TE Lvwg Erkenntnis 2019/6/25 LVwG-AV-16/003-2017

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Veröffentlicht am 25.06.2019
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Entscheidungsdatum

25.06.2019

Norm

BauO NÖ 2014 §70
VwGG §63 Abs1
GewO 1994 §74

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Mag.Dr. Wessely, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerden des Herrn A und der Frau B gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 13. Dezember 2016, ohne Zahl, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung, zu Recht erkannt:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG keine Folge gegeben.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4
B-VG nicht zulässig (§ 25a VwGG).

Entscheidungsgründe:

Mit Schreiben vom 3. Feber 2014 beantragten die Beschwerdeführer die Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung diverser Bauwerke auf dem nunmehrigen Grundstück ***, KG ***. Dem Antrag schlossen sie neben Einreichplänen eine Baubeschreibung sowie ein „landwirtschaftliches Betriebskonzept“ an. Diesem zufolge sollen insbesondere 150 Stallplätze errichtet werden, wobei bis zu maximal 20 davon zur Haltung eigener Pferde, i.d.R. bis zu 130, „im Extremfall“ aber 150 davon zur Haltung der Tiere Dritter verwendet werden sollen. Die eigenen Tiere sollen zu Zucht-, Aufzucht- und Mastzwecken sowie als private Reittiere verwendet werden. Bei den Tieren Dritter solle es sich um Reit- bzw. Sportpferde, Jung- und Zuchttiere bzw. Gnadenpferde handeln. Insgesamt solle die Pferdehaltung darüber hinaus der „Düngereigenherstellung“ dienen. Im Hinblick darauf und die Tatsache, dass die Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere keinen gewerberechtlichen Beschränkungen unterliege, werde „von einer ziffernmäßig exakten, strengen Zuteilung der Stallplätze bezüglich Sparten (vorerst) Abstand genommen“. Unter dem Titel „Kostenkalkulation betreffend das Halten Dritten gehöriger Tiere“ hält das Betriebskonzept fest, dass es einem Unternehmer zugestanden werden müsse, Entgelte für seine Leistungen nach seinen betrieblichen Zielsetzungen selbst festlegen zu können. Das (nicht näher konkretisierte) zu entrichtende Entgelt für Einsteller gliedere sich in einen Kostenanteil für Futter und Einstreu, einen Pauschalbetrag für die Haltung (Verwahrung, Betreuung, Fütterung) und das Zurverfügungstellen von Weiden und Auslauf bzw. einen Pauschalbetrag für die Bereitstellung der Anlagen und Möglichkeit zur Nutzung derselben. Insgesamt bestehe ein Flächenbedarf von 2.700 m2 für die Boxen sowie 1.050 m2 für Nebenflächen. Hinzu trete der Bedarf an Reitflächen in Hallen im Ausmaß von rund 3.800 m2, wobei sich rechnerisch insgesamt vier „Vierecke“ á 800 m2 ergäben, die – je nach Trainingsform – von 2 bis 4 Pferden in einem Viereck genutzt werden könnten, sodass durchschnittlich 12 Reiter und Pferde pro Zeiteinheit den Reitsport gleichzeitig ausüben könnten.

Für den Fall, dass das Projekt aus den Gründen des § 20 Abs. 1 Z 1 bis 7 NÖ BauO (1996) nicht bewilligungsfähig wäre, bestünde zum einen die Möglichkeit einer Projektsänderung bzw. würden die Beschwerdeführer zum anderen vom Vorliegen eines „teilbaren Objektes“ ausgehen und „im Rahmen des Parteiengehörs auch nicht auf dem vollen Umfang der geplanten Bauausführung beharren“.

Mit Schreiben vom 25. Feber 2014 übermittelte der Bürgermeister der Marktgemeinde *** den Antrag zuständigkeitshalber an die Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn, die ihn – nach Nichtentsprechen eines Verbesserungsauftrages – mit Bescheid vom 4. September 2015, Zl. ***, gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückwies. Einer dagegen erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit Erkenntnis vom 13. Oktober 2015, Zl. LVwG-AV-1097/001-2015 Folge, wobei es begründend festhielt, dass aufgrund des Beharrens der Beschwerdeführer auf einer Zuständigkeit des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** dieser über den Antrag erforderlichenfalls in Form einer Zuständigkeitsentscheidung abzusprechen hätte.

