TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/11 W168 2158632-1

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Veröffentlicht am 11.02.2019
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Entscheidungsdatum

11.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W168 2158632-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.04.2017, Zl 1077554309/150833099, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.11.2018, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005,§ 9 BFA-VG, und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 10.07.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016BF.

2. Bei der mit einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung des Beschwerdeführers führte dieser zu seinem Fluchtgrund befragt zusammenfassend aus, dass er nach seiner Heirat in Afghanistan zum Christentum konvertiert und deswegen mit dem Tod bedroht worden sei.

3. Am 27.04.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA" genannt), im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Dabei führte er zusammenfassend aus, dass es ihm gut gehe und er keine Medikamente einnehme. Er habe im Rahmen der Erstbefragung die Wahrheit angegeben. Er sei Hazara und gehöre seit 2013 der christlichen Glaubensgemeinschaft an. In Pakistan würden derzeit seine Ehefrau, sein Sohn und seine Mutter leben. Sein Vater sei bereits verstorben und habe im Herkunftsstaat als Fahrradmechaniker gearbeitet. Seine beiden Schwestern würden ebenfalls in Pakistan leben, eine weitere Schwester lebe im Iran. Der BF unterstütze sowohl seine Mutter als auch seine Schwestern finanziell. Er habe in Pakistan als Fahrradmechaniker gearbeitet und in Pakistan Taschen geschneidert. Die Frage, ob er jemals Probleme mit afghanischen Behörden gehabt habe, wurde vom BF verneint. Befragt zu den Gründen für das Verlassen Afghanistans führte der BF zusammenfassend aus, dass er in Afghanistan christliche CDs und Bücher verteilt habe. Dies hätten die Bewohner dort mitbekommen. Die Frau eines Onkels hätte dem BF daraufhin mitgeteilt, dass dieser Onkel nunmehr hinter ihm her wäre. Sie hätte dem BF ein Blatt gezeigt auf dem gestanden wäre, dass er getötet werden solle, da er christliche Sachen verteilt habe. Auf diesem Ausdruck hätte ein Mullah geschrieben, dass wer immer den BF finden würde, ihn töten solle. Er solle erhängt werden. Wer immer vorher Moslem gewesen und dann Christ geworden ist, solle auch getötet werden. Der BF hätte daraufhin Angst bekommen und wäre deshalb geflüchtet. Persönlich wäre er nicht bedroht worden. Näher zu den verteilten Gegenständen befragt, führte der BF aus, dass es sich hierbei nicht um Bücher, sondern um Blätter gehandelt hätte. Auf diesen hätten sich Informationen über das Christentum befunden. Auf den CDs hätte sich ein Film über Jesus befunden. Auf den Blättern hätten sich Informationen befunden wie das Christentum entstanden wäre, bzw. welche Beziehung man zu Gott habe. Auf Aufforderung des BFA hin nähere Auskünfte über den Inhalt dieser Blätter zu liefern, führte der BF aus, dass diesen Blättern auch zu entnehmen gewesen wäre, wo Jesus auf die Welt gekommen wäre, wie die Beziehung zwischen Jesus und den Menschen gewesen war und wie er die Menschen näher an Gott gebracht hätte. Was Jesus alles getan hätte. Ein weiteres Mal durch das BFA nachgefragt nähere Informationen über den Inhalt dieser Blätter zu nennen, führte der BF aus, dass sich diese Vorfälle bereits vor über 4 Jahren zugetragen hätten und dass es sein könne, dass er etwas vergessen habe. Für das Verteilen dieser Blätter hätte er auch Geld bekommen. Doch das Geld wäre nicht der eigentliche Grund gewesen. Der Freund, der den BF den christlichen Glauben nach Angaben des BF nähergebracht hätte, hätte vielmehr gemeint, dass es eine gute Tat wäre die Menschen über Gott aufzuklären. Näher zu dem Freund befragt, führte der BF aus, dass es sich bei diesem um einen Christen handeln würde, der Mitarbeiter eines christlichen Spitals in Pakistan sei. Diesen hätte er bei der Behandlung seines Vaters in diesem Spital kennengelernt. Selbst der damalige Präsident von Afghanistan hätte ein Foto von diesem veröffentlicht und gesagt, dass er getötet werden solle. Weiter zum Fluchtgrund befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass er seit 2013 Christ sei und sich deswegen weder in Afghanistan noch in Pakistan sicher gefühlt habe. Es sei noch gefährlicher, als Christ und Hazara zu leben, weshalb er geflüchtet sei. Auf Aufforderung, nähere Einzelheiten und Details anzugeben, erklärte der Beschwerdeführer, dass er in Pakistan einen Mann namens " XXXX " kennengelernt habe, der Christ gewesen sei. Er habe dem Beschwerdeführer vorgeschlagen, in Afghanistan CDs und Bücher zu verteilen. Sie würden für diese Aktion auch Geld von der Kirche erhalten. Da Einheimische das christliche Wirken jedoch mitbekommen hätten, hätten sie Flyer abgedruckt, auf denen dem Beschwerdeführer mit dem Tod gedroht worden sei. Der Beschwerdeführer habe deshalb Angst bekommen und sei geflüchtet, persönlich sei er im Herkunftsstaat jedoch nie bedroht worden. Ganz Jaguri würde wissen, dass dieser diese Sachen verteilt habe. Als Hazara wäre es dort sehr gefährlich, als christlicher Hazara wäre es noch gefährlicher. Als er das Schreiben des Mullahs gesehen hätte, hätte er noch mehr Angst bekommen. Es würden sich auch sehr viele Taliban in Jaguri, bzw. in der Ortschaft, in