TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/9 W168 2179251-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.10.2018
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Entscheidungsdatum

09.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W168 2179251-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.11.2017, Zahl 1096378704/151848922/BMI-BFA_BGLD_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.04.2018, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005,§ 9 BFA-VG, und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 23.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016BF.

2. Bei der mit einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung des Beschwerdeführers führte dieser zu seinem Fluchtgrund befragt zusammenfassend aus, dass er als Taxifahrer gearbeitet habe und ein Mann namens " XXXX " ihm Bücher mit dem Auftrag überreicht habe, diese an Studenten zu verteilen und dafür als Gegenleistung 100 Dollar bekommen habe. Da viele diese Bücher gelesen und das Christentum als ihre Religion angenommen hätten, sei der BF von den Dorfbewohnern mit dem Tod bedroht worden und sein Vater habe deshalb beschlossen, dass er ausreisen müsse.

3. Am 28.04.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA" genannt), im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Dabei führte er zusammenfassend aus, dass er verheiratet sei und drei Kinder habe, die in Jagori, Afghanistan leben würden. Zudem habe er sieben Geschwister und Eltern sowie Schwiegereltern, die ebenfalls alle in Afghanistan wohnhaft seien. Seine Schwiegereltern würden von der Landwirtschaft leben und sein Schwager sei als Richter tätig. Er habe zu seiner Kernfamilie keinen Kontakt mehr, da ihm seine Schwiegereltern den Kontakt verbieten würden. Befragt zu den Gründen für das Verlassen Afghanistans führte der Beschwerdeführer aus, dass er eines Tages einen Mann namens " XXXX " kennengelernt habe, der ihn dazu angeleitet habe, Bücher zu verteilen. Der BF habe nicht gewusst, um welche Bücher es sich handle, die Dorfbewohner hätten ihm jedoch erklärt, dass er diese religiösen Bücher entgegen ihres Glaubens verteilt habe. Sein Schwiegervater sei Priester und habe der Ehefrau und den Kindern des BF daraufhin den Umgang mit ihm verboten. Er verstehe sich gut mit seiner eigenen Familie, seit dem Verkauf der religiösen Bücher habe er mit seinen Schwiegereltern jedoch keinen Kontakt mehr. Weiters führte der BF aus, dass er schiitischer Moslem sei. Er habe nie im Bürgerkrieg seines Landes aktiv gekämpft, sei kein Mitglied einer politischen Organisation und sei nie von einem Gericht zu einer Strafe verurteilt worden. Er sei strenggläubig und bete vier Mal am Tag in einer Moschee. Der BF habe im Herkunftsstaat ein Jahr als Taxifahrer gearbeitet und sei anschließend als Tischler tätig gewesen. Im Herkunftsstaat habe er sechs Jahre lang die Grundschule besucht. Die Ausreise habe ca. 2500 US-Dollar gekostet und er habe dieses Geld durch den Verkauf seines Autos aufgebracht. Auf Vorhalt, dass er im Rahmen der Erstbefragung angegeben habe, keine Schulbildung zu haben, erwiderte der BF, dass er bereits gesagt habe, zur Schule gegangen zu sein. Er könne eine Geburtsurkunde und eine Asylkarte vorlegen.

Zum Fluchtgrund befragt, erwiderte der BF, dass er als Taxilenker gearbeitet habe und seine Passagiere von Jaghori nach Kabul gebracht habe. Er habe in Kabul einen Mann namens XXXX kennengelernt, den er bereits vom Fußball gekannt habe und ihm den Auftrag erteilt habe, Bücher für die Summe von 100 Dollar an eine Schule zu liefern. Der BF habe das Angebot angenommen und nach einem Jahr von einem Freund einen Anruf erhalten, dass er von der Polizei gesucht werde. Er sei daraufhin zu seinem Onkel gefahren, wo er ebenfalls erfahren habe, dass nach ihm gefahndet werde. Seine Schwester sei ihm entgegengekommen und habe ihn darüber informiert, dass Polizisten bereits das Elternhaus aufgesucht hätten. Am nächsten Tag habe der BF XXXX angerufen und ihn in Kabul gefragt, welche Bücher er bereits über ein Jahr verteilt habe, woraufhin er ihm die christliche Literatur gezeigt habe. Der BF habe ihm daraufhin erwidert, dass er bei Kenntnis des Inhalts der Lieferungen diese Bücher nie verteilt hätte. Sein Vater habe ihn in weiterer Folge angerufen und dazu geraten, den Dorfältesten aufzusuchen, der ihm einen Aufenthalt in Kabul empfohlen habe. Nach einem zweiwöchigen Aufenthalt in Kabul habe ihn sein Schwiegervater kontaktiert und dem BF jeglichen Kontakt zu seiner Ehefrau und seinen Kindern untersagt. Sein Schwager habe ihn ebenfalls angerufen und angedroht, dass sein Vergehen bestraft werden müsse. Ein Hotelmitarbeiter habe ihn kurze Zeit später darüber aufgeklärt, dass sich zwei Männer über den Verbleib des BF erkundigt hätten, woraufhin der BF das Hotel gewechselt habe und seine Mutter habe ihm im Zuge eines Telefongesprächs dazu geraten, sich nach Pakistan oder in den Iran zu begeben. In Iran habe er in weiterer Folge bei seinem Bruder gelebt, da er von seinen im Iran lebenden Schwagern jedoch bedroht worden sei, habe er dieses Land ebenfalls verlassen und sei nach Europa weitergereist. Auf die Frage, wie oft er von Jaghori nach Kabul gefahren sei, erwiderte der BF, dass dies zwei oder drei Mal in der Woche gewesen sei und man ca. fünf Autostunden für die Strecke benötige. Zum Vorhalt, weshalb er die Lieferungen nicht geöffnet habe, obwohl es möglich sein hätte können, dass sich darin Sprengstoff befinde, erwiderte der BF, dass sein Freund XXXX ihm den Inhalt der Schachteln zum ersten Mal gezeigt habe. Der BF habe erst nach Auftreten der Probleme die Aufschrift der Bücher gelesen, könne sich jedoch nicht erklären, weshalb er dies nicht bereits vorher getan habe. Die Literatur habe er jedenfalls Schülern überreicht und deswegen auch nie Probleme mit Lehrern oder Eltern der Schüler bekommen. Er könne bezüglich seiner Tätigkeit als Lieferant von Büchern keine Beweismittel vorlegen und wisse nichts über den Verbleib von XXXX . Er sei jedenfalls Christ und müsse in Afghanistan daher mit einer Verfolgung rechnen. Befragt, wieso er nicht in einen anderen Landesteil Afghanistan gezogen sei, erklärte der BF, dass sein Schwager als Richter arbeite und ihn überall in Afghanistan finden könnte. Auf Vorhalt, dass es unplausibel sei, dass seine gesamte Familie unter den von ihn genannten Umständen weiterhin im Herkunftsstaat lebe, erwiderte der BF, dass sich seine Schwiegereltern um seine Ehefrau und seine Kinder kümmern würden und sein Schwiegervater die Scheidung seiner Tochter vom BF fordere. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde ihm eine Strafe von Seiten der Regierung und der Dorfbewohner drohen. Sein Schwiegervater würde den BF umbringen.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass er dreimal die Woche einen Deutschkurs besucht habe und in einem Verein Fußball spiele. Er sei nicht berufstätig und lebe von der Grundversorgung.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden vom BF mehrere Dokumente in Originalsprache, darunter eine Geburtsurkunde von dem BF selbst, seiner Ehefrau und seiner Tochter, eine Teilnahmebestätigung vom 27.04.2017 sowie zwei Empfehlungsschreiben vorgelegt.

