TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/26 W233 2181239-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.04.2019
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Entscheidungsdatum

26.04.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W233 2180239-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.11.2017, Zl 15-1082695106-151092763, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.01.2019 zu Recht:

A) I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1

AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 15.08.2015 im Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. In seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag führte er zu seinem Fluchtgrund im Wesentlichen aus, er sei geflohen, weil es jeden Tag Drohungen von den Taliban und den IS-Truppen gegeben habe. Sie hätten sich wie in einem Käfig gefühlt und sei er aus Angst um sein Leben geflüchtet.

1.3. In Folge wurde der Beschwerdeführer am 13.11.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen zu Protokoll, er bekenne sich zum protestantischen Christentum. Er sei bereits im Herkunftsstaat mit dem christlichen Glauben in Kontakt gekommen und habe ihn sein Onkel, nachdem er davon erfahren habe, bedroht und an die Geistlichen verraten. Der Beschwerdeführer beantwortete Fragen zum christlichen Glauben und gab auch an, in Österreich seit Juni 2017 eine christliche Kirche zu besuchen.

1.4. Mit gegenständlichem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.11.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 15.08.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

1.5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 21.12.2017 fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften.

1.6. Zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts fand am 14.01.2019 vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer sowie ein Zeuge einvernommen wurden. Der Beschwerdeführer wurde dabei ausführlich zu seinen Fluchtgründen, seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie zu seiner Integration in Österreich befragt. Das Bundesamt hat sich mit Schreiben vom 04.12.2018 für die Teilnahme an der mündlichen Beschwerdeverhandlung entschuldigt. Bereits vorab hat das Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 30.10.2018 dem Beschwerdeführer das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018 und die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 mit der Einladung, dazu binnen einer Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben, zur Kenntnis und somit ins Verfahren eingebracht.

2. Feststellungen

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des Beschwerdeführers; durch die Einvernahme des Beschwerdeführers und eines Zeugen vor dem Bundesverwaltungsgericht am 14.01.2019; durch Einsichtnahme in die im Verlauf des Verfahrens vorgelegten Unterlagen, in aktuelle Auszüge aus Strafregister, GVS, IZR und ZMR sowie durch Einsichtnahme in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018 und in die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018. Demnach steht folgender Sachverhalt fest:

2.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Er stammt aus dem Bezirk XXXX in der Provinz Ghazni. Seine Muttersprache ist Dari.

2.2. Die Identität des Beschwerdeführers steht, mit Ausnahme der Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit, mangels Vorlage identitätsbezeugender Dokumente nicht fest.

2.3. Der Beschwerdeführer ist als schiitischer Moslem aufgewachsen, kam aber bereits im Jahr 2012 im Herkunftsstaat mit dem christlichen Glauben in Berührung. Er ist spätestens im Zuge seines Aufenthaltes in Österreich zum christlichen Glauben konvertiert.

Der Beschwerdeführer ist praktizierender Angehöriger einer protestantischen Freikirche und regelmäßig aktiv am christlichen Leben der Gemeinde beteiligt.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde der Beschwerdeführer Christ bleiben und nicht zum Islam zurückkehren.

Der Beschwerdeführer läuft im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Gefahr, auf Grund seiner Zuwendung zum Christentum von anderen Personen getötet zu werden, weil er nach der dort allgemein vorherrschenden Ansicht als Moslem nicht die Religion wechseln hätte dürfen. Dem Beschwerdeführer steht als vom Islam Abgefallener keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.

2.4. Der Beschwerdeführer verfügt über ein Deutschzertifikat auf dem Niveau A2 und weist eine hohe soziale Integration auf. Er ist strafgerichtlich unbescholten.

