TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/20 W157 2182593-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.05.2019
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Entscheidungsdatum

20.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W157 2182593-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Margret KRONEGGER über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.12.2017, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste in die Republik Österreich ein und stellte am 29.12.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei der Erstbefragung am 29.12.2015 gab der damals noch minderjährige Beschwerdeführer im Beisein eines Rechtsberaters sowie eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seinem Fluchtgrund an, er habe Afghanistan wegen des Krieges verlassen. Sein Vater sei vor ca. 10 Jahren von den Taliban getötet worden. Der Beschwerdeführer habe aus Angst vor den Taliban die Provinz Ghazni nicht verlassen können. Zu seinen Befürchtungen bei einer Rückkehr nach Afghanistan befragt, gab der Beschwerdeführer an, er wolle nicht zurück; er habe Angst vor den Taliban.

3. Am 29.11.2017 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Er gab zu seinen Familienangehörigen an, dass seine Mutter, ein Bruder und zwei Schwestern weiterhin im Heimatort in der Provinz Ghazni leben würden. Er habe per Telefon Kontakt zu seiner Mutter und den Geschwistern. Sein Vater sei vor etwa 10 Jahren von einer Bombe getötet worden. Auf die Frage, warum der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat verlassen habe, gab er an, er habe die Tochter seiner Tante mütterlicherseits heiraten wollen, ihre Familie sei damit aber nicht einverstanden gewesen. Der Mann seiner Tante und deren Söhne hätten den Beschwerdeführer dann mit dem Tode bedroht. Der Beschwerdeführer habe ausreisen müssen, als die Familie des Mädchens über den Geschlechtsverkehr der beiden gehört habe.

Im Rahmen der Einvernahme brachte der Beschwerdeführer ein Konvolut von Unterlagen betreffend seine Integration in Österreich zur Vorlage.

4. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt 1.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt 2.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt "I.") und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt "3."). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt "4."). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG "2 Wochen" ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt "5.").

In der Begründung wies die belangte Behörde auf Widersprüche im Vorbringen des Beschwerdeführers hin und kam schließlich zum Ergebnis, dass die vorgebrachte Bedrohung durch Verwandte seiner Cousine nicht asylrelevant sei. Eine Rückkehr nach Ghazni sei dem Beschwerdeführer aufgrund der dortigen politisch instabilen, volatilen Situation nicht zumutbar, ihm stehe aber eine innerstaatliche Fluchtalternative in der Stadt Kabul bzw. in Mazar-e Sharif offen. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass die Familie seiner Cousine den Beschwerdeführer in der Millionenstadt Kabul oder in Balkh ausfindig machen würde. Der Beschwerdeführer verfüge über Schulbildung und Berufserfahrung und könne daher für seinen Unterhalt grundsätzlich sorgen. Überdies könne ihn seine in Ghazni lebende Familie finanziell unterstützen, zumal diese über Grundbesitz verfüge.

5. Hiegegen wurde innerhalb offener Frist Rechtsmittel erhoben. In der Begründung wurde zunächst ausgeführt, es treffe zu, dass der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung seine Angst vor den Familienangehörigen seiner Freundin nicht erwähnt habe, sondern lediglich seine Angst vor den Taliban. Das Vorbringen sei aber glaubhaft und der Rechtsvertreter habe den Beschwerdeführer ersucht, seine Fluchtgründe noch viel genauer aufzuschreiben.

Zur Situation in Afghanistan brachte der Beschwerdeführervertreter Länderberichte von Friederike Stahlmann, der schweizerischen Flüchtlingshilfe, Pro Asyl, ACCORD und OCHA aus den Jahren 2016 und 2017 zur Vorlage und erstattete unter Verweis auf die UNHCR-Richtlinien vom 19.04.2016 Vorbringen zu der schwierigen Lebenssituation von intern Vertriebenen bzw. Rückkehrern in Kabul sowie auch in Mazar-e Sharif, die für Hazara mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch schlechter sei. Verwestliche Rückkehrer würden in asylrechtlich relevanter Gefahr schweben und unter sehr schlechten wirtschaftlichen Bedingungen leiden. Hinsichtlich der Lage von Rückkehrern aus Europa wurde auf ein Gutachten von Mag. Mahringer sowie auf einen Aufsatz von Friederike Stahlmann hingewiesen und ausgeführt, für diese Rückkehrer gäbe es keine Unterstützung und keine Existenzgrundlage in Afghanistan. Sollte das Bundesverwaltungsgericht anderer Auffassung sein, werde der Antrag gestellt auf Einholung eines Gutachtens "zur Frage der Lebenssituation von abgeschobenen Rückkehrern aus Europa in Kabul oder anderen Städten, sei es ohne Familienangehörige bzw mit Familienangehörigen vor Ort, bzw mit allfälliger familiärer finanzieller Unterstützung durch Familienangehörige."

Der rechtsfreundliche Vertreter hielt weiters fest, dass der Beschwerdeführer zum Stamm der Hazara gehöre, der insbesondere wegen der schiitischen Glaubensrichtung besonderer Verfolgung sowie sozialer Diskriminierung ausgesetzt sei und häufig Opfer von Verbrechen werde.

