Entscheidungsdatum
21.05.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W260 2150915-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Mag. Nadja LORENZ, Rechtsanwältin in 1070 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Außenstelle Wien, vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. XXXX alias XXXX alias XXXX (im Folgenden "Beschwerdeführer") reiste illegal ins Bundesgebiet ein und hat am 27.11.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
2. Bei der Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag, gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi zu seinen Fluchtgründen befragt an, er sei wegen familiärer Probleme ausgereist. Der Beschwerdeführer habe seine Cousine mit dem Motorrad mitgenommen. Diese sei dann vom Motorrad gefallen und von einem nachkommenden Fahrzeug überrollt worden und verstorben. Die Familie der Cousine mache den Beschwerdeführer für ihren Tod verantwortlich und er werde von diesen bedroht. Zu seinen allgemeinen Lebensumständen befragt gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, er habe Afghanistan im Alter von drei Jahren verlassen und sei im Iran aufgewachsen. Er gehöre der Volksgruppe der Hazara an und sei schiitischer Moslem. Der Beschwerdeführer habe acht Jahre lang eine Grundschule im Iran besucht. Vor rund drei Monaten habe er den Iran verlassen und sei mittels Schleppern nach Österreich gelangt.
3. Dem vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden "belangte Behörde") in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten über die Volljährigkeitsbeurteilung vom 05.02.2015 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Untersuchung (23.01.2015) und zum Zeitpunkt der Asylantragstellung (27.11.2014) mindestens 18 Jahre alt gewesen ist.
4. Dieses Gutachten wurde dem Beschwerdeführer mit Verfahrensanordnung vom 03.02.2015 zur Kenntnis gebracht und mitgeteilt, dass die belangte Behörde feststelle, dass es sich beim Beschwerdeführer um eine volljährige Person handle und als Geburtsdatum der XXXX festgesetzt werde. Der Beschwerdeführer erstattete hiezu keine Stellungnahme.
5. Mit Schreiben an die belangte Behörde vom 17.02.2015 gaben die ungarischen Asylbehörden bekannt, dass der Beschwerdeführer am 20.11.2014 einen Asylantrag in Ungarn gestellt habe und dass Ungarn inhaltlich für das Asylverfahren zuständig sei.
6. Nach Konsultationen mit Ungarn wurde der Beschwerdeführer am 09.03.2015 von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen und gab zusammengefasst an, dass er nicht nach Ungarn zurück möchte, da die Betreuung dort sehr schlecht sei.
7. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, vom 23.03.2015 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Ungarn für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art 18 (1) (b) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gemäß § 61 Abs. 1 FPG 2005 wird gegen den Beschwerdeführer die Außerlandesbringung angeordnet. Daher ist gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Ungarn zulässig (Spruchpunkt II.).
Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nachweislich am 24.03.2015 zugestellt.
8. Mit Schreiben vom 28.04.2015 beantragte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde die Wiedereinsetzung seines Verfahrens in den vorigen Stand.
9. Am 11.05.2015 wurde gegen den Beschwerdeführer ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BVA-VG, Auftrag zur Abschiebung, erlassen.
Der Festnahmeauftrag konnte nicht vollzogen werden, da der Beschwerdeführer am 18.05.2015 nicht an seiner Meldeadresse angetroffen wurde. Eine amtliche Abmeldung wurde veranlasst.
Weitere Festnahmeaufträge konnten ebenfalls nicht vollzogen werden.
10. Am 07.08.2015 gab der Verein Ute Bock, Wohn- und Integrationsprojekt, bekannt, dass der Beschwerdeführer an der Adresse des Flüchtlingsprojektes Ute Bock als obdachlos gemeldet sei.
11. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, vom 29.07.2016, wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 04.05.2015 gemäß § 71 Abs. 1 AVG stattgegeben.
12. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 03.11.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden "belangte Behörde") im Beisein einer Vertrauensperson sowie eines Dolmetschers für die Sprache Farsi niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer legte die Kopie seiner Tazkira, sowie Integrationsunterlagen vor.
Der Beschwerdeführer sei in der afghanischen Provinz Bamyan geboren, im Alter von ca. drei Jahren mit seinen Eltern und Geschwistern in den Iran geflohen und habe dort in der Stadt Ghom gelebt. Er habe die Schule besucht und in den Ferien in einer Tischlerei gearbeitet. Der Beschwerdeführer habe zwei Brüder und zwei Schwestern, sowie zwei Halbbrüder und zwei Halbschwestern.