4. In einer Stellungnahme vom 19.05.2017 wurde vom bevollmächtigten Vertreter des BF ausgeführt, dass die Länderinformationen zu wenige Informationen zu Problemkreisen enthalten würden, deren Kenntnis zur rechtsrichtigen Beurteilung der Situation des BF unbedingt notwendig wäre. Angesichts der aktuellen Sicherheitslage in der Provinz Ghazni werde festgestellt, dass es sich bei dieser um eine der volatilen Provinzen mit äußerst prekärer Sicherheitslage handle. Wie der BF bereits ausgesagt habe, habe er wegen seiner Handlungen große Probleme mit seiner Familie bekommen, insbesondere mit seinem Schwiegervater und seinem Schwager, der Richter sei. Dem BF würden seine Transporte christlicher Literatur von seiner Familie bzw. in weiterer Folge von seinem gesamten Umfeld als schweres Vergehen gegen die Religion, die Tradition und die Familienehre angelastet, was sowohl als asylrelevante Verfolgung aus religiösen wie auch politischen Gründen darstellen könne. Wenn das BFA die Vorlage weiterer Beweismittel für "durchaus machbar" ansehe, möge konkret mitgeteilt werden, welcher Art derartige Beweise sein sollten, da es außerhalb jeder Lebenserfahrung liege, dass Konflikte innerhalb von Familien, zumal in Afghanistan, mittels Briefverkehr ausgetragen werden würden. Der Stellungnahme wurden drei Fotos angeschlossen, die den BF im Rahmen seiner Arbeitstätigkeit als Tischler darstellen würden.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. (Spruchpunkt III.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Zusammenfassend führte das BFA aus, dass die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz damit im Wesentlichen zu begründen sei, dass die Konsistenz des Vorbringens nicht gegeben gewesen sei, weil dieses widersprüchlich, nicht nachvollziehbar, nicht plausibel, vage und nicht substantiiert sei und in wesentlichen Teilen den herangezogenen Länderfeststellungen widerspreche. Der BF habe bei der Erstbefragung angegeben, dass er als Taxilenker gearbeitet habe und ihm eine Person namens " XXXX " Bücher gegeben habe, welche er an Studenten austeilen habe müssen und dafür 100 Dollar bekommen habe. Er habe sein Vorbringen in der Einvernahme vor dem BFA gesteigert und zusätzlich erklärt, dass er den Mann " XXXX " vom Fußballspielen gekannt habe. In diesem Zusammenhang wäre erwähnenswert, warum gerade der BF auserwählt worden sei, christliche Bücher zu verteilen. Die Frage, ob er die auszuliefernden Schachteln jemals geöffnet habe, sei vom BF zuerst zwar verneint worden, auf Nachfrage, dass sich in diesen Schachteln jedoch Sprengstoff oder Drogen befinden hätten können, habe der BF entgegnet, dass " XXXX " zum ersten Mal die Schachteln geöffnet und ihm gezeigt habe, dass sich darin Bücher befinden würden, woraufhin ersichtlich gewesen sei, dass die getätigten Aussagen des BF nicht zusammenpassen würden. Der BF habe sich widersprochen, indem er einerseits gesagt habe, dass er ein Jahr lang Bücher ausgeliefert habe und dann plötzlich Probleme bekommen habe. Solch derartige Aussagen könne die Behörde nur als unwahr bezeichnen, da in einem muslimischen Land der Verkauf von christlichen Büchern strengstens untersagt sei und im Falle dessen, ihm bewusst gewesen sein müsste, dass es strafbar sei und schon viel früher aufgedeckt worden wäre, wenn er tatsächlich christliche Bücher verkauft hätte. Soweit feststellbar, sei nicht nachvollziehbar, dass der BF nicht nachgeschaut habe, welche Bücher sich in diesen Schachteln befunden hätten. Völlig unglaubwürdig sei, dass der BF nicht gewusst habe, dass es sich um christliche Bücher handle, denn die problemlose Verteilung christlicher Bücher über ein Jahr sei für afghanische Verhältnisse unrealistisch. Zudem sei in keinster Weise nachvollziehbar, dass der Schwiegervater des BF zwar ein Imam sei, ihm jedoch erst nach einem Jahr aufgefallen sei, dass der BF christliche Bücher verteile. In Afghanistan gebe es ein Dorfgericht, das feststellen könnte, dass er angeblich selbst hinters Licht geführt worden sei und selbst nicht konvertiert sei, was nach islamischem Recht gültig sei. Zur Person " XXXX " habe der BF vorgebracht, dass er Christ sei und sich daher erst einmal sich selbst Sorgen um sein Leib und Leben machen müsste, anstatt andere Leute anzusprechen, um gegen Bargeld christliche Bücher zu verteilen. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass dem Vorbringen des BF keine besonderen Umstände entnommen werden habe können, nachvollziehbare Gründe und den Bedenken des BF habe nicht Rechnung getragen werden können. Die erkennende Behörde sehe in dem vom BF geschilderten Sachverhalt keinen in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Grund verwirklicht. Der BF habe ausschließlich eine gegen ihn erstattete Verwarnung für seine Ausreise ins Treffen geführt, eine darüber hinausgehende Gefährdungslage im Heimatland sei vom BF nicht vorgebracht worden und sei auch aus den Länderfeststellungen nicht ersichtlich. Weiters sei jedenfalls davon auszugehen, dass der BF als afghanischer Staatsangehöriger die Möglichkeit habe, im Falle einer Rückkehr seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Auch aus den Länderfeststellungen gehe hervor, dass in seinem Heimatland entsprechende Möglichkeiten der Existenzsicherung bestehen würden. Zudem verfüge der BF über familiäre Anknüpfungspunkte, seine Eltern und Geschwister würden in Afghanistan leben, wodurch eine Unterstützung unmittelbar nach der Rückkehr und in Zeiten der allfälligen Erwerbslosigkeit gegeben wäre, sodass er keiner existentiellen Notlage ausgesetzt wäre, die einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe. Aus der allgemeinen Lage in seinem Heimatland allein habe sich keine Gefährdung ergeben. Es sei demnach auch kein Abschiebungshindernis im Sinne des § 8 AsylG ersichtlich gewesen. Ebenso wenig hätten sich in seiner Person selbst gelegene Gründe, wie etwa eine lebensbedrohende Krankheit, ergeben. Der BF habe in Österreich keine Verwandten und es liege kein schützenswertes Familienleben vor. Es seien im Verfahren keine Ansatzpunkte hervorgetreten, welche die Vermutung einer besonderen Integration seiner Person in Österreich rechtfertigen würden, er spreche nicht Deutsch und verfüge über keine privaten Kontakte, die ihn an Österreich binden könnten. Auch sein erst sehr kurzer Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet spreche gegen das Vorliegen besonderer privater Bindungen bzw. von Integration in Österreich. Der BF habe aufgrund der Kürze seines Aufenthaltes in Österreich noch keine Kontakte knüpfen können. Es sei davon auszugehen, dass aufgrund seiner kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich und mangels Vorliegen sonstiger Anknüpfungspunkte ein schützenswertes Privatleben nicht entstanden sei. Der BF verfüge weder über familiäre Anknüpfungspunkte noch über nennenswerte private oder soziale Kontakte beziehungsweise Anbindungen in Österreich. Seine gesamte Familie lebe in Afghanistan. Der BF habe den überwiegenden Teil seines Lebens in Afghanistan verbracht, habe dort seinen eigenen Angaben zufolge die Schule besucht und sei dort sozialisiert worden. Er gehöre der Volksgruppe der Hazara an und spreche die dortige Sprache auf muttersprachlichem Niveau. Weiters lebe seine Familie in Afghanistan, es sei ebenso davon auszugehen, dass in Afghanistan Bezugspersonen im Sinne eines Bekannten-und/oder Freundeskreises existieren würden. Es deute nichts darauf hin, dass es ihm im Falle seiner Rückkehr nicht möglich wäre, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Somit ergebe sich bei der Abwägung seiner privaten zu den öffentlichen Interessen, dass das Interesse der Öffentlichkeit an einem geordneten Fremdenwesen, gegen das er zudem mit einer illegalen Einreise verstoßen habe, gegenüber den Interessen an einem Verbleib in Österreich überwiege. Der BF weise daher kein besonders schützenswertes Privatleben im Sinne von Art. 8 EMRK in Österreich auf. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG sei daher nicht in Betracht gekommen. Daher sei die Rückkehrentscheidung nach §9 Abs. 1 -3 BFA - VG zulässig. Eine Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 AsylG habe das Bundesamt gemäß § 58 Abs. 3 AsylG im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