Die Regeln des "Pashtunali", wonach der Beschwerdeführer auf Unterstützung von Stammesmitgliedern zählen könne, würden auf den Beschwerdeführer nicht zutreffen. Afghanistan sei aufgrund der Kriegsjahre "ausgeblutet". Es werde der Antrag gestellt auf Einholung eines Gutachtens "zur Fragen von Rückkehrern aus Europa, inwiefern diese besonderer Benachteiligung ausgesetzt sind, im Vergleich zu Rückkehrern aus Pakistan oder Iran."

6. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 11.01.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

7. Mit Schreiben vom 12.02.2019 ersuchte der Beschwerdeführer um eine rasche Entscheidung sowie um Benachrichtigung betreffend den Termin einer Verhandlung bis zum 15.04.2019. Der rechtsfreundliche Vertreter wies darauf hin, dass er beauftragt sei, einen Fristsetzungsantrag einzubringen.

8. Mit Schreiben vom 03.04.2019 übermittelte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers eine Stellungnahme zur Lage in Afghanistan und bezog sich darin auf das beigeschlossene Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018.

9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 04.04.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt nicht teilnahm. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seines Vertreters und eines Dolmetschers für die Sprache Dari insbesondere zu seiner Situation in Afghanistan, zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt. Zu seinem psychischen und physischen Gesundheitszustand befragt, gab der Beschwerdeführer an, es lägen keine Hinderungsgründe vor, der Verhandlung zu folgen. Er sei allerdings seit einiger Zeit in ärztlicher Behandlung, da er sich aufgrund "bestimmter Ereignisse" sehr schwach fühle. Der Beschwerdeführer brachte in diesem Zusammenhang einen Arztbrief eines Facharztes für Psychiatrie vom 30.01.2019, eine Medikamentenverordnung vom 29.03.2019 und eine psychotherapeutische Stellungnahme vom 08.03.2019 zur Vorlage.

Zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, aufgrund seiner sexuellen Beziehung zu einer Cousine, deren Familie einer Heirat nicht zugestimmt habe, sei er von der Familie des Mädchens und den Taliban bedroht worden. Die Polizei sei bei seiner Mutter gewesen und habe angekündigt, dass die Taliban den Beschwerdeführer verhaften würden, wenn sie ihn "erwischen". Die Taliban hätten von der Polizei verlangt, den Beschwerdeführer mitzunehmen. Er hätte wegen des vorehelichen Geschlechtsverkehrs gesteinigt werden sollen. Von seiner Mutter, die nun mit seinen Geschwistern in Pakistan lebe, habe der Beschwerdeführer ein Jahr nach deren Ausreise nach Pakistan gehört, dass die Brüder des Mädchens dieses umgebracht hätten. Bei dem Begräbnis des Mädchens sei die Mutter des Beschwerdeführers bedroht worden und habe deswegen Afghanistan verlassen.

Über Befragen zu den Befürchtungen des Beschwerdeführers für den Fall einer Rückkehr nach Afghanistan gab der Beschwerdeführer an, er würde gesteinigt werden - die Taliban, die Polizei und der Vater und die Brüder des verstorbenen Mädchens seien hinter ihm her. Der Vater des Mädchens sei am Heimatort des Beschwerdeführers eine wichtige Persönlichkeit und habe gute Kontakte zur Polizei. Wenn sich der Beschwerdeführer irgendwo in Afghanistan anmelde, sei er "auf einer Liste" und damit namentlich erfasst ("dann haben sie mich"). Überdies drohe dem Beschwerdeführer ("als junger hübscher Mann") Verfolgung als Tanzjunge.

Der Beschwerdeführervertreter verzichtete auf eine Äußerung zu den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt und in den Gerichtakt sowie insbesondere in folgende

Länderberichte: EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2018; EASO Country of Origin Information Report "Afghanistan: Individuals targeted under societal and legal norms" vom Dezember 2017;

ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Situation von 1) vom Islam abgefallenen Personen (Apostaten), 2) christlichen KonvertitInnen, 3) Personen, die Kritik am Islam äußern, 4) Personen, die sich nicht an die Regeln des Islam halten und 5) Rückkehrern aus Europa, 01.06.2017; UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.08.2018 (deutsche Übersetzung);

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 29.06.2018, aktualisiert mit 31.01.2019; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Lage in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund anhaltender Dürre vom 13.09.2018;

ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan "Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif" vom 12.10.2018;

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation: Afghanistan - Sozialleistungen für Rückkehrer, 01.02.2018.

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, der Volksgruppe der Hazara zugehörig und bekennt sich zum schiitisch-muslimischen Glauben. Er ist in das Bundesgebiet eingereist und hat am 29.12.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan in der Provinz Ghazni geboren und aufgewachsen, hat dort vier Jahre lang die staatliche Schule besucht und spricht Dari und Farsi. In seiner Heimat hat er mehrere Jahre lang in der Landwirtschaft des Dorfältesten mitgearbeitet und ist im Alter von 17 Jahren aus Afghanistan ausgereist.

