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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art7 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der A in M, vertreten durch Dr. Ulrich Rapp, Rechtsanwalt in 7000 Eisenstadt, Permayerstraße 9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 6. März 1996, Zl. VIII/1-1643/3-1995, betreffend Haftung für Beitragsschuldigkeiten gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Burgenländische Gebietskrankenkasse in 7001 Eisenstadt, Esterhazyplatz 3), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 28. Juli 1994 hat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin einer näher bezeichneten Gesellschaft mit beschränkter Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG in Verbindung mit § 83 ASVG verpflichtet, die auf dem Beitragskonto des Beitragsschuldners rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren (Verzugszinsen berechnet bis 24. Jänner 1994) im Betrag von S 134.832,30 zuzüglich Verzugszinsen binnen 13 Tagen nach Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.
Nach der Begründung dieses Bescheides war die Beschwerdeführerin Geschäftsführerin der genannten Gesellschaft; sie habe trotz Ersuchens der Gebietskrankenkasse Nachweise für die Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge gegenüber anderen Verbindlichkeiten nicht vorgelegt. Es habe vielmehr eruiert werden können, daß der Mietzins für das Geschäftslokal bezahlt worden sei, womit die Ungleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge erwiesen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Einspruch, in dem sie zunächst einräumt, daß sich die Gesellschaft seit 25. Jänner 1994 im Konkurs befindet. Sie habe allerdings die Gläubiger nicht ungleich behandelt, weil die Miete für den Monat Jänner 1994 nicht aus Mitteln der Gesellschaft, sondern durch die Raiffeisenbank bezahlt worden sei, welche sich die Mietrechte zur Besicherung von Forderungen habe abtreten lassen. Die Beschwerdeführerin habe vielmehr, als sie die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der gemeinschuldnerischen Gesellschaft Mitte Jänner 1994 festgestellt habe, alle Zahlungen an die Gläubiger eingestellt. Auch seien ab diesem Zeitpunkt Beiträge an die Gebietskrankenkasse nicht mehr abgeführt worden. Die übrigen Beiträge seien erst im Rahmen einer Betriebsprüfung fällig gestellt worden und resultierten aus Beitragsnachforderungen, welche sich aus der Beendigung der Dienstverhältnisse der Beschäftigten der Gesellschaft ergeben hätten. Für diese Umstände habe die Geschäftsführerin naturgemäß keine Vorsorge treffen können, sodaß sie für die Beträge S 17.116,33, S 47.459,76 und S 44.997,20 zu Unrecht belastet worden sei. Die Beendigung der Dienstverhältnisse sei bereits in das laufende Konkursverfahren gefallen.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse legte diesen Einspruch der belangten Behörde mit dem Bemerken vor, daß die Beitragsrückstände der Gesellschaft sich wie folgt zusammensetzten:
Beitragsrest 11/93 ....................... S 1.007,36
Beitrag 12/93 ....................... S 24.171,97
Beitrag 01/94 ....................... S 17.116,33
NV Beitragsprüfung 02/94 ............ S 44.997,20
Beitrag 02/94 ....................... S 47.459,76
Nebengebühren ....................... S 79,68
insgesamt ........................... S 134.832,30
Die Summe "NV Beitragsprüfung 02/94" setze sich wie folgt
zusammen:
"Überstunden 93 (noch nicht verrechnet) ....... S 30.846,99
Beitragsrest 02/94 ........................... S 16.174,32
Rückverrechnung IESG ........................- S 2.024,11
S 44.997,20"