6. Gegen den oben genannten Bescheid richtet sich die erhobene Beschwerde, welche fristgerecht beim BFA einlangte. In dieser wird zusammenfassend insbesondere ausgeführt, dass das Bundesamt lapidar behaupte, der BF hätte seine Befürchtungen nicht glaubhaft gemacht, in der Beweiswürdigung sei aber nicht nachvollziehbar artikuliert, warum das Bundesamt an seinen Ausführungen zweifle. Durch die derartige Vorgehensweise des Bundesamtes, dem BG schon von vornherein die Glaubwürdigkeit abzusprechen, entstehe der Eindruck, dass sein Fall nicht objektiv beurteilt worden sei, sondern das BFA in der Beweiswürdigung lediglich seine bereits vorgefasste Meinung ausgeführt habe. Dass der BF keine ausreichenden Details über die fluchtauslösenden Vorfälle machen hätte können, sei aktenwidrig. Die Angaben des BF würden genau dem entsprechen, was von jemandem in solcher Situation zu erwarten sei. Zur Asylrelevanz der Verfolgung des BF sei festzustellen, dass nach ständiger Judikatur auch einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung Asylrelevanz zukommen könne, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage sei, diese Verfolgungshandlungen zu unterbinden. Auch wenn kein Staat jeden Übergriff Dritter verhindern könne, sei die Frage zu beantworten, ob im Fall des BF eine Verfolgung entsprechender Intensität aufgrund von Konventionsgründen durch Dritte mit ausreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei. Dies treffe auf den BF zu, da die heimatlichen Behörden ihm gegenüber jedenfalls schutzunfähig seien, möglicherweise auch schutzunwillig. Dies sei jedoch der Behörde keiner erkennbaren Beurteilung unterzogen. Auch die weiteren Ausführungen des Bundesamtes in der Beweiswürdigung seien nicht nachvollziehbar. Der BF wäre aufgrund seines langjährigen Auslandsaufenthaltes in intensiver Gefahr als "verwestlicht" anzusehen. Jedenfalls wäre der Behörde offen gestanden, Recherchen im Heimatland des BF zu seinen Fluchtgründen anzustellen, wenn seine Aussagen bezweifelt werden würden. Die pauschale Behauptung, eine Überprüfung lohne sich nicht, könne dem Ermittlungsauftrag der Behörde jedenfalls nicht hinreichend entsprechen. Auch wenn im Fall des BF aus genannten Gründen dringlich um die Zuerkennung von Flüchtlingseigenschaft ersucht werde, sei zur allfälligen Gewährung subsidiären Schutzes noch festzustellen, dass auch die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan eine Rückkehr nicht zulasse. Es sei nicht nachvollziehbar, die Sicherheitslage unter Verweis auf obsolete Dokumente zu beschönigen, um nicht auf die offenkundige Gefährdung des BF im Falle einer Abschiebung eingehen zu müssen. Auch hinsichtlich des Privat-und Familienlebens des BF sei eine nur unzureichende Behandlung mit seinem Vorbringen erfolgt. Der bloße Verweis des BFA auf die Aufenthaltsdauer könne die Integration des BF in Österreich nicht entkräften und könne jedenfalls alleine kein überzeugender Grund für eine Ablehnung der Schützenswürdigkeit des Privat-und Familienlebens sein. Der BF habe sich in der Zeit seines Aufenthaltes in Österreich intensiv um eine Integration bemüht, die deutsche Sprache bereits in beeindruckendem Ausmaß erlernt und soziale Kontakte geknüpft, die ihm bei seiner weiteren Integration sehr behilflich sein werden würde. Auch sei er ebenso arbeitsfähig wie arbeitswillig und unbescholten und er wäre im Falle der Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung keinesfalls eine Belastung für die Gebietskörperschaft. Zusammenfassend werde festgestellt, dass es dem Bundesamt aus den oben genannten Gründen in keiner nachvollziehbaren Weise gelungen sei, die Glaubwürdigkeit des BF und der Asylrelevanz seiner Fluchtgründe zu widerlegen, dies sei im Wesentlichen nicht einmal versucht worden. Auf die Fluchtgründe des BF sei in der Beweiswürdigung nicht substantiell eingegangen worden, wodurch dem angefochtenen Bescheid ein massiver Begründungsmangel anhafte. Es stelle eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar, dass die Behörde es verabsäumt habe, sich mit der konkreten Situation des BF und der aktuellen Situation in Afghanistan auseinanderzusetzen.

7. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 29.11.2017, am 11.12.2017 beim BVwG eingelangt, vom BFA vorgelegt.

