TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/28 G314 2172772-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.03.2019
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Entscheidungsdatum

28.03.2019

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §58 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G314 2172772-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, serbischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 05.09.2017, Zl. XXXX, betreffend die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK zu Recht:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,

dass es in Spruchpunkt I. zu lauten hat: "Der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK vom 09.06.2017 wird gemäß § 58 Abs 5 erster Satz iVm Abs 11 Z 2 AsylG als unzulässig zurückgewiesen."

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Mit der mit 09.06.2017 datierten und am 12.06.2017 per Fax beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingelangten Eingabe beantragte der damals durch den Rechtsanwalt Mag. XXXX vertretene Beschwerdeführer (BF) die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK, weil sich das Zentrum seiner Lebensinteressen in Österreich befinde. Er beziehe aufgrund seiner Ehe mit einer mittlerweile verstorbenen Österreicherin eine Witwerpension. Seine beiden Söhne würden mit ihren Familien im Bundesgebiet leben, ebenso andere Angehörige. Er habe keine Bindungen mehr zu seinem Herkunftsstaat. Er spreche Deutsch und sei strafgerichtlich unbescholten. Sein Interesse an einem Verbleib in Österreich wiege wegen seines besonders intensiven Familienlebens schwerer als das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung.

Mit dem Schreiben des BFA vom 19.06.2017 wurde der BF über die beabsichtigte Zurückweisung seines Antrags informiert, wenn er diesen nicht (wie in § 58 Abs 5 AsylG vorgesehen) persönlich beim BFA stelle und einen gültigen Reisepass sowie die Geburtsurkunde im Original vorlege. Gleichzeitig wurde er dazu aufgefordert, binnen 14 Tagen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben und konkrete Fragen zu beantworten. Dieses Schreiben wurde dem Vertreter des BF am 22.06.2017 zugestellt.

Der BF reagierte auf dieses Schreiben nicht. Er erstattete keine Stellungnahme; es erfolgte auch keine persönliche Antragstellung beim BFA.

Mit dem oben genannten Bescheid wurde der Antrag gemäß § 58 Abs 5 erster Satz und Abs 6 erster Satz AsylG als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt I.), gegen den BF gemäß § 52 Abs 3 iVm Abs 11 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.), die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Serbien festgestellt (Spruchpunkt III.) und eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt IV.). Dieser Bescheid wurde dem Vertreter des BF am 21.09.2017 zugestellt und im Wesentlichen damit begründet, dass der BF seinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegen § 58 Abs 5 AsylG ungeachtet einer entsprechenden Aufforderung nicht durch persönliche Antragstellung beim BFA verbessert habe und den angestrebten Aufenthaltstitel entgegen § 58 Abs 6 AsylG auch nicht ausreichend genau bezeichnet habe. Gründe für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG lägen nicht vor. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK sei nicht zur Aufrechterhaltung seines Privat- und Familienlebens geboten. Die Voraussetzungen für eine Abschiebung des BF nach Serbien lägen vor, zumal die Voraussetzungen von § 50 Abs 1 bis 3 FPG nicht erfüllt seien. Gemäß § 55 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage, zumal keine Gründe für eine längere Frist festgestellt werden könnten.

Mit Eingabe vom 04.10.2017 beantragte der nunmehr von der XXXX vertretene BF die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellungnahme und zur persönlichen Antragstellung laut Schreiben vom 19.06.2017, weil er das Schreiben, das ihm von seinem damaligen Vertreter per E-Mail weitergeleitet worden war, mangels eines Internetzugangs nicht erhalten habe, woran weder ihn noch seinen Vertreter ein grobes Verschulden träfe. Gleichzeitig erhob er eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 05.09.2017. Das BFA habe Feststellungen zu seinem Privat- und Familienleben getroffen, ohne ihn oder seine Angehörigen dazu zu vernehmen. Er habe zwischen 2012 und 2015 ein (mittlerweile insolventes) Bauunternehmen gehabt und sei nun wegen Asthma nicht mehr arbeitsfähig. Er habe keine Wohnmöglichkeit in Serbien. Er halte sich schon sehr lange - zum Teil rechtmäßig - in Österreich auf, wo er eine intensive Beziehung zu seinen Enkelkindern pflege.

Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem BVwG vor, wo sie am 09.10.2017 einlangten. Mit Schreiben des BVwG vom 12.12.2018 wurden sie dem BFA zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag zurückgestellt.

Mit Bescheid vom 07.01.2019 wies das BFA den Antrag des BF auf Wiedersetzung in den vorigen Stand ab. Dieser Bescheid wurde der Vertretung des BF am 18.01.2019 zugestellt. Dagegen wurde kein Rechtsmittel erhoben.

Mit Schreiben vom 29.01.2019 legte die ARGE Rechtsberatung die ihr vom BF erteilte Vollmacht zurück. In der Folge legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens neuerlich dem BVwG vor, wo diese am 22.02.2019 einlangten.

Feststellungen:

Der am XXXX in XXXX (heute Serbien) geborene BF, der in seiner Heimat die Schule und eine Ausbildung zum Fremdenverkehrskaufmann absolvierte, trat in Österreich unter verschiedenen Namen auf.