Der aktuelle Aufenthaltsort der Mutter und der Geschwister des Beschwerdeführers kann nicht festgestellt werden. Mehrere Onkel und Tanten sowie Cousins und Cousinen des Beschwerdeführers leben noch in dessen Heimatort in Afghanistan.

Der Beschwerdeführer ist volljährig und leidet an keinen lebensbedrohenden Krankheiten. Er wird wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung (F43.1) medikamentös sowie wegen einer mittelgradigen depressiven Episode mit somatischem Syndrom (F32.11) und einer Anpassungsstörung (F43.2) psychotherapeutisch behandelt. Eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit kann nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er hat in Österreich keine nahen Familienangehörigen oder sonstige enge Bindungen. Der Beschwerdeführer ist nicht straffällig im Sinne des Asylgesetzes. Er hat in Österreich mehrere Deutschkurse (u.a. ÖSD Zertifikat A2) sowie Workshops betreffend Bildungsberatung besucht und nach Teilnahme an Vorbereitungskursen auch die Pflichtschulabschlussprüfung absolviert. Der Beschwerdeführer ist in Österreich noch keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Er ist nicht legal in das Bundesgebiet eingereist und hatte nie ein nicht auf das Asylverfahren gegründetes Aufenthaltsrecht in Österreich.

1.2. Zum Fluchtvorbringen:

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine physische oder psychische Gewalt oder Strafverfolgung im Zusammenhang mit einer vorehelichen sexuellen Beziehung zu der Tochter einer Tante mütterlicherseits.

Auch eine konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Bedrohung durch Taliban kann nicht festgestellt werden.

Dem Beschwerdeführer droht weder aufgrund seiner Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit noch aufgrund seines Aufenthaltes in Österreich Gewalt oder Diskriminierung von erheblicher Intensität. Weiters haben sich keine Anhaltpunkte ergeben, dass eine Asylantragstellung im Ausland oder eine rechtswidrige Ausreise zu Sanktionen oder Repressionen in Afghanistan führen würde.

Der Beschwerdeführer hat bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch keine sonstige konkret gegen seine Person gerichtete Bedrohung durch staatliche Organe oder durch Privatpersonen zu erwarten.

1.3. Zur allgemeinen Lage in Afghanistan:

In Afghanistan leben laut Schätzungen aus dem Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Schätzungen zufolge sind 40 % Pashtunen, rund 30 % Tadschiken, ca. 10 % Hazara, 9 % Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnischen Minderheiten. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen können allerdings weiterhin in Konflikten und Tötungen resultierten.

Die schiitische Minderheit der Hazara besiedelt traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert, gesellschaftliche Spannungen bestehen aber fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf. Ungefähr seit dem Jahr 2016 wurden insbesondere von Taliban und dem IS vermehrt terroristische Angriffe auf schiitische kulturelle und religiöse Einrichtungen bzw. Veranstaltungen verübt, bei denen zahlreiche schiitische Muslime - überwiegend ethnische Hazara - verletzt oder getötet wurden.

Für als "verwestlicht" wahrgenommene Männer besteht in Afghanistan generell nur ein geringes Verfolgungsrisiko - insbesondere im urbanen Bereich.

In weiten Teilen Afghanistans, vor allem in den Rängen von Armee und Polizei, ist der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen nach wie vor ein großes Problem. Das Thema ist gesellschaftlich tabuisiert und wird nicht selten unter dem Deckmantel kultureller Gepflogenheiten verschwiegen oder verharmlost. Ein Großteil der Täter hat keinerlei Unrechtsbewusstsein. Mit Inkrafttreten des neuen afghanischen Strafgesetzbuches im Jahr 2018 wurde die Praxis des Bacha Bazi kriminalisiert. Den Tätern drohen bis zu sieben Jahre Haft. Jene, die mehrere Buben unter zwölf Jahren halten, müssen mit lebenslanger Haft rechnen. Üblicherweise sind die Buben zwischen zehn und 18 Jahre alt; viele von ihnen werden weggeben, sobald sie erste Anzeichen eines Bartes haben. Viele der Buben wurden entführt, manchmal werden sie auch von ihren Familien aufgrund von Armut an die Täter verkauft. Manche Betroffenen sind Waisenkinder und in manchen Fällen entschließen sich Buben, Bacha Bazi zu werden, um ihre Familien zu versorgen.

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus.

Ghazni ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. Die Bevölkerung besteht hauptsächlich aus großen Stämmen der Paschtunen sowie Tadschiken und Hazara. Die Provinz zählt zu den relativ volatilen Provinzen und grenzt an unruhige Provinzen des Südens. Die Taliban und Aufständische anderer Gruppierungen sind in gewissen Distrikten aktiv. Es kommt zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen.

Die afghanische Hauptstadt Kabul hat etwa 4,6 Millionen Einwohner und ist über den Flughafen gut zu erreichen. Die Lage in Kabul ist noch als hinreichend sicher und stabil zu bezeichnen, wenngleich es immer wieder zu Anschlägen mit zahlreichen Opfern kommt. Diese Anschläge ereignen sich allerdings oft im Nahbereich von staatlichen bzw. ausländischen Einrichtungen oder NGOs. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2018 wurden von UNAMA 993 zivile Opfer (321 Tote und 672 Verletzte) in der Provinz Kabul dokumentiert.