8. In einer Stellungnahme vom 18.04.2018 wurde vom bevollmächtigten Vertreter des BF ausgeführt, dass eine Asylrelevanz in den Befürchtungen des BF in mehrfacher Hinsicht vorliege, da die Verfolgung des BF einerseits aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe bzw. andererseits aus politischen Gründen aufgrund der Verfolgung durch Taliban Terroristen resultiere. Andererseits bestehe eine Verfolgung des BF aufgrund seiner westlichen Ausrichtung auch in religiösen Gründen, die der konservativ-islamischen Gesellschaftsordnung in Afghanistan widerspreche. Bezüglich der Bedrohungssituation wurde auf UNHCR Richtlinien verwiesen. Außerdem verfüge der BF über keinerlei adäquates soziales oder familiäres Auffangnetz in seiner Heimat mehr. Er stamme aus einer ausgesprochen gefährlichen Provinz und habe keinen familiären Rückhalt mehr. Er sei aus seiner Heimat entwurzelt und im Falle seiner Rückkehr wäre davon auszugehen, dass er in eine ausweglose Lage geraten würde. Für den Fall einer Abschiebung des BF bestehe daher die reale Gefahr menschenrechtswidriger Behandlung aufgrund der ausgesprochenen schlechten Lage in Afghanistan, insbesondere in seiner Heimatgegend.

9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 19.04.2018 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Farsi und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen persönlichen Umständen und seinen Fluchtgründen befragt wurde.

Insbesondere wurde der Beschwerdeführer hierbei umfassend betreffend die Gründe für die Erhebung der Beschwerde sowie zu dem genauen Ablauf und einzelnen Details der bereits bei der ersten Instanz angeführten Fluchterzählung befragt.

Zu seinem Fluchtgrund befragt führte der BF bei der Verhandlung vor dem BVwG zusammenfassend aus, dass er von seiner eigenen Familie bedroht werde. Es habe einen Mann namens " XXXX " gegeben, der zum Christentum übergetreten sei und ihm Fotos von Büchern gezeigt habe, die der BF bereits gelesen habe. Der BF habe die christlichen Bücher in Schulen gebracht und dort weitergegeben. Dem BF sei bewusst gewesen, dass die Literatur, die ihm von einem Mann namens " XXXX " überreicht worden sei, gefährlich werden könnte. Eines Tages sei er bei einem Freund eingeladen worden und habe einen Anruf bekommen, wonach die Polizei ihn aufsuchen würde. Am Heimweg sei ihm daraufhin seine Cousine begegnet, die ihn darüber informiert habe, dass die Polizei bereits vor seinem Haus auf ihn warte. Daraufhin sei er zu einem Bazar gefahren und habe einen Anruf von seiner Mutter erhalten, die ihn darüber aufgeklärt habe, dass die Polizei alles, einschließlich das Auto untersucht habe. Anschließend habe sie ihm erklärt, dass er nicht nach Hause zurückkehren dürfe, weshalb er daraufhin drei Nächte in einem Hotel namens " XXXX " in Kabul verbracht habe. Ein Mitarbeiter habe ihm eines Abends darüber informiert, dass sein Schwager drei Leute zum Hotel geschickt habe, die ihn suchen würden, weshalb man ihm die Fortsetzung seiner Flucht angeraten habe. In weiterer Folge habe sich der BF in ein Hotel namens "Azadi" begeben und dort eineinhalb Wochen aufgehalten. Im Zuge eines Telefonanrufes habe der BF in Erfahrung gebracht, dass ein Mann nach wie vor nach ihm suche und die Mutter des BF habe ihm daher empfohlen, sein Auto zu verkaufen und nach Pakistan zu gehen. Nach einem Gespräch mit XXXX , habe der BF sein Auto verkauft und sei nach Kandarhar sowie in weiterer Folge nach Quetta gefahren. In einem Telefongespräch habe der BF seiner Mutter erklärt, zu seinem Bruder in den Iran weiterzureisen. Nach etwa einem Monat hätten zwei Schwager telefonisch versucht, ihn zur Rückkehr nach Afghanistan zu bewegen und ihn bei Weigerung auch im Iran anzeigen würden, weshalb er sich zur Flucht nach Europa entschieden habe. Befragt, ab welchem Zeitpunkt der BF über den Inhalt der Bücher erfahren habe, entgegnete der BF, dass XXXX ihm Fotos gezeigt habe und erklärt habe, auch zum christlichen Glauben übergetreten zu sein. Vor der Fahndung seitens der Polizei habe er den BF auch vor einer drohenden Gefährdung gewarnt. Der BF sei jedenfalls über die auszuliefernde Literatur informiert gewesen und habe eines der Bücher auch gelesen, eine Konversion der Leser aufgrund der darin geschilderten Handlung sei ihm jedoch nicht bewusst gewesen. Den genauen Inhalt der Bücher vermochte der BF jedoch nicht wiederzugeben. In jedem Karton seien etwa 20-30 Bücher gewesen und die Pakete seien mit Klebeband verschlossen gewesen, der BF habe diese jedoch dennoch geöffnet. Die Lieferungen an diverse Schulen hätten insgesamt über einen Zeitraum von acht Monaten bis zu einem Jahr stattgefunden und der BF habe pro Lieferung etwa 100 US-Dollar erhalten. Auf Vorhalt, dass bei diesem Gehalt die Lieferungen jeder selbst ausführen würde, wenn sie ungefährlich wären, erwiderte der BF, dass er darüber nicht nachgedacht habe und darin nur eine mögliche Einkommensquelle gesehen habe. Erst zu dem Zeitpunkt, als XXXX ihn über die Lieferungen aufgeklärt habe, habe er erkannt, dass die Aufträge heikel sein müssten. Er habe die Bücher nur auszugsweise gelesen und auch nicht alles davon verstanden, da es sich für ihn nur um ein einfaches Geschäft gehandelt habe. Auf die Nachfrage, ob er aus Geschäftsgründen auch Drogen oder Sprengstoff transportieren würde, erwiderte der BF, dass er dies nicht tun würde, aber die Bücher deshalb transportiert habe, um in Einklang mit seinem Propheten zu handeln. Zum weiteren Vorhalt, dass er in der ersten Instanz wiederholt ausgeführt worden sei, dass dem BF über den Inhalt der Bücher nichts bekannt gewesen sei, erklärte der BF, dass dies nicht stimme und er in seiner Einvernahme ebenfalls gesagt habe, dass er einen Teil des Buches gelesen habe. Er habe den Inhalt der Kartons immer überprüft, diese zu drei näher bezeichneten Schulen geliefert und die Bücher dort verteilt. Eine Konversation mit jenen Leuten, welche die Literatur mitgenommen hätten, habe der BF jedoch nicht geführt, da er die Bücher meistens nur anderen Männern zum Zweck der Verteilung weitergereicht habe. Auf Nachfrage, weshalb der Auftraggeber die Lieferung und Verteilung der Bücher nicht selbst vorgenommen habe, konnte der BF keine konkrete Antwort geben. Er wisse nicht, weshalb gerade er die Lieferungen durchgeführt habe und könne nicht sagen, wo sich sein Auftraggeber derzeit befinde. Damals habe dieser Mann jedenfalls sowohl in Kabul als auch in Jaghori ein Haus gehabt. Auf Nachfrage, weshalb die Bücher nicht gleich in Kabul gedruckt worden seien und sie der BF nach Jaghori liefern habe müssen, erwiderte der BF, dass diese in Jaghori gedruckt worden seien und nach Kabul geliefert worden seien. Sein Schwager sei Oberstaatsanwalt in Mazar-e-Sharif und der BF sei vor Aufklärung der Vorwürfe aus Afghanistan ausgereist, da er seinen guten Ruf bereits verloren habe. In einem anderen Landesteil Afghanistans hätte den BF zwar niemand gekannt, sein Schwager sei jedoch eine wichtige Persönlichkeit und hätte ihn überall in Gefahr gebracht. Befragt, ob es in Afghanistan einen Haftbefehl gegen ihn gebe, entgegnete der BF, dass es auch einen Zeitungsartikel über ihn gebe, er konnte jedoch weder den Namen der Zeitung nennen noch erklären, weshalb man über ihn einen Artikel verfassen sollte. Er könne jedenfalls keine Beweismittel zu seiner Fluchtgeschichte vorlegen. Die Telefonnummer seiner in Afghanistan wohnhaften Familie funktioniere jedenfalls nicht mehr.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, führte der BF aus, zwei bis drei Mal in der Woche bei der Grünanlagenpflege zu helfen und zudem vom Staat unterstützt zu werden. Er spiele Fußball in einem Verein und habe bereits mehrere soziale Kontakte in Österreich.

Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Verhandlung nicht teil; die Verhandlungsschrift wurde der Erstbehörde übermittelt.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden vom BF drei Empfehlungsschreiben sowie Teilnahmebestätigungen über Kurse als Kopien zum Akt genommen.

10. In einer neuerlichen Stellungnahme des bevollmächtigten Vertreters des BF vom 19.05.2018 wurde ausgeführt, dass die Länderinformationen sehr allgemein gehalten seien und wenige Informationen zu Problemkreisen enthalten würden, deren Kenntnis zur rechtsrichtigen Beurteilung der Situation des BF unbedingt notwendig wäre. Angesichts der aktuellen Sicherheitslage in der Provinz Ghazni werde festgestellt, dass es sich bei dieser um eine der volatilen Provinzen mit äußerst prekärer Sicherheitslage handle. Es sei auf die Länderinformationen zu verweisen, die zudem ein düsteres Bild hinsichtlich einer freien Religionsausübung zeichne. Es sei mit harten Strafen, bis zur Todesstrafe sowie mit der Abkehr vom Islam nach islamischem Recht zu rechnen, wobei insbesondere die Missionierung unter Moslems als besonders verwerflich betrachtet und entsprechend geahndet werde. Dem BF würden seine Transporte christlicher Literatur von seiner Familie bzw. seinem gesamten Umfeld als schweres Vergehen gegen die Religion, die Tradition und die Familienehre angelastet werden, was sowohl eine asylrelevante Verfolgung aus religiösen wie auch politischen Gründen darstellen könne. Dass der afghanische Staat den BF bei der derzeitigen Lage nicht schützen könne, könne ebenfalls als notorische Tatsache vorausgesetzt werden, weshalb eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht in Betracht komme. Aufgrund der verstärkt instabilen Sicherheitslage, dem mangelnden effektiven nationalen Schutz, der politischen Unsicherheit und der höchst prekären Versorgungslage könne eine Rückkehr nach Afghanistan somit nicht zugemutet werden. Wenn die Behörde dem BF mittels Verfahrensanordnung auftrage, klare Beweise für seine Identität und Herkunft vorzulegen, sei darauf hinzuweisen, dass Asylwerber nach einhelliger Rechtsprechung ihre Angaben nicht beweisen, sondern lediglich glaubhaft machen müssten. Wenn die Behörde also klare Beweise fordere, überdehne sie das vorgesehene Beweismaß deutlich.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, schiitischer Moslem und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprache Farsi. Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan aufgewachsen und hat dort bereits als Taxifahrer und als Tischler gearbeitet. Die Ehefrau, die Kinder, sowie die Schwiegereltern des BF sind nach dessen Angaben in der Provinz Ghazni wohnhaft. Die Eltern des BF leben in Pakistan, ein Bruder des BF wohnt im Iran. Mit seinen in Afghanistan wohnhaften Familienangehörigen steht der Beschwerdeführer nicht mehr in Kontakt.

Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen gesunden Mann im arbeitsfähigen Alter. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schweren körperlichen oder psychischen Erkrankungen.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Beschwerdegründen:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Afghanistan aufgrund einer asylrelevanten glaubwürdigen unmittelbaren Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen hat.

Nicht festgestellt werden kann, dass dem Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Schiiten oder zur Volksgruppe der Hazara Verfolgung in Afghanistan droht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Niederlassung in einer der größeren Städte von Afghanistan wie Masar -e Sharif, Herat oder auch Kabul besteht für den Beschwerdeführer als arbeitsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine berücksichtigungswürdige Bedrohungssituation, bzw. läuft dieser dort auch nicht in Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Der strafrechtlich unbescholtene Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung durchgehend ausschließlich nur auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts während des Asylverfahrens rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Der Beschwerdeführer hat an mehreren Kursen, insbesondere Deutschkursen teilgenommen und hat die Deutschprüfung A1 absolviert. Er verfügt in Österreich über keine Verwandten, hat keine sonstigen engen familienähnlichen Bindungen zu sich in Österreich aufhältigen Personen, bzw. ist das Vorliegen eines besonders zu berücksichtigenden Nahe - bzw. Abhängigkeitsverhältnisses zu Personen im Bundesgebiet nicht dargelegt worden. Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Das Vorliegen einer insgesamt besonders berücksichtigungswürdigen Integration in Österreich kann in casu nicht festgestellt werden.

Das Bestehen von besonderen Gründen die für ein Verbleiben der beschwerdeführenden Partei im Bundesgebiet sprechen sind dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

1.3. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

(gekürzt und zusammengefasst durch das BVwG)

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil; die Regierung und die Taliban wechselten sich während des Berichtszeitraumes bei Kontrolle mehrerer Distriktzentren ab - auf beiden Seiten waren Opfer zu beklagen (UN GASC 21.9.2017). Der Konflikt in Afghanistan ist gekennzeichnet von zermürbenden Guerilla-Angriffen, sporadischen bewaffneten Zusammenstößen und gelegentlichen Versuchen Ballungszentren zu überrennen. Mehrere Provinzhauptstädte sind nach wie vor in der Hand der Regierung; dies aber auch nur aufgrund der Unterstützung durch US-amerikanische Luftangriffe. Dennoch gelingt es den Regierungskräften kleine Erfolge zu verbuchen, indem sie mit unkonventionellen Methoden zurückschlagen (The Guardian 3.8.2017).

Der afghanische Präsident Ghani hat mehrere Schritte unternommen, um die herausfordernde Sicherheitssituation in den Griff zu bekommen. So hielt er sein Versprechen den Sicherheitssektor zu reformieren, indem er korrupte oder inkompetente Minister im Innen- und Verteidigungsministerium feuerte, bzw. diese selbst zurücktraten; die afghanische Regierung begann den strategischen 4-Jahres Sicherheitsplan für die ANDSF umzusetzen (dabei sollen die Fähigkeiten der ANDSF gesteigert werden, größere Bevölkerungszentren zu halten); im Rahmen des Sicherheitsplanes sollen Anreize geschaffen werden, um die Taliban mit der afghanischen Regierung zu versöhnen; Präsident Ghani bewilligte die Erweiterung bilateraler Beziehungen zu Pakistan, so werden unter anderen gemeinsamen Anti-Terror Operationen durchgeführt werden (SIGAR 31.7.2017).