der der Onkel leben würde, in XXXX , leben. XXXX wäre von den Taliban umzingelt. Wenn diese einen Hazara sehen würde, dann würden sie ihn töten, bzw. diesen zwingen mit ihm zusammenzuarbeiten. Auf Aufforderung, nähere Angaben über " XXXX " zu machen, erwiderte der Beschwerdeführer, dass er diesen in einem Krankenhaus in Pakistan kennengelernt habe und seitdem in Kontakt geblieben sei. Zur Frage, wie er Christ geworden sei, erklärte der Beschwerdeführer, dass " XXXX " ihm in Pakistan viele Freunde vorgestellt habe und ihm sowohl eine DVD als auch christliche Zeitschriften überreicht habe. Auf Vorhalt, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung angegeben habe, dass er erst nach seiner Heirat in Afghanistan zum Christentum konvertiert sei und nicht in Pakistan, erwiderte der Beschwerdeführer, dass es nach der Hochzeit 2012 gewesen sei. 2013 sei er Christ geworden und nach Afghanistan gegangen, um christliches Material zu verteilen. Nachdem ihn seine Tante jedoch darüber informiert habe, dass er gesucht werde, habe er drei Wochen später das Land verlassen. Auf die Frage, wieso er sich darauf eingelassen habe, christliches Material in Afghanistan zu verteilen, obwohl ihm die damit verbundene Gefahr bewusst gewesen sein musste, erklärte der BF, dass sie nicht erwartet hätten, dass die Mehrheit der Bevölkerung davon erfahre, da das Material lediglich an junge Schüler verteilt worden sei, die ihm nicht gefährlich erschien. Auf Nachfrage durch das BFA führte der BF aus, das er aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit als Hazara in Afghanistan nie belästigt worden wäre. Als Beweismittel könne der Beschwerdeführer einen Brief des Mullahs vorlegen, den ihm sein Onkel überreicht habe und der eine Todesdrohung enthalte. Befragt, wieso er die religiösen Blätter nur in Afghanistan und nicht in Pakistan verteilt habe, erklärte der Beschwerdeführer, dass es in Pakistan im Gegensatz zu Afghanistan bereits genügend Leute gebe, die christliche Schriften verteilen würden. In Pakistan habe er sich gefälschte Pässe für einen Aufenthalt im Iran ausstellen lassen. Zur Frage, ob er zwischen 2013 und seiner Einreise in Österreich 2015 Drohungen erhalten habe, erklärte der Beschwerdeführer, dass er in diesem Zeitraum lediglich telefonisch bedroht worden sei. In Afghanistan habe der Beschwerdeführer seinen Glauben nicht offen ausgelebt, da er Angst vor einer Ermordung gehabt habe. Auch in Österreich gebe er nicht öffentlich preis, Christ zu sein. Zur Aufforderung, das zentrale Schlüsselerlebnis zu schildern, aufgrund dessen er konvertiert sei, erwiderte der Beschwerdeführer, dass er " XXXX " einen Monat später wieder getroffen habe. Dabei hätte ihn " XXXX " gefragt, ob er sich schon zu etwas entschlossen hätte. Der BF hätte diesen darauf geantwortet, dass der Islam nur von Krieg und Gewalt geprägt wäre. Dieser habe ihm daraufhin den Vorschlag unterbreitet, sich bei einem Amerikaner taufen zu lassen. In einer Wohnung seien sie anschließend von einem Amerikaner beglückwünscht worden und in eine Wanne gestiegen. Zum Vorhalt, wieso er sich nochmals im Jahr 2017 taufen habe lassen, obwohl er bereits seit 2015 in Österreich sei, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er zu Beginn nicht gewusst habe, in welche Kirche er gehen sollte. Zudem sei ihm wichtig gewesen, dass er dort keine anderen Afghanen antreffe. Auf Aufforderung, nähere Details zu seiner Kirche zu schildern, brachte der BF vor, dass er jeden Sonntag in die Kirche gehe und diese eine protestantische Kirche von Koreanern sei. Den Namen des Pfarrers seiner Kirche habe er sich jedoch nicht gemerkt. Auf Nachfrage vermochte der Beschwerdeführer weder die christlichen Konfessionen, die vollständigen zehn Gebote noch den Papst der römisch-katholischen Kirche wiederzugeben. Der Beschwerdeführer sei zum Christentum konvertiert, da diese Religion Kriege und Gewalt im Vergleich zum Islam nicht kenne. Er sei zwar aus der islamischen Kirche ausgetreten, habe darüber jedoch keine Austrittsbestätigung. Durch die Taufe erlösche sein alter Glauben automatisch. Über seinen Taufvorgang konnte der Beschwerdeführer keine näheren Details angeben. Auch die Frage, was seine Lieblingsstelle in der Bibel sei, konnte der Beschwerdeführer nicht beantworten und gab lapidar zu Protokoll, dass er noch nicht viel in der Bibel gelesen habe, da weder sein Deutsch noch sein Farsi dafür gut genug seien. Seine Ehefrau gehöre zwar der muslimischen Religionsgemeinschaft an, habe jedoch kein Problem mit der Konvertierung ihres Mannes. In Afghanistan würden weiterhin zwei seiner Onkel leben, wovon ihm einer davon mit dem Tod gedroht habe.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden vom Beschwerdeführer ein Auszug in koreanischer Sprache über einen Gottesdienst, ein Nachweis der Taufe vom 16.04.2017, zwei Teilnahmebestätigungen über die Absolvierung eines Intensiv Deutschkurses auf dem Niveau A1, eine weitere Kursbestätigung vom 17.03.2017, mehrere Kopien in der Sprache Farsi, eine Tazkira, eine Bestätigung der Bundesgärten vom 18.04.2017, wonach der Beschwerdeführer als Gärtnergehilfe im Rahmen einer gemeinnützigen Beschäftigung tätig sei, Bestätigung in englische Sprache, dass der Beschwerdeführer 2013 getauft worden sei, Bestätigung über die Teilnahme an dem Projekt "Peer2Peer-Lehrer des Lebens" sowie Empfehlungsschreiben und eine weitere Kursbesuchsbestätigung zur Vorlage gebracht.