Die nordafghanische Provinz Balkh ist von hoher strategischer Bedeutung und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e Khumri und ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut, es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Mazar-e Sharif verfügt über einen internationalen Flughafen. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans und hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen.

Herat ist eine wirtschaftlich relativ gut entwickelte Provinz im Westen des Landes und ist über einen internationalen Flughafen in der Provinzhauptstadt gut erreichbar. Die Sicherheitslage hat sich in den letzten Jahren in abgelegenen Distrikten aufgrund von Aktivitäten der Taliban verschlechtert, insbesondere in der Stadt Herat ist die Lage aber vergleichsweise friedlich.

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Rückkehrer nach Afghanistan sind zunächst oft - wie auch große Teile der dort ansässigen Bevölkerung - auf gering qualifizierte Beschäftigungen oder Gelegenheitstätigkeiten angewiesen. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen.

Nahrungsmittel, grundlegende Gesundheitsversorgung und Zugang zu Trinkwasser sind in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif grundsätzlich verfügbar. Die humanitäre Situation in Afghanistan hat sich durch eine schwere Dürre - insbesondere die Regionen im Norden und Westen des Landes - weiter verschärft, die Preise für Weizen und Brot blieben dennoch vergleichsweise stabil. Durch eine verstärkte Landflucht wurde zusätzlich auch die Wohnraumbeschaffung und Arbeitssuche erschwert. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Daneben gibt es eine Kooperation mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Afghanistan im Rahmen des Programms "Assisted Voluntary Return and Reintegration". IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten und bei der Ankunft in Kabul sowie Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Rückkehrer können nach ihrer Ankunft in Kabul für bis zu zwei Wochen von IOM untergebracht werden. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerbern Unterstützung nach der Ankunft im Land. In den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif sind Unterkünfte grundsätzlich verfügbar, aufgrund der hohen Mietkosten für (reguläre) Wohnungen und Häuser - insbesondere in der Stadt Kabul - lebt ein großer Teil der Bevölkerung aber in informellen Siedlungen bzw. gibt es auch die Möglichkeit, nur ein Zimmer zu mieten oder in Teehäusern (chai khana) zu übernachten.

Medizinische Versorgung wird in Afghanistan auf drei Ebenen gewährleistet: Gesundheitsposten und Gesundheitsarbeiter bieten ihre Dienste auf Gemeinde- oder Dorfebene an; Grundversorgungszentren, allgemeine Gesundheitszentren und Bezirkskrankenhäuser operieren in den größeren Dörfern und Gemeinschaften der Distrikte. Die dritte Ebene der medizinischen Versorgung wird von Provinz- und Regionalkrankenhäusern getragen. In urbanen Gegenden bieten städtische Kliniken, Krankenhäuser und Sonderkrankenanstalten jene Dienstleistungen an, die Gesundheitsposten, Grundversorgungszentren und Gesundheitszentren in ländlichen Gebieten erbringen. 90 % der medizinischen Versorgung in Afghanistan wird dennoch nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen.

Traditionell mangelt es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie werden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen "behandelt" oder es wird ihnen durch eine "Therapie" mit Brot, Wasser und Pfeffer der "böse Geist ausgetrieben". Es gibt jedoch aktuell Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung sowohl über das Internet als auch in Form von Comics (für Analphabeten) zu betreiben. Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung und Depression sind in Afghanistan weit verbreitet, die Infrastruktur für die Bedürfnisse mentaler Gesundheit entwickelt sich aber nur langsam. So existieren beispielsweise in Mazar-e Sharif ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. In Kabul existiert eine weitere psychiatrische Klinik. Landesweit bieten alle Provinzkrankenhäuser kostenfreie psychologische Beratungen an, die in einigen Fällen sogar online zur Verfügung stehen. Mental erkrankte Personen können beim Roten Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und bei anderen Nichtregierungsorganisationen behandelt werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, Schulbildung und Berufserfahrung beruhen auf seinen diesbezüglich plausiblen und im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens.

Zu den Familienangehörigen des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass dieser noch am 29.11.2017 vor dem Bundesamt angegeben hat, seine Mutter und Geschwister würden weiterhin im Heimatort leben, er habe telefonischen Kontakt zu ihnen und deren finanzielle Lage sei "mittelmäßig". Auch in der Beschwerdeverhandlung am 04.04.2019 gab der Beschwerdeführer zunächst an, "[a]lle meine Verwandten leben in Afghanistan, in XXXX ", behauptete kurz darauf allerdings, seine Mutter und Geschwister würden nun in Pakistan leben. Im Ergebnis erscheint es naheliegend, dass sich die Familie des Beschwerdeführers weiterhin am Heimatort aufhält, zumal kaum nachvollziehbar ist, dass seine Familie - mehr als zwei Jahre nach der Ausreise des Beschwerdeführers - aufgrund einer Bedrohung im Zusammenhang mit dem damaligen Ausreisegrund des Beschwerdeführers plötzlich nach Pakistan gehen würde. Da der Beschwerdeführer eigenen Angaben zufolge aber jedenfalls über weitere Verwandte in Afghanistan verfügt, wird mangels Relevanz für die vorliegende Entscheidung im Zweifel davon ausgegangen, dass der aktuelle Aufenthaltsort der Mutter und Geschwister des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden kann.