Die belangte Behörde führte ein Ermittlungsverfahren durch, und forderte die Beschwerdeführerin unter Zusammenfassung der Verfahrensergebnisse mit Schreiben vom 12. September 1995 zur Stellungnahme auf. In dieser wies die Beschwerdeführerin neuerlich darauf hin, daß die Mietzinse von der Hausbank bezahlt, im übrigen aber keine Zahlungen durch die Gemeinschuldnerin im fraglichen Zeitraum vorgenommen worden seien. Im übrigen wird in dieser Stellungnahme dargestellt, wie es zur Insolvenz gekommen sei und daß die Beschwerdeführerin daran kein Verschulden treffe. Die Zahlungen an die Gebietskrankenkasse seien stets aufgrund der Vorschreibungen erfolgt, die Erklärungen seien vom Steuerberater abgegeben worden, weshalb die Nachforderung von Beträgen nicht als Verschulden angerechnet werden könne. Ein Betrag von S 16.164,-- sei bereits durch Gehaltsexekution hereingebracht worden.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Einspruch der Beschwerdeführerin teilweise stattgegeben und den erstinstanzlichen Bescheid dahin abgeändert, daß an rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen samt Nebengebühren (Verzugszinsen berechnet bis 24. Jänner 1994) ein Betrag von S 55.998,74 zuzüglich der ab 25. Jänner 1994 laufenden Verzugszinsen in der Höhe von 10,5 % berechnet aus S 25.179,33 sowie der ab 5. April 1994 laufenden Verzugszinsenberechnung aus S 30.739,73 zu entrichten sei.
Die belangte Behörde begründet dies nach Hinweisen auf die angewendeten gesetzlichen Vorschriften und einer Wiedergabe des Einspruchsvorbringens, sowie einer Darstellung des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen damit, daß - bei unbestrittener Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden bei der Primärschuldnerin - sich die Haftung des Geschäftsführers nur auf solche Beiträge beziehen könne, die infolge eines Verschuldens des Geschäftsführers nicht an den Sozialversicherungsträger geleistet worden seien. Es seien daher jene Beiträge, die nach Konkurseröffnung fällig geworden seien (Beiträge 1/94 und Beiträge 2/94) von der Beitragshaftung auszunehmen gewesen, da die Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt nicht mehr dispositionsfähig gewesen sei. Aus dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 21. März 1994 ergebe sich, daß (ergänze: der Beitragsschuldnerin) Beiträge in Höhe von S 44.997,20 nachverrechnet worden seien. Hiezu werde bemerkt, daß der Betrag von S 30.739,73 aufgrund von "Meldeverletzungen, vor der Konkurseröffnung am 25. Jänner 1994 fällig gewesen" sei. Es seien daher die Beiträge 2/94 in der Höhe von S 11.892,29 und S 4.389,32 ebenfalls von der gegenständlichen Beitragshaftung auszuschließen, da der Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt die Dispositionsfähigkeit hinsichtlich der Primärschuldnerin gefehlt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Haftung des Geschäftsführers gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. Februar 1996, Zl. 95/08/0251) ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen zur rechtzeitigen Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung, für deren Beurteilung die von Lehre und Rechtsprechung zu § 9 und § 80 BAO entwickelten Grundsätze herangezogen werden können (vgl. hiezu u.a. das Erkenntnis vom 14. April 1988, Zl. 88/08/0025), kann z.B. darin liegen, daß der Geschäftsführer die Beitragsschulden insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt läßt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0198, und jenes vom 19. November 1996, Zl. 96/08/0180).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht für die Vertreterhaftung nach § 67 Abs. 10 ASVG leichte Fahrlässigkeit (bei der Verletzung der den Geschäftsführer treffenden Verpflichtungen) aus (vgl. hiezu das oben zitierte hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1996, Zl. 95/08/0251). Es trifft jedoch - ungeachtet der grundsätzlich amtswegigen Ermittlungspflicht der Behörde - denjenigen, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt, über die ihn stets allgemein treffende Behauptungslast im Verwaltungsverfahren hinaus die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm deren Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, daß er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0016, sowie neuerlich das bereits erwähnte Erkenntnis vom 19. November 1996, Zl. 96/08/0180).