2.5. Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

2.5.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Stand 29.06.2018:

"4. Rechtsschutz / Justizwesen

Gemäß Artikel 116 der Verfassung ist die Justiz ein unabhängiges Organ der Islamischen Republik Afghanistan. Die Judikative besteht aus dem Obersten Gerichtshof (Stera Mahkama, Anm.), den Berufungsgerichten und den Hauptgerichten, deren Gewalten gesetzlich geregelt sind. (Casolino 2011). Die wichtigste religiöse Institution des Landes ist der Ulema-Rat (Afghan Ulama Council - AUC, Shura-e ulama-e afghanistan, Anm.), eine nationale Versammlung von Religionsgelehrten, die u.a. den Präsidenten in islamrechtlichen Angelegenheiten berät und Einfluss auf die Rechtsformulierung und die Auslegung des existierenden Rechts hat (USDOS 15.8.2017; vgl. AB 7.6.2017, AP o.D.).

Das afghanische Justizwesen beruht sowohl auf dem islamischen [Anm.:

Scharia] als auch auf dem nationalen Recht; letzteres wurzelt in den deutschen und ägyptischen Systemen (NYT 26.12.2015; vgl. AP o.D.).

Die rechtliche Praxis in Afghanistan ist komplex: Einerseits sieht die Verfassung das Gesetzlichkeitsprinzip und die Wahrung der völkerrechtlichen Abkommen, einschließlich Menschenrechtsverträge, vor, andererseits formuliert sie einen unwiderruflichen Scharia-Vorbehalt. Ein Beispiel dieser Komplexität ist das neue Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist (AP o.D.; vgl. vertrauliche Quelle 10.4.2018). Die Organe der afghanischen Rechtsprechung sind durch die Verfassung dazu ermächtigt, sowohl das formelle als auch das islamische Recht anzuwenden (AP o.D.).

Das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren ist in der Verfassung verankert, wird aber in der Praxis selten umgesetzt. Die Umsetzung der rechtlichen Bestimmungen ist innerhalb des Landes uneinheitlich. Dem Gesetz nach gilt für alle Bürger/innen die Unschuldsvermutung und Angeklagte haben das Recht, beim Prozess anwesend zu sein und Rechtsmittel einzulegen; jedoch werden diese Rechte nicht immer respektiert. Bürger/innen sind bzgl. ihrer Verfassungsrechte oft im Unklaren und es ist selten, dass Staatsanwälte die Beschuldigten über die gegen sie erhobenen Anklagen genau informieren. Die Beschuldigten sind dazu berechtigt, sich von einem Pflichtverteidiger vertreten und beraten zu lassen; jedoch wird dieses Recht aufgrund eines Mangels an Strafverteidigern uneinheitlich umgesetzt (USDOS 20.4.2018). In Afghanistan existieren keine Strafverteidiger nach dem westlichen Modell; traditionell dienten diese nur als Mittelsmänner zwischen der anklagenden Behörde, dem Angeklagten und dem Gericht. Seit 2008 ändert sich diese Tendenz und es existieren Strafverteidiger, die innerhalb des Justizministeriums und auch außerhalb tätig sind (NYT 26.12.2015). Der Zugriff der Anwälte auf Verfahrensdokumente ist oft beschränkt (USDOS 3.3.2017) und ihre Stellungnahmen werden während der Verfahren kaum beachtet (NYT 26.12.2015). Berichten zufolge zeigt sich die Richterschaft jedoch langsam respektvoller und toleranter gegenüber Strafverteidigern (USDOS 20.4.2018).

[...]

Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan üblicherweise akzeptiert wird, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang; oft werden die Bestimmungen des islamischen Rechts zugunsten des Gewohnheitsrechts missachtet, welches den Konsens innerhalb der Gemeinschaft aufrechterhalten soll (USIP 3.2015; vgl. USIP o.D.). Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem das Frauenrecht, Strafrecht und -verfahren, die Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte (USIP o. D.).

Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia, Gewohnheits-/Stammesrecht) (AA 9.2016; vgl. USIP o.D., NYT 26.12.2015, WP 31.5.2015, AA 5.2018). Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz im Fall eines Konflikts zwischen dem traditionellen islamischen Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 5.2018).

Das kodifizierte Recht wird unterschiedlich eingehalten, wobei Gerichte gesetzliche Vorschriften oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten. Bei Angelegenheiten, wo keine klar definierte Rechtssetzung angewendet werden kann, setzen Richter und lokale Schuras das Gewohnheitsrecht (welches auch nicht einheitlich ist, Anm.) durch (USDOS 20.4.2018).