Nachdem er 1986 und 1987 als XXXX Sichtvermerksanträge gestellt und wieder zurückgezogen hatte, verfügte er ab September 1987 aufgrund seiner Ehe mit XXXX (geborene XXXX) über einen Sichtvermerk. Am XXXX kam sein Sohn XXXX in XXXX zur Welt. Der BF ging im Bundesgebiet zunächst keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Ende 1989 gründete er die XXXX Baugesellschaft m.b.H., deren Anteile er XXXX 1992 verkaufte, für die er danach aber noch als Bauleiter tätig war. XXXX 1993 bis XXXX 1994 war er als Bauleiter und faktischer Geschäftsführer der XXXXGesmbH tätig, ab Ende 1993 als Bauleiter bei der XXXX BaugmbH.

Am XXXX1994 wurde der BF vom Landesgericht für Strafsachen XXXX wegen Abgabenhinterziehung im Bereich der XXXX Baugesellschaft m. b.H. (§ 33 Abs 1, Abs 2 lit a und b FinStrG) zu einer Geldstrafe von ATS 2,000.000 (Ersatzfreiheitsstrafe fünf Monate) verurteilt. 1995 wurde gegen ihn wegen dieser Verurteilung ein 10-jähriges Aufenthaltsverbot erlassen. Im November 1995 wurde der BF in XXXX verhaftet und vom Landesgericht für Strafsachen XXXX wegen Vermögensdelikten (§§ 12, 127, 128 Abs 1 Z 4 StGB) zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt.

Im Februar 1996 kehrte der BF unter dem Namen XXXX in das Bundesgebiet zurück. Er hielt sich hier ohne Aufenthaltsgenehmigung und entgegen dem Aufenthaltsverbot auf. Seine Ehe mit XXXX war mittlerweile geschieden worden. Im August 1996 wurde er aufgrund eines Haftbefehls festgenommen und verbüßte anschließend bis 12.11.1996 einen Teil der 1994 ausgesprochenen Ersatzfreiheitsstrafe. Im Oktober 1996 wurde er vom Landesgericht für Strafsachen XXXX wegen Abgabenhinterziehung im Bereich der XXXXGesmbH und wegen der Verwendung eines gefälschten, auf den slowenischen Staatsangehörigen XXXX lautenden Reisepasses (§§ 223 Abs 2, 224 StGB) bei einem Einreiseversuch nach Österreich im Juni 1995 zu einer Geldstrafe von ATS 2,500.000 (Ersatzfreiheitsstrafe zehn Monate) und zu einer bedingt nachgesehenen, einmonatigen Freiheitsstrafe (als Zusatzstrafe gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf die vorangegangene Verurteilung) verurteilt.

1997 ehelichte der BF die in Deutschland wohnhafte XXXX, führte daraufhin den Namen XXXX und hielt sich in Deutschland auf. Im März 2001 wurde er im Bundesgebiet auf der Durchreise verhaftet und verbüßte anschließend bis zu seiner bedingten Entlassung im Oktober 2001 die 1996 ausgesprochene Ersatzfreiheitsstrafe. 2002 wurde die Ehe zwischen dem BF und XXXX geschieden.

Ab 2004 hielt sich der BF unter dem Namen XXXX im Bundesgebiet auf. Er war Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer bzw. Liquidator der Ende 2004 gegründeten XXXX GmbH (ab September 2006: XXXX GmbH in Liquidation). 2005 wurde er mehrfach an den Grenzposten XXXX und XXXX wegen unzureichender Einreisedokumente zurückgewiesen. Im August 2006 wurde die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der XXXX GmbH mangels Vermögens abgewiesen; im Juni 2007 folgte die Löschung aus dem Firmenbuch wegen Vermögenslosigkeit.

2009 wurde dem BF ein auf den nunmehr von ihm geführten Namen XXXX lautender, bis XXXX2019 gültiger serbischer Reisepass ausgestellt. Ab Ende 2011, als er als Mehrheitsgesellschafter die XXXX GmbH gründete, hielt er sich wieder im Bundesgebiet auf. Ab 12.07.2012 war er Geschäftsführer der XXXX GmbH. 2012 und 2013 war er immer wieder mit Nebenwohnsitz in Wien gemeldet. Von XXXX2012 bis XXXX2014 war er als selbständig Erwerbstätiger sozialversichert. Am XXXX2013 wurde er wegen fahrlässiger Tötung (§ 80 StGB) zu einer Geldstrafe verurteilt.

Ab August 2013 war der BF mit Hauptwohnsitz in XXXX gemeldet. Am XXXX2013 heiratete er die Österreicherin XXXX; ein Strafverfahren wegen des Verdachts einer Aufenthaltsehe endete 2015 mit einem Freispruch. Am 07.11.2013 beantragte der BF einen Aufenthaltstitel als Familienangehöriger. 2014 wurde er als Geschäftsführer der XXXX GmbH wegen Übertretung des AuslBG (Beschäftigung eines serbischen Staatsangehörigen ohne arbeitsmarktbehördliche Bewilligung am 16.09.2013) bestraft. Im November 2014 wurde der Konkurs über das Vermögen der XXXX GmbH eröffnet, der im Juni 2017 nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben wurde. Anfang 2018 erfolgte die Löschung im Firmenbuch wegen Vermögenslosigkeit. Von XXXX 2015 bis XXXX 2016 war der BF Alleingesellschafter der XXXX GmbH, über deren Vermögen im Oktober 2016 der Konkurs eröffnet und in April 2017 nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben wurde. Auch diese Firma wurde mittlerweile wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht.

