TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/24 W168 2197457-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.04.2019
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Entscheidungsdatum

24.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W168 2197457-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.05.2018, Zahl 1106196302/160272329/BMI-BFA_EAST-OST, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.04.2019, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005,§ 9 BFA-VG, und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 21.02.2016 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016BF.

2. Bei der mit einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung des Beschwerdeführers führte dieser zu seinem Fluchtgrund befragt zusammenfassend aus, dass in Afghanistan Krieg zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung herrschen würde. Die Taliban und neuerdings auch die Daesh würden die Schiiten umbringen, obwohl diese nichts unrechtes getan hätten. Er wäre sich seines Lebens in Afghanistan nicht mehr sicher gewesen. Deshalb hätte er Afghanistan verlassen. Betreffend der Befürchtungen bei einer allfälligen Rückkehr befragt führte der BF aus, dass er Angst hätte von den Taliban oder den Daesh umbebracht zu werden. Der BF gab an Hazar und Shiit zu sein. In seiner Heimat würden sich ein Bruder mit 12 Jahren und eine Schwester mit 7 Jahren aufhalten. Im Gebiet der EU würden sich sonst keine weiteren Verwandten aufhalten. Die Reise nach Europa wäre schlepperunterstützt vorgenommen worden und diese hätte rund 2000USD gekostet. Das Reiseziel des BF wäre Europa gewesen. Wenn er hier Asyl bekommen würde, dann würde er hier bleiben, ansonsten würde er woanders hin müssen. In den durchreisten Ländern Pakistan, Iran, Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien und letztlich auch Deutschland wäre er gut behandelt worden.

Eine durchgeführte Eurodac Abfrage ergab das Vorliegen einer fremdenrechtlichen Registrierung des BF in Griechenland mit Datum 08.02.2016.

3. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA" genannt) am 02.05.2017 führte der Beschwerdeführer aus, dass er der Volksgruppe der Hazara angehören würde. Befragt zu seiner Religion führte der BF aus, dass er früher Moslem gewesen wäre, momentan jedoch Atheist wäre und keinen Glauben habe. Danach befragt, warum er nunmehr angibt seinen Glauben gewechselt zu haben, führte der BF aus, dass er früher Moslem und Analphabet gewesen wäre. Als er nach Europa gekommen wäre hätte er sich mit dem muslimischen Glauben auseinandergesetzt und wäre am Schluss auf die Idee gekommen, dass die Religion keinen Sinn habe. So wäre er Atheist geworden. Er wäre in Afghanistan auch nicht religiös gewesen. Er könne diesbezüglich auch keine Beweismittel vorlegen. Der Drang danach antireligiös zu werde, wäre bei dem BF immer stärker geworden. Danach befragt was für den BF Atheismus bedeute führte dieser aus, dass dies für ihn Menschlichkeit und die Wahrheit wäre. Nachgefragt führte der BF aus, dass er Religion nicht wolle. Er wäre noch nicht so weit, dies erklären zu können. Befragt nach einer Berufsausbildung führte der BF aus, dass er keine hätte, jedoch bereits auf einer Bausstelle und als Taglöhner gearbeitet zu haben. Danach befragt wann er Afghanistan verlassen hätte, führte der BF aus, dass er nicht genau wisse, wann er Afghanistan verlassen hätte. Es wäre jedoch im Jahre 2016 gewesen. Den Tag und den Monat könne er nicht nennen. Er wäre jedoch Ende 2016 illegal nach Österreich gekommen. Zuvor hätte er sich in Deutschland aufgehalten, doch von dort wäre er nach Österreich zurückgewiesen worden. In Österreich hätte er bereits gearbeitet. Er hätte bei der Schulwegsicherung gearbeitet und dort 10 Euro täglich verdient. Gegenwärtig würde er seinen Lebensunterhalt aus Mitteln der Grundversorgung bestreiten. In Vereinen oder Organisationen wäre er nicht tätig. Er spreche Dari und Farsi, sowie ein wenig Deutsch. Die Deutschkurse A1 und A2 hätte er absolviert. Zu seiner Schwester in Afghanistan, als auch zu seinem Bruder im Iran würde er in regelmäßigen Kontakt stehen. Die Eltern wären verstorben. Sonstige Personen zu denen ein besonders Nahe- bzw. Abhängigkeitsverhältnis bestehen würde, würden sich im Bundesgebiet nicht aufhalten. Er hätte hier Freunde, bzw. eine Vertrauensperson die er bereits seit etwa 2 Jahren kennen würde. Befragt zu den Gründen betreffend das Verlassen Afghanistans führte der BF aus, dass die bei der Erstbefragung angegebenen Gründe vorliegen würden. Er hätte jedoch auch noch andere Schwierigkeiten. Er hätte im Alter von 7 oder 8 Jahren zu arbeiten begonnen. Er hätte sowohl in Afghanistan als auch im Iran auf einer Baustelle gearbeitet. Im Iran wäre er sexuell misshandelt worden. Er hätte deswegen keine Lust mehr in den Iran zurückzukehren, oder auch nicht mehr nach Afghanistan. Er könne sich nicht genau daran erinnern, wann sich dieser Vorfall ereignet hätte, er wäre jedoch zu diesem Zeitpunkt 10 Jahre alt gewesen. Dieser Vorfall hätte sich in Teheran zugetragen. Er könne nur einen Namen nennen. Derjenige der ihn sexuell misshandelt hätte, hätte ihn gewarnt, dass wenn er diesen anzeigen würde, er den BF schlecht darstehen lassen würde. Er hätte ein Video und würde dies veröffentlichen. Auch hätte er illegal im Iran gelebt. Er hätte auch niemanden von seiner Familie davon erzählen dürfen. Deshalb hätte er nicht zur Polizei gehen können. Befragt, warum diese Ausführungen nicht bereits bei der Erstbefragung erstattet worden wären, führte der BF aus, dass man ihm dies nicht gefragt hätte, sondern ihn nur gefragt hätte, woher er kommen würde. Befragt hinsichtlich konkreter Befürchtungen bei einer Rückkehr nach Afghanistan, führte der BF aus, dass wenn er nach Afghanistan zurückkehren müsste, er dort kein Haus und keine Unterkunft hätte, wo er leben könnte. Der Krieg würde immer noch andauern. Nachgefragt führte er aus, dass er solche Probleme nicht hätte. Es wäre allgemein. Er hätte keine Existenz in Afghanistan. Er hätte sein Haus und sein Grundstück verkauft damit er seine Reise nach Europa finanzieren könne. Er hätte einen Teil seiner Schwester gegeben und einen Teil seinen Bruder im Iran. Mit dem Rest des Geldes wäre er nach Europa gekommen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan hätte er Angst vor dem