Über seine Lebensumstände in Österreich befragt, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er in Österreich Deutsch lerne und bei den österreichischen Bundesgärten arbeite. Hierfür würde er ungefähr 200,- Euro erhalten. Ansonsten werde er auch staatlich unterstützt. In Österreich habe er überwiegend afghanische und pakistanische Freunde, aber auch iranische und österreichische Freunde. In Österreich habe er sich einer Freundschaftsgruppe sowie einem Chor angeschlossen. Der Beschwerdeführer führe im österreichischen Bundesgebiet kein Familienleben oder eine familienähnliche Beziehung.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. (Spruchpunkt III.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Zusammenfassend führte das BFA aus, dass die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz damit im Wesentlichen zu begründen sei, dass der BF nicht in der Lage gewesen sei, ein konkretes und glaubhaftes Vorbringen zur angeblichen Bedrohung zu erstatten: Es widerspreche jeglicher Lebenserfahrung, davon auszugehen, dass eine solche Aktion, bei der Zettel und CDs über zwei Wochen hinweg an diverse Personen verteilt werden würden, nicht bekannt werde. Es sei für die Behörde in keiner Weise nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer davon ausgegangen sei, dass er unentdeckt bleibe, wenn er das Material bloß an junge Schüler verteile. Auch das Geheimhalten des Wohnsitzes erscheine der Behörde keine geeignete Maßnahme zu sein, um den Beschwerdeführer vor seiner Entlarvung zu schützen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei in diesem Punkt höchst unstimmig und könne daher nicht als glaubhaft gewertet werden. Zu der angeblichen Bedrohung durch seinen Onkel habe der Beschwerdeführer keine konkreten Angaben machen können. Weiters habe er auf Nachfrage angegeben, niemals persönlich bedroht worden zu sein. Erst, als der Beschwerdeführer zu einem späteren Zeitpunkt nach einer Bedrohung befragt worden sei, habe er geantwortet, dass er telefonisch bedroht worden sei. Gegen eine zu befürchtende Verfolgung der Person des Beschwerdeführers spreche weiters, dass es seit dem Verteilen des christlichen Materials im Jahr 2013 und der angeblichen Bedrohung durch den Brief des Mullahs einerseits und der Einreise nach Österreich andererseits seinen eigenen Angaben zufolge zu keiner persönlich gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlung gekommen sei. Bemerkenswert sei auch, dass der Beschwerdeführer nicht zeitlich eingrenzen habe können, wann er das christliche Material in Afghanistan verteilt habe, obwohl diese Aktion angeblich der Auslöser für die Bedrohung und in weiterer Folge für seine Flucht gewesen sei. Hinsichtlich seiner angeblichen Konversion zum Christentum komme dem Beschwerdeführer keinerlei Glaubwürdigkeit zu:

Zunächst sei es erstaunlich, dass er sich erst im April 2017 taufen habe lassen, obwohl er bereits im Juli 2015 nach Österreich gekommen sei und der Wechsel zum Christentum letztlich der Grund für seine Flucht nach Österreich gewesen sein soll. Vor dem Hintergrund, dass die Ladung zur Einvernahme mit 4.4.2017 datiert sei und die Einvernahme am 27.04.2017 stattgefunden habe, erscheine es der Behörde nicht unbedingt zufällig, dass die Taufe am 16.04.2017 vorgenommen worden sei. Weiters sei es für die Behörde nicht nachvollziehbar, weshalb er nur einmal pro Woche in die Kirche gehe. Wenn der Beschwerdeführer tatsächlich (aus innerer Überzeugung) zum Christentum übergetreten wäre, wäre davon auszugehen, dass von seiner Seite ein großes Interesse an der Kirche bestehe, zumal er eigenen Angaben zufolge Schwierigkeiten beim Lesen der Bibel habe und demnach auf den Dolmetscher in der Kirche angewiesen sei. Die Unglaubwürdigkeit seines Vorbringens werde dadurch untermauert, dass der Beschwerdeführer keine konkreten Angaben zur Richtung und Lehre jener Kirche, die er in Österreich besuche, tätigen habe können. Bezeichnend sei schließlich, dass der Beschwerdeführer auf die Frage, was er in Österreich seit seiner Einreise gemacht habe und in seiner Freizeit tue, die Kirchenbesuche mit keinem Wort erwähnt habe. Auch auf die Frage, ob er in Österreich in einem Verein oder einer sonstigen Organisation angehöre, geantwortet, ohne die Kirche zu erwähnen. Es sei dem Beschwerdeführer daher nicht gelungen, ein glaubhaftes Vorbringen, das auf eine tatsächliche innere Überzeugung im Sinne des Christentums schließen lasse, zu erstatten. Zusammengefasst sei der Beschwerdeführer trotz mehrfacher Aufforderung nicht in der Lage gewesen, ein stichhaltiges und somit auch nachvollziehbares Vorbringen zu seinem Fluchtgrund darzulegen. Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer jung, gesund und im arbeitsfähigen Alter sei und in der Vergangenheit als Fahrradmechaniker und Taschenschneider berufstätig gewesen sei, würden sich aus den glaubhaften Aussagen und dem Eindruck seines persönlichen Auftretens während der Einvernahme vor dem BFA ergeben. Es sei dem Beschwerdeführer zuzumuten, in seinem Herkunftsstaat mit Hilfe der eigenen Arbeitsleistung und durch die Unterstützung seiner in Afghanistan lebenden Angehörigen in seiner Heimat, seinem vertrauten sozialen Umfeld und seiner vertrauten Kultur, zukünftig den Lebensunterhalt zu sichern. Aus der allgemeinen Lage in seinem Heimatland ergebe sich keine Gefährdungslage im Sinne des § 8 AsylG, sei demnach auch kein Abschiebungshindernis ersichtlich und erscheine eine Rückkehr trotz der insgesamt als prekär zu bezeichnenden Sicherheitslage in seinem Heimatland Afghanistan, insbesondere im Hinblick auf die regional und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedliche Sicherheitslage, aufgrund seiner individuellen Situation durchaus zumutbar. Auch wenn es in Kabul vereinzelt zu sicherheitsrelevanten Vorfällen komme, sei dennoch festzuhalten, dass diese Angriffe, vor allem seitens der Taliban, ganz überwiegend gegen Regierungsgebäude, Militärangehörige, hochrangige Ziele und ausländische Sicherheitskräfte, kaum aber gegen unbeteiligte Zivilisten gerichtet seien. Es sei nicht von vornherein im Fall des BF davon auszugehen, dass er mit einer Rückkehr nach Afghanistan in Kabul nicht vor eine unzumutbare Situation gestellt werden würde, umso mehr er im "Auffangbecken" der Volksgruppe entsprechend Unterstützung erwarten dürfte. Auch sei bereits festgestellt worden, dass der BF absolut arbeitsfähig sei, was ihm im Fall einer Ansiedelung in Kabul jedenfalls ermögliche, Hilfsarbeiten jeglicher Art zu verrichten und damit die grundlegendsten Bedürfnisse abzudecken. Wie den Länderinformationen klar hervorgehe, habe eine große Zahl der Bevölkerung einen Flüchtlingshintergrund, weshalb auch nicht davon auszugehen sei, dass Afghanen, die nach Afghanistan zurückkehren würden, in besonderer Weise diskriminiert werden würden. Aufgrund der Darlegung des Privatlebens des Beschwerdeführers sei nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine wesentliche integrative Bindung zu Österreich habe, womit den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich die daraus resultierende Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen gegenüberstehe. Da dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde und die Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zulässig sei, sei gemäß § 10 Abs. 1 AsylG und § 52 Abs. 2 Z2 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

