TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/26 W208 2216455-1

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Veröffentlicht am 26.03.2019
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Entscheidungsdatum

26.03.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
WG 2001 §26 Abs1 Z2

Spruch

W208 2216455-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von Dipl. Ing. XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Militärkommando OBERÖSTERREICH Ergänzungsabteilung, GZ P1103478/16 MilKdo/Kdo/ErgAbt/2019 (6), zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 2 VwGVG i.V.m. § 26 Abs. 1 Z 2

WG 2001 als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Tauglichkeit und Wehrpflicht des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF) wurde erstmals am 25.01.2012 festgestellt.

2. Mit Einberufungsbefehl vom 19.07.2018 (zugestellt am 23.07.2018) wurde der BF zur Leistung des Wehrdienstes mit 01.04.2019 einberufen, nachdem zuvor erlassene Einberufungsbefehle mehrfach - aufgrund der Schulausbildung und des Universitätsstudiums des BF - abgeändert und die Einberufung aufgeschoben worden war.

3. Mit Antrag vom 06.01.2019, ersuchte der BF beim Militärkommando (im Folgenden: MilKdo oder belangte Behörde) um Befreiung vom Grundwehrdienst bis 31.12.2099. Als Begründung führte er an, dass er den Familienbetrieb seines Onkels, deren operatives Geschäft er bereits nebenbei leite, weiterführen müsse; er kurz vor seiner Diplomprüfung stehe; er Geschäftsführer in einem Jungunternehmen und damit unabkömmlich sei.

4. Das MilKdo führte ein Ermittlungsverfahren durch, stellte den entscheidungsrelevanten Sachverhalt fest und räumte dem BF mit Schreiben vom 22.02.2019 dazu Parteiengehör ein. Der BF bestätigte die mitgeteilten Tatsachen am 27.02.2019.

5. Mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid, wies die belangte Behörde den Antrag des BF gem. § 26 Abs. 1 Z 2 Wehrgesetz 2001 (WG 2001) ab. Begründend wurde, im Wesentlichen das Folgende angeführt [Anonymisierung durch BVwG]:

"Aus den vom Militärkommando Oberösterreich durchgeführten Erhebungen ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Seit dem Eintritt der Rechtskraft des Stellungsbeschlusses am 25.01.2012 sind Sie tauglich. Aufgrund Ihrer Schulausbildung in der Höheren Technischen Bundeslehranstalt [...], Abteilung für Maschinenbau waren Sie kraft Gesetzes von der Einberufung zum Grundwehrdienst bis 15.06.2013 ausgeschlossen.

Der Einberufungsbefehl zum Einberufungstermin 13.01.2014 wurde mit Bescheid vom 01.07.2013, GZ P1103478/2-MilKdo OÖ/Kdo/ErgAbt/2013 auf den Einberufungstermin 07.01.2014, bzw. mit Bescheid vom 30.07.2013, GZ P1103478/4-MilKdo OÖ/Kdo/ErgAbt/2013 auf den Einberufungstermin 03.11.2014, bzw. mit Bescheid vom

14.07.2014, GZ P1103478/6-MilKdo OÖ/Kdo/ErgAbt/2014 auf den Einberufungstermin 02.11.2015, bzw. mit Bescheid vom 27.07.2015, GZ P1103478/8-MilKdo OÖ/Kdo/ErgAbt/2015 auf den Einberufungstermin 07.11.2016, bzw. mit Bescheid vom 03.08.2016, GZ P1103478/10-MilKdo OÖ/Kdo/ErgAbt/2016/(1) auf den Einberufungstermin 06.11.2017, bzw. mit Bescheid vom 28.07.2017, GZ P1103478/13-MilKdo OÖ/ErgAbt/2017 auf den Einberufungstermin 01.10.2018, bzw. mit Bescheid vom 19.07.2018, GZ P1103478/15-MilKdo OÖ/Kdo/ErgAbt/2018(1) auf den Einberufungstermin 01.04.2019 aufgrund Ihres Bachelorstudiums "Maschinenbautechnik" an der Technischen Universität [...] mehrmals abgeändert.