Am XXXX2016 wurde die Ehefrau des BF in XXXX tot aufgefunden. Er bezog von XXXX2016 bis XXXX2018 eine Witwerpension und war aus diesem Grund auch in Österreich krankenversichert. Am 21.09.2016 wurde sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückgewiesen.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF wurden mittlerweile getilgt.

Der BF hat zwei Söhne, die beide serbische Staatsangehörige sind. Sein am XXXX geborener Sohn XXXX ist seit XXXX im Bundesgebiet nicht mehr gemeldet; aktuell besteht kein österreichischer Aufenthaltstitel. Er soll nach Deutschland verzogen sein. Er ist mit der Österreicherin XXXX (auch XXXX) XXXX verheiratet, die mit den Töchtern XXXX (geboren am XXXX) und XXXX (geboren am XXXX) in XXXX lebt. Der jüngere Sohn des BF, XXXX, ist mit Hauptwohnsitz in XXXXgemeldet und verfügt über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU". Er lebt mit seiner Frau und den Kindern XXXX (geboren am XXXX), XXXX (geboren am XXXX) und XXXX (geboren am XXXX), die alle serbische Staatsangehörige sind, in einem gemeinsamen Haushalt in Wien. Der BF hat regelmäßig Kontakt zu seinen in Österreich lebenden Angehörigen, insbesondere zu seinen Enkelkindern.

Der BF war bis XXXX2018 in XXXX mit Hauptwohnsitz gemeldet. Seither weist er keine Wohnsitzmeldung im Inland mehr auf; sein aktueller Aufenthalt ist unbekannt.

Der BF spricht neben Serbisch auch Deutsch; ein bestimmtes Sprachniveau kann nicht festgestellt werden. In Serbien hat er keine ihm nahestehenden Bezugspersonen.

Feststellungen zur allgemeinen Lage in Serbien:

Die serbische Volksvertretung ist ein Einkammerparlament, in dem Angehörige von 16 Parteien und Parteilisten (neben pro-europäischen auch anti-europäische und pro-russische Parteien) sowie drei unabhängige Kandidaten vertreten sind. Die Präsidentschaftswahlen am 02.04.2017 nahmen einen weitgehend ordnungsgemäßen Verlauf.

Am 25.06.2018 eröffnete die EU neue Kapitel in den Beitrittsverhandlungen mit Serbien. Das schwierigste Kapitel betrifft die Normalisierung der Beziehung mit dem Kosovo. Der von der EU geleitete Dialog zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo liegt seit Anfang September 2018 auf Eis. Serbien lehnt es nach wie vor ab, die 2008 verkündete Unabhängigkeit seiner einstigen Provinz anzuerkennen.

Die serbische Verfassung postuliert das Prinzip der Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz. Dennoch bleiben Gerichte für Korruption und politischen Einfluss, der zuletzt eher zu- als abgenommen hat, anfällig.

Prinzipiell kann sich jede Person in Serbien, die sich privaten Verfolgungshandlungen ausgesetzt sieht, sowohl an die Polizei wenden als auch direkt bei der Staatsanwaltschaft persönlich oder schriftlich eine Anzeige einbringen. Entsprechende Beschwerde können auch an die Ombudsmann-Institution getätigt werden. Es gibt die Möglichkeit der Aufnahme in ein Zeugen- oder Opferschutzprogramm. Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, sich wegen rechtswidriger Akte der Sicherheitsdienste an den Ombudsmann oder den Datenschutzbeauftragten zu wenden.

Die Behörden üben eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte aus. Die Effektivität der Polizei variiert. Korruption und Straffreiheit in der Polizei sind ein Problem; 2017 wurde aber von Experten der Zivilgesellschaft festgestellt, dass sich die Qualität der polizeilichen internen Ermittlungen weiter verbessert hat, vor allem durch die Umsetzung einer neuen Strafprozessordnung. Über Verschleppungen oder Folter von Gefangenen durch den Staatssicherheitsdienst wurde seit 2000 nicht mehr berichtet. Die Polizei geht nicht in allen Fällen mit der gebotenen Konsequenz gegen Übergriffe auf Minderheiten (vor allem Roma und Homosexuelle) vor.

Es kommt in Einzelfällen immer noch vor, dass die Sicherheitsbehörden ihre Vollmachten überschreiten oder Anträge und Anfragen nicht effizient bearbeiten. Dies beschränkt sich nicht auf bestimmte Personengruppen, sondern betrifft alle Einwohner Serbiens. Alle Einwohner oder Bürger Serbiens haben gleichen Zugang zum Justizwesen, zu den Gerichten und Polizeibehörden.

Rechtsschutzmittel gegen polizeiliche Übergriffe sind vorgesehen, nämlich Strafanzeige und Disziplinarverfahren. Es gibt keine besonderen Rechtsschutzmittel für Übergriffe gegen Roma. Diese sind, wie alle Einwohner Serbiens, vor dem Gesetz gleich.

