TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/6 I411 2197429-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.02.2019
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Entscheidungsdatum

06.02.2019

Norm

AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs10
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.8
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I411 2197426-2/2E

I411 2197429-2/2E

I411 2197428-2/2E

I411 2197424-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert POLLANZ als Einzelrichter über die Beschwerden von

1. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Oberösterreich, vom XXXX,

2. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Oberösterreich, vom XXXX,

3. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch die Mutter XXXX, diese wiederum vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Oberösterreich, vom XXXX und

4. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch die Mutter XXXX, diese wiederum vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Oberösterreich, vom XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um einen volljährigen Mann, in weiterer Folge als Erstbeschwerdeführer bezeichnet, eine volljährige Frau, die Zweitbeschwerdeführerin und deren beiden minderjährige Kinder, die Dritt- und Viertbeschwerdeführer. Es handelt sich um ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005.

Zum Vorverfahren:

1. Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin stellten am 01.03.2015 ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass ihr Grundstück in Nigeria von Politikern in Besitz genommen werden sollte, weshalb sie es an einen Dritten verkauft haben; weiters seien die Eltern des Erstbeschwerdeführers auf spirituelle und mysteriöse Weise getötet worden und um nicht das gleiche Schicksal zu erleiden, seien sie im Jahr 2012 aus Nigeria geflüchtet. Außerdem gab der Erstbeschwerdeführer an, für sich und seine Frau, die Zweitbeschwerdeführerin, ein besseres Leben haben zu wollen und dass Boko Haram sehr gefährlich gewesen sei.

2. Am XXXX kam XXXX, in weiterer Folge als Drittbeschwerdeführer bezeichnet, in Österreich zur Welt und stellte die Zweitbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin für ihn am 30.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

3. Diese Anträge vom 01.03.2015 und 30.07.2015 wurden mit den Bescheiden des BFA vom jeweils XXXX aufgrund der Zuständigkeit Italiens zurückgewiesen und die Abschiebung nach Italien als zulässig ausgesprochen.

4. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX stattgegeben und die angefochtenen Bescheide behoben.

5. In der Zwischenzeit wurde am 27.10.2016 der Viertbeschwerdeführer, XXXX, in Österreich geboren, woraufhin die Zweitbeschwerdeführerin für ihn am 07.11.2016 als gesetzliche Vertreterin einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

6. Mit gleichlautenden Bescheiden vom XXXX, wurden die Anträge aller vier Beschwerdeführer abgewiesen und die Abschiebung nach Nigeria für zulässig erklärt. Die dagegen erhobene Beschwerde vom 30.05.2018 wurde mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX, als unbegründet abgewiesen. Die Erkenntnisse erwuchsen am selben Tag in Rechtskraft. Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw. Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde nicht erhoben.

7. Die Beschwerdeführer kamen ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach und verblieben im österreichischen Bundesgebiet.

Zum gegenständlichen Verfahren:

8. Am 19.09.2018 stellten der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin sowie diese als gesetzliche Vertreterin für den Dritt- und Viertbeschwerdeführer einen Antrag gemäß § 55 Abs 2 AsylG 2005 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK. Die Beschwerdeführer begründeten ihren Antrag insbesondere mit dem dreieinhalb jährigen Aufenthalt in Österreich, entsprechenden Deutsch-Kenntnissen (obwohl zugestanden wurde, dass der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin keine Deutschprüfung erfolgreich abgelegt haben), dem Verkauf der Zeitschrift "Kupfermuck", dem Engagement beim Fußballverein SV XXXX sowie den psychischen Problemen der Zweitbeschwerdeführerin. Darüber hinaus habe der Erstbeschwerdeführer bereits eine Jobzusage bei der Firma XXXX.

9. Mit gegenständlichen gleichlautenden Bescheiden des BFA vom jeweils XXXX wurden die Anträge der Erst- bis Viertbeschwerdeführer gemäß § 58 Abs 10 AsylG 2005 zurückgewiesen.

10. Hiergegen erhoben die Beschwerdeführer am 09.11.2018, bei der belangten Behörde am selben Tag eingelangt, Beschwerde und beantragten die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung, die gegenständlichen Bescheide dahingehend abzuändern, dass den Beschwerdeführern die Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG erteilt und die Anträge nicht als unzulässig zurückgewiesen werden, sowie festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig und die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria nicht zulässig ist, in eventu, die bekämpfte Entscheidungen aufzuheben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Erstinstanz zurückzuverweisen.