Der Betrieb " XXXX GmbH" wurde am 18.08.2018 von Ihnen und Ihrem Geschäftspartner, Herrn [...] neu gegründet. Wirtschaftliche Eigentümer und Geschäftsführer sind Sie und Herr [...]. Eigentümer ist seit 18.08.2018 die XXXX Holding zu 100 % (deren Eigentümer zu jeweils 50 % Sie und Herr [...]seit 15.08.2018 sind).

Es ist noch keine Bilanz vorhanden, weil das Unternehmen neu gegründet wurde.

Vorausschau für 2019: Jahresumsatz: EUR 300.000,- und Verlust: EUR 50.000,-Bei den Aufträgen gibt es keine saisonalen Unterschiede. Das Ziel des Unternehmens ist die Aktivierung und Vermietung eines alten Kaufhauses in der [...] Innenstadt. Hierbei wird das komplette Leistungsspektrum von Kundenkontakt und rechtlichen Vertragsakten bis hin zu Baukoordinationen abgedeckt.

Außer Ihnen und Herrn [...] (beide Geschäftsführer und Gründer) sind keine Arbeitskräfte im Unternehmen beschäftigt. Auf dem Unternehmen lasten Schulden von EUR 1.600.000,-.

Ihre Aufgaben im Betrieb sind folgende: Kundenbetreuung, Vertragsverhandlungen, Bauausschreibungen, Baukoordinationen und Geschäftsführertätigkeiten.

Sie können bis zu einem gewissen Grad durch Ihren Partner in Ihrer gemeinsamen Position als Geschäftsführer vertreten werden. Jedoch ist dieser bereits zeitlich voll ausgelastet und somit ist ein Ersatz im konkreten nicht möglich.

Durch Ihre Einberufung sind nicht nur die Arbeitsplätze, sondern auch das Fortstehen des Unternehmens gefährdet und eine unmittelbare Existenzgefährdung gegeben. Sie befinden sich in den ersten Gründungsjahren und es werden noch keine positiven Zahlen geschrieben. Speziell jetzt gilt das Business Modell zum Laufen zu bringen. Immerhin muss das Unternehmen einen Kredit von über EUR 1.600.000,- stemmen.

Die Firma XXXX KG, Kommanditgesellschaft, XXXX , soll von Ihnen so zeitnah wie möglich - aufgrund fehlender Nachfolge übernommen werden. Es ist keine Gewerbeberechtigung bzw. Konzession erforderlich. Wirtschaftlicher Eigentümer und Geschäftsführer ist Ihr Onkel Herr XXXX (jun.), geb. XXXX . Die Eigentumsverhältnisse sind folgende: 66,6% Herr XXXX jun. [...] und 33,3% Herr XXXX sen. (geb. XXXX ).

Die kurzfristige Erfolgsrechnung 2018 zeigt einen Jahresumsatz von EUR 2.300.000,- und einen Verlust von EUR 1.000,-.

Es bestehen keine saisonalen Unterschiede. Das Unternehmen produziert wichtige Gussbauteile für den österreichischen Spezialmaschinenbereich (Automotive/Lokomotive/Maschinen). Auf dem Unternehmen lasten Schulden von ca. EUR 450.000,- und es sind ca. 30 Arbeitskräfte beschäftigt. Es sind auch in diesem Unternehmen durch Ihre Einberufung nicht nur die Arbeitsplätze sondern auch das Fortbestehen des Unternehmens gefährdet und eine unmittelbare Existenzgefährdung gegeben.

In der Zeit von 2008 bis 2013 besuchten Sie die HTL [...] Maschinenbau. Anschließend studierten Sie bis 2016 bzw. 22.01.2019 an der TU [...] Wirtschaftsmaschinenbau (Bachelor) bzw. Production Science Management (Dipl.-Ing.). Sie arbeiteten als Studienassistent im Bachelor mit 5h/Woche und flexibler Arbeitszeit und in der [...] KG zuerst geringfügig und ab Sommer 2018 Vollzeit (Diplomarbeit).