Seit 2006 ist Folter im serbischen Strafgesetzbuch ein Straftatbestand. Es werden weiterhin vereinzelt Fälle von Misshandlungen durch Angehörige der Polizei bekannt. Opfer sind in diesen Fällen nicht politisch missliebige Personen, sondern hinsichtlich krimineller Delikte Verdächtige. Die Straflosigkeit bei Missbrauch und Folter ist weit verbreitet. Es gibt wenige strafrechtliche Verfolgungen und noch weniger Verurteilungen wegen Missbrauch oder Folter.

Korruption im öffentlichen und privaten Sektor steht unter Strafe. Trotzdem ist die Meinung weit verbreitet, dass die Regierung die Gesetze nicht systematisch anwendet und in Korruption verwickelte Personen manchmal straffrei bleiben. Korruption gehört zu den zentralen politischen Problemen in Serbien, mit weitreichenden negativen Auswirkungen auf das Funktionieren von politischem System und staatlichen Institutionen sowie die serbische Wirtschaft. Systematische Korruption findet sich vor allem bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und der Verteilung anderer staatlicher Haushaltsmittel sowie im Gesundheits- und Bildungswesen. Abgenommen hat die Korruption in den letzten Jahren bei der Polizei.

Eine Vielzahl unabhängiger nationaler und internationaler Menschenrechtsgruppen operiert im Allgemeinen ohne staatliche Einschränkung, untersucht und veröffentlicht ihre Ergebnisse zu Menschenrechtsfällen. Während Beamte im Allgemeinen kooperativ sind und auf ihre Fragen reagieren, werden die Gruppen von nichtstaatlichen Akteuren, einschließlich der Pro-Regierungs-Medien, kritisiert, belästigt und bedroht, wenn sie sich kritisch gegenüber der Regierung oder gegen nationalistische Ansichten zum Kosovo, dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien und den Kriegen der 1990er Jahre äußern.

Zu den Aufgaben des 2007 erstmals gewählten Ombudsmannes gehört ausdrücklich auch das Eintreten für Minderheitenrechte. Seit 2003 bestehen nationale Minderheitenräte, die die Interessen ihrer Volksgruppe vertreten. Laut dem Ombudsmann sind die Fortschritte im Bereich der Menschen- und Bürgerrechte, aber auch der Korruptionsbekämpfung, 2017 weiter langsam fortgesetzt worden, eine weitere Kontrolltätigkeit ist aber dringend erforderlich. Auf Platz eins der Beschwerdeliste steht die Administration der lokalen Verwaltung, gefolgt von den Justizbehörden. Die Sicherheitsbehörden spielen eine untergeordnete Rolle.

Die serbische Verfassung enthält umfangreiche Bestimmungen zu Grundfreiheiten und Menschenrechten. Die Menschenrechtslage in Serbien entspricht internationalen Standards und ist insgesamt gut. Serbien hat die wichtigsten internationalen Menschenrechtskonventionen in nationales Recht übernommen. Ein effektiver gesetzlicher Rahmen zum Schutz der zahlreichen ethnischen Minderheiten existiert. Trotzdem bestehen verschiedene Schwächen im Menschenrechts- und Minderheitenschutz. Probleme bei der Verwirklichung der Menschenrechte bestehen etwa durch die Schwäche des Rechtsstaats und die noch immer unzureichende juristische Aufarbeitung der Kriegszeit. In Serbien gibt es Stellen auf Republiksebene und auf lokaler Ebene, an die sich Bürger im Falle erlittenen Unrechts wenden können. Es bestehen auch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen in ganz Serbien.

Die Medienfreiheit in Serbien weist deutliche Defizite auf. Angriffe und Drohungen auf Journalisten gehen weiter. Die Reaktionen der Behörden waren unzureichend.

Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit werden in der Verfassung garantiert und die Regierung hält sich auch in der Praxis daran.

Die politische Opposition kann sich grundsätzlich frei betätigen.

Die Lage in vielen Gefängnissen und Haftanstalten entspricht nicht internationalen Standards und ist durch hohe Überbelegung, schlechte Sanitäreinrichtungen und schlecht ausgebildetes Personal gekennzeichnet. Es gibt keine Berichte über politische Inhaftierte oder Häftlinge. Die Todesstrafe ist für alle Straftaten abgeschafft.

Im Allgemeinen herrscht in Serbien Religionsfreiheit. Die serbische Verfassung und Gesetze erkennen allerdings nur sieben "traditionelle" Konfessionen an, woraus eine gewisse Diskriminierung anderer religiöser Gruppen und ihrer Anhänger resultiert. Zugleich genießt die Serbisch-Orthodoxe Kirche eine klare Bevorzugung gegenüber anderen Konfessionen.

Die serbische Verfassung enthält ausführliche Bestimmungen zum Schutz nationaler Minderheiten. Die Minderheitengesetzgebung entspricht internationalen Standards.

Die Verfassung garantiert das Recht auf Reisefreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung, wobei dies auch in der Praxis seitens der Regierung eingehalten wird. Die Regierung kooperiert durch Zusammenarbeit mit UNHCR und anderen humanitären Organisationen bei der Schutz- und Hilfegewährung ua für rückkehrende Asylwerber. Diskriminierungen treffen vor allem Minderheiten im Sandžak (Bosniaken) und Südserbien, in der autonomen Provinz Wojwodina sowie Roma, Angehörige der LGBTI-Community und vereinzelt auch Personen jüdischen Glaubens. Belgrad und Novi Sad gelten als die tolerantesten Städte Serbiens, obwohl auch hier Anfeindungen vorkommen.

