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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hofbauer, über die Beschwerde des E O, (geb. am 30. Oktober 1968), vertreten durch Dr. Gerhard Deinhofer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Ditscheinergasse 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 31. August 1998, Zl. SD 595/98, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 31. August 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei erstmals im Jahr 1990 in das Bundesgebiet eingereist und habe in weiterer Folge Sichtvermerke und Aufenthaltsbewilligungen bis zum 30. April 1997 erhalten. Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 25. September 1995 sei der Beschwerdeführer wegen "Suchtgiftmißbrauchs" gemäß § 16 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt worden. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14. August 1997 sei der Beschwerdeführer wegen "Suchtgifthandels und Suchtgiftmißbrauchs" nach § 12 Abs. 1 und 3 Z. 3 sowie § 16 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt sowie "die bedingte Strafnachsicht der erstgenannten Verurteilung" widerrufen worden. Dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil sei zugrunde gelegen, daß der Beschwerdeführer mit unbekannten Hintermännern am Import von einem Kilogramm Kokain aus Lateinamerika beteiligt gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe versucht, das Suchtgift, das - als Buchlieferung getarnt - per Post hätte zugestellt werden sollen, zu beheben. Weiters sei der Beschwerdeführer für schuldig befunden worden, zwischen Ende 1996 und 6. März 1997 einer anderen Person mehr als 60 Gramm Kokain verkauft zu haben. Auch zum eigenen Bedarf habe der Beschwerdeführer unerlaubt Suchtgift erworben und besessen. Es könne kein Zweifel bestehen, daß durch die vorliegenden Verurteilungen der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - im Grunde des § 36 Abs. 1 FrG als gerechtfertigt.
Was die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes gemäß § 37 Abs. 1 FrG betreffe, so sei zunächst auf den etwa achtjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet Bedacht zu nehmen. Er sei mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, mit welcher er ein gemeinsames Kind habe. Zweifelsfrei sei daher von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen. Gleichzeitig sei aber auch festzuhalten, daß schon die erstmalige Verurteilung nach dem Suchtgiftgesetz den Beschwerdeführer nicht habe davon abhalten können, neuerlich (und in einem viel erheblicheren Ausmaß) straffällig zu werden. Durch sein Fehlverhalten dokumentiere der Beschwerdeführer "eindrücklich" seine Geringschätzung strafrechtlicher Vorschriften. Zur Wahrung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen - hier: zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Gesundheit anderer - erweise sich die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes als dringend geboten und somit als zulässig im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG.
Bei der nach § 37 Abs. 2 FrG durchzuführenden Interessenabwägung sei die aus der Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ableitbare Integration zu beachten. Diese persönlichen Interessen des Beschwerdeführers seien jedoch an Gewicht insoweit gemindert, als die für das Ausmaß der Integration wesentliche soziale Komponente durch sein kriminelles Verhalten deutlich beeinträchtigt werde. Diesen - solcherart verminderten - privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers stehe das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität gegenüber. Im übrigen stehe bei Suchtgiftdelikten nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wegen deren großer Sozialschädlichkeit selbst eine ansonsten völlige Integration des Beschwerdeführers der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aus der Sicht des § 37 Abs. 2 FrG nicht entgegen. Die belangte Behörde sei daher zu dem Ergebnis gelangt, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die genannten öffentlichen Interessen und daher die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.
Ein Sachverhalt gemäß § 38 FrG, der die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unzulässig erschienen ließe, liege nicht vor.
Im Hinblick auf die Art und Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten und der damit verbundenen Wiederholungsgefahr könne ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers auch nicht im Rahmen des der Behörde zukommenden Ermessens in Kauf genommen werden.
Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so erscheine der von der Erstbehörde vorgenommene unbefristete Ausspruch auch nach Ansicht der Berufungsbehörde gerechtfertigt. In Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne derzeit nicht vorhergesehen werden, wann der für die Erlassung dieser Maßnahme maßgebliche Grund, nämlich die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, weggefallen sein werde.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, daß vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (erster Fall) FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken. Die Auffassung der belangten Behörde, daß im vorliegenden Fall die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, begegnet im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität ebenfalls keinem Einwand, zumal dem Beschwerdeführer ein Verstoß gegen § 12 Abs. 3 Z. 3 des Suchtgiftgesetzes, also der Handel mit Suchtgift in einer Menge zur Last liegt, die mindestens das 25-fache der im § 12 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes angeführten großen Menge ausmacht, wobei die zuletzt genannte Menge eine solche ist, deren Weitergabe geeignet ist, eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen in einem großen Ausmaß herbeizuführen.