Zwar endete die Kampfmission der US-Amerikaner gegen die Taliban bereits im Jahr 2014, dennoch werden, laut US-amerikanischem Verteidigungsminister, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage 3.000 weitere Soldaten nach Afghanistan geschickt. Nach wie vor sind über 8.000 US-amerikanische Spezialkräfte in Afghanistan, um die afghanischen Truppen zu unterstützen (BBC 18.9.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

In den ersten acht Monaten wurden insgesamt 16.290 sicherheitsrelevante Vorfälle von den Vereinten Nationen (UN) registriert; in ihrem Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) für das dritte Quartal, wurden 5.532 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. Laut UN haben sich bewaffnete Zusammenstöße um 5%

erhöht und machen nach wie vor 64% aller registrierten Vorfälle aus. 2017 gab es wieder mehr lange bewaffnete Zusammenstöße zwischen Regierung und regierungsfeindlichen Gruppierungen. Im Gegensatz zum Vergleichszeitraums des Jahres 2016, verzeichnen die UN einen Rückgang von 3% bei Anschlägen mit Sprengfallen [IEDs - improvised explosive device], Selbstmordangriffen, Ermordungen und Entführungen - nichtsdestotrotz waren sie Hauptursache für zivile Opfer. Die östliche Region verzeichnete die höchste Anzahl von Vorfällen, gefolgt von der südlichen Region (UN GASC 21.9.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan von 1.1.-31.8.2017 19.636 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (Stand: 31.8.2017) (INSO o.D.).

(Grafik: Staatendokumentation gemäß Daten aus INSO o.D.)

Zivilist/innen

Landesweit war der bewaffnete Konflikt weiterhin Ursache für Verluste in der afghanischen Zivilbevölkerung. Zwischen dem 1.1. und 30.6.2017 registrierte die UNAMA 5.243 zivile Opfer (1.662 Tote und 3.581 Verletzte). Dies bedeutet insgesamt einen Rückgang bei zivilen Opfern von fast einem 1% gegenüber dem Vorjahreswert. Dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan fielen zwischen 1.1.2009 und 30.6.2017 insgesamt 26.512 Zivilist/innen zum Opfer, während in diesem Zeitraum 48.931 verletzt wurden (UNAMA 7.2017).

Im ersten Halbjahr 2017 war ein Rückgang ziviler Opfer bei Bodenoffensiven zu verzeichnen, während sich die Zahl ziviler Opfer aufgrund von IEDs erhöht hat (UNAMA 7.2017).

Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte), resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente. Nach der Hauptstadt Kabul verzeichneten die folgenden Provinzen die höchste Zahl ziviler Opfer: Helmand, Kandahar, Nangarhar, Uruzgan, Faryab, Herat, Laghman, Kunduz und Farah. Im ersten Halbjahr 2017 erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer in 15 von Afghanistans 34 Provinzen (UNAMA 7.2017)

(UNAMA 7.2017)

High-profile Angriffe:

Der US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR), verzeichnete in seinem Bericht für das zweite Quartal des Jahres 2017 mehrere high-profil Angriffe; der Großteil dieser fiel in den Zeitraum des Ramadan (Ende Mai bis Ende Juni). Einige extremistische Organisationen, inklusive dem Islamischen Staat, behaupten dass Kämpfer, die während des Ramadan den Feind töten, bessere Muslime wären (SIGAR 31.7.2017).

Im Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) wurden von den Vereinten Nationen folgende High-profile Angriffe verzeichnet:

Ein Angriff auf die schiitische Moschee in der Stadt Herat, bei dem mehr als 90 Personen getötet wurden (UN GASC 21.9.2017; vgl.: BBC 2.8.2017). Zu diesem Attentat bekannte sich der ISIL-KP (BBC 2.8.2017). Taliban und selbsternannte ISIL-KP Anhänger verübten einen Angriff auf die Mirza Olang Region im Distrikt Sayyad in der Provinz Sar-e Pul; dabei kam es zu Zusammenstößen mit regierungsfreundlichen Milizen. Im Zuge dieser Kämpfe, die von 3.-5.August anhielten, wurden mindestens 36 Menschen getötet (UN GASC 21.9.2017). In . Kabul wurde Ende August eine weitere schiitische Moschee angegriffen, dabei wurden mindestens 28 Zivilist/innen getötet; auch hierzu bekannte sich der ISIL-KP (UN GASC 21.9.2017; vgl.: NYT 25.8.2017).

Manche high-profile Angriffe waren gezielt gegen Mitarbeiter/innen der ANDSF und afghanischen Regierungsbeamte gerichtet; Zivilist/innen in stark bevölkerten Gebieten waren am stärksten von Angriffen dieser Art betroffen (SIGAR 31.7.2017).

"Green Zone" in Kabul

Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).

Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound - auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkünftig vom Rest der Stadt getrennt sein, indem ein Netzwerk an Kontrollpunkten durch Polizei, Militär und privaten Sicherheitsfirmen geschaffen wird. Die Erweiterung ist ein großes öffentliches Projekt, das in den nächsten zwei Jahren das Zentrum der Stadt umgestalten soll; auch sollen fast alle westlichen Botschaften, wichtige Ministerien, sowie das Hauptquartier der NATO und des US-amerikanischen Militärs in dieser geschützten Zone sein. Derzeit pendeln tagtäglich tausende Afghaninnen und Afghanen durch diese Zone zu Schulen und Arbeitsplätzen (NYT 16.9.2017).

Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul - dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizist/innen werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten schrittweise umgesetzt werden (Reuters 6.8.2017).

Eine erweiterter Bereich, die sogenannte "Blue Zone" soll ebenso errichtet werden, die den Großteil des Stadtzentrums beinhalten soll - in diesem Bereich werden strenge Bewegungseinschränkungen, speziell für Lastwagen, gelten. Lastwagen werden an einem speziellen externen Kontrollpunkt untersucht. Um in die Zone zu gelangen, müssen sie über die Hauptstraße (die auch zum Flughafen führt) zufahren (BBC 6.8.2017; vgl. Reuters 6.8.2017).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Die Stärkung der ANDSF ist ein Hauptziel der Wiederaufbaubemühungen der USA in Afghanistan, damit diese selbst für Sicherheit sorgen können (SIGAR 20.6.2017). Die Stärke der afghanischen Nationalarmee (Afghan National Army - ANA) und der afghanischen Nationalpolizei (Afghan National Police - ANP), sowie die Leistungsbereitschaft der Einheiten, ist leicht gestiegen (SIGAR 31.7.2017).

Die ANDSF wehrten Angriffe der Taliban auf Schlüsseldistrikte und große Bevölkerungszentren ab. Luftangriffe der Koalitionskräfte trugen wesentlich zum Erfolg der ANDSF bei. Im Berichtszeitraum von SIGAR verdoppelte sich die Zahl der Luftangriffe gegenüber dem Vergleichswert für 2016 (SIGAR 31.7.2017).