Trotz der nach wie vor schwierigen wirtschaftlichen Lage ist die Versorgung mit Lebensmitteln gesichert. 2016 lebten 7,3 % der Bevölkerung unterhalb der absoluten Armutsgrenze. Flüchtlinge, bestimmte Minderheiten (namentlich Roma) und Rückkehrer sind stärker von Armut betroffen als die serbische Durchschnittsbevölkerung. Die Arbeitslosigkeit ist rückläufig, wobei einerseits von weit verbreiteter Unterbeschäftigung, andererseits jedoch auch von zahlreichen statistisch nicht erfassten (illegalen) Beschäftigungsverhältnissen auszugehen ist. Vielen Bürgern Serbien gelingt es nur durch Schwarzarbeit, ihre Existenz zu sichern. Armut ist in Serbien vor allem ein ländliches Phänomen und betrifft sozial benachteiligte Gruppen überproportional, unter anderem Roma.

Anspruch auf Sozialhilfe haben in Serbien Bürger, die arbeitsunfähig sind und auch sonst keine Mittel zum Unterhalt haben. Außerdem sind Bürger sozialhilfeberechtigt, die ihren Unterhalt durch Arbeit allein, durch Unterhaltspflichten von Verwandten, durch ihr Vermögen oder auf andere Art und Weise nicht sichern können. Neben Sozialhilfe wird als weitere staatliche Unterstützungsmaßnahme an Bedürftige monatlich Kindergeld ausgezahlt. Zugang zu staatlichen Dienstleistungen (Krankenversicherung und Rente) wird durch das Sozialhilfezentrum gewährleistet. Das Sozialsystem ist für jeden serbischen Staatsbürger zugänglich. Sozialhilfe kann beantragt werden, wenn man bei der lokalen Arbeitsagentur als arbeitslos gemeldet ist oder auf Mindestlohnniveau arbeitet.

Das serbischen Gesundheits- und Krankenversicherungssystem ist in zwei Gruppen aufgeteilt: öffentlich und privat. Behandlungen und Medikamente sind gänzlich kostenlos für alle Bürger, die im öffentlichen Krankenversicherungssystem registriert sind. Für Kinder und junge Erwachsene bis 19 Jahren sind volle medizinische Leistungen abgedeckt, einschließlich präventive und regelmäßige Checkups, Impfungen und spezielle Gesundheitspflege. Für Erwachsene sind volle medizinische Leistungen abgedeckt. Einfache medizinische Einrichtungen können in ganz Serbien in fast jedem Ort gefunden werden. Alle Medikamente sind erhältlich und die meisten Arzneimittel haben ähnliche Preise wie in anderen europäischen Ländern. Arbeitslose Bürger besitzen eine Krankenversicherung auf Kosten des Staates. Wenn ein Familienmitglied eine Krankenversicherung besitzt, sind Angehörige unter 26 Jahren automatisch versichert. Rückkehrer müssen ein Anmeldeformular ausfüllen und gültige Ausweisdokumente beim öffentlichen Krankenversicherungsfonds einreichen, um im öffentlichen Krankenversicherungssystem registriert werden zu können. Angehörige der Roma und anderer Minderheiten genießen im Rahmen des staatlichen Gesundheitssystems die gleichen Rechte wie die Mehrheitsbevölkerung.

In staatlichen Krankenhäusern entsprechen hygienische Standards und Verpflegung nicht immer westlichen Vorstellungen. Für Operationen gibt es oft Wartelisten, lebensbedrohliche Erkrankungen werden im Regelfall sofort behandelt. Es gibt nur sehr wenige Erkrankungen, die in Serbien nicht oder nur schlecht behandelt werden können. Ausgebildetes medizinisches Personal ist vorhanden.

Serbische Staatsangehörige, die zurückgeführt werden, können nach ihrer Ankunft unbehelligt in ihre Heimatstädte fahren. Sanktionen wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland gibt es weder de iure noch de facto. Besondere staatliche Auffang- oder Aufnahmeorganisationen für zurückkehrende Bedürftige gibt es nicht; grundsätzlich sind die Sozialämter in den einzelnen Städten und Gemeinden mit der Wahrnehmung solcher Aufgaben betraut.

In Serbien herrschen keine kriegerischen oder sonstigen bewaffneten Auseinandersetzungen.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten des BVwG. Entscheidungswesentliche Widersprüche sind nicht aufgetreten.

Der Geburtsort des BF geht übereinstimmend aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) und aus dem Fremdenregister hervor. Eine Kopie aus einem auf XXXX lautenden jugoslawischen Reisepass des BF liegt vor.

Die Sichtvermerksanträge, aus denen sich auch die Berufsausbildung des BF zum Fremdenverkehrskaufmann, die Geburt von XXXX und die Gründung der XXXX Baugesellschaft m.b.H. ergeben, liegen vor, ebenso ein Auszug aus dem Eheregister betreffend die Heirat mit XXXX. Der BF schilderte seine Schulbildung in der Beschuldigtenvernehmung vom 11.03.2014. Informationen zur XXXX XXXXgesellschaft m.b.H. gehen auch aus dem aktenkundigen Gesellschaftsvertrag, dem Handelsregisterauszug und dem Firmenbuch (XXXX) hervor. Der Verkauf der Anteile des BF und seine anschließende Tätigkeit als Bauleiter ergeben sich aus seinen Angaben vor der Bundespolizeidirektion XXXX vom 19.07.1993. Die Tätigkeit des BF für die XXXXGesmbH wird anhand des Strafurteils vom XXXX festgestellt. Die Beschäftigung bei der AZ BaugmbH ergibt sich aus der Stellungnahme des BF vom XXXX und der damit vorgelegten Bestätigung dieses Unternehmens.