[...]"

"15. Religionsfreiheit

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5.2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi- Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).

Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtssprechungnter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018).

Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5.2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5.2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht- Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten (USDOS 15.8.2017). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht- muslimischen Glauben deklariert (HO U.K. 2.2017; vgl. USDOS 10.8.2016). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt (USDOS 15.8.2017). Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 15.8.2017).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.8.2017).

Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.8.2017).

Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017).

Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.8.2017).

Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.8.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.4.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.8.2017)."

"15.2. Christentum und Konversionen zum Christentum

Nichtmuslimische Gruppierungen wie Sikhs, Baha'i, Hindus und Christen machen ca. 0.3% der Bevölkerung aus. Genaue Angaben zur Größe der christlichen und Bahai-Gemeinschaften sind nicht vorhanden (USDOS 15.8.2017; vgl. USCIRF 2017). Die einzige im Land bekannte christliche Kirche hat ihren Sitz in der italienischen Botschaft (USCIRF 2017) und wird von der katholischen Mission betrieben (FT 27.10.2017; vgl. AIK o.D.). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung einer katholischen Kapelle unter den strengen Bedingungen, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Form des Proselytismus vermieden werde (vertrauliche Quelle 8.11.2017). Öffentlich zugängliche Kirchen existieren in Afghanistan nicht (USDOS 15.8.2017). Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens, da es in Afghanistan keine Kirchen gibt (abgesehen von einer katholischen Kapelle auf dem Gelände der italienischen Botschaft). Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NGOs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen (AA 5.2018). Ausländische Christen dürfen ihren Glauben diskret ausüben (FT 27.10.2017).

Berichten zufolge gibt es im Land weiterhin keine christlichen Schulen (USDOS 15.8.2017); ein christliches Krankenhaus ist in Kabul aktiv (NYP 24.4.2014; vgl. CNN 24.4.2014, CURE o.D.). Auch gibt es in Kabul den Verein "Pro Bambini di Kabul", der aus Mitgliedern verschiedener christlicher Orden besteht, und eine Schule für Kinder mit Behinderung betreibt (PBK o.D.; vgl. FT 27.10.2017). Des Weiteren sind je zwei jesuitische und evangelische Missionare in Afghanistan aktiv (FT 27.10.2017).

Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 5.2018). Christen berichteten von einer feindseligen Haltung gegenüber christlichen Konvertiten und der vermeintlichen christlichen Proselytenmacherei (USDOS 15.8.2017). Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel nur deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen. In städtischen Gebieten sind Repressionen gegen Konvertiten aufgrund der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften (AA 9.2016). Beobachtern zufolge hegen muslimische Ortsansässige den Verdacht, Entwicklungsprojekte würden das Christentum verbreiten und Proselytismus betreiben (USDOS 15.8.2017).

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (AA 5.2018). Quellen zufolge müssen Christen ihren Glauben unbedingt geheim halten. Konvertiten werden oft als geisteskrank bezeichnet, da man davon ausgeht, dass sich niemand bei klarem Verstand vom Islam abwenden würde; im Falle einer Verweigerung, zu ihrem alten Glauben zurückzukehren, können Christen in psychiatrische Kliniken zwangseingewiesen, von Nachbarn oder Fremden angegriffen und ihr Eigentum oder Betrieb zerstört werden; es kann auch zu Tötungen innerhalb der Familie kommen. Andererseits wird auch von Fällen berichtet, wo die gesamte Familie den christlichen Glauben annahm; dies muss jedoch absolut geheim gehalten werden (OD 2018).

Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die oft während ihres Aufenthalts im Ausland konvertierten, üben aus Angst vor Diskriminierung und Verfolgung ihre Religion alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern aus (USDOS 15.8.2017). Zwischen 2014 und 2016 gab es keine Berichte zu staatlicher Verfolgung wegen Apostasie oder Blasphemie (USDOS 15.8.2017). Der Druck durch die Nachbarschaft oder der Einfluss des IS und der Taliban stellen Gefahren für Christen dar (OD 2018)."