Krieg. Dem BF befragt, warum er nicht nach Kabul gegangen wäre um sich diesen Bedrohungen zu entziehen, führte der BF aus, dass in Afghanistan die Gefahr überall gleich wäre, bzw. er diese Fluchtalternative nicht genutzt habe. In der Provinz Ghazni wäre es sehr unruhig und jederzeit könne ein Krieg ausbrechen. Er wäre dann Opfer von diesen Krieg. Wenn eine militärische Auseinandersetzung stattfindet, würde er wahrscheinlich umgebracht werden. Er würde als Opfer wie in einem normalen Krieg umgebracht werden. Die Möglichkeit eingeräumt zu der allgemeinen Lage in Afghanistan eine Stellungnahme abzugeben, führte der BF aus, dass er hierzu keine Stellungnahme abgeben wolle, bzw. er schon alles gesagt habe.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Begründend führte die belangte Behörde zusammenfassend aus, dass der BF nur allgemeine Gründe für das Verlassen Afghanistans angeführt hätte, bzw. Gründe basierend auf der Bedrohung bzw. Verletzung des Vaters angegeben habe. Der BF hätte jedoch keine gegen ihn persönlich gerichtete Verfolgungshandlungen in Afghanistan angegeben. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Die Behörde stellte die Staatsangehörigkeit, Religion und Volksgruppenzugehörigkeit, nicht jedoch die präzise Identität des Beschwerdeführers fest. Die von ihm angegebenen Gründe für das Verlassen des Heimatlandes erwiesen sich als nicht glaubhaft, es habe demnach nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsland einer ihn unmittelbar konkret betreffenden asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung respektive persönlichen Problemen ausgesetzt gewesen wäre. Ebenso wäre eine unmittelbar den BF betreffenden Bedrohung bei einer allfälligen Rückkehr glaubhaft nicht angegeben worden. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan wäre nicht damit zu rechnen dass diesem die Lebensgrundlage entzogen wäre, bzw. dieser in eine aussichtslose Situation geraten würde. Der BF hätte angegeben wegen den Taliban geflüchtet zu sein, bzw. weil dieser Atheist wäre. Der BF hätte vage und undetaillierte Angaben erstattet. Angaben, was Atheismus bedeuten würde, hätte der BF jedoch nicht erstatten können. Des Weiteren hätte der BF nur eine allgemeine Lage beschreiben. Er hätte keine Beweismittel in Vorlage bringen können, dass eine konkret gegen diesen gerichtete Verfolgung bestehen würde. Dies wäre auch in Bezug auf das Vorbringens des BF hinsichtlich seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara festzuhalten. Eine Gruppenverfolgung wäre aufgrund der vorliegenden Länderfeststellungen zu Afghanistan nicht vorliegend, bzw. hätte sich die Situation verbessert. Es wäre auch festzuhalten, dass es sich bei den Ausführungen betreffend der zu Protokoll gegebenen Befürchtungen um subjektive Meinungen des BF handeln würde, nicht jedoch um eine objektive. Der BF hätte die Flucht aus Afghanistan nicht als äußerste Möglichkeit gewählt um den vermeintlichen Problemen zu entgehen. Vielmehr hätte es den Anschein, dass der BF Afghanistan in der Hoffnung verlassen habe bessere wirtschaftliche Bedingungen in anderen Ländern vorzufinden. Bezüglich der Vorfälle im Iran wäre auszuführen, dass eine Rückführung nur in den Heimatstaat eines Antragstellers stattfindet. Es könne nicht festgestellt werden, dass der BF bei einer Rückkehr in seine Heimat einer realen Gefahr der Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr.6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre. Die allgemeine Lage in Kabul wäre stabil, bzw. wäre Kabul direkt ohne besondere Gefährdung über einen internationalen Flughafen zu erreichen. Der BF wäre gesund und arbeitsfähig. Er hätte in seinem Heimatland familiäre Anknüpfungspunkte. In Österreich würde der BF über solche nicht verfügen. Der BF wäre weder Mitglied in einem Verein, noch in einer Organisation. Die Einreise nach Österreich am 21.02.2016 hätte schlepperunterstützt und illegal stattgefunden. Es könne nicht festgestellt werden, dass in Österreich eine besondere Integrationsverfestigung des BF bestehen würde. Es würden somit keine Hinweise darauf bestehen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK oder Art. 3 EMRK ausgesetzt sei. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären und privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