Der Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom XXXX über die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen den BF, der Berufungsbescheid vom XXXX und das diesen bestätigende Erkenntnis des VwGH vom 07.09.1995, 95/18/1162, liegen vor. Daraus geht auch hervor, dass der BF bis 1990 keiner legalen Beschäftigung nachging (was im Einklang damit steht, dass ihm zuvor keine Beschäftigungsbewilligung erteilt worden war).

Die Feststellungen zur Rückkehr des BF in das Bundesgebiet 1996 basieren auf der Niederschrift der Bundespolizeidirektion XXXXvom XXXX, in der auch die Scheidung von XXXX erwähnt wird. Die Identität von XXXX und XXXX ergibt sich z.B. aus dieser Niederschrift, aus der Strafkarte vom 22.11.1996 und aus dem Bescheid vom XXXX. Der Haftbefehl, die Festnahme und der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe ergeben sich aus der Einlieferungsnote vom 03.08.1996, der Strafvollzugsanordnung sowie der Strafzeitberechnung vom 05.08.1996.

Die Festnahme des BF am XXXX ergibt sich aus dem entsprechenden Haftbericht, der auch die Identität von XXXX belegt. Dies wird durch die Identifizierung laut der Nachricht der Bundespolizeidirektion XXXX vom 09. bzw. 12.10.2001 bestätigt. Die Feststellungen zur neuerlichen Eheschließung und zum Aufenthalt in Deutschland beruhen auf den Angaben des BF in der Niederschrift vom XXXX2001. Der Strafvollzug geht aus dem Schreiben der Justizanstalt XXXX vom XXXX2001 hervor. Eine Kopie aus dem auf XXXX lautenden, am XXXX1998 ausgestellten jugoslawischen Reisepass mit einer bis XXXX2001 gültigen Aufenthaltserlaubnis für Deutschland ist aktenkundig. Die Scheidung der Ehe mit XXXX ergibt sich aus der Stellungnahme zu seinem (letztlich abgewiesenen) Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots.

Der neuerliche Aufenthalt des BF im Bundesgebiet als XXXX ergibt sich aus den Wohnsitzmeldungen unter diesem Namen laut ZMR und aus dem Firmenbuchauszug der XXXX GmbH (XXXX). Die Identität von XXXX mit dem BF wird anhand des polizeilichen Abschlussberichts vom XXXX2009 und des Schreibens der Bundespolizeidirektion Wien vom XXXX2009 festgestellt. Der Umstand, dass der BF XXXX mehrfach an Grenzübergängen zurückgewiesen wurde, geht aus dem Auszug aus der Fremdeninformationsdatei vom XXXX2005 hervor.

Eine Aufstellung der früheren Namen des BF und die Ausstellung seines Reisepasses XXXX ergeben sich aus der Beschuldigtenvernehmung vom XXXX2014. Die Feststellungen zur XXXX GmbH und zur XXXXGmbH basieren auf dem Firmenbuch (XXXX). Die selbständige Tätigkeit des BF 2012 bis 2014 geht aus dem Versicherungsdatenauszug hervor, seine Wohnsitzmeldungen aus dem ZMR. Die Bestrafung des BF wegen der Übertretung des AuslBG ergibt sich aus dem Straferkenntnis vom XXXX2014. Die Ehe des BF mit XXXX und deren Ableben werden anhand der Sterbeurkunde vom XXXX2016 festgestellt. Der Verdacht der Aufenthaltsehe und der Freispruch ergeben sich aus dem polizeilichen Abschlussbericht vom XXXX2014, dem Schreiben des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX2015 und der Mitteilung des BFA vom XXXX2015. Feststellungen zum Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und dessen Zurückweisung basieren auf dem Bescheid der Magistratsabteilung XXXX des Amts der XXXX Landesregierung vom XXXX2016. Der Bezug einer Witwerpension wird anhand der Verständigung der PVA vom Jänner 2017 und des Versicherungsdatenauszugs festgestellt.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF gehen aus den aktenkundigen Strafkarten, Strafregisterauszügen und Strafurteilen hervor. Da die Verurteilungen im Strafregister aktuell nicht mehr aufscheinen, ist davon auszugehen, dass sie inzwischen getilgt sind.

Es gibt - abgesehen von der Beschwerdebehauptung, an Asthma zu leiden (zu der keine Beweise vorgelegt oder angeboten wurden) - keine aktenkundigen Anhaltspunkte für schwerwiegende gesundheitliche Probleme des BF.

Die Feststellungen zu den in Österreich lebenden Angehörigen des BF beruhen auf seinem Vorbringen sowie auf den Abfragen im ZMR und im Fremdenregister. Sein älterer Sohn XXXXist laut ZMR nach Deutschland verzogen und weist seit 2012 keine Wohnsitzmeldung im Inland mehr auf, sodass nicht davon auszugehen ist, dass er sich aktuell im Bundesgebiet aufhält.