2.5.2. UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018:

"b) Konversion vom Islam

Eine Konversion vom Islam wird als Apostasie, also als Glaubensabfall betrachtet und gemäß den Auslegungen des islamischen Rechts durch die Gerichte mit dem Tode bestraft.408 Zwar wird Apostasie im afghanischen Strafgesetzbuch nicht ausdrücklich als Straftat definiert, sie fällt jedoch nach allgemeiner afghanischer Rechtsauffassung unter die nicht weiter definierten "ungeheuerlichen Straftaten", die laut Strafgesetzbuch nach der islamischen Hanafi-Rechtslehre bestraft werden und in den Zuständigkeitsbereich der Generalstaatsanwaltschaft fallen. Damit wird Apostasie als Straftat behandelt, obwohl nach der afghanischen Verfassung keine Handlung als Straftat eingestuft werden darf, sofern sie nicht als solche gesetzlich definiert ist. Geistig zurechnungsfähige männliche Bürger über 18 Jahren und weibliche Bürger über 16 Jahren, die vom Islam konvertieren und ihre Konversion nicht innerhalb von drei Tagen widerrufen, riskieren die Annullierung ihrer Ehe und eine Enteignung ihres gesamten Grundes und sonstigen Eigentums. Außerdem können sie von ihren Familien und Gemeinschaften zurückgewiesen werden und ihre Arbeit verlieren. Personen, die vom Islam zu einer anderen Religion übertreten, müssen Berichten zufolge um ihre persönliche Sicherheit fürchten. Bekehrungsversuche, um Personen zum Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion zu bewegen, sind Berichten zufolge laut der Hanafi Rechtslehre ebenfalls rechtswidrig und es stehen darauf dieselben Strafen wie für Apostasie. Berichten zufolge herrscht in der öffentlichen Meinung eine feindliche Einstellung gegenüber missionarisch tätigen Personen und Einrichtungen. Rechtsanwälte, die Angeklagte vertreten, denen Apostasie zur Last gelegt wird, können, so wird berichtet, selbst der Apostasie bezichtigt und mit dem Tod bedroht werden. In der Regel haben Beschuldigte laut Berichten indes keinen Zugang zu einem Verteidiger oder zu anderen Verfahrensgarantien."

3. Beweiswürdigung:

3.1. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit, Herkunft und Muttersprache des Beschwerdeführers ergeben sich aufgrund seiner diesbezüglich glaubhaften, gleichbleibenden Angaben in Zusammenschau mit den vom Beschwerdeführer dargelegten Sprach- und Ortskenntnissen.

3.2. Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstiger Bescheinigungsmittel konnte die weitere Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden. Soweit dieser namentlich genannt wird, legt das Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd § 38 AVG bedeutet.

3.3. Die Feststellungen hinsichtlich der Hinwendung des Beschwerdeführers zum Christentum stützen sich auf die vorgelegten Unterlagen (Bestätigung der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich vom 12.07.2018 darüber, dass der Beschwerdeführer kein Mietglied ist; vorgelegte Empfehlungsschreiben) in Zusammenschau mit dem glaubwürdigen Eindruck, den der Beschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung auf den erkennenden Richter hinsichtlich der Konversion gemacht hat. Die Angaben des in der Beschwerdeverhandlung einvernommenen Zeugen bestätigen diesen Eindruck.

Der Beschwerdeführer hat mit seinen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung glaubhaft dargelegt, dass er seinen Entschluss, vom schiitischen Islam zum Christentum zu konvertieren, aus freier persönlicher Überzeugung getroffen hat. Er konnte schlüssig darlegen, dass er sich bereits seit dem Jahr 2012, somit bereits vor seiner Flucht aus dem Herkunftsstaat, in Afghanistan mit dem Christentum beschäftigt hat und spätestens im Zuge seines Aufenthaltes in Österreich zum christlichen Glauben konvertiert ist (Verhandlungsprotokoll 14.01.2019, S 11).