Sie leben im gemeinsamen Haushalt mit Ihrer Mutter Frau [...] und Ihrem Vater Herr [...].

Der Abänderungsbescheid des Einberufungsbefehls zur Leistung des Grundwehrdienstes zum Einberufungstermin 01.04.2019 vom 19.07.2018 wurde Ihnen am 23.07.2018 durch Hinterlegung zugestellt.

Vom Ergebnis der Beweisaufnahme wurden Sie mit Schreiben des Militärkommandos Oberösterreich vom 27.02.2019 in Kenntnis gesetzt, und es wurde Ihnen die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme (Parteiengehör) eingeräumt. In Ihrer diesbezüglichen Stellungnahme vom 27.02.2019 teilten Sie mit, dass das Ergebnis der Beweisaufnahme den Tatsachen entspricht.

Gemäß § 26 Absatz 1 Ziffer 2 des im Spruch zitierten Wehrgesetzes 2001 sind taugliche Wehrpflichtige - sofern keine zwingenden militärischen Erfordernisse entgegenstehen - auf ihren Antrag von der Verpflichtung zur Leistung eines Präsenzdienstes zu befreien, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Gemäß § 19 Abs. 1 Z 1 leg.cit. gilt der Grundwehrdienst als Präsenzdienstart.

Das Militärkommando Oberösterreich gelangte nach eingehender Prüfung und Beurteilung des für die Entscheidung über Ihren Antrag maßgeblichen Sachverhaltes zu der Ansicht, dass in Ihrem Falle wirtschaftliche Interessen vorliegen, da Sie als Eigentümer und Gesellschafter eines Unternehmens an dessen ordnungsgemäßer Führung ein berechtigtes Eigeninteresse haben. Die in Ihrem Antrag angeführte Tatsache, dass Sie den Familienbetrieb Ihres Onkels weiterführen und daher auch von diesem unabkömmlich sind, stellen nicht Ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen dar, sondern die Ihres Onkels.

Die besondere Rücksichtswürdigkeit im Sinne der bezogenen Gesetzesstelle, die eine Befreiung von der Verpflichtung zur Ableistung der oben angeführten Präsenzdienstart rechtfertigen würde, konnte allerdings nicht erkannt werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Wehrpflichtigen, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten rechtzeitig so zu ordnen, dass einer Einberufung zur Ableistung der oben angeführten Präsenzdienstart keine vorhersehbaren Schwierigkeiten entgegenstehen (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1984, Zl. 83/11/0017, 84/11/0106, und vom 26. Mai 1986, Zl. 85/12/0250!).

Obwohl Ihnen bewusst sein musste, dass Sie nach Beendigung Ihres Studiums den Grundwehrdienst zu leisten haben, haben Sie am 18.08.2018 ein Unternehmen ([...]GmbH) gegründet und damit jene Schwierigkeiten geschaffen, die einer Präsenzdienstleistung entgegenstehen. Diesbezüglich ist weiters anzumerken, dass aufgrund der im Zusammenhang mit Ihrem Studium mehrfach erfolgten Einberufungsbefehl-Abänderung kein Befreiungsgrund aus wirtschaftlichen Interessen (Firmengründung) abgeleitet werden kann.

Wären Sie bei Abwägung aller maßgeblichen Interessen zu dem Schluss gekommen, dass Sie bei der von Ihnen in Aussicht genommenen Gestaltung Ihrer wirtschaftlichen Angelegenheiten nicht in der Lage wären Ihrer Präsenzdienstpflicht nachzukommen, so hätten Sie davon Abstand nehmen müssen (vgl. dazu unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1991, Zl.: 91/11/0065 und die dort angeführte Judikatur).