5. Gegen den oben genannten Bescheid richtet sich die erhobene Beschwerde, welche fristgerecht beim BFA einlangte. In dieser wird zusammenfassend insbesondere ausgeführt, dass dem BF die Möglichkeit genommen worden wäre sich zu seinen Fluchtgründen zu äußern. Dem Bescheid wäre nicht zu entnehmen, dass der BF überhaupt zu seinen Fluchtgründen befragt worden wäre, bzw. wäre dieser lediglich gefragt worden, ob dieser seine bei der Erstbefragung ausgeführten Fluchtgründe aufrecht erhalten wolle. Die Möglichkeit einer freien und substantiierten Befragung wäre dem BF somit von der belangten Behörde genommen worden. Die Behörde hätte zudem argumentiert, dass der BF angegeben hätte, dass dieser aufgrund seiner atheistischen Lebensweise von den Taliban geflüchtet wäre. Dieser Kausalzusammenhang zwischen seiner nichtreligiösen Einstellung und der Flucht wäre vom BF nie ins Treffen geführt worden. Er hätte angegeben, dass er Moslem und Shiit gewesen wäre, jetzt jedoch ein Atheist wäre. Dass der BF aufgrund dessen geflüchtet sei, wäre somit lediglich eine fiktive Annahme der belangten Behörde. Die Behörde würde dem BF auch vorwerfen nicht zu wisse, was Atheismus wäre, der BF hätte jedoch ausgeführt, dass er zu dem Schluss gekommen wäre, dass Religion keinen Sinn hätte und dann wäre er Atheist geworden. Es wäre von der Behörde festgestellt worden, dass er BF zum Atheismus übergetreten wäre. Da der Atheismus jedoch keine Religionsgemeinschaft, sondern eine innere Einstellung wäre, bzw. Überzeugung wäre, wäre es dem BF nicht möglich gewesen überzutreten. Die Natur des Glaubens würde dessen Beweisbarkeit ausschließen. Asylentscheidungen wären Prognoseentscheidungen. Lediglich eine Verfolgungswahrscheinlichkeit würde ausreichen. Die Scharia würde Apostasie zu den genannten "hudud" Vergehen zählen und würde diese gemeinsam mit Blasphemie mit der Todesstrafe bedrohen. Die belangte Behörde hätte sich nicht mit der Apostasie auseinandergesetzt. Dies würde den angefochtenen Bescheid mit Willkür belasten. Der BF würde zudem der Volksgruppe der Hazara angehören. Für Hazara wäre ein Leben in Afghanistan nicht möglich, die Rückkehr nicht zumutbar, bzw. wäre die shiitische Minderheit der Hazara generelle gesellschaftlicher Verfolgung ausgesetzt. Zu verweisen wäre auch auf das Gutachten von Frau Stahlmann, welches ausweisen würde, dass eine Rückkehr nach Afghanistan ausgeschlossen wäre. Die Sicherheitslage, als auch das nicht vorhandene soziale Netz würden den BF bei einer Rückkehr in eine ausweglose Situation bringen. Dem BF wäre Asyl, in eventu subsidiärer Schutz zuzuerkennen. Auch wäre der BF bereits sehr gut integriert und hätte Deutschkurse abgeschlossen, bzw. hätte als Schülerlotse gearbeitet. Auch die Empfehlungsschreiben würden belegen, dass der BF bereits sehr gut integriert wäre. Eine Rückkehrentscheidung würde in unzulässiger Weise in das Privatleben des BF eingreifen.

