TE OGH 2019/6/27 6Ob111/19w

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Veröffentlicht am 27.06.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. J*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Kunert, Rechtsanwalt in Stockerau, gegen die beklagte Partei I*****, vertreten durch Dr. Heinrich Nagl und Mag. Timo Ruisinger, Rechtsanwälte in Horn, wegen Abgabe einer Willenserklärung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. März 2019, GZ 35 R 47/19z-19, mit dem die „Berufung“ der klagenden Partei gegen das „Urteil“ des Bezirksgerichts Donaustadt vom 7. Jänner 2019, GZ 20 C 1058/18t-15, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 860,58 EUR (darin 143,43 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt von der Beklagten deren Einwilligung in die Einverleibung seines Eigentumsrechts an einer Liegenschaft. Nachdem die Beklagte im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens auf Vorverfahren verwiesen hatte, wendete sie nach Durchführung des Beweisverfahrens in der letzten Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung entschiedene Rechtssache unter Hinweis auf ein in den Jahren 2004 bis 2006 zwischen den Parteien geführtes Verfahren ein. Daraufhin schloss der Erstrichter die Verhandlung nach § 193 Abs 3 ZPO zwecks Beischaffung und Einsichtnahme in diesen Vorakt.

Mit Urteil vom 7. 1. 2019 erkannte das Erstgericht im Namen der Republik zu Recht, dass das Klagebegehren zurückgewiesen werde; es liege entschiedene Rechtssache vor.

Das Gericht zweiter Instanz wies die dagegen erhobene Berufung des Klägers mittels Beschluss zurück. Nach §§ 261 Abs 1, 239 Abs 3 Z 1 ZPO habe das Gericht bei entschiedener Rechtssache mit Beschluss und nicht mit Urteil zu entscheiden, wobei es maßgeblich nicht auf die tatsächlich gewählte, sondern auf die vom Gesetz vorgeschriebene Entscheidungsform ankomme. Dem Kläger wäre deshalb das Rechtsmittel des Rekurses zugestanden, seine erst außerhalb der vierzehntägigen Rekursfrist erhobene Berufung sei verspätet gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist zulässig, er ist jedoch nicht berechtigt.

1. Wird der Prozesseinrede der beklagten Partei stattgegeben, so führt dies (unter anderem) bei entschiedener Rechtssache zur Zurückweisung der Klage. Die Zurückweisung erfolgt mit Beschluss; dies entspricht dem Grundsatz der Zivilprozessordnung, dass die Urteilsform der Sachentscheidung vorbehalten bleibt. Der Zurückweisungsbeschluss ist uneingeschränkt mittels Rekurses anfechtbar (G. Kodek in Fasching/Konecny III/1³ [2017] § 261 ZPO Rz 66, 67).

2. Verwirft das Prozessgericht die Einrede, kann es dies mittels abgesondert anfechtbarem Beschluss tun. Es kann aber auch sogleich zur Verhandlung in der Hauptsache übergehen und die Entscheidung über die Verwerfung der Prozesseinrede in die Hauptsacheentscheidung aufnehmen (G. Kodek aaO Rz 57/2, 57/3); in diesem Fall ist die Bekämpfung der Entscheidung über die Prozesseinrede Teil der Berufung, und zwar unabhängig davon, ob der Rechtsmittelwerber neben der Berufung auch noch einen Rekurs einbringt (G. Kodek aaO Rz 79 unter Hinweis auf 9 ObA 273/90).

Am Wesen der Entscheidung über die Prozesseinrede mit Beschluss ändert sich aber auch nichts, wenn die Entscheidung in die Hauptsacheentscheidung aufgenommen wird. Die Entscheidung erfolgt also auch in diesem Fall in Beschlussform, die Besonderheit besteht nur darin, dass der Beschluss nicht separat ausgefertigt, sondern in die Hauptsacheentscheidung aufgenommen wird. Die Konsequenz der Aufnahme der Entscheidung in die Hauptsacheentscheidung ist, dass auf diese Weise die abgesonderte Anfechtung der Entscheidung ausgeschlossen wird (G. Kodek aaO Rz 53).

3. Im vorliegenden Fall erfolgte die Prozesseinrede erst nach Durchführung des Beweisverfahrens, das Erstgericht nahm entschiedene Rechtssache an und wies die Klage zurück. Dies konnte es aber nur mittels Beschlusses tun, wäre doch eine Entscheidung über die (berechtigte) Prozesseinrede im Rahmen der Hauptsacheentscheidung denkunmöglich. Damit kommt es hier aber auf die Frage, ob bei Aufnahme der Entscheidung über die Prozesseinrede in die Hauptsacheentscheidung die Bekämpfung der Entscheidung über die Prozesseinrede allein mittels Rekurses (vgl die Nachweise bei Rechberger/Klicka in Rechberger, ZPO4 [2014] §§ 260–261 Rz 4) oder mittels Berufung (so G. Kodek aaO Rz 81, 81/1; ebenso Fasching, Zivilprozessrecht² [1990] Rz 1366 und nunmehr wohl auch Rechberger/Klicka aaO) zu erfolgen hat, nicht an. Die Entscheidung des Erstgerichts war hier eine solche ausschließlich über die Prozesseinrede, eine solche über die Hauptsache hat das Erstgericht gar nicht getroffen.

4. Für die Beurteilung, ob ein Urteil oder ein Beschluss vorliegt, ist nicht die vom Gericht tatsächlich gewählte, sondern die vom Gesetz vorgesehene Form der Entscheidung maßgebend (RS0040727). Ob eine Entscheidung anfechtbar ist und mit welchem Rechtsmittel das zu geschehen hat, hängt somit nicht davon ab, welche Entscheidungsform das Gericht tatsächlich gewählt hat, sondern nur davon, welche Entscheidungsform die richtige ist (RS0041880 [T1]). Der Kläger hätte hier also gegen das Urteil erster Instanz binnen 14 Tagen (§ 521 Abs 1 ZPO) Rekurs erheben müssen.

Daran ändern auch die Ausführungen des Klägers in seinem Rekurs gegen die zweitinstanzliche Entscheidung, das Erstgericht sei – infolge fehlender Prozesseinrede der Beklagten ohne Entscheidung über eine Prozesseinrede – in die Verhandlung über die Hauptsache eingetreten, nichts. Seiner Überlegung, „der Ausspruch über die (verspätet vorgetragene) Einrede von nicht bewiesener res iudicata [sei] (nachdem in der Hauptsache das Beweisverfahren Ergebnisse zeigte) in die über die Hauptsache ergehende Entscheidung aufzunehmen [gewesen] und [habe] gemäß § 261 Abs 3 ZPO nur noch mit der gegen die Entscheidung in der Hauptsache offen stehenden Rechtsmittel angefochten werden“ können, ist entgegen zu halten, dass zum einen entschiedene Rechtssache vom Gericht in jeder Lage des Verfahrens (auch) von Amts wegen wahrzunehmen (§ 261 Abs 5 ZPO) und zum anderen bei Fehlen einer Prozessvoraussetzung eine Entscheidung über die Hauptsache nicht möglich ist.

5. Die Entscheidung über die Kosten der Rekursbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E125577

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00111.19W.0627.000

Im RIS seit

19.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.11.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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