Es würde zu weit gehen, ein besonders rücksichtswürdiges wirtschaftliches Interesse darin zu erblicken, dass der Wehrpflichtige durch seine eigene mangelnde Voraussicht in Schwierigkeiten gerät. Dieser Grundsatz ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch darauf anwendbar, dass sich der Wehrpflichtige auf die Gefährdung seiner Existenz und die damit verbundene finanzielle Benachteiligung beruft (siehe dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Oktober 1991, Zl. 89/11/0197 und 0198!).

Sie haben somit Ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten nicht mit Ihrer öffentlichrechtlichen Verpflichtung zur Ableistung des Grundwehrdienstes harmonisiert, was die besondere Rücksichtswürdigkeit Ihrer wirtschaftlichen Interessen ausschließt.

Zur beabsichtigten Übernahme der Firma [...] KG ist festzustellen, dass es sich dabei um ein zukünftiges Ereignis handelt, die entscheidende Behörde aber nur von solchen Tatsachen auszugehen hat, welche zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides bereits bestehen (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. März 1969, Zl. 1.310/68!). Weiters ist bezüglich dieser geplanten Firmenübernahme auch auf die bereits oben angeführten Dispositionspflichten zu verweisen.

Das Vorliegen besonders rücksichtswürdiger familiärer Interessen im Sinne der bezogenen Gesetzesstelle haben Sie nicht geltend gemacht, und es konnten auch solche Interessen dem für diese Entscheidung relevanten Sachverhalt nicht entnommen werden."

6. Mit Schriftsatz vom 13.03.2019 brachte der BF Beschwerde gegen den am 12.03.2019 zugestellten Bescheid ein.

Er beantragte die Aufhebung des Bescheides und die Stattgebung des Antrags auf Befreiung vom Wehrdienst.

Begründend führt er sinngemäß aus, dass der Übergabeprozess der KG derzeit im Gange sei, der Senior verstorben und der Onkel im Betrieb nicht mehr aktiv tätig und wichtige Schlüsselfiguren in den letzten Jahren in den Ruhestand getreten seien. Die Umsätze seien rückläufig und er aufgrund des aktuellen Handlungsbedarfes unentbehrlich. Die Gründung des Startups sei eine Gelegenheit gewesen und die Stadt habe ein großes Interesse am Erfolg des Projekts.

7. Mit Schriftsatz vom 14.03.2019 (eingelangt beim BVwG am 25.03.2019) legte die belangte Behörde - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - die Beschwerde und den elektronischen Verfahrensakt dem BVwG zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem im Punkt I dargestellten Verfahrensgang, dem angefochtenen Bescheid und den in der Beschwerde des BF angeführten Fakten. Der Sachverhalt wird im Wesentlichen durch entsprechende Urkunden im Akt belegt und steht fest.

2. Beweiswürdigung:

Das BVwG geht von der Richtigkeit des von der Behörde festgestellten Sachverhaltes aus, weil der BF diesen nicht nur nicht bestritten, sondern explizit als den Tatsachen entsprechend bestätigt hat. Die in der Beschwerde angeführten neuen Fakten, konnten von der belangten Behörde zwar nicht mehr berücksichtigt werden, doch hätten sie zu keiner anderen Entscheidung führen können (vgl. dazu die rechtliche Beurteilung).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit und Verfahren

Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde vier Wochen. Diese Frist wurde eingehalten und liegen auch sonst keine Gründe für eine Unzulässigkeit der Beschwerde vor.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichts (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 2013/10, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da das hier anzuwendende Wehrgesetz 2001 (WG 2001) keine Senatszuständigkeit vorsieht, ist im vorliegenden Fall eine Einzelrichterzuständigkeit gegeben.

Gemäß § 27 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) hat das Verwaltungsgericht - soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet - den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) zu überprüfen.