Die Feststellungen zur Einreise, Antragstellung und dem Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes und dem damit in Einklang stehenden Vorbringen des Beschwerdeführers.

Hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung am 29.12.2015 keine Angaben zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung gemacht und vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 29.11.2017 ausdrücklich bestätigt hat, völlig gesund zu sein.

Erst in der mündlichen Verhandlung am 04.04.2019 hat der Beschwerdeführer angegeben, "[s]eit einiger Zeit" in ärztlicher Behandlung zu sein und brachte in diesem Zusammenhang einen Arztbrief eines Facharztes für Psychiatrie vom 30.01.2019, eine Medikamentenverordnung vom 29.03.2019 und eine psychotherapeutische Stellungnahme vom 08.03.2019 zur Vorlage, die den Feststellungen zugrunde gelegt wurden. Eine Suizidalität des Beschwerdeführers wurde in dem Arztbrief vom 30.01.2019 allerdings explizit verneint und auch für eine relevante Einschränkung der Arbeitsfähigkeit haben sich weder in den vorgelegten Unterlagen noch in dem Vorbringen des Beschwerdeführers hinreichende Hinweise ergeben, zumal sich aus der beschriebenen Symptomatik im Wesentlichen Schlafstörungen, eine gedrückte Stimmungslage und Ängstlichkeit ergeben; Wahn und Halluzinationen wurden hingegen verneint, der Gedankenduktus als "klar geordnet in sich schlüssig" beschrieben und Kritikfähigkeit sowie Realitätsbezug seien "voll erhalten".

Hinsichtlich der Feststellungen zu dem aktuellen Privat- und Familienleben sowie insbesondere der Integration des Beschwerdeführers in Österreich wurden die Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung sowie die vorgelegten Nachweise und Empfehlungsschreiben den Feststellungen zugrunde gelegt. Der Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung geht aus einem seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholten Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem (GVS) hervor. Die Feststellung der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.2. Zum Fluchtvorbringen:

Bereits das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wertete im angefochtenen Bescheid das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend seinen Fluchtgrund aufgrund von "2 inhaltlich divergente[n] Geschichten" als unglaubhaft:

Während der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung im Wesentlichen lediglich den Krieg in Afghanistan und (allgemeine) Angst vor Taliban ins Treffen führte, begründete er bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt seine Flucht aus Afghanistan mit einer Bedrohung durch die Familie der Tochter seiner Tante mütterlicherseits, mit der er eine voreheliche sexuelle Beziehung gehabt habe. Eine individuelle Bedrohung durch Taliban verneinte der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt.

Wenngleich die Erstbefragung insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden dient und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat (vgl. zu Widersprüchen zur Erstbefragung VwGH 24.02.2015, Ra 2014/19/0171 mwN), vermag in Anbetracht des gänzlichen Austauschs des Fluchtgrundes auch die Erklärung des Beschwerdeführers, warum er bei der Erstbefragung nichts von dem Mädchen und der (von dessen Familie verweigerten) Heirat gesagt habe - er sei damals nicht gefragt worden und es sei keine Zeit gewesen - nicht zu überzeugen. Dies gilt auch für die über weiteren Vorhalt durch die belangte Behörde genannten alternativen Erklärungen, der Beschwerdeführer sei müde gewesen bzw. habe vielleicht der Dolmetscher, er selbst oder "der Schreiber" Fehler gemacht.

In der mündlichen Verhandlung vom 04.04.2019 steigerte der Beschwerdeführer sein asylbezogenes Vorbringen weiter und gab nunmehr - in Widerspruch zu den Ausführungen vor der belangten Behörde - an, er sei "von der Familie des Mädchens und den Taliban bedroht" worden; Taliban hätten die Polizei aufgefordert, den Beschwerdeführer zu ihnen zu bringen; wegen des vorehelichen Geschlechtsverkehrs hätte er gesteinigt werden sollen. Auch die in diesem Zusammenhang vorgebrachte Suche der Polizei nach dem Beschwerdeführer ist mit der Einvernahme vom 29.11.2017 nicht in Einklang zu bringen, in der der Beschwerdeführer über konkretes Befragen "Probleme mit Behörden/Polizei/Gerichten" in seinem Herkunftsstaat verneint hat.

Im Übrigen ist auch das weitere in der Beschwerdeverhandlung erstattete neue Vorbringen, seine Cousine sei von deren Brüdern getötet und bei der Beerdigung sei auch die Mutter des Beschwerdeführers bedroht worden, wenig nachvollziehbar, zumal sich diese Vorfälle erst gegen Ende des Jahres 2017 bzw. im Jahr 2018 ereignet haben könnten (der Beschwerdeführer hat angegeben, seine Mutter habe nach dem Vorfall Afghanistan verlassen - am 29.11.2017 hat er aber noch angegeben, seine Familie würde sich in Afghanistan aufhalten) und der Beschwerdeführer den Tod des Mädchens in Verbindung mit deren vorehelicher Beziehung bzw. der untersagten Heirat gebracht hat ("Meiner Meinung nach ist der Schuldige der Vater des Mädchens. Er hat ja verhindert, dass wir heiraten, [...]"). Soweit der Beschwerdeführer damit einen "Ehrenmord" an dem Mädchen ins Treffen führen wollte, ist allerdings kein Grund erkennbar, warum die Brüder mit dieser Tat mehr als zwei Jahre zuwarten würden.