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass die Familie seiner Tante ebenfalls im Iran gelebt habe, sich aber entschlossen habe, nach Afghanistan zurückzukehren. Eine Tochter dieser Tante namens XXXX , die Cousine des Beschwerdeführers, habe nicht nach Afghanistan zurückkehren wollen. Sie habe den Beschwerdeführer gebeten, sie zu einem Busterminal zu begleiten, da sie flüchten habe wollen. Der Beschwerdeführer habe sie mit dem Motorrad zum Busterminal gebracht. Bei seiner Heimkehr habe ihm sein Bruder gesagt, er müsse unverzüglich das Land verlassen. Erst als der Beschwerdeführer in der Türkei gewesen sei, habe man ihm mitgeteilt, dass seine Cousine im Busterminal einen Unfall gehabt habe und keiner wisse, ob sie noch am Leben sei. Die Cousins haben gedroht, den Beschwerdeführer umzubringen, wenn sie ihn "erwischen" würden. Einer dieser Cousins gehöre zu einer kriminellen Gruppe, die in Afghanistan durch eine mafiöse Verbindung namens "Mohaghegh" unterstützt werde.
13. Mit Schreiben vom 01.12.2016 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme.
14. Mit dem nunmehr beschwerdegegenständlichen Bescheid vom 23.02.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle der Rückkehr führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft habe machen können. Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei widersprüchlich, vage und detailarm. Ihm drohe auch auf Grund der Volksgruppenzugehörigkeit als Hazara sowie wegen der Zugehörigkeit zur Religionsgruppe der Schiiten in Afghanistan keine konkret gegen ihn gerichtete psychische oder physische Gewalt. Der Beschwerdeführer sei ein junger, gesunder Mann im arbeitsfähigen Alter. Unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers sei zusammengefasst davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in keine aussichtslose Lage gedrängt werde, die eine solche Rückkehr unzumutbar erscheinen lasse; seine Grundversorgung sei gewährleistet.
15. Der Beschwerdeführer erstattete namens seiner bevollmächtigten Vertreterin fristgerecht Beschwerde und führte darin begründend zusammengefasst aus, das Ermittlungsverfahren der belangten Behörde sei mangelhaft. Die Länderfeststellungen belegen nur unzureichend die katastrophale Lage von Iran-RückkehrerInnen nach Afghanistan, ebenso wenig die prekäre Situation der Hazara in Afghanistan. Der Beschwerdeführer zitierte einen aktuellen ACCORD-Bericht vom September 2016 zur Situation der Hazara, den die belangte Behörde berücksichtigen hätte müssen. Weiters sei die Beweiswürdigung der belangten Behörde unschlüssig und nicht nachvollziehbar. Die widersprüchlichen Angaben zwischen Erstbefragung und Einvernahme seien auf die Arbeit des Dolmetschers zurückzuführen. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde liege keine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul vor. Wie auch den dem Bescheid zugrundeliegenden Länderfeststellungen sowie diversen weiteren Berichten und Entscheidungen zu entnehmen sei, sei die Sicherheitslage in Kabul derzeit "extrem herausfordernd". Im Herkunftsstaat habe der Beschwerdeführer auch kein familiäres und soziales Netz. In Österreich habe er sich bereits intensiv um eine Integration bemüht.
Der Beschwerdeführer legte ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor.
16. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 23.03.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
17. Mit Schreiben vom 10.04.2017 übermittelte der Beschwerdeführer diverse Integrationsunterlagen und Unterstützungsschreiben.
18. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.10.2017 wurde eine mündliche Verhandlung für den 04.12.2017 anberaumt.
19. Aus dem vom Bundesverwaltungsgericht am 04.12.2017 eingeholten Auszug aus dem Strafregister ist ersichtlich, dass im Strafregister der Republik Österreich für den Beschwerdeführer keine Verurteilungen aufscheinen.
20. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 04.12.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seiner rechtsfreundlichen Vertreterin und einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt. Die Niederschrift wurde der entschuldigt ferngebliebenen belangten Behörde übermittelt.
Der Beschwerdeführer legte ein weiteres Konvolut an Integrationsunterlagen vor, die als Beilage ./I zum Akt genommen wurden.
In der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurden folgende Unterlagen in das gegenständliche Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht eingebracht: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 25.09.2017, welche dem Beschwerdeführer bereits übermittelt wurde; Gutachten Mag. Karl Mahringer zu GZ: BVwG-160.000/0001-Kammer A/2017; Gutachten Mag. Karl Mahringer, Aktualisierung des Gutachtens vom 5.3.2017; Auszug aus UNHCR-Richtlinen zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender samt Begleitschreiben von 04.05.2016; ACCORD Anfragebeantwortung vom 12.06.2015 [a-9219], zur Situation von AfghanInnen (insbesondere Hazara) die ihr ganzes Leben im Iran verbracht haben; Gutachten des länderkundigen SV Dr. RASULY vom 17.02.2016 im zur Zl. W119 2012211-1 protokollierten Verfahren zur Frage der Situation der Hazara in Afghanistan.
Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit gegeben, in diese herkunftsstaatsbezogenen Berichte Einsicht zu nehmen sowie innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
21. Der Beschwerdeführer erstattete namens seiner bevollmächtigten Vertreterin am 15.12.2017 eine Stellungnahme und legte aktuelle Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan vor, aus denen hervorgehe, dass sich die Sicherheitslage seit Verfassen der UNHCR-Richtlinie im April 2016 nochmals deutlich verschlechtert habe. Ausführlich kritisierte der Beschwerdeführer, dass das Gutachten von Mag. Mahringer aus diversen Gründen mangelhaft sei. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe für den Beschwerdeführer jedenfalls nicht, da er Afghanistan bereits als Kleinkind verlassen habe und dort kein soziales Netzwerk mehr habe.
22. Mit Schreiben vom 25.01.2018 übermittelte der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertreterin ein weiteres Konvolut an Integrationsunterlagen.
23. Mit einem weiteren Schreiben vom 24.08.2018 übermittelte der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertreterin Bestätigungen über seine Integrationsbemühungen sowie eine Religionsaustrittsbescheinigung aus der Isamischen-Schiitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (Schia) des Magistrates der Stadt Wien vom 23.08.2018.
24. In einer Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 07.11.2018 tätigte er Ausführungen zu seinem Religionsaustritt und einer damit zusammenhängenden Verfolgungsgefahr in Afghanistan. Weiters führte er aus, dass die Sicherheit- und Versorgungsslage für Rückkehrer in Kabul sehr schlecht sei. Er verwies auch auf seinen langen Aufenthalt im Iran. Der Beschwerdeführer legte seinem Schreiben Auszüge aus diversen Länderberichten (EASO, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Gutachten von Friederike Stahlmann) sowie Empfehlungsschreiben bei.
Eine weitere mündliche Verhandlung wurde nicht beantragt.
25. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.01.2019 wurde den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs aktuelles Länderberichtsmaterial übermittelt: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Stand 08.01.2019, UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender Stand August 2018, eine auszugsweise Übersetzung der EASO Country Guidance Afghanistan vom Juni 2018, Seiten 21-25 und 98-109. Weiters wurde der Beschwerdeführer in diesem Schreiben aufgefordert etwaige aktuelle Integrationsunterlagen, sowie etwaige Krankenunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht zu übermitteln.
26. Der Beschwerdeführer erstattete namens seiner bevollmächtigten Vertreterin am 11.02.2019 eine Stellungnahme und wiederholte sein Fluchtvorbringen.
Hinsichtlich der Frage einer innerstaatlichen Fluchtalternative verwies er auf das Fehlen eines sozialen Netzwerkes in Afghanistan. Zudem erfülle er (weiters) das in den UNHCR-Richtlinien gennante Risikoprofil der "als verwestlicht wahrgenommenen Person". Auch die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara stelle eine wesentliche Gefährdungslage dar. Die Versorgungslage sei auch in Herat und Mazar-e Sharif sehr schlecht. Der Beschwerdeführer zitierte diesbezüglich diverse Berichte. Weiters verwies der Beschwerdeführers auf seine bereits fortgeschrittene Integration in Österreich. Eine weitere mündliche Verhandlung wurde nicht beantragt.
Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX alias XXXX alias XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , in der Provinz Bamyan. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an, ist gesund und ledig; er hat keine Kinder. Seine Muttersprache ist Farsi.
Der Beschwerdeführer zog als Kleinkind mit seiner Familie in den Iran und wuchs in der Stadt Ghom auf. Er besuchte ungefähr neun Jahre lang die Schule und arbeitete seit seinem 12. Lebensjahr in seiner Freizeit in einer Tischlerei.
Die Eltern, ein Bruder und zwei Schwestern leben nach wie vor in Ghom. Der Bruder ist an einem Recyclingunternehmen beteiligt. Ein weiterer Bruder lebt in Großbritannien.
Der im Iran lebende Bruder hat die Ausreise des Beschwerdeführers finanziert und unterstützt ihn auch in Österreich finanziell. Auch der in Großbritannien lebende Bruder hat den Beschwerdeführer in Österreich finanziell unterstützt.
Zu seinen zwei Halbbrüdern und Halbschwestern, deren Aufenthaltsort er nicht kennt, hat der Beschwerdeführer keinen Kontakt.
Er hat keine Familienangehörigen im Herkunftsstaat.