Die Polizei wird oftmals von abgelegen Kontrollpunkten abgezogen und in andere Einsatzgebiete entsendet, wodurch die afghanische Polizei militarisiert wird und seltener für tatsächliche Polizeiarbeit eingesetzt wird. Dies erschwert es, die Loyalität der Bevölkerung zu gewinnen. Die internationalen Truppen sind stark auf die Hilfe der einheimischen Polizei und Truppen angewiesen (The Guardian 3.8.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Taliban

Die Taliban waren landesweit handlungsfähig und zwangen damit die Regierung erhebliche Ressourcen einzusetzen, um den Status Quo zu erhalten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive im April, haben die Taliban - im Gegensatz zum Jahr 2016 - keine größeren Versuche unternommen Provinzhauptstädte einzunehmen. Nichtsdestotrotz, gelang es den Taliban zumindest temporär einige Distriktzentren zu überrennen und zu halten; dazu zählen der Distrikt Taywara in der westlichen Provinz Ghor, die Distrikte Kohistan und Ghormach in der nördlichen Provinz Faryab und der Distrikt Jani Khel in der östlichen Provinz Paktia. Im Nordosten übten die Taliban intensiven Druck auf mehrere Distrikte entlang des Autobahnabschnittes Maimana-Andkhoy in der Provinz Faryab aus; die betroffenen Distrikte waren: Qaramol, Dawlat Abad, Shirin Tagab und Khwajah Sabz Posh. .

Im Süden verstärkten die Taliban ihre Angriffe auf Distrikte, die an die Provinzhauptstädte von Kandahar und Helmand angrenzten (UN GASC 21.9.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Die Operationen des ISIL-KP in Afghanistan sind weiterhin auf die östliche Region Afghanistans beschränkt - nichtsdestotrotz bekannte sich die Gruppierung landesweit zu acht nennenswerten Vorfällen, die im Berichtszeitraum von den UN registriert wurden. ISIL-KP verdichtete ihre Präsenz in der Provinz Kunar und setze ihre Operationen in Gegenden der Provinz Nangarhar fort, die von den ANDSF bereits geräumt worden waren. Angeblich wurden Aktivitäten des ISIL-KP in den nördlichen Provinzen Jawzjan und Sar-e Pul, und den westlichen Provinzen Herat und Ghor berichtet (UN GASC 21.9.2017).

Im sich zuspitzenden Kampf gegen den ISIL-KP können sowohl die ANDSF, als auch die Koalitionskräfte auf mehrere wichtige Erfolge im zweiten Quartal verweisen (SIGAR 31.7.2017): Im Juli wurde im Rahmen eines Luftangriffes in der Provinz Kunar der ISIL-KP-Emir, Abu Sayed, getötet. Im August wurden ein weiterer Emir des ISIL-KP, und drei hochrangige ISIL-KP-Führer durch einen Luftangriff getötet. Seit Juli 2016 wurden bereits drei Emire des ISIL-KP getötet (Reuters 13.8.2017); im April wurde Sheikh Abdul Hasib, gemeinsam mit 35 weiteren Kämpfern und anderen hochrangigen Führern in einer militärischen Operation in der Provinz Nangarhar getötet (WT 8.5.2017; vgl. SIGAR 31.7.2017). Ebenso in Nangarhar, wurde im Juni der ISIL-KP-Verantwortliche für mediale Produktionen, Jawad Khan, durch einen Luftangriff getötet (SIGAR 31.7.2017; vgl.: Tolonews 17.6.2017).

Politische Entwicklungen

Die Vereinten Nationen registrierten eine Stärkung der Nationalen Einheitsregierung. Präsident Ghani und CEO Abdullah einigten sich auf die Ernennung hochrangiger Posten - dies war in der Vergangenheit Grund für Streitigkeiten zwischen den beiden Führern gewesen (UN GASC 21.9.2017).

Die parlamentarische Bestätigung einiger war nach wie vor ausständig; derzeit üben daher einige Minister ihr Amt kommissarisch aus. Die unabhängige afghanische Wahlkommission (IEC) verlautbarte, dass die Parlaments- und Distriktratswahlen am 7. Juli 2018 abgehalten werden (UN GASC 21.9.2017).

Den Vereinten Nationen zufolge war die Sicherheitslage in Afghanistan im Berichtszeitraum weiterhin volatil: zwischen 1.3. und 31.5.2017 wurden von den Vereinten Nationen 6.252 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 2% gegenüber dem Vorjahreswert. Bewaffnete Zusammenstöße machten mit 64% den Großteil registrierter Vorfälle aus, während IEDs [Anm.:

improvised explosive device] 16% der Vorfälle ausmachten - gezielte Tötungen sind hingegen um 4% zurückgegangen. Die östlichen und südöstlichen Regionen zählten auch weiterhin zu den volatilsten; sicherheitsrelevante Vorfälle haben insbesondere in der östlichen Region um 22% gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Die Taliban haben hauptsächlich folgende Provinzen angegriffen: Badakhshan, Baghlan, Farah, Faryab, Helmand, Kunar, Kunduz, Laghman, Sar-e Pul, Zabul und Uruzgan. Talibanangriffe auf afghanische Sicherheitskräfte konnten durch internationale Unterstützung aus der Luft abgewiesen werden. Die Anzahl dieser Luftangriffe ist mit einem Plus von 112% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2016 deutlich gestiegen (UN GASC 20.6.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan 11.647 sicherheitsrelevante Vorfälle von 1.1.-31.5.2017 registriert (Stand: 31.5.2017) (INSO o.D.).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Laut einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums behielten die ANDSF, im Berichtszeitraum 1.12.2016-31.5.2017 trotz aufständischer Gruppierungen, auch weiterhin Kontrolle über große Bevölkerungszentren: Die ANDSF waren im Allgemeinen fähig große Bevölkerungszentren zu schützen, die Taliban davon abzuhalten gewisse Gebiete für einen längeren Zeitraum zu halten und auf Talibanangriffe zu reagieren. Die ANDSF konnten in städtischen Gebieten Siege für sich verbuchen, während die Taliban in gewissen ländlichen Gebieten Erfolge erzielen konnten, in denen die ANDSF keine dauernde Präsenz hatten. Spezialeinheiten der afghanischen Sicherheitskräfte (ASSF - Afghan Special Security Forces) leiteten effektiv offensive Befreiungsoperationen (US DOD 6.2017).

Bis Ende April 2017 lag die Truppenstärke der afghanischen Armee [ANA - Afghan National Army] bei 90,4% und die der afghanischen Nationalpolizei [ANP - Afghan National Police] bei 95,1% ihrer Sollstärke (UN GASC 20.6.2017).

High-profile Angriffe:

Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.5.2017).

Hauptstadt Kabul

Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert (DW 31.5.2017):

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben und mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt als ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoff beladenen Tanklaster mitten im Diplomatenviertel in die Luft sprengte (FAZ 6.6.2017; vgl. auch:

al-Jazeera 31.5.2017; The Guardian 31.5.2017; BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Bedeutend ist der Angriffsort auch deswegen, da dieser als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt. Kabul war in den Wochen vor diesem Anschlag relativ ruhig (al-Jazeera 31.5.2017).