6. Gegen den oben genannten Bescheid richtet sich die erhobene Beschwerde, welche fristgerecht beim BFA einlangte. In dieser wird zusammenfassend insbesondere ausgeführt, dass es doch nachvollziehbar sei, dass sie davon ausgegangen seien, dass die Wahrscheinlichkeit, entdeckt zu werden, wenn sie sich bloß an Schüler gewandt hätten, relativ gering sei, zumal sie davon ausgegangen seien, dass es sich bei diesen nicht um Taliban gehandelt habe. Die belangte Behörde stelle weiters fest, dass er nicht angeben könne, woher der Brief des Mullahs stamme, mit welchem dieser zur Tötung aufrufe bzw. wie sein Onkel diesen erhalten habe. Dass der Beschwerdeführer seinen Onkel nicht explizit gefragt habe, wie er in dessen Besitz gekommen sei, sei in Hinblick darauf, dass dieser ihn auch mit dem Tod bedroht habe, nachvollziehbar. Zunächst sei zu bemerken, dass es sich bei dem Brief um ein Beweismittel handle, welches für sein Fluchtvorbringen von enormer Relevanz sei. Trotzdem habe es die Behörde unterlassen, diesen zu übersetzen. Es handle sich bei diesem Vorgang um eine antizipierende Beweiswürdigung, da die Behörde ohne vollständige Beweiserhebung den Beweiswert des Briefes abstrakt beurteile. Die Vorgangsweise der belangten Behörde sei daher unzulässig und als Verfahrensmangel zu bemängeln. Daher werde der Antrag gestellt, diesen Brief im Nachhinein übersetzen zu lassen. Dass der BF im Rahmen der Einvernahme angegeben habe, niemals persönlich bedroht worden zu sein, stehe mit seiner späteren Aussage, telefonisch bedroht worden zu sein, in keinem Widerspruch. Dass mit "persönlicher Bedrohung" Bedrohung im Sinne des Asylgesetzes gemeint sei, könne vom Beschwerdeführer als juristischen Laien nicht zu wissen erwartet werden, vielmehr sei er davon ausgegangen, dass mit der Frage gemeint gewesen sei, ob er direkt und unmittelbar bedroht worden sei, was bei einer telefonischen und schriftlichen Bedrohung jedoch nicht der Fall sei. Auch dass die Behörde die telefonische Bedrohung durch seinen Onkel als "so wichtigen Umstand" bezeichne, sei angesichts des übrigen Vorbringens des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar. Die Tatsache, dass der Mullah die gesamte Gesellschaft aufgefordert habe, ihn zu töten, sei ihm als wesentlich wichtiger erschienen, somit könne auch nicht bei erst späterer Erwähnung der Bedrohung durch einen Onkel darauf geschlossen werden, dass es sich dabei um ein konstruiertes, gesteigertes Vorbringen handle. Wie bereits vom Beschwerdeführer angegeben, habe er sich zu Beginn seiner Ankunft um seine Asylantragstellung und die Schaffung einer Existenzgrundlage kümmern müssen und habe erst nach einiger Zeit eine Kirche gefunden, welche seinen Vorstellungen gerecht geworden sei. Ergänzend sei zu bemerken, dass es nicht darauf ankommt, zu welchem Zeitpunkt sich der Beschwerdeführer taufen habe lassen, sondern, dass die Taufe erfolgt sei und ihm aufgrund dessen bereits Verfolgung in Afghanistan drohe. Wie bereits erwähnt könne der Beschwerdeführer nicht gut lesen, weshalb es ihm nicht möglich gewesen sei, die Bibel vollständig lesen zu können. Zu betonen sei allerdings auch, dass die belangte Behörde mehrmals Frage zur römisch-katholischen Kirche gestellt habe, obwohl der Beschwerdeführer bekannt gegeben habe, eine evangelische Kirche zu besuchen. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass ihm seine Onkel mütterlicherseits, welche in Jaghori wohnen würden, die erforderliche Unterstützung im Falle einer Niederlassung in Kabul gewähren könnten. Dies sei insbesondere unrealistisch, da sie keinerlei Beziehung mehr zu ihnen habe, sie grundsätzlich kein gutes Verhältnis zueinander hätten und nach afghanischer Rechtslage und Brauch nicht einmal verpflichtet seien, ihm Unterstützung zu leisten. Der Beschwerdeführer habe diesbezüglich auf ein Gutachten von Dr. Rasuly verwiesen. Bezüglich Konvertiten in Afghanistan wurde ebenfalls auf mehrere Berichte verwiesen. Zur aktuellen Sicherheitslage in Kabul wurde auf UNHCR Richtlinien und ein Gutachten von Afghanistan Expertin Friederike Stahlmann verwiesen. Der Beschwerde wurde das Gutachten von Friederike Stahlmann angeschlossen.

