/95, betreffend Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid stellte die belangte Behörde gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, fest, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, daß der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sei; seine Abschiebung in die Jugoslawische Föderation sei zulässig.
Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe während des gesamten "Fremden- und Asylverfahrens" keine konkreten, gegen ihn gerichteten individuellen Verfolgungen durch die Jugoslawische Föderation selbst glaubhaft geltend machen können. Er habe zwar vor dem Bundesasylamt angegeben, daß ihm seitens der serbischen Polizei angeblich zu Unrecht zum Vorwurf gemacht worden wäre, illegal Waffen zu besitzen, und er deshalb Angst hätte, vor einem Gericht deswegen verurteilt zu werden; er sei aber entsprechende Bescheinigungsmittel zur Untermauerung seiner Angaben schuldig geblieben. Ein weiterer Fluchtgrund wäre (nach Aussage des Beschwerdeführers) darin gelegen, daß er bereits im Jahr 1991 einen Einberufungsbefehl erhalten hätte, diesem jedoch nicht nachgekommen wäre. Weiters wäre er im Monat vor seiner Ausreise rund fünfmal von Polizisten zu Hause aufgesucht und nach Hausdurchsuchungen zur Polizeistation gebracht und dort auch verhört und verprügelt worden. Auch hätte er Angst gehabt, als Kosovo-Albaner gegenwärtig in den Krieg nach Bosnien geschickt zu werden. Ungeachtet dieser Behauptungen habe der Beschwerdeführer jedoch bei dieser Einvernahme auf die ausdrückliche Frage, ob er bis zu seiner Ausreise Anfang Juni 1995 im Kosovo konkreten Verfolgungen aus politischen, religiösen, rassischen oder anderen Gründen durch die Jugoslawische Föderation ausgesetzt gewesen sei, angegeben, daß er keiner der gefragten Verfolgungen ausgesetzt oder in Haft gewesen wäre.
Die oben angeführten Behauptungen seien unglaubwürdig und unwahrscheinlich. Es sei unverständlich, daß der Beschwerdeführer, nachdem er vier- bis fünfmal von der Polizei aufgesucht sowie anschließend verhört und verprügelt worden wäre, keine sichtbaren Verletzungen davongetragen hätte. Hätten die jugoslawischen Behörden den Beschwerdeführer tatsächlich in den Krieg nach Bosnien schicken wollen, sei es unverständlich, warum der Beschwerdeführer nicht sofort bei den angeblichen Verhören durch die Polizei festgenommen und an die Front geschickt worden wäre. Vielmehr habe sich der Beschwerdeführer vor dem Kreisgericht eines namentlich genannten Ortes wegen Nichtfolgeleistung der Einberufung bzw. Ableistung des Militärdienstes, wie auch jeder Bürger in anderen zivilisierten Staaten bei einem derartigen Fall, zu verantworten gehabt. Angesichts dieses Sachverhalts sei die erkennende Behörde der Auffassung, daß entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers gegenwärtig keine stichhaltigen Gründe für eine Bedrohung in der Jugoslawischen Föderation im Sinn des § 37 Abs. 1 und 2 FrG vorlägen und Gegenteiliges nicht glaubhaft vorgebracht worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren gemäß § 54 Abs. 1 FrG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. September 1998, Zl. 95/21/0229) vom Antragsteller mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den im Antrag genannten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Gefährdung und/oder Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch im Verfahren nach § 54 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen.
Bei seiner Vernehmung im Asylverfahren gab der Beschwerdeführer am 7. Juni 1995 an, er sei im letzten Monat vor seiner Flucht fünfmal von vier Polizisten zu Hause aufgesucht worden, weil er verdächtigt worden wäre, Pistolen und Maschinengewehre zu besitzen. "Dabei wurde jedesmal das Haus durchsucht und die Einrichtung von den Polizisten zerstört. ... Auch wurde ich nach jeder dieser fünf Hausdurchsuchungen zur Polizeistation gebracht, dort verhört und auch verprügelt. Sichtbare Verletzungen habe ich keine. Aus Angst vor einer Verurteilung vom Gericht habe ich mich zur Flucht entschlossen. ...