In der vorliegenden Beschwerde, nach deren Beschwerdepunkt sich die Beschwerdeführerin "in ihrem Recht auf ein gesetzmäßiges Verwaltungsverfahren und auf Freiheit von gesetzmäßig nicht begründeten Haftungen für Verbindlichkeiten" der Gesellschaft als verletzt erachtet, beharrt die Beschwerdeführerin neuerlich darauf, daß sie "ab Jänner 1994 keinem Gläubiger Zahlung" geleistet habe, weshalb eine Ungleichbehandlung nicht vorliege. Das Stillschweigen, mit welchem der angefochtene Bescheid diese Tatsache übergehe, zeige die Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Voraussetzung der Haftung sei eine schuldhafte Pflichtverletzung. Da im gegenständlichen Fall nur die Zahlung einer Schuld der Gesellschaft durch einen Dritten vorliege, sei der Beschwerdeführerin eine Pflichtverletzung nicht anzulasten. Es seien - wie bei ordnungsgemäßer Durchführung des Ermittlungsverfahrens zutage getreten wäre - seitens der Gesellschaft keine Verpflichtungen im Haftungszeitraum beglichen worden.
Mit diesem Vorbringen übersieht die Beschwerdeführerin, daß ihr die belangte Behörde im Einspruchsbescheid in dieser Hinsicht ohnehin gefolgt ist und daher die Haftung für die Beiträge ab Jänner 1994 verneint hat. Die belangte Behörde hat dies freilich im angefochtenen Bescheid zwar nicht in der wünschenswerten Deutlichkeit begründet; dieser Begründungsmangel ist jedoch weder von der Beschwerdeführerin gerügt worden, noch steht er einer nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes entgegen:
Aus der vorangeführten Aufstellung über die ursprüngliche Haftungssumme von S 134.832,30 läßt sich nämlich - unter Heranziehung der Begründung des angefochtenen
Bescheides - entnehmen, daß die Beschwerdeführerin nunmehr lediglich für den Beitragsrest November 1993 in der Höhe von S 1.007,36, für den Beitrag Dezember 1993 in der Höhe von S 24.171,97 und für eine Nachzahlung aus der Beitragsprüfung Februar 1994 nur im Ausmaß von S 30.739,73 (mit der Begründung, insoweit lägen Meldepflichtverletzungen vor), sowie letztlich für Nebengebühren in der Höhe von S 79,68 herangezogen wurde (daraus ergibt sich die im angefochtenen Bescheid genannte Summe von S 55.998,74). Es wurden daher sowohl die Beiträge für Jänner 1994 und Februar 1994 als auch jene aus der Beitragsprüfung stammenden Nachverrechnungsbeiträge, denen eine Meldepflichtverletzung der Beschwerdeführerin nicht zugrunde lag, aus der Haftung ausgeschieden.
Hinsichtlich der bei der Beitragsschuldnerin uneinbringlichen Beiträge aus den Beitragszeiträumen November 1993 und Dezember 1993 bzw der aus Meldepflichtverletzungen resultierenden Nachforderungen behauptet die Beschwerdeführerin weder in ihrer Beschwerde, daß sie an der Nichtabführung bzw Nichtmeldung kein Verschulden treffe, noch hat sie dies im Verwaltungsverfahren behauptet, geschweige denn nachgewiesen.
Da sich somit das Beschwerdevorbringen ausschließlich gegen Haftungen wendet, welche die belangte Behörde gar nicht ausgesprochen hat, geht es ins Leere, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Das Kostenbegehren der nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen mitbeteiligten Partei bezüglich des Schriftsatzaufwandes war gemäß § 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 88/1997, der schon aus gleichheitsrechtlichen Überlegungen auch auf den im § 49 Abs. 1 erster Satz VwGG genannten Fall des § 48 Abs. 3 Z. 2 VwGG zu beziehen ist, abzuweisen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 26. Jänner 1998, Zl. 94/17/0385).
Wien, am 22. Dezember 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996080165.X00Im RIS seit
20.11.2000