Im Gesamtzusammenhang betrachtet weisen die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen sohin Widersprüche und Ungereimtheiten in zentralen Teilen des Vorbringens auf, welche der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar zu klären vermochte. Im Zuge des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht hat sich der Eindruck verstärkt, dass der Beschwerdeführer lediglich eine konstruierte Geschichte wiedergegeben hat, und war daher sein gesamtes fluchtbezogenes Vorbringen als unglaubhaft zu werten.

Der Beschwerdeführer könnte darüber hinaus einer allfälligen Bedrohung durch die Familie seiner Cousine aufgrund einer vorehelichen sexuellen Beziehung auch durch eine Neuansiedlung in einer afghanischen Großstadt - wie beispielsweise Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif - entgehen, da keine substantiierten Hinweise hervorgekommen sind, dass in Afghanistan nach dem Beschwerdeführer gesucht wird. Auch bei Zugrundelegung des Vorbringens, dass der Vater der Cousine des Beschwerdeführers eine "wichtige Persönlichkeit im Stadtteil XXXX " sei, ist vor dem Hintergrund der amtsbekannten Gegebenheiten in Afghanistan (Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister; vgl. auch EASO COI Report Afghanistan: Networks, Jänner 2018) nicht davon auszugehen, dass ihn dieser - etwa vier Jahre nach der Ausreise des Beschwerdeführers - in einer afghanischen Großstadt finden könnte. Eine Suche der Polizei bzw. auch der Taliban nach dem Beschwerdeführer in ganz Afghanistan steht nicht nur zu dessen Angaben vor dem Bundesamt in Widerspruch, sondern ist auch in Anbetracht der vorgebrachten Fluchtgeschichte, der zufolge es sich beim Beschwerdeführer keineswegs um ein "high-profile-target" handelt, nicht zu erwarten.

Betreffend eine Bedrohung des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit einer Rückkehr aus dem Ausland bzw. insbesondere aus dem "Westen" ist zunächst festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan geboren ist und dort seine grundsätzliche Sozialisierung erfahren hat. Den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten sind überdies keine hinreichenden Anhaltspunkte zu entnehmen, dass Rückkehrern aus dem "Westen" alleine aufgrund dieses Umstandes Gewalt oder Diskriminierung von erheblicher Intensität droht (vgl. EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2018, S. 19 u. S. 57; vgl. auch Gutachten Dr. Rasuly 15.02.2017, W119 2142462-1, sowie UNHCR-Richtlinien vom 19.04.2016 bzw. auch vom 30.08.2018, in denen darauf hingewiesen wird, dass je nach den Umständen des Einzelfalls Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz bestehen kann).

Die Feststellungen hinsichtlich einer nicht bestehenden Gefährdung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Asylantragstellung sowie seiner rechtswidrigen Ausreise beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten bzw. wurde auch kein Vorbringen zu bereits erfolgten oder konkret drohenden Diskriminierungen oder Übergriffen erstattet. Konkrete Anhaltpunkte für eine individuelle Bedrohung des Beschwerdeführers sind auch sonst nicht hervorgekommen. Dies gilt insbesondere auch für eine in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Bedrohung als "Tanzjunge" (bacha bazi), umso mehr als der Beschwerdeführer bereits über 21 Jahre alt ist.

2.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Die Länderfeststellungen beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten, insbesondere dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - das basierend auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen einen in den Kernaussagen schlüssigen Überblick über die aktuelle Lage in Afghanistan gewährleistet - und dem EASO-Bericht "Country Guidance:

Afghanistan" vom Juni 2018.

Angesichts der Seriosität der genannten Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. Die Situation in Afghanistan stellt sich seit Jahren diesbezüglich im Wesentlichen unverändert dar, wie sich das erkennende Gericht durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage (u.a. durch Einschau in aktuelle Berichte bzw. Folgeberichte des deutschen Auswärtigen Amtes, der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, des U.S. Department of State sowie von UNHCR, UNAMA, EASO und ACCORD; vgl. etwa ecoi.net-Themendossier "Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan und Chronologie für Kabul" vom 30.04.2019) versichert hat.