Mit Bescheid vom 20. Juli 2016, ohne Zahl, wies der Bürgermeister den Antrag gemäß § 6 AVG zurück und verwies begründend darauf, dass schon aufgrund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs in einem Vorverfahren (VwGH 3.7.2007, 2005/05/0253) vom Vorliegen eines Gewerbebetriebes auszugehen sei und das Projekt nicht mehr als Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft betrachtet werden könne. Nichts anderes gelte – argumentum a minori ad maius – auch im gegenständlichen Fall, sodass angesichts der auch die Marktgemeinde *** erfassenden NÖ Bau-Übertragungsverordnung eine Zuständigkeit des Bürgermeisters für das gegenständliche Vorhaben nicht bestehe. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die hiegegen erhobene Berufung als unbegründet ab.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde verwies der Erstbeschwerdeführer darauf, dass die GewO auf das Vorhaben keine Anwendung fände, bei „nicht gewerblichen Bauanträgen“ immer der Bürgermeister als Baubehörde I. Instanz zuständig und das Einstellen von Reittieren nach § 20 Abs. 2 Z 1a NÖ ROG 2014 in der Widmung Grünland-Land- und Forstwirtschaft zulässig sei. Auch könne aus der „denkunmöglichen“ Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs in der Sache nichts gewonnen werden, sondern habe sich die Behörde ausschließlich am Gesetz zu orientieren. Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2016 ergänzte der Erstbeschwerdeführer sein Vorbringen und schloss sich dem die Zweitbeschwerdeführerin an. Näherhin verwiesen sie – über das bisher Gesagte hinaus – darauf, dass die Behörde ein Projekt beurteile, das nicht dem Bauwillen der Beschwerdeführer entspräche. Auch wäre die Beurteilung, ob von einem landwirtschaftlichen Betrieb mit Nebengewerben oder von einem Gewerbebetrieb auszugehen sei, eine Gesamtbeurteilung zugrunde zu legen, in die das gesamte Unternehmen miteinzubeziehen sei. Im Konkreten stelle das Projekt daher darauf ab, den im Betriebskonzept beschriebenen Tätigkeiten zu dienen. So diene die Pferdehaltung mit bis zu 150 Stallplätzen vorrangig der Düngereigenherstellung, der Zucht und Mästung (auf bis zu 40 Stallplätzen). Die Tiere Dritter würden von deren Besitzern großteils auch zum Reiten verwendet und die Reitanlagen zum Gebrauch überlassen. Insoweit seien keine weiteren Tätigkeiten beabsichtigt. Vor diesem Hintergrund könne nur die rechtliche Qualifikation von Teilbereichen der Tierhaltung strittig sein und möglicherweise einzelne Aspekte auf die Erbringung von Dienstleistungen i.S.d. § 2 Abs. 4 GewO deuten. Auszugehen sei aber von einem Überwiegen der pflanzlichen und tierischen Urproduktion, sodass der Betrieb den „Charakter einer Landwirtschaft“ i.S.d. NÖ ROG habe. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde unterscheide sich das Projekt 2014 von jenem 2001 wesentlich, sodass keine idente Sachlage und folglich keine Bindungswirkung an das frühere Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 3.7.2007, 2005/05/0253) vorliegen könne. Weiters sei die belangte Behörde auch nicht auf den gestellten Eventualantrag eingegangen, obwohl es dem Antragsteller grundsätzlich freistehe, den Antrag jederzeit und in jede Richtung abzuändern. Schließlich sei die Behörde verhalten, erforderlichenfalls einen Auftrag nach § 20 NÖ BauO 1996 zu erteilen.

Mit Beschluss vom 10. Jänner 2017, LVwG-AV-16/001-2017, behob das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich den angefochtenen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurück. Mit Erkenntnis vom 28. Mai 2019, ***, gab der Verwaltungsgerichtshof einer hiegegen erhobenen Revision der belangten Behörde Folge und hob diesen Beschluss auf. Begründend ging das Höchstgericht davon aus, dass bereits aufgrund der vorliegenden Einreichunterlagen von einer geplanten gewerblichen Betriebsanlage auszugehen sei. Wenngleich grundsätzlich als Erfordernis für das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Nebengewerbes eine organisatorisch enge Verbindung mit einer Tätigkeit der Land- und Forstwirtschaft und eine Unterordnung unter dieselbe bestehe, gebe es jedenfalls eine absolute Grenze. Diese sei dort anzunehmen, wo die Ausübung der Tätigkeit dem Erscheinungsbild eines Betriebes entspreche, wie er in Ansehung der jeweils in Frage stehenden Tätigkeit von einem Gewerbetreibenden, losgelöst von der Land- und Forstwirtschaft geführt werde. Dies habe der VwGH im Vorerkenntnis (3.7.2007, ***) bezogen auf die damalige Ausgestaltung des Projektes bejaht. Angesichts des Erscheinungsbildes hätte es seiner Ansicht nach keine Rolle gespielt, dass dieser Produktionszweig des Einstellens von Pferden mit der Urproduktion (durch die ausschließliche Verwendung eigenen Futters) verbunden gewesen wäre und hätte dahingestellt bleiben können, ob je nach den anzuwendenden Berechnungsmethoden von einer Über- oder Unterordnung der gewerblichen Tätigkeit gegenüber der Urproduktion auszugehen gewesen wäre. Stelle man das nunmehr gegenständliche Projekt mit dem damals beurteilten in Relation, handle es sich um ein weitgehend identes Bauvorhaben, sodass auch vorliegend von einem Projekt auszugehen sei, dass vom Erscheinungsbild her kein landwirtschaftliches Nebengewerbe darstelle. Das nunmehr vorgesehene verbindende Element zur Landwirtschaft, nämlich die Düngergewinnung von allen eingestellten Pferden für den landwirtschaftlichen Betrieb, ändere an dieser Beurteilung nichts. Für die hier anzustellende Beurteilung sei demnach die Frage der Über- oder Unterordnung der gewerblichen Tätigkeit gegenüber der landwirtschaftlichen Urproduktion ebenso unerheblich wie der Umstand, dass im Betriebskonzept für das Einstellen der Pferde Dritter kein Entgelt betragsmäßig bestimmt sei. Angesichts dessen seien die Projektunterlagen als ausreichend zu beurteilen gewesen, um die Frage des Vorliegens eines Gewerbebetriebes und damit der zuständigen Baubehörde zu lösen.