Am 09.04.2019 wurde durch das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung mit dem BF durchgeführt. Das BFA verzichtete auf die Teilnahme an der Verhandlung. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde der BF im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari u.a. zu seiner Identität und Herkunft, zu seinen persönlichen Lebensumständen, zu seinem Gesundheitszustand, seinen Familienangehörigen und insbesondere zu seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen unter Zugrundelegung der aktuellen Länderfeststellungen der Staatendokumentation mit konkreten Hinweisen auf die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan befragt. Befragt zu den Gründen für die Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA führte der BF zusammenfassend aus, dass er Beschwerde erhoben hätte, da er erst in Europa Atheist geworden wäre. Da er Analphabet sei, hätte er sich in Afghanistan nicht getraut sich als Atheist auszugeben. Nur um Repressalien zu entgehen hätte er 10% oder weniger der islamischen Rituale eingehalten. Da er Analphabet sei hätte er nichts über den Islam lesen können und keine Informationen sammeln können. Er hätte vor seiner Reise nach Europa Afghanistan bereits mehrmals verlassen, wäre jedoch dorthin alle zwei Jahre wieder zurückgekehrt. Auch im Iran hätte der BF die religiösen Pflichten nicht wahrgenommen, weil er die ganze Zeit am Arbeitsplatz gewesen wäre. Befragt ob der BF Bedrohungen wegen der Nichtausübung der religiösen Pflichten ausgesetzt gewesen war, führte dieser aus, dass er nur auf dem Weg vom Iran nach Afghanistan bedroht worden wäre. Auf diesem Weg wäre er von den Tailban angehalten worden und ihm wären religiöse Fragen gestellte worden. Da er diese nicht beantworten hätte können wäre er von diesen gepeitscht worden. Darauf hingewiesen, dass er diesen Vorfall im bisherigen Verfahren nicht erwähnt habe, führte der BF aus, da es sich hierbei nicht um eine persönliche Bedrohung gehandelt hätte, hätte er diesen Vorfall bisher nicht erwähnt. Weiter befragt, ob der BF vor der Ausreise aus Afghanistan einer konkreten Bedrohung ausgesetzt gewesen war, führte dieser aus, dass eine persönliche Bedrohung unmittelbar nicht vorgelegen ist. Es wäre nur die Situation gewesen, dass er zu wenig Wissen und Informationen über den Islam hätte und er nur irgendwo leben wolle, wo jemand nicht nach seinem Glauben beurteilt werden würde. Dem BF Gelegenheit gegeben auszuführen, wo die Unterschiede seiner jetzigen Einstellung zum Glauben im Unterschied zum Zeitpunkt der Ausreise darzulegen, führte der BF aus, dass hier niemand nach seinen Glauben fragen würde. Befragt ob der BF aus der islamischen Glaubensgemeinschaft augegetreten sei, führte dieser aus, dass der offiziell nicht ausgetreten sei, jedoch von Anfang an schon kein Muslim gewesen wäre. Mit den Religionen hätte sich der BF in Österreich noch nie beschäftigt, da diese für ihn keinen Sinne ergeben würden. Befragt worauf diese Meinung beruhen würde, konnte der BF diesbezüglich keine Antworten erstatten. Befragt ob es besondere Gründe gäbe, dass der BF seine Religion ablehen würde, führte dieser aus, dass es in seiner Heimat Pflicht wäre den Islam anzugehören und dieser ihn aufgezwungen worden wäre, er dies jedoch nicht akzeptieren könne. Befragt worin sich das bereits vor dem Verlassen der Heimat gezeigte Desinteresse des BF von dem nunmehr in Österreich gezeigten unterscheiden würde, führte dieser aus, dass der Unterschied darin bestehen würde, dass er sich hier wohlfühle und er auch ohne Islam ein gutes Leben führen könne. Befragt zu Verwandten führte der BF aus, dass in Masar - e Sharif eine Schwester mit ihrer Familie leben würde. Er selbst habe nach dem Tod seiner Eltern im Alter von 12 Jahren selber gearbeitet. Er habe als Schweißer und Fliesenleger gearbeitet. Die Reise nach Europa hätte er mittels eines Schleppers durchgeführt. Hiefür hätte der BF €2000 gezahlt, die er aus Ersparnissen zur Verfügung gehabt hätte. Befragt worin sich die Situation des BF von der eines anderen jungen Mannes in Afghanistan unterscheiden würde, führte der BF aus, dass er diese Frage nicht beantworten könne. Beweismittel betreffend das Vorliegen einer konkreten Bedrohung könne der BF nicht vorlegen. Auf die Frage, ob der BF vor der Ausreise versucht habe in einer der großen Städte in Afghanistan zu leben, führte er aus, dass da er religionslos wäre, bzw. ein Analphabet sei er auch in Zukunft keiner Religion beitreten wolle. Er lebe in Österreich von der Grundversorgung und habe einen Basiskurs Alphabetisierung begonnen. Auch hätte sich der BF um eine Arbeit beworben, bzw. können einen Lebenslauf für die Arbeitsbewerbung vorlegen. In Österreich wäre er kein Mitglied in einem Verein, bzw. würde in Österreich in keiner Beziehung leben, bzw. es würden keine Abhängigkeiten bestehen.