Der Beschwerdeführer bzw. sein Vertreter ist den im Rahmen der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebrachten Länderberichten nicht entgegengetreten und hat auf eine Äußerung ausdrücklich verzichtet. Soweit im Rahmen der Stellungnahme vom 03.04.2019, die am Tag der mündlichen Verhandlung bei der zuständigen Gerichtsabteilung einlangte, auf das Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018 Bezug genommen wurde, ist festzuhalten, dass auch die darin enthaltenen Informationen nicht geeignet sind, die in den teilweise auf aktuelleren Quellen basierenden Feststellungen zur Situation in Afghanistan enthaltenen Kernaussagen zu widerlegen, sondern überwiegend mit diesen in Einklang zu bringen sind, wenngleich sowohl die Sicherheitslage als auch die sozioökonomische Lage in Afghanistan teilweise schlechter dargestellt wird. Das Gutachten vom 28.03.2018 stützt sich oft auf persönliche Erfahrungen der Sachverständigen aus Aufenthalten in einem kleinen Teil Afghanistans, die etwa 10 Jahre zurückliegen. Die Beurteilung der Autorin zeigt überdies oftmals eine zu undifferenzierte Beurteilung der Lage in Afghanistan (vgl. auf S. 9:

"Die Gefahr, allein aufgrund der Anwesenheit in Afghanistan einen ernsthaften Schaden hinsichtlich des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit zu erleiden, besteht im gesamten Staatsgebiet."), die in Widerspruch zu den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Quellen steht. In den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 wird etwa regelmäßig auf die spezifischen Umstände des Falles abgestellt und innerhalb Afghanistans auch regional differenziert. Insbesondere auch hinsichtlich der Beurteilung allfälliger Folgen einer "Verwestlichung" führt UNHCR aus, dass auf die jeweiligen Umstände des Falls abzustellen ist.

Auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des UNHCR in den Richtlinien vom 30.08.2018 betreffend eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul ("UNHCR ist der Auffassung, dass angesichts der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in Kabul eine interne Schutzalternative in der Stadt grundsätzlich nicht verfügbar ist.") ist im Ergebnis nicht davon auszugehen, dass Rückkehrern bei einer Neuansiedlung in der Stadt Kabul jedenfalls ernsthafter Schaden droht. Wenngleich den Richtlinien des UNHCR besondere Beachtung zu schenken ist ("Indizwirkung"; vgl. etwa VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103-0106, und 22.09.2017, Ra 2017/18/0166, jeweils mit weiteren Nachweisen), folgt das erkennende Gericht diesbezüglich der etwas differenzierteren Beurteilung des EASO in dem Bericht "Country Guidance: Afghanistan" vom Juni 2018, in dem für Kabul hinsichtlich einer möglichen ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne von Art. 15 lit. c der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 (Statusrichtlinie) ausdrücklich auf das Vorliegen besonderer persönlicher Umstände abgestellt und darüber hinaus hinsichtlich alleinstehender leistungsfähiger erwachsener Männer ("single able-bodied adult men") von einer grundsätzlichen Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul ausgegangen wird.

Die Beurteilung des EASO ist mit dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation und auch mit den Ausführungen in den UNHCR-Richtlinien betreffend einen UNAMA-Bericht vom Juli 2018 in Einklang zu bringen, in dem 993 zivile Opfer (321 Tote und 672 Verletzte) in der Provinz Kabul in den ersten sechs Monaten des Jahres 2018 genannt werden (eine Steigerung von 5 % im Vergleich zum Vorjahr), zumal diese Zahlen im Verhältnis zu der Gesamtbevölkerung der Provinz Kabul von rund 4,6 Millionen Einwohnern zu betrachten sind, wobei von einer erhöhten Gefährdung für Staatsbedienstete und Ausländer auszugehen ist. Hinsichtlich der Würdigung der EASO-Leitlinien ist ferner darauf hinzuweisen, dass in Art. 8 Abs. 2 der Statusrichtlinie hinsichtlich der für die Prüfung der Situation im Herkunftsstaat des Antragstellers einzuholenden Informationen aus relevanten Quellen gleichermaßen auf Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) wie auch des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) verwiesen wird. Den Berichten mit Herkunftsländerinformationen (Country of Origin Information - COI) des EASO, die nach den Grundsätzen der Neutralität und Objektivität erstellt werden und darüber hinaus qualitätssichernden Verfahren unterliegen (vgl. EASO, Methodik für das Erstellen von COI-Berichten des EASO, Juli 2012, S. 6; vgl. auch Art. 4 lit. a und b der Verordnung (EU) Nr. 439/2010 vom 19.05.2010), wird daher seitens des erkennenden Gerichts ein ebenso hoher Beweiswert wie den Richtlinien des UNHCR beigemessen. Auch UNHCR hat in den Richtlinien vom 30.08.2018 den EASO-Bericht vom Juni 2018 herangezogen; soweit UNHCR darauf hingewiesen hat, dass EASO zu der Einschätzung gekommen sei, dass "in der Provinz Kabul, einschließlich der Hauptstadt, willkürliche Gewalt herrscht" (S. 127 der deutschen Fassung, Fn. 688), ist festzuhalten, dass EASO in unmittelbarem Zusammenhang mit der von UNHCR zitierten Aussage zur Sicherheitslage in Kabul näher ausführt, dass eine tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne von Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie bestehen kann, wenn der Antragsteller aufgrund seiner persönlichen Umstände konkret betroffen ist. Im Übrigen ist festzuhalten, dass es sich bei der Frage der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative um eine rechtliche Beurteilung handelt und darüber hinaus auch in den UNHCR-Richtlinien nicht davon ausgegangen wird, dass eine interne Schutzalternative in Kabul keinesfalls bestehe, sondern dass diese "grundsätzlich" nicht verfügbar sei.