Der Verfahrensgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wird durch die Begründung und das darin enthaltene Begehren in der Beschwerde begrenzt, es besteht kein Neuerungsverbot (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte,

2. Auflage, 2017, § 27, K2). Von Amts wegen hat das BVwG jedoch Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der den angefochtenen Bescheid erlassenden Behörde aufzugreifen; ebenso kann es eine relevante Verletzung der Verfahrensvorschriften als auch allfällige inhaltliche Rechtswidrigkeit (die nicht ausdrücklich in der Beschwerde geltend gemacht wurde) von Amts wegen aufgreifen; Grundsatz der Amswegigkeit (siehe Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. Auflage, 2017 § 27, K3).

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG haben die Verwaltungsgerichte die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Wie oben bereits ausgeführt steht der in der Angelegenheit maßgebliche Sachverhalt aufgrund der Aktenlage fest. Das BVwG hat daher in der Sache selbst zu entscheiden. Das BVwG hat seiner Entscheidung, den Sachverhalt und die Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung des Sachverhaltes oder der Rechtsfrage nicht erwarten lässt. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (keine "civil rights") noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 (kein Bezug zu EU-Normen) entgegen.

Zu A)

3.2. Gesetzliche Grundlagen

Die fallbezogen maßgeblichen Bestimmungen des Wehrgesetzes 2001 (WG 2001) lauten (Auszug, Hervorhebungen durch BVwG):

"§ 10. (1) Alle österreichischen Staatsbürger männlichen Geschlechtes, die das 17. Lebensjahr vollendet und das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind wehrpflichtig. [...]

§ 19. (1) Der Präsenzdienst ist zu leisten als

1. Grundwehrdienst [...]

Befreiung und Aufschub

§ 26. (1) Taugliche Wehrpflichtige sind, soweit zwingende militärische Erfordernisse nicht entgegenstehen, von der Verpflichtung zur Leistung eines Präsenzdienstes zu befreien

1. von Amts wegen, wenn und solange es militärische Rücksichten oder sonstige öffentliche Interessen erfordern, und

2. auf ihren Antrag, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Als sonstige öffentliche Interessen gelten insbesondere gesamtwirtschaftliche oder familienpolitische Interessen sowie die Tätigkeiten von Fachkräften der Entwicklungshilfe nach § 15 des Entwicklungshelfergesetzes. Als familiäre Interessen gelten auch solche aus einer eingetragenen Partnerschaft. Eine Befreiung ist auch zulässig, wenn eine Voraussetzung nach Z 1 oder 2 während eines Präsenzdienstes eintritt. Befreiungen nach Z 1 hat der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport zu verfügen.

(2) Anträge auf Befreiung nach Abs. 1 Z 2 dürfen beim Militärkommando eingebracht werden und darüber hinaus

1. hinsichtlich des Grundwehrdienstes auch im Stellungsverfahren bei der Stellungskommission und

2. während einer Präsenzdienstleistung auch bei jener militärischen Dienststelle, der der Wehrpflichtige zur Dienstleistung zugeteilt ist.

Bescheide nach Abs. 1 Z 1 sind, sofern es sich um eine Befreiung wegen einer beruflichen Tätigkeit handelt, dem Auftraggeber für diese berufliche Tätigkeit, insbesondere dem Arbeitgeber des Wehrpflichtigen, zur Kenntnis zu bringen.

(3) [...]

(4) Mit Erlassung eines Bescheides, durch den einem Wehrpflichtigen eine Befreiung oder ein Aufschub gewährt wurde, wird eine bereits rechtswirksam verfügte Einberufung für den Zeitraum dieser Befreiung oder dieses Aufschubes für ihn unwirksam."

3.3. Beurteilung des konkreten Sachverhaltes

3.3.1. Der Gegenstand der Beschwerde ist, dass der BF vermeint aufgrund dessen, dass die wirtschaftliche Existenz des Familienbetriebes des Onkels (in dem er schon jetzt mitarbeitet und dessen Übergabeprozess bereits läuft) sowie jenes seines von ihm mit einem Geschäftspartner gegründeten Jungunternehmens, bei einer Einberufung auf dem Spiel stehe. Damit würden besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche und familiäre Interessen vorliegen die eine Befreiung erfordern.