Mit 11.04.2019 wurde ein Schreiben des Magistrats der Stadt XXXX vorgelegt dem zu entnehmen ist, dass hierin bestätigt wird, dass der BF mit diesem Datum aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

-

Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA und insbesondere in die Befragungsprotokolle;

-

Befragung des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht;

-

Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister und das Grundversorgungssystem.

1. Feststellungen:

1.1. zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprache Dari. Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan aufgewachsen, hat dort die Schule besucht und bereits gearbeitet. Der Beschwerdeführer hat eine Schwester in Masar -e Sharif mit der er losen Kontakt hat.

Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen gesunden Mann im arbeitsfähigen Alter.

Der Beschwerdeführer leidet gegenwärtig nicht unter akut lebensbedrohlich schweren körperlichen oder psychischen Erkrankungen und befindet sich nicht in einer durchgehenden stationären Behandlung.

1.2. Zu den Beschwerdegründen:

Das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend der zu Protokoll gegebenen Fluchtgründe ist als nicht glaubwürdig, bzw. als nicht asylrelevant zu qualifizieren.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Afghanistan aufgrund einer glaubwürdigen, ihn unmittelbar persönlich treffenden asylrelevanten Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen hat.

Nicht festgestellt werden kann, dass dem Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara Verfolgung in Afghanistan droht.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer wegen der im Verfahren angegebenen Unkenntnis von religiösen Inhalten und des angegebenen Desinteresses an Religionen, bzw. am Islam in Afghanistan einer asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt gewesen war oder er aufgrund einer solchen Afghanistan verlassen hat.

Es kann nicht festgestellt werden, bzw. ist es nicht glaubhaft, dass sich der BF aus begründet nachvollziehbaren Motiven entschieden von Religionen abgewandt hat und die Ablehnung von Religion und Glauben insgesamt ein integraler Bestandteil der Persönlichkeit des Beschwerdeführers wäre.

Festgestellt wird, dass sämtliche Ausführungen des BF betreffend des Vorliegens eines nachhaltigen Abfalls vom Islam, bzw. des Vorliegens von Atheismus seitens des Gerichtes als unglaubwürdig zu qualifizieren sind.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr nach Afghanistan aufgrund einer Unkenntnis von religiösen Glaubensinhalten, bzw. alleine aufgrund eines Desinteresses an Religionen oder aufgrund der Nichtwahrnehmung aus dem Islam resultierender religiöser Pflichten psychischer und/oder physischer Gewalt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in allen Landesteilen Afghanistans ausgesetzt wäre.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer alleine deshalb weil er sich zuletzt in Europa aufgehalten hat in Afghanistan eine asylrelevanten Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hätte.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Niederlassung in einer der größeren Städte von Afghanistan wie Masar -e Sharif, Herat besteht für den Beschwerdeführer als arbeitsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine berücksichtigungswürdige Bedrohungssituation, bzw. läuft dieser dort auch nicht in Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Der strafrechtlich unbescholtene Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung durchgehend ausschließlich nur auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts während des Asylverfahrens rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Der Beschwerdeführer hat an mehreren Kursen, insbesondere Deutschkursen und einen Kurs Basisalphabetisierung teilgenommen. Er verfügt in Österreich über keine Verwandten, hat keine sonstigen engen familienähnlichen Bindungen zu sich in Österreich aufhältigen Personen, bzw. ist das Vorliegen eines besonders zu berücksichtigenden Nahe - bzw. Abhängigkeitsverhältnisses zu Personen im Bundesgebiet nicht dargelegt worden. Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Das Vorliegen einer insgesamt besonders berücksichtigungswürdigen Integration in Österreich kann in casu nicht festgestellt werden.