2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid im Grund des § 37 Abs. 1 und 2 FrG. Der Beschwerdeführer sei mit einer Österreicherin verheiratet, auch das vierjährige Kind des Beschwerdeführers sei österreichischer Staatsbürger (dadurch unterscheide sich der Fall des Beschwerdeführers im übrigen von den Fallkonstellationen, die den im erstinstanzlichen Bescheid zitierten Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnissen zugrunde gelegen seien). Ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot würde den Unterhalt der Familie des Beschwerdeführers auch nach Verbüßung seiner Freiheitsstrafe gefährden, durch ein Aufenthaltsverbot wäre "die Zukunft der Ehefrau und vor allem des Kindes ... verbaut". Der Beschwerdeführer habe weiters einen Großteil der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe verbüßt; aufgrund des mit dieser Haft erstmals verspürten Haftübels sei davon auszugehen, daß sich der Beschwerdeführer weiterer strafbarer Handlungen enthalten werde. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes sowohl auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers als auch auf die seiner Familie wögen daher schwerer als die Folgen der Abstandnahme von einem Aufenthaltsverbot.
2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde hat aufgrund des etwa achtjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und der von ihr festgestellten familiären Bindungen mit österreichischen Staatsbürgern zutreffend einen im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG relevanten Eingriff angenommen. Der belangten Behörde kann aber nicht entgegengetreten werden, wenn sie zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Gesundheit anderer (Art. 8 Abs. 2 EMRK) im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten sei, macht doch die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität nach der hg. Rechtsprechung die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der genannten Ziele notwendig (vgl. das zu § 19 des Fremdengesetzes BGBl. Nr. 838/1992 ergangene, aber auch hier einschlägige hg. Erkenntnis vom 17. April 1997, Zl. 97/18/0152, mwH). An diesem Ergebnis vermag auch das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend seine Gesinnungsänderung durch das Haftübel nichts zu ändern, konnte doch der Beschwerdeführer - da seine Haft (nach dem Beschwerdevorbringen) noch andauert - noch gar nicht unter Beweis stellen, daß die von ihm ausgehende Gefahr hinsichtlich der Begehung weiterer strafbarer Handlungen sowie des Schutzes der Gesundheit anderer weggefallen oder doch wesentlich gemindert sei.
Der angefochtene Bescheid kann auch nicht im Hinblick auf die nach § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmende Interessenabwägung als rechtswidrig angesehen werden. Die angesichts der Dauer seines inländischen Aufenthaltes und seiner familiären Bindungen gegebenen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers sind - von der belangten Behörde richtig erkannt - dadurch in ihrem Gewicht gemindert, daß die für das Ausmaß der Integration wesentliche soziale Komponente durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers - dem insbesondere Suchtgifthandel mit einer im § 12 Abs. 3 Z. 3 des Suchtgiftgesetzes umschschriebenen Menge zur Last liegt - deutlich beeinträchtigt wird. Unbeschadet dessen ist festzuhalten, daß aufgrund der in hohem Maß sozialschädlichen Suchtgiftdelikte selbst eine ansonsten volle Integration des Beschwerdeführers dem Aufenthaltsverbot aus der Sicht des § 37 Abs. 2 FrG nicht entgegenstünde. Weiters kann der Beschwerdeführer Beiträge zum Unterhalt seiner Familie auch vom Ausland aus erbringen.
Von daher gesehen hat die belangte Behörde auch unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten familiären und privaten Interessen der durch sein gravierendes Fehlverhalten bewirkten nachhaltigen Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zutreffend größeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine und seiner Familie Lebenssituation. Die mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriffe in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers müssen daher in Kauf genommen werden.
3. Vor dem Hintergrund des Gesagten sind auch die Rügen, der Beschwerdeführer hätte bei Wahrung des Parteiengehörs das Ausmaß seiner Integration in Österreich darlegen sowie die konkreten nachteiligen Folgen eines Aufenthaltsverbotes für seine Ehefrau und sein Kind (insbesondere auch die Gefährdung deren Unterhalts) vorbringen und unter Beweis stellen können, nicht zielführend.
4. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem ergänzenden Schriftsatz vom 11. November 1998 ist festzuhalten, daß mit einem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen wird, daß der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder daß er (allenfalls) abgeschoben werde. Darüber hinaus ist auf § 75 Abs. 4 FrG hinzuweisen, wonach bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat der Fremde in diesen Staat nicht abgeschoben werden darf.
5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 21. Dezember 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998180351.X00Im RIS seit
20.11.2000