Das Landesverwaltungsgericht stellt dazu fest:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht – sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist – die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen; andernfalls – zufolge § 31 Abs. 1 VwGVG mit Beschluss. Soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen und nach § 28 Abs. 2 VwGVG grundsätzlich in der Sache zu entscheiden. Relevant ist dabei im Bescheidbeschwerdeverfahren – nach h.M. (i.d.S. auch VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076) – regelmäßig die in seinem Entscheidungszeitpunkt geltende Sach- und Rechtslage, sodass diesbezügliche Änderungen – zum Vor- und Nachteil des Beschwerdeführers (VwGH 27.3.2007, 2007/18/0059) zu berücksichtigen sind.

Gemäß § 72 NÖ BauO 2014 trat dieses Gesetz am 1. Februar 2015 in Kraft. Gemäß § 70 leg.cit. sind die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren, ausgenommen jene nach § 33 und § 35 NÖ BauO 1996 nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen.

Gemäß § 2 Abs. 1 NÖ BauO 1996 ist Baubehörde erster Instanz, soweit es sich nicht um eine Stadt mit eigenem Statut handelt, der Bürgermeister. Nach § 3 Abs. 1 NÖ BauO 1996 fallen Aufgaben, die nach diesem Gesetz von den Gemeinden zu besorgen sind, in den eigenen Wirkungsbereich. Nach § 32 Abs. 4 NÖ GemeindeO kann aber auf Antrag einer Gemeinde die Besorgung einzelner Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches aus dem Bereich der Landesvollziehung durch Verordnung der Landesregierung auf eine staatliche Behörde übertragen werden. Dies erfolgte für Angelegenheiten der örtlichen Baupolizei bei gewerblichen Betriebsanlagen, die einer Genehmigung durch die Gewerbebehörde bedürfen, für die Markgemeinde *** mit der NÖ Bau-Übertragungsverordnung beginnend mit 1. August 1997 bis dato.

Zu prüfen ist daher, ob das beantragte Projekt eine gewerbliche Betriebsanlage in diesem Sinn darstellt. Mit Blick auf das obzitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, das das Landesverwaltungsgericht im nunmehrigen Verfahren bindet (§ 63 Abs. 1 VwGG), ist diese Frage zu bejahen. Konkret ist diesem Erkenntnis zufolge bezogen auf das verfahrensgegenständliche Projekt davon auszugehen, dass dieses dem Erscheinungsbild eines Betriebes entspricht, wie er in Ansehung der jeweils in Frage stehenden Tätigkeit von einem Gewerbetreibenden losgelöst von der Land- und Forstwirtschaft geführt wird. Die einzelnen, vom Projekt umfassten, dem Zweck des Betriebs gewidmeten und in einem örtlichen Zusammenhang stehenden Einrichtungen bilden in ihrer Gesamtheit eine gewerbliche Betriebsanlage im Sinn des § 74 Abs. 1 GewO 1994 (vgl. VwGH 12.4.2018, Ra 2018/04/0092). Im Hinblick darauf, dass die Anlage (abstrakt) geeignet ist die im § 74 Abs. 2 GewO 1994 genannten Schutzgüter zu beeinträchtigen, bedarf diese auch einer gewerbebehördlichen Genehmigung, sodass von einer sachlichen Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn und damit einer Unzuständigkeit des Bürgermeisters bzw. des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** auszugehen war (VwGH 3.7.2007, 2005/05/0253). Die Zurückweisung des Antrages erweist sich daher als rechtens, sodass der Beschwerde kein Erfolg beschieden war.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil die Entscheidung auf der obzitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung basiert und namentlich in Umsetzung des Erkenntnisses des VwGH vom 28. Mai 2019, Ra 2017/05/0040-12, erfolgt (§ 63 Abs. 1 VwGG).

Schlagworte

Bau- und Raumordnungsrecht; gewerbliche Betriebsanlage; landwirtschaftliches Nebengewerbe; Verfahrensrecht; Zuständigkeit; Tierhaltung;

Anmerkung

VwGH 25.09.2019, Ra 2019/05/0227 und 0228-4, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.16.003.2017

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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