Laut ZMR war der BF bis 22.11.2018 an einer XXXX Adresse mit Hauptwohnsitz gemeldet; seither besteht keine Wohnsitzmeldung mehr. Mangels anderer Beweisergebnisse für seinen aktuellen Aufenthaltsort muss dazu eine Negativfeststellung getroffen werden.

Serbischkenntnisse des BF sind aufgrund seiner Herkunft und der in Serbien absolvierten Schul- und Berufsausbildung nachvollziehbar. Es wurden zwar keine Unterlagen über den Besuch von Deutschkursen oder die Ablegung von Deutschprüfungen vorgelegt, sodass kein bestimmtes Sprachniveau festgestellt werden kann, es ist aber aufgrund des langen Aufenthalts des BF in Österreich und Deutschland und seiner Erwerbstätigkeit davon auszugehen, dass er über gewisse Deutschkenntnisse verfügt, zumal seine Einvernahmen zuletzt ohne Beiziehung eines Dolmetschers durchgeführt werden konnten.

Die Feststellungen zur allgemeinen Lage in Serbien beruhen auf den aktuellen Länderinformationen der Staatendokumentation (Stand 08.11.2018), die in dieser Entscheidung zur Wahrung der Übersichtlichkeit nur auszugsweise, soweit entscheidungswesentlich, wiedergegeben werden. Von der Staatendokumentation, die gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz dazu verpflichtet ist, relevante Tatsachen zur Situation in bestimmten Staaten länderspezifisch zusammenzufassen und nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten, wurden Berichte verschiedener allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt, die ein übereinstimmendes Gesamtbild ohne entscheidungswesentliche Widersprüche ergeben. Es besteht kein Grund, an der Richtigkeit und Aktualität dieser Angaben zu zweifeln. Aufgrund der stabilen Situation in Serbien sind diese Informationen jedenfalls ausreichend aktuell. Die Feststellung, dass dort keine kriegerischen oder sonstigen bewaffneten Auseinandersetzungen herrschen, beruht auf dem Fehlen von Berichten über derartige Konflikte und der grundsätzlich stabilen Sicherheitslage.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 58 Abs 5 Satz 1 AsylG sind ua Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG persönlich beim BFA zu stellen. Gemäß § 58 Abs 11 Z 2 AsylG ist der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen, wenn der Antragsteller seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht nicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nachkommt. Darüber ist der Antragsteller zu belehren.

Der BF hat den angestrebten Aufenthaltstitel bislang trotz einer entsprechenden Aufforderung und Belehrung über die mögliche Zurückweisung nicht persönlich beim BFA beantragt, sodass die Zurückweisung seines Antrags aus diesem Grund nicht zu beanstanden ist, zumal dem auch gegen die Versäumung der Frist zur persönlichen Antragstellung gerichteten Wiedereinsetzungsantrag nicht Folge gegeben wurde.

Der vom BFA gleichfalls beanstandete Mangel der genauen Bezeichnung des angestrebten Aufenthaltstitels iSd § 58 Abs 6 Satz 1 AsylG liegt dagegen nicht vor, zumal der Antrag des BF ausdrücklich auf "Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Art 8 EMRK" - und damit eindeutig auf die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG - gerichtet ist. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist daher im Hinblick auf die anzugebende Rechtsgrundlage zu korrigieren, ohne dass dies etwas am Ergebnis der Antragszurückweisung ändert.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:

Wird ein Antrag nach § 55 AsylG gemäß § 58 Abs 11 Z 2 AsylG zurückgewiesen, ist diese Entscheidung gemäß § 10 Abs 3 AsylG iVm § 52 Abs 3 FPG mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. Eine Rückkehrentscheidung knüpft nicht zwingend an einen aktuellen inländischen Aufenthalt des betreffenden Drittstaatsangehörigen an, zumal sie gemäß § 12a Abs 6 AsylG 18 Monate ab der Ausreise aufrecht bleibt und die Wirkung daher nicht von vornherein ins Leere geht, auch wenn sich der BF derzeit nicht mehr in Österreich aufhalten sollte (vgl VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234).

Die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung setzt nach § 9 Abs 1 BFA-VG unter dem dort genannten Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben des BF voraus, dass ihre Erlassung zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele (nationale Sicherheit, öffentliche Ruhe und Ordnung, wirtschaftliches Wohl des Landes, Verteidigung der Ordnung, Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Gesundheit und der Moral oder Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), der sich z.B. in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schul- und Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen. Gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Bei der Beurteilung, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens des BF geboten ist, ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Dabei muss ein Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden werden. In die gebotene Gesamtbeurteilung sind alle gemäß Art 8 EMRK relevanten Umstände seit der Einreise des Fremden einzubeziehen.

Der BF hat aufgrund seines neuerlichen Aufenthalts im Bundesgebiet seit 2011 ein erhebliches Interesse an einem Verbleib, zumal er Deutsch spricht und sein daueraufenthaltsberechtigter Sohn und seine Enkelkinder hier leben. Allerdings war sein Aufenthalt überwiegend nicht rechtmäßig, zumal er seit 1995 über keine Aufenthaltsgenehmigung mehr verfügte. Die lange Aufenthaltsdauer wird dadurch relativiert, dass aktuell keine Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet besteht und der derzeitige Aufenthaltsort des BF nicht bekannt ist.