(The Guardian 31.5.2017) [Anm.: man beachte, dass die Opferzahlen in dieser Grafik, publiziert am Tag des Anschlags, noch überhöht angegeben wurden]

Zunächst übernahm keine Gruppe Verantwortung für diesen Angriff; ein Talibansprecher verlautbarte nicht für diesen Vorfall verantwortlich zu sein (al-Jazeera 31.5.2017). Der afghanische Geheimdienst (NDS) macht das Haqqani-Netzwerk für diesen Vorfall verantwortlich (The Guardian 2.6.2017; vgl. auch: Fars News 7.6.2017); schlussendlich bekannte sich der Islamische Staat dazu (Fars News 7.6.2017).

Nach dem Anschlag im Diplomatenviertel in Kabul haben rund 1.000 Menschen, für mehr Sicherheit im Land und eine Verbesserung der Sicherheit in Kabul demonstriert (FAZ 2.6.2017). Bei dieser Demonstration kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften (The Guardian 2.6.2017); dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und zahlreiche verletzt (FAZ 2.6.2017).

Auf der Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten- den Sohn des stellvertretenden Senatspräsidenten - kam es am 3.6.2017 erneut zu einem Angriff, bei dem mindestens 20 Menschen getötet und 119 weitere verletzt worden waren. Polizeiberichten zufolge, waren während des Begräbnisses drei Bomben in schneller Folge explodiert (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017); die Selbstmordattentäter waren als Trauergäste verkleidet (The Guardian 3.6.2017). Hochrangige Regierungsvertreter, unter anderem auch Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, hatten an der Trauerfeier teilgenommen (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017).

Herat

Anfang Juni 2017 explodierte eine Bombe beim Haupteingang der historischen Moschee Jama Masjid; bei diesem Vorfall wurden mindestens 7 Menschen getötet und 15 weitere verletzt (Reuters 6.6.2017; vgl. auch: TMN 7.6.2017). Zu diesem Vorfall hat sich keine Terrrorgruppe bekannt (TMN 7.6.2017; vgl. auch: US News 12.6.2017). Sirajuddin Haqqani - stellvertretender Leiter der Taliban und Führer des Haqqani Netzwerkes - verlautbarte, die Taliban wären für diese Angriffe in Kabul und Herat nicht verantwortlich (WP 12.6.2017).

Mazar-e Sharif

Auf der Militärbase Camp Shaheen in der nördlichen Stadt Mazar-e Sharif eröffnete Mitte Juni 2017 ein afghanischer Soldat das Feuer auf seine Kameraden und verletzte mindestens acht Soldaten (sieben US-amerikanische und einen afghanischen) (RFE/RL 17.6.2017).

Die Anzahl solcher "Insider-Angriffe" [Anm.: auch green-on-blue attack genannt] hat sich in den letzten Monaten erhöht. Unklar ist, ob die Angreifer abtrünnige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte sind oder ob sie Eindringlinge sind, die Uniformen der afghanischen Armee tragen (RFE/RL 17.6.2017). Vor dem Vorfall im Camp Shaheen kam es dieses Jahr zu zwei weiteren registrierten Insider-Angriffen: der erste Vorfall dieses Jahres fand Mitte März auf einem Militärstützpunkt in Helmand statt: ein Offizier des afghanischen Militärs eröffnete das Feuer und verletzte drei US-amerikanische Soldaten (LWJ 11.6.2017; vgl. auch: al-Jazeera 11.6.2017).

Der zweite Vorfall fand am 10.6.2017 im Zuge einer militärischen Operation im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar statt, wo ein afghanischer Soldat drei US-amerikanische Soldaten tötete und einen weiteren verwundete; der Angreifer wurde bei diesem Vorfall ebenso getötet (BBC 10.6.21017; vgl. auch: LWJ 11.6.2017; DZ 11.6.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Afghanistan ist mit einer anhaltenden Bedrohung durch mehr als 20 aufständische Gruppen bzw. terroristische Netzwerke, die in der AfPak-Region operieren, konfrontiert; zu diesen Gruppierungen zählen unter anderem die Taliban, das Haqqani Netzwerk, der Islamische Staat und al-Qaida (US DOD 6.2017).

Taliban

Die Fähigkeiten der Taliban und ihrer Operationen variieren regional signifikant; sie verwerten aber weiterhin ihre begrenzten Erfolge, indem sie diese auf sozialen Medien und durch Propagandakampagnen als strategische Siege bewerben (US DOD 6.2017).

Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive "Operation Mansouri" am 28. April 2017 eröffnet (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch:

BBC 7.5.2017). In einer Stellungnahme verlautbarten sie folgende Ziele: um die Anzahl ziviler Opfer zu minimieren, wollen sie sich auf militärische und politische Ziele konzentrieren, indem ausländische Kräfte in Afghanistan, sowie ihre afghanischen Partner angegriffen werden sollen. Nichtdestotrotz gab es bezüglich der Zahl ziviler Opfer keine signifikante Verbesserung (UN GASC 20.6.2017).

Während des Berichtszeitraumes der Vereinten Nationen gelang es den Taliban den strategischen Distrikt Zaybak/Zebak in der Provinz Badakhshan zu erobern (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: Pajhwok 11.5.2017); die afghanischen Sicherheitskräfte konnten den Distrikt einige Wochen später zurückerobern (Pajhwok 11.5.2017). Kurzfristig wurden auch der Distrikt Sangin in Helmand, der Distrikt Qal'ah-e Zal in Kunduz und der Distrikt Baha' al-Din in Takhar von den Taliban eingenommen (UN GASC 20.6.2017).

Bei einer Friedens- und Sicherheitskonferenz in Kabul wurde unter anderem überlegt, wie die radikal-islamischen Taliban an den Verhandlungstisch geholt werden könnten (Tagesschau 6.6.2017).

Präsident Ghani verlautbarte mit den Taliban reden zu wollen:

sollten die Taliban dem Friedensprozess beiwohnen, so werde die afghanische Regierung ihnen erlauben ein Büro zu eröffnen; dies sei ihre letzte Chance (WP 6.6.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 201

Der IS-Zweig in Afghanistan - teilweise bekannt als IS Khorasan - ist seit dem Jahr 2015 aktiv; er kämpft gegen die Taliban, sowie gegen die afghanischen und US-amerikanischen Kräfte (Dawn 7.5.2017; vgl. auch: DZ 14.6.2017). Der IS hat trotz verstärkter Militäroperationen, eine Präsenz in der Provinz Nangarhar (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: DZ 14.6.2017).

Mehreren Quellen zufolge, eroberte der IS Mitte Juni 2017 die strategisch wichtige Festung der Taliban Tora Bora; bekannt als Zufluchtsort bin-Ladens. Die Taliban negieren den Sieg des IS und verlautbarten die Kämpfe würden anhalten (DZ 14.6.2017; vgl. auch:

NYT 14.6.2017; IBT 14.6.2017). Lokale Stammesälteste bestätigten hingen den Rückzug der Taliban aus großen Teilen Tora Boras (Dawn 16.6.2017).

Den V

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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