TE Vwgh Erkenntnis 1998/12/18 95/21/0898

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Veröffentlicht am 18.12.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §37;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des RA in Poysdorf, geboren am 25. November 1944, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Elisabethstraße 22, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 14. Juni 1995, Zl. Fr 1490/95, betreffend Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid stellte die belangte Behörde gemäß § 54 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, fest, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, daß der Beschwerdeführer in Jugoslawien gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG bedroht sei.

Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei am 8. Mai 1992 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist. Am 11. Mai 1992 sei er zu seinem Asylantrag vernommen worden. Dabei habe er angegeben, daß er in seinem Heimatland gesucht würde und vor seiner Flucht nach Österreich keine strafbaren Handlungen begangen hätte. Er würde der albanischen Minderheit im Kosovo angehören, wäre jedoch nie Mitglied einer politischen Organisation oder verbotenen Gruppierung gewesen. Wegen seines Glaubensbekenntnisses hätte er keine Probleme gehabt. Die serbische Polizei hätte bei seinem Bruder Waffen gefunden und vermutet, daß auch er solche Gegenstände besitze. Es wäre jeden Tag sein Haus durchsucht worden und er hätte sich beim Wachzimmer einzufinden gehabt, um ein Geständnis abzulegen. Er hätte daher beschlossen, ohne seine Familie das Heimatland zu verlassen.

Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Februar 1994 sei das Asylverfahren (abschlägig) abgeschlossen worden. Der Beschwerdeführer habe einen Antrag gemäß § 54 FrG eingebracht und ausgeführt, daß er Kosovo-Albaner wäre, einer Minderheit angehörte und bei einer Abschiebung nach Jugoslawien mit einer unmenschlichen Behandlung und Gefängnisstrafe zu rechnen hätte. Er habe nicht behauptet, eine Einberufung zur Militärleistung befürchten zu müssen.

Der Erstbehörde seien zum Entscheidungszeitpunkt die Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren sowie seine Angaben im Antrag gemäß § 54 FrG vorgelegen. Da seine Familie im Kosovo lebe, wäre im Fall weiterer gegen den Beschwerdeführer und seine Familie seitens der serbischen Behörden gesetzter Maßnahmen ein Vorbringen seinerseits zu erwarten gewesen. Aus seiner Berufung seien ebenfalls keine zusätzlichen Angaben zu entnehmen, die eine Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und 2 FrG glaubhaft erscheinen ließen. Die von ihm vorgebrachten Gründe reichten nicht nur nicht für die Gewährung von Asyl aus, sondern es komme die Berufungsbehörde zu dem Ergebnis, daß die Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien zulässig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren gemäß § 54 Abs. 1 FrG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. September 1998, Zl. 95/21/0229) vom Antragsteller mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den im Antrag genannten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Gefährdung und/oder Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder 2 FrG glaubhaft zu machen. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch im Verfahren gemäß § 54 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen.

Die belangte Behörde legte ihrer rechtlichen Beurteilung die vom Beschwerdeführer im Asylverfahren und im Verfahren nach § 54 FrG gemachten Angaben zugrunde. Bei seiner Vernehmung im Asylverfahren hatte der Beschwerdeführer am 11. Mai 1992 angegeben:

"Die serbische Polizei fand bei meinem Bruder Waffen und vermutete auch bei mir solche Gegenstände bzw. erhoffte diese bei mir aufzufinden. Sie kamen jeden Tag gegen 12 Uhr und durchsuchten mein Haus oder hatte ich mich in einem Wachzimmer einzufinden um Geständnisse abzulegen. Ich hatte aber keine Waffen und wurde zu Unrecht von der Polizei traktiert. Es war nicht mehr auszuhalten und so beschloß ich ohne meine Familie das Land zu verlassen."

Anläßlich der Stellung des Antrages nach § 54 FrG gab der Beschwerdeführer am 9. März 1995 an:

"Ich stelle diesen Antrag gem. § 54 FrG, da ich Kosovo-Albaner bin und somit einer Minderheit angehöre und ich bei einer Abschiebung nach Jugoslawien mit einer unmenschlichen Behandlung und Gefängnisstrafe zu rechnen habe."

In seiner Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz betreffend seinen Antrag nach § 54 FrG beschränkte sich der Beschwerdeführer sachverhaltsbezogen auf den Hinweis, es sei allgemein bekannt und müßte somit auch der Behörde erster Instanz bekannt sein, daß Bewohner des Kosovo albanischer Herkunft in vielfältiger Weise und unter Verletzung von Menschenrechten unmenschlicher Behandlung unterzogen würden und mit Gefängnisstrafen zu rechnen hätten.