Der BF verfügt über einen österreichischen Pensionsanspruch. Er hat einen erheblichen Teil seines Berufslebens in Österreich verbracht, das allerdings durch Insolvenzen (Konkursabweisung mangels Masse bzw. Masseunzulänglichkeit) der von ihm gegründeten oder geleiteten Unternehmen und Nichtzahlung öffentlicher Abgaben geprägt war, sodass seine unternehmerische Tätigkeit in Österreich dem wirtschaftlichen Wohl des Landes widersprach.

Mit der Rückkehrentscheidung ist kein Eingriff in sein Familienleben verbunden, weil er in Österreich keine so nahen Bezugspersonen hat, dass ein Familienleben iSd Art 8 EMRK begründet würde. Weder lebt er mit seinen Verwandten in einem gemeinsamen Haushalt noch gibt es Anzeichen für eine Abhängigkeit von ihnen. Der BF kann die privaten und familiären Kontakte auch im Rahmen wechselseitiger Besuche und über diverse Kommunikationsmittel (Telefon, E-Mail, Internet) pflegen, zumal sein Privatleben zu einem Zeitpunkt entstand, zu dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (vgl VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253). Aufgrund der Missachtung des Aufenthaltsverbots, das gegen ihn zwischen 1995 und 2005 bestand, des persistenten nicht rechtmäßigen Aufenthalts und der Übertretung des AuslBG sind ihm gravierende Verstöße gegen die öffentliche Ordnung im Bereich des Fremdenrechts anzulasten.

Die Bindungen zu seinem Herkunftsstaat sind zwar gelockert, aber durchaus vorhanden, zumal der BF Serbisch spricht, in seiner Heimat die prägenden Jahre seiner Kindheit und Jugend verbrachte und dort eine Schul- und Berufsausbildung absolvierte.

Im Ergebnis liegt daher - trotz des relativ langen Inlandsaufenthalts des BF und privater bzw. familiärer Anknüpfungspunkte - keine so starke Bindung vor, die eine Rückkehrentscheidung unzulässig machen würde, zumal dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung die gegenläufigen privaten Interessen des BF. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ist somit als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das BFA gleichzeitig mit einer Rückkehrentscheidung festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Gemäß § 50 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art 2 EMRK oder Art 3 EMRK oder die Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK verletzt würden oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).

Hier sind keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung des BF nach Serbien unzulässig wäre. Selbst wenn er - wie vorgebracht - aufgrund einer Asthmaerkrankung nicht mehr arbeitsfähig sein sollte, hat er dort Zugang zu den vorhandenen (wenn auch allenfalls bescheidenen) öffentlichen Leistungen und zur Gesundheitsversorgung, sodass nicht konkret zu befürchten ist, dass er in eine existenzbedrohende Notlage geraten wird. Seine Angehörigen können ihn allenfalls auch in Serbien finanziell unterstützen. Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen könnte, liegt aktuell in Serbien nicht vor, ebensowenig ein mit willkürlicher Gewalt verbundener internationaler oder innerstaatlicher Konflikt. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids ist daher nicht korrekturbedürftig.

Zu Spruchpunkt IV. (Frist für die freiwillige Ausreise):

Gemäß § 55 Abs 1 FPG ist gleichzeitig mit einer Rückkehrentscheidung eine Frist für die freiwillige Ausreise festzulegen. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gemäß § 55 Abs 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheids, sofern nicht besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist gemäß § 55 Abs 3 FPG einmalig mit einem längeren Zeitraum festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen; zugleich muss er einen Termin für seine Ausreise bekanntgeben.

Vor diesem gesetzlichen Hintergrund ist Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids nicht zu beanstanden. Da keine besonderen Umstände vorgebracht wurden oder hervorgekommen sind, die einen längeren Zeitraum für die freiwillige Ausreise rechtfertigen würden, beträgt diese Frist entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

§ 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung sogar dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Zwar kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks durch Einvernahme des Fremden in der Beschwerdeverhandlung bei der Bewertung der integrationsbegründenden Umstände im Rahmen der Interessenabwägung sowie bei der Zukunftsprognose eine besondere Bedeutung zu (vgl VwGH 23.06.2015, Ra 2015/22/0026). Daraus ist aber keine generelle Pflicht zur Durchführung einer Beschwerdeverhandlung abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechender Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben

(vgl VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233).

Da hier der Sachverhalt anhand der Aktenlage und des Beschwerdevorbringens geklärt ist und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine andere Entscheidung möglich wäre, kann die beantragte Verhandlung entfallen. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal ohnehin von der Richtigkeit der Behauptungen des BF über seine privaten und familiären Interessen an einem Verbleib in Österreich ausgegangen wird, sodass kein klärungsbedürftiger Sachverhalt vorliegt.

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zuzulassen, weil erhebliche, über den Einzelfall hinausreichende Rechtsfragen nicht zu lösen waren.

Schlagworte

familiäre Situation, Interessenabwägung, öffentliche Interessen,
private Interessen, strafrechtliche Verurteilung, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2172772.2.00

Zuletzt aktualisiert am

18.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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