Am 21.07.2017 wurden vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers Kursbestätigungen über die Absolvierung von Deutsch Grundkursen auf dem Niveau A2 übermittelt.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 08.11.2018 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und im Beisein der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers sowie eines Zeugen und zwei Vertretern des BFA eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen und den persönlichen Umständen befragt wurde. Auch wurden den Beschwerdeführer mit der Ladung zur Verhandlung vor dem BVwG die aktuellen Länderinformationen zu Afghanistan übermittelt und ihm im Rahmen der Verhandlung die Möglichkeit geboten hierzu umfassend Stellung zu nehmen.

Der Zeuge führte auf die Aufforderung des erkennenden Richters darzulegen, wie er den Beschwerdeführer kennengelernt habe, aus, dass er mit diesem eine siebenwöchige Taufausbildung vorgenommen habe. Er sei vom Pfarrer beauftragt worden, sich um die Farsi-sprechenden Personen zu kümmern. Der Beschwerdeführer beteilige sich an diversen kirchlichen Veranstaltungen, wie zur Osterfeier und an Bastelveranstaltungen. Er selbst habe jedoch keine offizielle, kirchliche Funktion inne. Befragt, ob er sich von der inneren Motivation des BF betreffend des angeführten Glaubenswechsels selbst überzeugt hätte, führte dieser aus, dass er diesbezüglich persönliche Fragen stelle. Beispielsweise, wieso sich sich jemand vom Islam abgewandt habe und sich nunmehr dem Christentum zuwende. Der Beschwerdeführer habe einen pakistanischen Tauschein vorweisen können, obwohl in Pakistan von allen Seiten Verfolgung drohe und der BF habe konkrete Informationen über das Christentum erfragt. Neuantragsteller würden genauer beobachtet werden als andere Mitglieder. Es würde niemand aufgenommen werden, der nicht bereits getauft sei. Christliche Taten und nicht ausschließliches Bibelwissen, sowie ein Leben nach den zehn Geboten seien für das Verhalten eines Christen und auch die Kirchengemeinschaft von entscheidender Bedeutung. Der Zeuge sei als Referent bei der MA 17 tätig und versuche in dieser Funktion auch kulturelles Wissen zu vermitteln. Die Kirche wolle keine "Scheinchristen" oder Personen, die die Kirche als Mittel zum Missbrauch verwenden würden. Zur Person des Beschwerdeführers befragt, gab der Zeuge zu Protokoll, dass dieser sich seines Wissens nach bereits in Pakistan dem Christentum zugewandt habe und sich taufen habe lassen. In Afghanistan habe er in weiterer Folge über das Christentum informiert und nachdem seine Familie darüber erfahren habe, habe ihm daraufhin die Frau seines Onkels zur Ausreise geraten. Zur Frage, was passiert sei, dass sich der Beschwerdeführer vom Islam abgewandt habe, entgegnete der Zeuge, dass man ihm diese Frage selbst stellen müsse. Befragt, wieso er ein zweites Mal getauft worden sei, erwiderte der Beschwerdeführer, dass dies die alleinige Entscheidung des Pastors gewesen sei. Für den Zeugen und die kirchliche Gemeinschaft sei es wichtig, dass sich Gläubige auch tatsächlich in die Kirche integrieren und nicht nur die Bibel auswendig lernen würden.

In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer umfassend betreffend die Gründe für die Erhebung der Beschwerde, sowie zu dem genauen Ablauf und den einzelnen Details der bereits bei der ersten Instanz angeführten Fluchterzählung befragt.

Zur Beschwerdeerhebung befragt, führte der BF aus, dass er der Meinung sei, dass er ein Recht auf Asyl habe. Weiter nachgefragt die konkreten Gründe hierfür zu nennen, führte der BF aus, dass er auch aufgrund der Änderung seiner Religion nun Konvertit sei und er deshalb eine Beschwerde gegen den Bescheid des BFA eingereicht habe.

Zu Verwandten und Familienangehörigen bzw. zu den Lebensumständen befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass in Afghanistan weiterhin ein Onkel in der Provinz Ghazni leben würde. Mit diesen hätte er jedoch keinen Kontakt mehr. Seine Ehefrau, die als Schneiderin und gelegentlich als Frisörin tätig sei und sein Kind würden in Pakistan, in der Provinz Quetta, wohnen. Der Beschwerdeführer selbst sei nur insgesamt vier Jahre in die Schule gegangen und habe in Pakistan als Fahrradreparateur gearbeitet. Sein Onkel habe seine Konvertierung verurteilt und deshalb auch seine Mutter angerufen. Seine Mutter sei derzeit in Pakistan wohnhaft, der Beschwerdeführer habe auch nach wie vor Kontakt mit ihr.

Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der BF zu Protokoll, dass er sich einen pakistanischen Reisepass beschafft habe und sich nach einem Monat illegal im Iran aufgehalten habe. Die iranische Polizei habe ihn jedoch nach Afghanistan abgeschoben, wo er erneut versucht habe, in den Iran zu gelangen. In einem pakistanischen Krankenhaus habe der Beschwerdeführer einen Mann namens " XXXX " kennengelernt, der ihm seine Hilfe angeboten habe, da die Kosten des Krankenhausaufenthaltes seines Vaters hoch gewesen seien. " XXXX " habe dem Beschwerdeführer im christlichen Krankenhaus einen Job vermittelt und sich als Christ zu erkennen gegeben. " XXXX " habe ihm zudem den Vorschlag unterbreitet, sich taufen zu lassen und da der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2008 kein großes Interesse mehr am Islam gehabt habe, sei er offen für eine neue Religion gewesen. Zudem habe sich der Beschwerdeführer nunmehr christliche Filme angesehen und ihm sei die Ungleichbehandlung von Frauen in der islamischen Religion aufgefallen. Außerdem missfalle ihm die Unterdrückung der Hazara bzw. Schiiten durch eine paramilitärische Gruppierung. " XXXX " habe ihm gesagt, dass er im Islam bisher nur Gewalt erlebt habe und habe dem Beschwerdeführer eine CD über das Leben von Jesu Christus geschenkt. Gemeinsam mit einem Nachbarn hätten sie sich eines Tages über den Islam und das Christentum unterhalten, wobei " XXXX " den Männern erneut seine Hilfe angeboten habe, sie über das Christentum aufzuklären und ihnen noch weitere christliche Filme angeboten habe. Eine Woche später hätten sie " XXXX " aufgesucht und gebeten, sie zu taufen, worüber sie auch eine Bestätigung erhalten hätten. In weiterer Folge habe der Beschwerdeführer als Bekräftigung seines christlichen Glaubens CDs an Jugendliche in der Provinz seines Onkels, Jaghori, verteilt. Eines Tages sei die Ehefrau seines Onkels an ihn herangetreten und habe ihm ein Schriftstück gezeigt, welches die Todesdrohung eines Mullahs an den Beschwerdeführer enthalten habe. Da auch sein Onkel über die Tat des Beschwerdeführers erzürnt gewesen sei, habe er Angst bekommen und sei wieder nach Pakistan geflüchtet. Neben dem Drohschreiben des Mullahs sei der Beschwerdeführer weder persönlich noch unmittelbar bedroht worden. Danach befragt, welches christliche Material er konkret verteilt habe, antwortete der Beschwerdeführer, dass er eine CD mit einem Film über das Leben von Christus samt Beschreibung verteilt habe. Nach dem Inhalt dieses Filmes befragt, führte der BF aus, dass er als zentrale Szene die Kreuzigungsszene von Jesus Christus detailliert wiedergeben könne. Zum Vorhalt, weshalb er davon ausgegangen sei, in Afghanistan über längere Zeit christliches Material ohne jegliche Konsequenzen verteilen zu können, erwiderte der Beschwerdeführer, dass er damit seine Gläubigkeit beweisen habe wollen. Auf weiteren Vorhalt, dass er im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA sogar angegeben habe, dass der Wohnort seines Onkels von den Taliban umzingelt wäre, entgegnete der Beschwerdeführer, dass er an seinem Heimatort aufgrund der Präsenz der Taliban nichts verteilen habe können. Bei der Einvernahme müsse man ihn falsch verstanden haben. Er habe die drohende Gefahr aufgrund seiner Tätigkeit jedenfalls unterschätzt. Befragt, wem der Beschwerdeführer das Informationsmaterial verkauft habe, erklärte der Beschwerdeführer, dass es sich um Jugendliche zwischen 12 und 15 Jahren gehandelt habe. " XXXX " habe die Kosten für die Verteilung des christlichen Materials übernommen. Dem Beschwerdeführer sei die Gefährdung erst bewusst gewesen, als er das besagte Informationsmaterial verteilt habe, obwohl er wisse, dass im Koran die Todesstrafe für Apostasie verankert sei. Auf Vorhalt des Richters, dass er sich gerade selbst widersprochen habe, da er über die islamischen Lehren bezüglich Abkehr vom Glauben entgegen seinen Ausführungen doch Bescheid wisse, erwiderte der Beschwerdeführer, dass er gedacht habe, dass er bereits nach einer Woche mit seiner Arbeit fertig wäre und niemand Verdacht schöpfe. Zur Frage des BFA, welchen Sinn es mache, wenn jemand wie der Beschwerdeführer mit christlichen Blättern werbe, der selbst nicht gut lesen und schreiben könne, erwiderte der Beschwerdeführer, dass dies zwar stimme, er aber durch einen Film über Jesus inhaltliche Informationen erhalten habe. Befragt, wie er den Glauben zum Christentum entwickelt habe und was der Kern und das Wesen seines Glaubens sei, erklärte der Beschwerdeführer, dass er dieses als Rettung von seinen Sünden empfunden habe. Wenn sich jemand dem Christentum mit dem Herzen anschließe, würden seine Sünden aus der Welt geschafft werden. Er sei auf der Suche nach einer neuen Glaubensrichtung gewesen und durch " XXXX " habe er den richtigen Weg gefunden. Zur Frage, was die Unterschiede zwischen Islam und Christentum seien, erwiderte der Beschwerdeführer, dass es in der christlichen Religion keine Gewalt gebe und die Rechte von Männer und Frauen gleich seien. Als Kind sei er dazu gezwungen worden, den Koran zu lesen, habe sich mit dessen theologischen Grundlagen nicht näher beschäftigt, da er nicht richtig lesen könne. Im Christentum sei es im Gegensatz zum Koran möglich, die Bibel in der eigenen Sprache zu lesen. Auf Vorhalt, dass es auch möglich sei, den Koran in der jeweiligen Muttersprache zu lesen, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er den Sinn des Korans nicht verstehen könne. Sein Vater habe ihm jedoch gesagt, dass man für das Lesen des Korans auch belohnt werde, wenn man dessen Bedeutung nicht erfassen könne. Zum Zeitpunkt, als er begonnen habe, Informationsmaterial zu verteilen, habe er zwar noch kein fundiertes Wissen über das Christentum gehabt, aber über " XXXX " habe er mehr vom Leben Christis erfahren. Da er im Islam nur Gewalt erlebt habe, habe er einer neuen Glaubensrichtung folgen wollen. Der Kern des Christentums sei für den Beschwerdeführer die Liebe im Miteinander und es sei kein falscher Ansatz erkennbar. Er fühle sich durch die neue Religion ruhig und gut, den Islam dagegen habe er als Glaubensrichtung nie akzeptiert. Die Frage, wie sein spirituelles Verhältnis mit Jesus Christus sei, könne er aufgrund mangelnden Verständnisses zwar nicht beantworten, durch Gebete fühle sich der Beschwerdeführer jedoch insgesamt besser. Die wichtigste Botschaft des christlichen Glaubens sei für ihn die Liebe zu Gott und im Miteinander. Auf Vorhalt, dass diese Botschaft auch wortwörtlich im Koran stehe, entgegnete der Beschwerdeführer, dass er dies nicht wisse. Ostern bedeute für ihn wie für jeden Christen ein Fest und viele würden an diesem Tag fasten. Kommunion sei für den Beschwerdeführer das Opfer von Jesus Christus für die Menschen, da dieser einen Teil seines Bluts und seines Körpers für die Sünden der Menschheit geopfert habe. Außer das "Vater Unser" kenne der Beschwerdeführer keine weiteren Gebete, da man diese in der Kirche üblicherweise von einem Bildschirm ablesen würde. Auch das Glaubensbekenntnis könne der Beschwerdeführer nicht wiedergeben. Auf Aufforderung, konkrete Gründe zu nennen, wieso er davon ausgehe, in Afghanistan einer über das allgemeine Maß hinausgehenden Bedrohung ausgesetzt zu sein, brachte der Beschwerdeführer vor, dass es für ihn als Hazara schwierig sei, einen sicheren Platz zu finden und sich zudem die Lage rasch ändere. Bei einer Rückkehr würde er aufgrund seiner Religionszugehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit nicht lange überleben, als diesbezügliches Beweismittel könne er einen Brief eines Mullahs vorlegen.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass er von der Grundversorgung lebe und auf Renumerantenbasis gearbeitet habe. Er habe österreichische Freunde sowie Bekannte und besuche regelmäßig einen Deutschkurs. Im Flüchtlingsheim habe er sein Religionsbekenntnis nicht preisgegeben, da andere Christen, die sich bekannt hätten, bereits geschlagen und bedroht worden seien.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden vom BF zwei Fotos, vier Zertifikate bezüglich der Absolvierung von Deutschkurse auf dem Niveau B1 sowie A2, eine Arbeitsbestätigung vom 01.12.2017, vom 18.04.2017 sowie vom 25.09.2018 bezüglich der Absolvierung einer gemeinnützigen Beschäftigung für die österreichischen Bundesgärten sowie ein Zeitungsartikel bezüglich der gemeinnützigen Beschäftigung des Beschwerdeführers und ein Brief über die Aufforderung zur Ermordung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Religionszugehörigkeit zum Akt zur Vorlage gebracht.