3.3.2. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat dazu in ähnlich gelagerten Fällen ua. folgende Aussagen getroffen:

Auch wenn der Wehrpflichtige im vorliegenden Fall im Zeitpunkt seiner hier maßgebenden wirtschaftlichen Dispositionen [...] noch nicht zum Grundwehrdienst einberufen war, so musste er doch aufgrund der Feststellung seiner Tauglichkeit mit der Einberufung zur Leistung des Grundwehrdienstes rechnen. Indem er dennoch den landwirtschaftlichen Betrieb gepachtet hat, hat er damit die Schwierigkeiten, die für seinen landwirtschaftlichen Betrieb durch die Leistung seines Grundwehrdienstes verbunden sind, selbst geschaffen (Hinweis E vom 29. September 2005, 2003/11/0026). Der Wehrpflichtige hätte somit wegen der (aufgrund der Tauglichkeitsfeststellung) zu erwartenden Einberufung zum Grundwehrdienst seine wirtschaftlichen Angelegenheiten so einrichten müssen, dass er der Einberufung ohne voraussehbare Schwierigkeiten nachkommen kann. Ließe sich somit die Führung des gepachteten Betriebes mit der Leistung des Grundwehrdienstes nicht vereinbaren, so hätte der Wehrpflichtige das Pachtverhältnis nicht eingehen dürfen, selbst wenn es sich dabei um eine besondere (wirtschaftliche) Gelegenheit gehandelt haben sollte. Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde führt dies zu keinem Berufsverbot in der Phase vor Ableistung des Grundwehrdienstes, stehen dem Wehrpflichtigen doch vor der Einberufung zum Grundwehrdienst alle beruflichen (z.B. unselbständigen) Erwerbsmöglichkeiten offen, die für die Dauer des Ableistens des Grundwehrdienstes ohne größere Schwierigkeiten unterbrochen werden können (VwGH 27.01.2014, 2013/11/0246).

Der Wehrpflichtige ist gehalten, seine wirtschaftlichen Dispositionen so zu treffen, dass für den Fall seiner Einberufung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden und nicht durch die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit solche Schwierigkeiten erst geschaffen werden. Unterlässt es ein Wehrpflichtiger, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Wehrpflicht zu harmonisieren, so können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinn der Bestimmungen des Wehrgesetzes angesehen werden (Hinweis E 29. September 2005, 2003/11/0026). Ist der Wehrpflichtige nicht selbst Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes, in dem er arbeitet, sondern sind dies vielmehr seine Eltern, so ist das Vorliegen besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher Interessen iSd § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 daher auszuschließen. Die künftig vorgesehene Übernahme dieses Betriebes durch den Wehrpflichtigen vermag nämlich ein wirtschaftliches Interesse des Wehrpflichtigen an seiner Befreiung nicht zu begründen (Hinweis E 21. März 1995, 94/11/0402; VwGH 13.12.2005, 2005/11/0167).

Die besondere Rücksichtswürdigkeit familiärer Interessen ist dann anzunehmen, wenn durch die fehlende Unterstützung der Angehörigen (hier: Eltern bzw. Geschwister) eine Gefährdung ihrer Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen, wie zB der Verlust der Existenzgrundlage, zu befürchten ist. Zur Unterstützung der Angehörigen ist in diesem Zusammenhang aber nicht nur der Wehrpflichtige, sondern die ganze Familie berufen. Jene Familienangehörigen, deren Unterstützungsbedürftigkeit der Wehrpflichtige geltend macht, haben überdies ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten unter Bedachtnahme auf die Präsenzdienstpflicht des wehrpflichtigen Angehörigen einzurichten (Hinweis E 23. 1. 2001, 2000/11/0206; E 26. 2. 2002, 2000/11/0269; E 4. 6. 1991, 90/11/0231; E 1. 12. 1992, 92/11/0113; E 10. 11. 1998, 97/11/0377; VwGH 13.12.2005, 2005/11/0167).