Das Bestehen von besonderen Gründen die für ein Verbleiben der beschwerdeführenden Partei im Bundesgebiet sprechen sind dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

1.3. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

(gekürzt und zusammengefasst durch das BVwG)

KI vom 31.1.2019, Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).

Quellen:

CNN - Cable News Network (27.1.2019): US-Taliban peace talks in Doha a 'significant step',

https://edition.cnn.com/2019/01/27/asia/us-taliban-afghan-peace-talks-doha-intl/index.html, Zugriff 31.1.2019

DP - Die Presse (28.1.2019): Afghanistan vor dramatischer Wende, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5570225/Afghanistan-vor-dramatischer-Wende, Zugriff 31.1.2019

FP - Foreign Policy (29.1.2019): Will Zalmay Khalilzad Be Known as the Man Who Lost Afghanistan?,

https://foreignpolicy.com/2019/01/29/will-zalmay-khalilzad-be-known-as-the-man-who-lost-afghanistan-envoy-taliban/, Zugriff 31.1.2019

IM - Il Messaggero (28.1.2019): Afghanistan, fonti Difesa: "Entro un anno via truppe italiane". Moavero: "Apprendo ora". Lega: "Nessuna decisione",

https://www.ilfattoquotidiano.it/2019/01/28/afghanistan-entro-un-anno-ritiro-del-contingente-italiano-moavero-lo-apprendo-ora-trenta-non-ne-ha-parlato-con-me/4930395/, Zugriff 31.1.2019

Internazionale (30.1.2019): La trattativa in Afghanistan arriva con 17 anni di ritardo,

https://www.internazionale.it/opinione/gwynne-dyer/2019/01/30/trattativa-afghanistan-ritardo, Zugriff 31.1.2019

NYT - The New York Times (28.1.2019): U.S. and Taliban Agree in Principle to Peace Framework, Envoy Says, https://www.nytimes.com/2019/01/28/world/asia/taliban-peace-deal-afghanistan.html, Zugriff 31.1.2019

Tolonews (28.1.2019): US Peace Envoy Visits Kabul To Consult On Talks With Taliban,

https://www.tolonews.com/afghanistan/us-peace-envoy-visits-kabul-consult-talks-taliban, Zugriff 31.1.2019

WP - The Washington Post (30.1.2019): The real challenge for Afghanistan isn't negotiating with the Taliban, https://www.washingtonpost.com/opinions/global-opinions/the-real-challenge-for-afghanistan-isnt-negotiating-with-the-taliban/2019/01/30/12229732-23ee-11e9-ad53-824486280311_story.html?noredirect=on&utm_term=.b049b43b3c79, Zugriff 31.1.2019

SICHERHEITSLAGE

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

* Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

* Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

* Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

* Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

* Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

* Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

* Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017)

Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).

Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)

* Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vgl. RFE/RL 5.6.2018).

* Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vgl. Tolonews 19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angriffes zivile Zuschauer des Matchs (TG 20.5.2018; RFE/RL 19.5.2018), dennoch befanden sich auch Amtspersonen unter den Opfern (TNI 19.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich keine regierungsfeindliche Gruppierung zum Angriff (RFE/RL 19.5.2018); die Taliban dementierten ihre Beteiligung an dem Anschlag (Tolonews 19.5.2018; vgl. TG 20.5.2018) .

* Selbstmordanschlag während Nowruz-Feierlichkeiten: Am 21.3.2018 (Nowruz-Fest; persisches Neujahr) kam es zu einem Selbstmordangriff in der Nähe des schiitischen Kart-e Sakhi-Schreins, der von vielen afghanischen Gemeinschaften - insbesondere auch der schiitischen Minderheit - verehrt wird. Sie ist ein zentraler Ort, an dem das Neujahrsgebet in Kabul abgehalten wird. Viele junge Menschen, die tanzten, sangen und feierten, befanden sich unter den 31 getöteten; 65 weitere wurden verletzt (BBC 21.3.2018). Die Feierlichkeiten zu Nowruz dauern in Afghanistan mehrere Tage und erreichen ihren Höhepunkt am 21. März (NZZ 21.3.2018). Der IS bekannte sich auf seiner Propaganda Website Amaq zu dem Vorfall (RFE/RL 21.3.2018).