In einer Stellungnahme vom 09.11.2018 wurden Ausführungen betreffend des Glaubenswechsels und des gelebten christlichen Glaubens des BF, sowie der "öffentlichen Zurschaustellung des neuen, christlichen Glaubens", weites zur Frage wie der BF €2000 für die Schleppung ansparen hat können, sowie zur Frage warum sich der BF als Hazara in Afghanistan bedroht fühlt, als auch zur Frage der Bekanntschaften des BF in Österreich und den Vorstellungen betreffend seiner Integration an das BVwG übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, stammt ursprünglich aus der Provinz Ghazni und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat einen minderjährigen Sohn. Im Heimatland des Beschwerdeführers befinden sich mehrere Onkel. Der Beschwerdeführer verließ im Alter von ca. zehn Jahren den Herkunftsstaat und lebte foran im Iran. Aus dem Iran wurde der BF jedoch wieder nach Afghanistan abgeschoben. Im Jahr 2014 begab er sich mit seiner Familie nach Pakistan, wo nach wie vor seine Ehefrau, sein Sohn, seine Mutter und zwei seiner Schwestern leben. Der Beschwerdeführer steht in regelmäßigem telefonischem Kontakt zu seinen Familienangehörigen. In Pakistan besuchte der Beschwerdeführer vier Jahre lang die Grundschule und arbeitete anschließend als Fahrradmechaniker. Der Beschwerdeführer hält sich seit Juli 2015 im Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schweren körperlichen oder psychischen Erkrankungen.

Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen gesunden Mann im arbeitsfähigen Alter. Dem Beschwerdeführer ist eine Teilnahme am Erwerbsleben im Herkunftsstaat zumutbar.

Der Beschwerdeführer lebt in Österreich zum überwiegenden Teil aus den Mitteln der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keinen Personen zu denen ein besonders zu berücksichtigendes Nahe - bzw. Abhängigkeitsverhältnis besteht.

Der strafrechtlich unbescholtene Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung durchgehend ausschließlich nur auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts während des Asylverfahrens rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse; er hat in Österreich Deutschkurse, sowie Kurse des BFI und der VHS besucht.