Ein weiterer Fluchtgrund ist, daß ich im Jahr 1991 einen
Einberufungsbefehl erhalten habe. ... In den letzten vier Jahren
habe ich keinen Einberufungsbefehl mehr erhalten. Jedoch hatte ich
Angst zum Militär eingezogen zu werden, da auch andere ohne
Einberufungsbefehl einrücken mußten. ... Dies sind meine einzigen
Fluchtgründe." Weiters findet sich in diesem Protokoll auf die Frage, ob er bis zu seiner Ausreise konkreten Verfolgungen aus politischen, religiösen, rassischen oder anderen Gründen ausgesetzt gewesen wäre, die Antwort: "Nein, ich war keiner der vorangeführten Verfolgungen bis zu meiner Ausreise ausgesetzt." Auf die Frage, welche Strafe er in seiner Heimat aufgrund der Nichtbefolgung des Einberufungsbefehles zu erwarten hätte, antwortete der Beschwerdeführer, mit einer Haftstrafe von zwei bis drei Jahren rechnen zu müssen.
Vor der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See schilderte der Beschwerdeführer am 8. Juni 1995 die Vorfälle vor seiner Flucht ähnlich wie im Asylverfahren und gab weiters an: "Verfolgt war ich in meinem Heimatland bis zu meiner Ausreise jedoch nicht."
Den Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung begründete er lediglich damit, er sei Kosovo-Albaner und werde in seiner Heimat aus politischen Gründen verfolgt; weiteres Vorbringen behalte er sich vor.
In seiner Berufung gegen den abschlägigen erstinstanzlichen Bescheid verwies der Beschwerdeführer - konkret auf seine Situation bezogen - nur auf die von ihm vorgelegte Ladung in einem Strafverfahren wegen Nichtbefolgung der Einberufung.
Angesichts dieser Angaben im Verwaltungsverfahren kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Aussagen des Beschwerdeführers wegen der darin enthaltenen Widersprüche als unglaubwürdig wertete. Der Beschwerdeführer vermag der Überlegung der Behörde, ein vier- bis fünfmaliges Verprügeltwerden innerhalb eines Monats hätte doch wohl Verletzungsspuren hinterlassen, kein Argument entgegenzusetzen; es wird in der Beschwerde auch nicht der Versuch unternommen, den Widerspruch aufzuklären, der den Aussagen des Beschwerdeführers, der an anderer Stelle eine gegen ihn gerichtete Verfolgung ausdrücklich verneinte, anhaftet. Im Rahmen der ihm zukommenden Prüfung der Beweiswürdigung auf ihre Schlüssigkeit kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, daß diese mit den Denkgesetzen nicht in Einklang stünde. Dem Beschwerdeführer ist somit die Glaubhaftmachung einer zu befürchtenden Verfolgung in seinem Heimatstaat nicht gelungen.
Die Nichtableistung des Militärdienstes betreffend behauptete der Beschwerdeführer, daß er 1991 einen Einberufungsbefehl und vor seiner Flucht eine Vorladung zum Kreisgericht erhalten habe. Der belangten Behörde ist zuzustimmen, daß die Furcht vor Ableistung des Militärdienstes für sich allein keinen Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft darstellt, desgleichen eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. Desertion drohende, auch strenge Bestrafung (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 25. September 1998, Zl. 95/21/0221). Die Furcht, wegen Desertion bestraft zu werden, kann dann asylrechtlich - und damit iSd § 37 Abs. 2 FrG - relevant sein, wenn die Einberufung zum Militärdienst aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt oder aus solchen Gründen eine strengere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung als bei anderen Staatsangehörigen zu befürchten wäre (vgl. auch dazu das genannte Erkenntnis Zl. 95/21/0221). Bei der Beschwerdebehauptung, Kosovo-Albaner würden gezielt allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit in die Armee einberufen und dort schlechter behandelt als Angehörige anderer Volksgruppen, handelt es sich um eine im Beschwerdeverfahren unzulässige Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG), weshalb dieses Vorbringen der Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine Rechtmäßigkeit nicht zugrundegelegt werden kann. Die Aussage im Asylverfahren, "Meiner Meinung nach ist die Jugoslawische Föderation in den Bürgerkrieg verwickelt, da auch viele Kosovo-Albaner als Leichen aus dem Krieg zurückgekommen sind", ist für sich allein nicht geeignet, eine Verfolgung der vorgenannten Art zu begründen.
Soweit der Beschwerdeführer der Behörde vorwirft, sie habe jegliches Ermittlungsverfahren unterlassen, zeigt er die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht auf, weil er nicht vorbringt, anhand welcher Ermittlungsergebnisse welche Feststellungen zu treffen gewesen wären, die zu einem für ihn günstigen Ergebnis in der Sache geführt hätten.
Nach dem Gesagten ist die Ansicht der belangten Behörde, es läge kein Grund für die Annahme vor, daß der Beschwerdeführer in seiner Heimat verfolgt werde, nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Da dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 18. Dezember 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995210972.X00Im RIS seit
20.11.2000