Der Beschwerdeführer konnte auch überzeugend schildern, aus welchen inneren Beweggründen er begonnen hat, sich für das Christentum zu interessieren, warum er sich schließlich zu einer Konversion zum Christentum entschieden hat und was ihm am Christentum - im Gegensatz zum Islam - überzeugt (Verhandlungsprotokoll 14.01.2019, S 13, 17).

Der Beschwerdeführer konnte darüber hinaus mit seinem Detailwissen zu christlichen Inhalten überzeugen und legte selbst in der mündlichen Beschwerdeverhandlung missionarischen Eifer an den Tag (Verhandlungsprotokoll 14.01.2019, S 13, 17).

Die Angaben des Beschwerdeführers, er habe zunächst eine evangelische Kirche in XXXX besuchte, sei jedoch vom dortigen Pfarrer an eine Freikirche, in welcher farsisprachige Gottesdienste abgehalten werden, verwiesen worden (Verhandlungsprotokoll 14.01.2019, S 14) wurde durch die Angaben des als Zeugen einvernommenen Pastors dieser Freikirche bestätigt (Verhandlungsprotokoll 14.01.2018, S 18).

Der Beschwerdeführer und der Zeuge gaben übereinstimmend und glaubwürdig an, dass der Beschwerdeführer an Freitagen regelmäßig Bibelstunden in der Freikirche besucht. Er besucht außerdem an Sonntagen eine zweite Kirche im Wohnort und einmal im Monat eine Kirche in XXXX (Verhandlungsprotokoll 14.01.2018, S 16f, 21). Dieses Vorbringen wird weiters durch zahlreiche vorgelegte Empfehlungsschreiben ( XXXX ) untermauert.

In einer Gesamtschau kann daher festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nach ernstlicher Überlegung aufgrund einer inneren Überzeugung und aus freiem Entschluss spätestens im Bundesgebiet zum christlichen Glauben konvertiert ist und diesen Glauben im Bundesgebiet regelmäßig als Teil einer christlichen Gemeinde ausübt. Ebenso wird aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers sowie aufgrund des dargelegten missionarischen Eifers festgestellt, dass der Beschwerdeführer seinen Glauben im Herkunftsstaat weiterhin ausleben würde und nicht zum Islam zurückkehren würde.

Aus den Länderfeststellungen geht hervor, dass die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, in Afghanistan für Muslime nicht gilt und die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht strafbewehrt ist. Es droht die Todesstrafe. Es gibt keine verlässliche Auskunft über die Zahl der Konvertiten, da diese sich nicht öffentlich bekennen. Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber konvertierten Christen ist ablehnend. Afghanische Christen bekennen sich nicht offen zu ihrem Glauben und es gibt für sie keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr nach Afghanistan auf Grund der Konversion war in ganzheitlicher Würdigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, insbesondere unter Berücksichtigung der vorliegenden Länderberichte zur allgemeinen Lage von Christen und Konvertiten in Afghanistan, als glaubhaft zu beurteilen.

Es ist demnach in einer Gesamtschau insgesamt davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Konversion im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus asylrelevanten Gründen drohen würde und die staatlichen Einrichtungen Afghanistan nicht Willens und in der Lage sein würden, dem Beschwerdeführer vor dieser Verfolgung im ausreichenden Maß Schutz zu bieten.

Es ist im Beschwerdeverfahren nicht hervorgekommen, dass die Konversion des Beschwerdeführers zum christlichen Glauben bloß asylzweckbezogen zum Schein erfolgt wäre, sondern vielmehr, dass der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung konvertiert ist.

3.4. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aufgrund eines amtswegig eingeholten aktuellen Auszugs aus dem Strafregister.

Aufgrund der zahlreichen vorgelegten Empfehlungsschreiben, welche über einen Zeitraum von zumindest drei Jahren ausgestellt wurden, kann festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet eine hohe soziale Integration erreicht hat.

Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers werden aufgrund des vorgelegten ÖSD-Zertifikats auf dem Niveau A2 vom 05.04.2017 getroffen, wobei anzumerken ist, dass der Beschwerdeführer seither zahlreiche weitere Deutschkurse besucht hat.