Das Bestehen von besonderen Gründen, die für ein Verbleiben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sprechen, sind dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

Das Vorliegen einer insgesamt besonders berücksichtigungswürdigen Integration in Österreich kann in casu nicht festgestellt werden.

1.2. Zu den Beschwerdegründen:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Afghanistan aufgrund einer glaubwürdigen, ihn unmittelbar persönlich treffenden asylrelevanten Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen hat.

Es kann nicht festgestellt werden und es ist nicht glaubhaft dass der Beschwerdeführer in Afghanistan wegen der von ihm angeführten Fluchtgründe bedroht wurde oder auf anderer Weise psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt war.

Die seitens des Beschwerdeführers zu Protokoll gegebenen Gründe für das Verlassen Afghanistans sind unglaubwürdig.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer den christlichen Glauben bereit vor der Ausreise aus Afghanistan angenommen hat.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der christliche Glaube zum aktuellen Zeitpunkt bereits ein wesentlicher Bestandteil der Identität des BF geworden ist.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF dem derzeitigen Interesse für den christlichen Glauben im Falle der Rückkehr nach Afghanistan weiter nachkommen würde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass sich der BF aus glaubhaft nachvollziehbaren Motiven entschieden vom Islam abgewandt hat, sich aus glaubwürdigen religiösen Gründen dem Christentum zugewandt hat oder im Falle der Rückkehr nach Afghanistan sein derzeitiges Interesse für den christlichen Glauben nach Außen zur Schau tragen würde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF den christlichen Glauben verinnerlicht hat oder, dass der christliche Glaube wesentlicher Teil seiner Persönlichkeit geworden ist.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan den christlichen Glauben weiter ausüben würde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass anderen Personen in Afghanistan, außerhalb der eigenen Familie, bekannt ist, dass der Beschwerdeführer in Österreich getauft wurde und in Österreich Gottesdienste besucht hat.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer sein behauptetes Interesse für den christlichen Glauben im Falle der Rückkehr nach Afghanistan äußerlich zur Schau tragen würde, bzw. kann es nicht festgestellt werden, dass der christlicher Glaube nach außen in Erscheinung tritt und, dass der Beschwerdeführer alleine aufgrund dieses Merkmales einer Verfolgung ausgesetzt wäre.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund des in Österreich gezeigten Interesses am christlichen Glauben und der angeführten Konvertierung im Falle der Rückkehr nach Afghanistan einer konkret gegen ihn gerichteten psychischen und/oder physischen Gewalt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt sein wird.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara konkret und individuell physische oder psychische Gewalt in Afghanistan droht. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan allein aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt sind.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Niederlassung insbesondere in den Städten Mazar-e Sharif und Herat besteht für den Beschwerdeführer als arbeitsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine berücksichtigungswürdige Bedrohungssituation, bzw. läuft dieser dort auch nicht in Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Der strafrechtlich unbescholtene Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung durchgehend ausschließlich nur auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts während des Asylverfahrens rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse; er hat in Österreich Deutschkurse besucht und eine Prüfung auf A2 Niveau absolviert. Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig, war jedoch gemeinnützig für die österreichischen Bundesgärten tätig. Das Bestehen von besonderen Gründen die für ein Verbleiben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sprechen, sind dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

1.3. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

(gekürzt und zusammengefasst durch das BVwG)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018). Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u. a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018). Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018). Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Anschläge in Nangarhar 11.9.2018

Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demostration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vgl. TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule "Malika Omaira" in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule "Biba Hawa" im naheligenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Schülerinnen noch nicht zum Unterricht erschienen waren (AFP 11.9.2018). Weder die Taliban noch der IS/ISKP bekannten sich zu den Anschlägen, obwohl beide Gruppierungen in der Provinz Nangarhar aktiv sind (AFP 11.9.2018; vgl. RFE/RL 11.9.2018, TWP 11.9.2018).

Kämpfe in den Provinzen Sar-e Pul und Jawzjan 11.9.2018

Am Montag, dem 10.9.2018, eroberten die Taliban die Hauptstadt des Kham Aab Distrikts in der Provinz Jawzjan nachdem es zu schweren Zusammenstößen zwischen den Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften gekommen war (Tolonews 10.9.2018a; Tolonews 10.9.2018b). Sowohl die afghanischen Streitkräfte als auch die Taliban erlitten Verluste (Khaama Press 10.9.2018a).

Am Sonntag, dem 9.9.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt der Provinz Sar-i Pul, wo nach wie vor u.a. mit Einsatz der Luftwaffe gekämpft wird (Tolonews 10.9.2018b; vgl. FAZ 10.9.2018). Quellen zufolge haben die Taliban das Gebiet Balghali im Zentrum der Provinzhauptstadt eingenommen und unter ihre Kontrolle gebracht (FAZ 10.9.2018). Sar-i-Pul-Stadt gehört zu den zehn Provinzhauptstädten, die Quellen zufolge das höchste Risiko tragen, von den Taliban eingenommen zu werden. Dazu zählen auch Farah-Stadt, Faizabad in Badakhshan, Ghazni-Stadt, Tarinkot in Uruzgan, Kunduz-Stadt, Maimana in Faryab und Pul-i- Khumri in Baghlan (LWJ 10.9.2018; vgl. LWJ 30.8.2018). Weiteren Quellen zufolge sind auch die Städte Lashkar Gar in Helmand und Gardez in Paktia von einer Kontrollübernahme durch die Taliban bedroht (LWJ 10.9.2018).

IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018

Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vgl. Khaama Press 10.9.2018b).

IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018

Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vgl. CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).

Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015). Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.9.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.9.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.2.2015; vgl. AAN o.D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017). Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018). Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.). Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017). Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018). Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF- Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017). Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018). Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US- amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friendens- Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018). Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).

Balkh

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche u

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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