11. Mit Schriftsatz vom 03.12.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 06.12.2018, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die verfahrensgegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zunächst wird der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Zu den Beschwerdeführern:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind volljährig und Eltern des minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführers. Sie führen eine Lebensgemeinschaft und leben im selben Haushalt. Die Beschwerdeführer sind ledig, Staatsangehörige von Nigeria und bekennen sich zum christlichen Glauben. Bis auf eine nicht näher bestimmbare psychische Beeinträchtigung der Zweitbeschwerdeführerin sind alle Beschwerdeführer gesund. Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin halten sich seit (mindestens) 01.03.2015 in Österreich auf; der Drittbeschwerdeführer wurde am 29.07.2015, der Viertbeschwerdeführer am 27.10.2016 im österreichischen Bundesgebiet geboren.

Der Erstbeschwerdeführer wurde in Benin City geboren und besuchte 12 Jahre die Schule und absolvierte danach ein Diplom an der Universität Delta State; anschließend arbeitete er in einer Immobilien Firma in Lagos sowie als Chauffeur und Autowäscher. Aufgrund seiner Arbeitserfahrung in Nigeria hat er eine Chance auch hinkünftig am nigerianischen Arbeitsmarkt unterzukommen. Er hat in Nigeria einen Bruder, zu welchem er allerdings keinen Kontakt hat.

Die Zweitbeschwerdeführerin lebte zuletzt mit ihrer Familie in Benin City. Sie besuchte die Schule, danach drei Jahre ein Polytechnikum und arbeitete anschließend als Frisörin in ihrem eigenen Salon in Benin City. Auch sie hat aufgrund ihrer Arbeitserfahrung in Nigeria eine Chance hinkünftig am nigerianischen Arbeitsmarkt unterzukommen. Die Zweitbeschwerdeführerin verfügt in Nigeria über Verwandtschaft, nämlich ihre Eltern, zwei Schwestern und ein Bruder; sie pflegt regelmäßigen Kontakt mit ihrer Familie.

In Österreich verfügen die Beschwerdeführer über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.

Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin gehen in Österreich keiner Beschäftigung nach; alle vier Beschwerdeführer beziehen Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Keiner der Beschwerdeführer ist in Österreich vorbestraft.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria.

Die Beschwerdeführer bestreiten den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstatteten in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

Die belangte Behörde hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen.

2.2. Zu den Beschwerdeführern:

Die Feststellung zur Volljährigkeit des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin sowie zur Minderjährigkeit der gemeinsamen Kinder ergeben sich aus dem Akt und sind augenscheinlich. Die Feststellung zum Familienstand, der Staatsangehörigkeit und ihrer Konfession gründen sich auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Erst- bzw. der Zweitbeschwerdeführerin bei ihren Einvernahmen im Rahmen ihres Vorverfahrens. Da die Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitäsbezeugenden Dokumente vorlegen konnten, steht deren Identität nicht fest.

Die belangte Behörde hat diese Feststellungen bereits korrekt und nachvollziehbar gewürdigt. Aus den Beschwerdevorbringen sind auch keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer aufgekommen. Dass die Beschwerdeführer in Österreich über keine maßgeblichen persönlichen und familiären Beziehungen verfügen, ergibt sich aus ihren Angaben anlässlich ihres Vorverfahrens sowie aus dem Umstand ihres erst kurzen Aufenthaltes in Österreich.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit und dem Bezug der Grundversorgung ergeben sich aus dem Strafregister der Republik Österreich sowie dem Betreuungsinformationssystem vom jeweils 06.12.2018.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zur Zurückweisung des Antrages:

3.1.1. Rechtslage

§ 55 und § 58 Abs. 10 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lauten:

"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Antragstellung und amtswegiges Verfahren

§ 58. (1) ...

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) ...".

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Die belangte Behörde stützt die Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Asylgesetz 2005 auf § 58 Abs. 10 leg.cit., da aus dem Antragsvorbringen der Beschwerdeführer seit Eintritt der Rechtskraft der gegen sie erlassenen Rückkehrentscheidungen mit 19.06.2018 kein geänderter Sachverhalt im Hinblick auf die Berücksichtigung ihres Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG hervorgeht, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich machen würde.