Die Auffassung, wirtschaftliche Interessen des Wehrpflichtigen seien immer dann besonders rücksichtswürdig, wenn durch die Leistung des Präsenzdienstes die wirtschaftlichen Interessen so schwer getroffen würden, dass mit dem Verlust der wirtschaftlichen Existenz gerechnet werden müsse, ist nicht zielführend, weil dabei außer Acht gelassen wird, dass der Wehrpflichtige derart durch entsprechende Dispositionen die Erfüllung seiner Präsenzdienstpflicht vereiteln könnte. Die wirtschaftlichen Interessen können somit auch dann nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinne der Bestimmungen des WehrG 2001 anerkannt werden, wenn auf Grund der Verletzung der Verpflichtung, die Dispositionen in wirtschaftlicher Hinsicht so zu treffen, dass für den Fall der Einberufung zur Leistung des Grundwehrdienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden werden, durch die Leistung des Präsenzdienstes eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz eintreten könnte (Hinweis E 1. Oktober 1996, 95/11/0400; E 24. April 2001, 2000/11/0082). In einem solchen Fall hätte der Wehrpflichtige die Gefährdung seiner Existenz nämlich selbst herbeigeführt. (VwGH 18.11.2008, 2008/11/0096).

3.3.3. Im Sinne der zitierten Judikatur des VwGH ist der belangten Behörde zu folgen, wenn sie auf Grund der vom BF angeführten Gründe eine Befreiung von der Ableistung des Präsenzdienstes (Grundwehrdienstes) verneint. Der BF hat, obwohl er seit dem 23.07.2018 (dem Zeitpunkt der Zustellung des Einberufungsbefehls) wusste, dass er am 01.04.2019 seinen Grundwehrdienst wird antreten müssen, am 18.08.2018 mit einem Geschäftspartner ein eigenes Unternehmen gegründet, damit die nunmehrigen Schwierigkeiten erst geschaffen und gegen seine Harmonisierungspflicht verstoßen. Dass er dabei eine günstige Gelegenheit ergriffen hat, ist rechtlich ebensowenig relevant wie die Interessen der Stadt an einem Erfolg des Projekts.

Auch die künftig (wenngleich zeitnah) beabsichtigte bzw. bereits laufende Übernahme der Firma des Onkels stellen keine besonders rücksichtswürdigen Interessen des BF dar, weil er eben noch nicht Eigentümer ist und der Onkel - ebenso wie der BF selbst - seine wirtschaftlichen Dispositionen so auszurichten hat, dass der BF seiner staatsbürgerlichen Pflicht zur Ableistung des Grundwehrdienstes nachkommen kann. Ein Rückzug aus dem operativen Geschäft, noch vor Ableistung des Grundwehrdienstes des designierten Nachfolgers - wird der auch Familienmitgliedern auferlegten Harmonisierungspflicht nicht gerecht.

Es liegen daher - auch unter Berücksichtigung der mit der Beschwerde vorgebrachten neuen Tatsachen - weder besonders rücksichtwürdige wirtschaftliche noch familiäre Interessen vor, die die Entscheidung der belangten Behörde dem BF ein Befreiung iSd § 26 WG 2001 zu versagen, unvertretbar erscheinen lassen.

Zusammengefasst haftet dem angefochtenen Bescheid keine Rechtswidrigkeit iSd Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG an. Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden. Der BF muss dem Einberufungsbefehl nachkommen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die oben dargestellte Judikatur des VwGH wird verwiesen.

Schlagworte

Befreiungsantrag, besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen,
besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen,
Einberufungsbefehl, Familienbetrieb, Grundwehrdienst,
Harmonisierungspflicht, Präsenzdienstpflicht, unternehmerische
Tätigkeit, wirtschaftliche Existenz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W208.2216455.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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