3.5. Die oben getroffenen Feststellungen zur Situation von Christen und Konvertiten im Herkunftsstaat ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018 und den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018. Die Feststellungen gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes und schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem BVwG von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation fallrelevant nicht wesentlich geändert haben.

4. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Asyl

4.1. Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist einem Fremden, der in Österreich einen (zulässigen) Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0080, mwN).

Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht. Sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0113).

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. VwGH 15.03.2001, 99/20/0036). Eine inländische Fluchtalternative ist nur dann gegeben, wenn sie vom Asylwerber in zumutbarer Weise in Anspruch genommen werden kann. Herrschen am Ort der ins Auge gefassten Fluchtalternative - nicht notwendigerweise auf Konventionsgründen beruhende - Bedingungen, die eine Verbringung des Betroffenen dorthin als Verstoß gegen Art. 3 EMRK erscheinen lassen würden, so ist die Zumutbarkeit jedenfalls zu verneinen (vgl. VwGH 16.12.2010, 2007/20/0913). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" innewohnt, setzt voraus, dass nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Betroffenen in dem in Frage kommenden Gebiet getroffen werden (vgl. VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151, mwN).

Um die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu erreichen, müssen konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlungen glaubhaft gemacht werden (VwGH 10.03.1994, 94/19/0056). In diesem Zusammenhang hat der Betroffene die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darzustellen (EGMR 07.07.1987, Nr. 12877/87, Kalema/Frankreich).

4.2. § 3 Abs. 2 AsylG 2005 lautet: "(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe)."

§ 3 Abs. 2 AsylG 2005 ist Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über die Normen für die Anerkennung von Dirttstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes Abl L 337/9 vom 20.12.2011 (Statusrichtlinie), nachgebildet.

Art. 5 Abs. 2 Statusrichtlinie lautet: "Die begründete Furcht vor Verfolgung oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, kann auf Aktivitäten des Antragstellers nach Verlassen des Herkunftslandes beruhen, insbesondere wenn die Aktivitäten, auf die er sich stützt, nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind."

Der VfGH hat ausgesprochen, dass asylrelevante Verfolgung gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 auch auf Aktivitäten beruhen kann, die der Fremde seit dem Verlassen des Herkunftsstaats gesetzt hat (VfGH 12.12.2013, U 2272/2012).

4.3. Nach islamischem Verständnis bedeutet der Abfall vom Islam einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem und ist nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan dort Verfolgungshandlungen bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt ist. Das afghanische Rechtssystem beruht maßgeblich auf diesem islamischen Rechtsverständnis.

Nachdem alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union bindenden normativen Vorgaben des Artikel 10 Abs. 1 b RL 2011/95/EG, kann einem Flüchtling nicht mehr angesonnen werden, sich bei der Religionsausübung auf das sogenannte "forum internum" zu beschränken.

Asylbegehren, die auf Verfolgung mit religiösem Hintergrund gestützt werden, müssen so hin unter Berücksichtigung der unmittelbar anwendbaren Vorgaben des Artikel 10 Abs. 1 b RL 2011/95/EG geprüft werden. Gemäß dieser Richtlinie muss so hin die öffentliche Ausübung ("forum externum") des christlichen Glaubens in Lehre, Gottesdienst und Sakramentsverwaltung möglich sein (siehe auch VwGH 23.06.2015, Ra 2014/01/0210 mit Verweis auf EuGH 05.09.2012, C-71/11 und C-99/11, BRD gg. Y Z, ua.) .

Nach der Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichtes könnte der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan keine wie im Verfahren dargelegte Glaubensbetätigung vornehmen, ohne mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit von im Rahmen des Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention relevanten Verfolgungsmaßnahmen betroffen zu sein. Im Falle der Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit, wie etwa der Teilnahme an öffentlichen Gottesdiensten oder der Vornahme von Gebeten in Gemeinschaft mit anderen oder gar im Falle des Versuches, andere vom Christentum überzeugen zu wollen, würde sich der Beschwerdeführer der beachtlichen Gefahr staatlicher Willkürmaßnahmen aussetzen.