Zur behaupteten Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bringt der Beschwerdeführer vor, seine Befürchtung, bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe unterworfen und dort wegen seiner Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe bedroht zu sein, sei wohlbegründet und nachvollziehbar. Sachverhaltsbezogen führt er dazu aus, Anfang 1992 sei die serbische Polizei in sein Haus gekommen und habe die Herausgabe von Waffen verlangt. Er habe keine Waffen gehabt und habe demgemäß diesem Verlangen nicht nachkommen können. Daraufhin habe er sich jeden Tag bei der Polizei zum Verhör melden müssen und sei dabei immer geschlagen worden. Am 4. Mai 1992 sei wiederum Polizei in sein Haus gekommen; er sei jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause gewesen, sei gewarnt worden und habe aufgrund dessen flüchten können.

Bei diesem auf das Geschlagenwerden und auf die Umstände seiner Flucht bezogenen Vorbringen handelt es sich um eine im Beschwerdeverfahren unzulässige Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG), weshalb diese Behauptungen der Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine Rechtmäßigkeit nicht zugrundegelegt werden können. Soweit der Beschwerdeführer in allgemein gehaltenen Angaben ausführt, daß die serbische Polizei im Kosovo regelmäßig den Vorwurf, Angehörige der albanischen Minderheit würden Waffen besitzen, als Vorwand benütze, diese zu verhören, zu verhaften und zu schlagen, muß ihm entgegengehalten werden, daß derartige allgemeine Hinweise ebenso wie bloße Hinweise auf eine Bürgerkriegssituation ein auf die konkreten Umstände einer Verfolgung Bezug nehmendes Vorbringen nicht zu ersetzen vermögen. Unter Zugrundelegung der Angaben des Beschwerdeführers kann der Ansicht der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, daß damit eine Verfolgung im Sinn des § 37 FrG nicht glaubhaft gemacht worden sei. Denn einerseits ist die Angabe, daß der Beschwerdeführer von der Polizei "traktiert" worden sei, zu unbestimmt, andererseits reicht die Angabe, daß die Polizei "jeden Tag gegen 12 Uhr" gekommen sei, nicht aus, um die Anzahl derartiger Hausdurchsuchungen feststellen zu können. Der Beschwerdeführer gab nämlich nicht an, über welchen Zeitraum sich diese Vorfälle ereignet hätten. Die genannten Angaben zu einer behaupteten Verfolgungssituation sind somit zu wenig präzise, um eine ausreichende Verfolgungsintensität zu bezeugen, die für das Vorliegen einer Gefährdung und/oder Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG spräche. Dazu kommt, daß im Antrag des Beschwerdeführers vom 9. März 1995 auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung keine auf eine konkrete Verfolgungssituation des Beschwerdeführers bezogenen Angaben zu finden sind, ebensowenig in seiner gegen den abweisenden erstinstanzlichen Bescheid gerichteten Berufung. An dieser Beurteilung ändert der Umstand nichts, daß der Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer hätte im Fall weiterer nach seiner Flucht gegen seine Familie seitens der serbischen Behörden gesetzter Maßnahmen ein diesbezügliches Vorbringen erstatten müssen, nicht gefolgt werden kann. Es geht nicht an, vom Fremden ein Vorbringen über Umstände zu verlangen, über welche er im Regelfall nicht informiert sein bzw. nur schwer Informationen einholen kann.

Unter dem Beschwerdegrund einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde vor, sie hätte Ermittlungen vornehmen müssen, wenn sie Zweifel an seinen Angaben habe. Mit diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde keineswegs seine Aussagen als unglaubwürdig bewertet, sondern im Gegenteil diese ihrer rechtlichen Beurteilung zugrundegelegt hat. Soweit die Beschwerde Feststellungen über die allgemeine Situation im Kosovo vermißt, kommt dieser Rüge aus den oben dargelegten Gründen keine Relevanz zu.

Letztlich geht der in der Beschwerde erhobene Vorwurf, die belangte Behörde habe es unterlassen, dem Beschwerdeführer Verfahrensergebnisse zur Kenntnis zu bringen, deswegen ins Leere, weil der angefochtene Bescheid ohnehin auf den Angaben des Beschwerdeführers fußt.

Zusammenfassend ist somit die im angefochtenen Bescheid vertretene Ansicht, es lägen keine Gründe für die Annahme vor, der Beschwerdeführer sei in seinem Heimatstaat gemäß § 37 FrG verfolgt, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. Dezember 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995210898.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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