Auch hinsichtlich der Städte Herat und Mazar-e Sharif stützen sich die getroffenen Feststellungen neben dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation insbesondere auf die EASO-Leitlinien vom Juni 2018, denen etwa bezüglich der Stadt Herat Folgendes zu entnehmen ist (vgl. auch die im Wesentlichen gleichlautenden Ausführungen betreffend die Provinz Balkh - einschließlich der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif - auf Seite 79 des Berichtes): "For Herat city, it can be concluded that indiscriminate violence is taking place at such a low level, that in general there is no real risk for a civilian to be personally affected by reason of indiscriminate violence."

Für die Städte Herat und Mazar-e Sharif geht EASO hinsichtlich "single able-bodied adult men" ebenfalls von einer grundsätzlichen Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative aus.

Im Hinblick auf die Auswirkungen der auch die Provinzen Herat und Balkh betreffenden Dürre auf die dortige Versorgungslage (vgl. UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, S. 125 f) ist den vorliegenden Länderberichten nicht zu entnehmen, dass die Versorgung der afghanischen Bevölkerung in den Provinzhauptstädten Mazar-e Sharif und Herat nicht als zumindest grundlegend gesichert anzusehen wäre, zumal die von der Dürre betroffenen Menschen von nationaler und internationaler Seite insbesondere mit Nahrungsmitteln und sauberem Trinkwasser unterstützt werden bzw. die Nahrungsmittelpreise - insbesondere die Preise für Getreide und Brot - relativ stabil geblieben sind (vgl. ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan "Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif" vom 12.10.2018 sowie die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Lage in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund anhaltender Dürre vom 13.09.2018).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet über Beschwerden Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (§ 28 Abs. 2 VwGVG).

Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.

Zu A)

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. hiezu VwGH 21.01.1999, 98/18/0394; 19.10.2000, 98/20/0233 mwH). Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. VwGH 17.06.1993, 92/01/1081; 14.03.1995, 94/20/0798).

Aus den Feststellungen geht hervor, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine begründete Furcht vor Verfolgung darzutun. Der Beschwerdeführer hat aufgrund der allgemeinen Situation in Afghanistan seinen Herkunftsstaat verlassen, eine individuelle Bedrohung konnte nicht festgestellt werden. Eine Prüfung des Zusammenhanges des diesbezüglichen Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers mit einem Konventionsgrund erübrigt sich daher und kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang asylrelevante Verfolgung in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

Den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten sind auch keine hinreichenden Anhaltspunkte zu entnehmen, dass "verwestlichten" Rückkehrern alleine aufgrund dieses Umstandes Gewalt oder Diskriminierung von erheblicher Intensität droht (vgl. EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2018, S. 19 u. S. 57). Auch in den in diesem Zusammenhang von der beschwerdeführenden Partei zitierten UNHCR-Richtlinien wird darauf hingewiesen, dass je nach den Umständen des Einzelfalls Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz bestehen kann (vgl. hiezu auch Gutachten Dr. Rasuly vom 15.02.2017, W119 2142462-1). Dies gilt umso mehr bei einer Rückkehr in eine afghanische Großstadt. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer auch Dari - eine der Amtssprachen Afghanistans - spricht und in Afghanistan seine grundsätzliche Sozialisierung erfahren hat.

Soweit eine Gefährdung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara bzw. zur Religionsgemeinschaft der Schiiten behauptet wurde, ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass sich die Situation der Hazara seit dem Ende der Talibanherrschaft verbessert hat, wenngleich es in den letzten Jahren vermehrt zu Anschlägen auf schiitische Einrichtungen und Veranstaltungen gekommen ist. Aus den herangezogenen Länderberichten geht nicht hervor, dass Angehörige dieser Volksgruppe im gesamten Staatsgebiet Afghanistans - ohne Hinzutreten weiterer, gefahrenerhöhender Umstände - mit systematischer Diskriminierung von erheblicher Intensität rechnen müssen (vgl. EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2018, S. 61). Auch in der aktuellen Rechtsprechung der Höchstgerichte und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wird keine Gruppenverfolgung der den Hazara zugehörigen Schiiten in Afghanistan judiziert (vgl. etwa VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0277, mwN; EGMR 05.07.2016, Zl. 29094/09, A.M. gg. die Niederlande).

Da sich sohin weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch aus internationalen Länderberichten hinreichende Anhaltspunkte für eine Verfolgung des Beschwerdeführers ergeben haben, ist kein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention zu subsumierender Sachverhalt ableitbar.

Darüber hinaus ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005 auch dann abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht (vgl. die unten stehen Ausführungen zu § 8 Abs. 3 AsylG 2005).

Der Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde daher zu Recht abgewiesen.

3.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides:

Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 AsylG 2005 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 AsylG 2005).

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention beinhalten die Abschaffung der Todesstrafe.

§ 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003, verwies auf § 57 Fremdengesetz, BGBl. I Nr. 75/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 (im Folgenden: FrG) wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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