* Angriffe auf Moscheen: Am 20.10.2017 fanden sowohl in Kabul, als auch in der Provinz Ghor Angriffe auf Moscheen statt: während des Freitagsgebets detonierte ein Selbstmordattentäter seine Sprengstoffweste in der schiitischen Moschee, Imam Zaman, in Kabul. Dabei tötete er mindestens 30 Menschen und verletzte 45 weitere. Am selben Tag, ebenso während des Freitagsgebetes, griff ein Selbstmordattentäter eine sunnitische Moschee in Ghor an und tötete 33 Menschen (Telegraph 20.10.2017; vgl. TG 20.10.2017).

* Tötungen in Kandahar: Im Oktober 2017 bekannten sich die afghanischen Taliban zu der Tötung zweier religiöser Persönlichkeiten in der Provinz Kandahar. Die Tötungen legitimierten die Taliban, indem sie die Getöteten als Spione der Regierung bezeichneten (UNAMA 7.11.2017).

* Angriff auf schiitische Moschee: Am 2.8.2017 stürmten ein Selbstmordattentäter und ein bewaffneter Schütze während des Abendgebetes die schiitische Moschee Jawadia in Herat City; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet (BBC 3.8.2017; vgl. Pajhwok 2.8.2017). Insgesamt war von 100 zivilen Opfer die Rede (Pajhwok 2.8.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 3.8.2017).

* Entführung in Nangarhar: Die Taliban entführten und folterten einen religiösen Gelehrten in der Provinz Nangarhar, dessen Söhne Mitglieder der ANDSF waren - sie entließen ihn erst, als Lösegeld für ihn bezahlt wurde (UNAMA 7.11.2017).

* In der Provinz Badakhshan wurde ein religiöser Führer von den Taliban entführt, da er gegen die Taliban predigte. Er wurde gefoltert und starb (UNAMA 7.11.2017).

Angriffe auf Behörden zur Wahlregistrierung:

Seit der Ankündigung des neuen Wahltermins durch den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani im Jänner 2018 haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden (ARN 21.5.2018; vgl. DW 6.5.2018, AJ 6.5.2018, Tolonews 6.5.2018, Tolonews 29.4.2018, Tolonews 22.4.2018). Es folgt eine Auflistung der größten Vorfälle:

* Bei einem Selbstmordanschlag auf ein für die Wahlregistrierung errichtetes Zelt vor einer Moschee in der Provinz Khost kamen Quellen zufolge am 6.5.2018 zwischen 13 und 17 Menschen ums Leben und mindestens 30 weitere wurden verletzt (DW 6.5.2018; vgl. Tolonews 6.5.2018, AJ 6.5.2018).

* Am 22.4.2018 kamen in der Nähe einer Behörde zur Wahlregistrierung in Pul-e-Khumri in der Provinz Baghlan sechs Menschen ums Leben und fünf weitere wurden verletzt; bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 22.4.2018; vgl. NZZ 22.4.2018).

* Am 22.4.2018 kamen vor einer Behörde zur Wahlregistrierung in Kabul 60 Menschen ums Leben und 130 wurden verletzt. Der Angriff fand im mehrheitlich aus ethnischen Hazara bewohnten Kabuler Distrikt Dacht-e-Barchi statt. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag, der gegen die "schiitischen Apostaten" gerichtet war (USIP 24.4.2018; vgl. Slate 22.4.2018).

Zivilist/innen

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(UNAMA 2.2018)

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).

Konkrete Informationen zu Zahlen und Tätern können dem Subkapitel "Regierungsfeindliche Gruppierungen" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% Gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).

Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre viertel-jährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswe

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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