Die Beschwerdeführer begründeten ihren Antrag insbesondere mit dem dreieinhalb jährigen Aufenthalt in Österreich, entsprechenden Deutsch-Kenntnissen (obwohl zugestanden wurde, dass der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin keine Deutschprüfung erfolgreich abgelegt haben), dem Verkauf der Zeitschrift "Kupfermuck", dem Engagement beim Fußballverein SV Weyer sowie den psychischen Problemen der Zweitbeschwerdeführerin. Darüber hinaus habe der Erstbeschwerdeführer bereits eine Jobzusage bei der Firma Eurospar in Weyer.

Mit diesem Antragsvorbringen haben die Beschwerdeführer allerdings keine maßgebliche Sachverhaltsänderung dargetan:

Zunächst verleiht die vorgelegte Jobzusage des Erstbeschwerdeführes den persönlichen Interessen kein entscheidendes Gewicht (zur Gewichtung von Einstellungszusagen vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Oktober 2011, 2011/22/0065, mwN). Aus der ehrenamtlichen Tätigkeit bei einem Fußballverein resultiert ebenfalls keine relevante Aufenthaltsverfestigung, zumal dieser Integrationsaspekt überhaupt erst durch die Missachtung der gegen den Erstbeschwerdeführer ergangenen Rückkehrentscheidung erreicht werden konnte (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165, Rn 24).

Das Vorliegen dermaßen akuter und schwerwiegender Erkrankungen, welche in Nigeria nicht behandelbar wären und im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat allenfalls zu einer Überschreitung der hohen Eingriffsschwelle des Art. 3 EMRK führen könnten, wurde weder behauptet noch bot sich dafür im Beschwerdefall ein Anhaltspunkt. In Bezug auf psychische Erkrankungen, wie zB schweren Depressionen und Posttraumatische Belastungsstörungen mit suizidaler Einengung, haben auch nachfolgende, sich aus der Rechtsprechung des EGMR ergebende, Überlegungen (vgl. auch VfGH v. 6. März 2008, B 2400/07 sowie Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren" mwN auf die Judikatur des EGMR) für eine Art 3-EMRK-konforme Entscheidung mit einzufließen: Schwere psychische Erkrankungen erreichen solange nicht die erforderliche Gravität, als es nicht zumindest einmal zu einer Zwangseinweisung in eine geschlossene Psychiatrie gekommen ist. Sollte diese allerdings schon länger als ein Jahr zurückliegen und in der Zwischenzeit nichts Nennenswertes passiert sein, dürfte von keiner akuten Gefährdung mehr auszugehen sein. Die lediglich fallweise oder auch regelmäßige Inanspruchnahme von psychiatrischen oder psychotherapeutischen Leistungen einschließlich freiwilliger Aufenthalte in offenen Bereichen psychiatrischer Kliniken indizieren eine fehlende Gravität der Erkrankung. Der Aufenthalt in einer geschlossenen Anstalt wird von der Zweitbeschwerdeführerin auch gar nicht behauptet.

Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen hat die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführer auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Asylgesetz 2005 zurecht unter Berufung auf § 58 Abs. 10 leg.cit. als unzulässig zurückgewiesen.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn - wie im vorliegenden Fall - deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Das Beschwerdevorbringen umfasst lediglich Textbausteine und zitiert Rechtsprechung; es weist somit keinerlei individuellen Bezug zum gegenständlichen Verfahren auf. Es ist somit unsubstantiiert. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und waren auch keine Beweise aufzunehmen.

Das Bundesverwaltungsgericht musste sich auch keinen persönlicher Eindruck von den Beschwerdeführern im vorliegenden Fall trotz des Vorliegens einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verschaffen, da selbst unter Berücksichtigung aller zugunsten der Beschwerdeführer sprechenden Fakten auch dann für die Beschwerdeführer kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht von ihnen einen persönlichen Eindruck verschafft, weshalb eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233; 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 bis 0423, Ra 2017/19/0424).

Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden und die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung sohin gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Asylverfahren, Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK,
Familienverfahren, Interessenabwägung, öffentliche Interessen,
Privat- und Familienleben, private Interessen, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I411.2197429.2.00

Zuletzt aktualisiert am

18.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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