4.4. Mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wegen seiner Konversion zum christlichen Glauben im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan aus religiösen Gründen verfolgt zu werden, macht der Beschwerdeführer einen subjektiven Nachfluchtgrund geltend (vgl. § 3 Abs. 2 AsylG 2005).

Bei einer erst nach Verlassen des Herkunftsstaates erfolgten Konversion eines Fremden vom Islam zum Christentum ist zu prüfen, ob die Konversion allenfalls bloß zum Schein erfolgt ist.

Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (VwGH 14.03.2019, Ra 2018/18/0441).

Hat der Fremde nicht behauptet, im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat wieder vom christlichen Glauben zum Islam übertreten zu wollen, und ist der Fremde nicht nur zum Schein zum Christentum konvertiert, kommt es nicht auf die Frage an, welche Konsequenzen der Asylwerber wegen einer bloß vorübergehenden, der Asylerlangung dienenden Annahme des christlichen Glaubens zu befürchten hätte. Vielmehr ist maßgeblich, ob er bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion (allenfalls sogar mit der Todesstrafe) belegt zu werden (VwGH 24.10.2001, 99/20/0550; VwGH 19.12.2001, 2000/20/0369; VwGH 17.10.2002, 2000/20/0102; VwGH 30.06.2005, 2003/20/0544; VwGH 14.11.2007, 2004/20/0485; VwGH 24.09.2014, Ra 2014/19/0048 m.w.N.; VwGH 23.06.2015, Ra 2014/01/0117).

Nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 05.09.2012 in den verbundenen Rechtssachen C 71/11 und C 99/11, Bundesrepublik Deutschland gegen Y und Z, ist Artikel 2 Buchstabe c der Richtlinie 2004/83 dahingehend auszulegen, dass eine begründete Furcht des Antragstellers vor Verfolgung vorliegt, sobald nach Auffassung der zuständigen Behörden im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Antragstellers vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen. Bei der individuellen Prüfung eines Antrags auf Anerkennung als Flüchtling können die Behörden dem Antragsteller nicht zumuten, auf diese religiöse Betätigung zu verzichten.

Im vorliegenden Fall ergibt sich daher bei Zugrundelegung der Angaben des Beschwerdeführers und obiger Sachverhaltsdarstellung, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Religionszugehörigkeit bei seiner Rückkehr in sein Heimatland Gefahr läuft, asylrelevant verfolgt zu werden.

Nach den getroffenen Feststellungen ist von Verfolgung in asylrelevanter Intensität im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, und zwar aus Gründen der Religion auszugehen.

Infolge des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich das Vorliegen einer zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Verfolgungsgefahr aufgrund religiöser Elemente.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist aufgrund der Tatsache, dass die Verfolgung im gesamten Staatsgebiet Afghanistans von staatlichen Behörden ausgeht im vorliegenden Fall auszuschließen.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Beschwerdeführer den Flüchtlingsbegriff des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK erfüllt, da er sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der politischen Gesinnung bzw. religiösen Gründen verfolgt zu werden, sich außerhalb des Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Da auch keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vorliegt, war Asyl zu gewähren.

Der Vollständigkeit halber ist anzuführen, dass sich aus dem Akteninhalt auch keine Anhaltspunkte für die Anwendbarkeit eines Ausschlussgrundes nach § 6 AsylG 2005 ergeben.

Gemäß § 3 Abs. 5 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B)

Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 vorliegt. Dass eine Konversion als subjektiver Nachfluchtgrund zur Asylgewährung führen kann, ergibt sich klar aus der unter A) zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichthofes und des Verfassungsgerichtshofes sowie der Judikatur der europäischen Gerichtshöfe. Ob ein Glaubenswechsel tatsächlich vollzogen wurde und dessen möglich Folgen für den Beschwerdeführer im Herkunftsstaat sind dagegen auf Ebene der Beweiswürdigung zu beurteilen.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, gesamtes Staatsgebiet,
Konversion, Nachfluchtgründe, Religion, wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W233.2181239.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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