Der Beschwerdeführer ist Zivilist.
Der Beschwerdeführer reiste ungefähr im August 2014 aus dem Iran aus und gelangte in der Folge illegal ins Bundesgebiet und stellte am 27.11.2014 verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
Das vom Beschwerdeführer dargelegte Fluchtvorbringen, dass er von der Familie seiner Cousine für deren Tod bzw. Verschwinden verantwortlich gemacht und sowohl in Afghanistan als auch im Iran aus diesem Grund verfolgt werde, konnte nicht glaubhaft gemacht werden.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines behaupteten nicht glaubhaften Abfalles vom muslimischen Glauben psychischer und oder psychischer Gewalt ausgesetzt wäre noch, dass dies einer der Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes gewesen ist. Personen, die sich - ohne Zuwendung zu einer anderen Religion - lediglich nicht für den Islam interessieren und etwa nicht in die Moschee gehen, sind keiner maßgeblichen Gefahr ausgesetzt. Der Beschwerdeführer geht aktiv keiner (neuen) religiösen Überzeugung nach.
Dem Beschwerdeführer droht wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara konkret und individuell keine physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan. Nicht jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara ist in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt
Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan auf Grund einer "Verwestlichung" in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.
Der Beschwerdeführer war in seinem Herkunftsstaat Afghanistan auch keiner psychischen oder physischen Gewalt aus Gründen seiner Rasse, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt, noch hat er eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten.
Auch sonst haben sich keine Hinweise für eine dem Beschwerdeführer in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.
1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass eine Überstellung des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Bamyan aufgrund der schwachen und nicht gesicherten Infrastruktur ausgehend von Kabul bis in die Provinz Bamyan mit ernstzunehmender Gefahr für Leib und Leben verbunden ist, weshalb ihm eine Rückkehr dorthin nicht zugemutet werden kann.
Dem Beschwerdeführer steht als innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung, wo es ihm möglich ist, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem Beschwerdeführer würde bei seiner Rückkehr in diese Stadt kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.
Der Beschwerdeführer ist jung und arbeitsfähig. Seine Existenz kann er in Mazar-e Sharif - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden. Es ist nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer zumindest in der Anfangszeit finanzielle Unterstützung seiner Brüder erhält, die ihn auch bei der Ausreise ins Bundesgebiet und im Bundesgebiet unterstützt haben. Der Beschwerdeführer hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Diese Rückkehrhilfe umfasst jedenfalls auch die notwendigen Kosten der Rückreise. Der Beschwerdeführer ist mobil und anpassungsfähig. Er hat im Iran eine neunjährige Schulausbildung absolviert und erste Berufserfahrung in einer Tischlerei gesammelt, die er auch in Mazar- e Sharif wird nutzen können.
Die Stadt Mazar-e Sharif ist von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug zu erreichen.
Der Beschwerdeführer ist gesund.
Der Beschwerdeführer läuft im Falle der Rückkehr nach Mazar-e Sharif nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder dass sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern wird. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.
1.4. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Antragstellung im November 2014 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet.
Er bezieht seit seiner Einreise überwiegend Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.
Der Beschwerdeführer ist nicht selbsterhaltungsfähig.
Der Beschwerdeführer besuchte Deutschkurse und absolvierte zuletzt im Dezember 2017 die ÖSD-Prüfung Niveau B2. Im Jänner 2017 hat er die Pflichtschulabschlussprüfung bestanden. In seiner Freizeit spielt der Beschwerdeführer Fußball. Er hat ehrenamtlich als Übersetzer gearbeitet. Der Beschwerdeführer hat Freunde und Bekannte in Österreich.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Familienangehörigen.
Neben Freundschaften konnten keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des Beschwerdeführers in Österreich festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.5. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
1.5.1. Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.
1.5.1.1. Herkunftsprovinz Bamyan/Bamian
Bamyan liegt im Süden des Hindukusch und im Norden des Koh-e-Baba Gebirges. Die Provinz besteht aus sieben Distrikten: Bamyan City, Kahmard, Panjab, Sayghan, Shaibar/Shibar, Waras und Yakawlang (Pajhwok o.D.h). In Bamyan existiert ein nationaler Flughafen, der z. B. von der afghanischen Fluglinie Kam Air angeflogen wird.
Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 462.144 geschätzt. Bamyan-City gilt als die inoffizielle Hauptstadt der Hazara. Der Großteil der Bevölkerung besteht aus Hazara, gefolgt von Tadschiken, Tataren und Pashtunen. Etwa 96% der Bevölkerung spricht Dari, die restlichen 4% sprechen Paschtu. Mehr als 90% der Bevölkerung fühlt sich dem schiitischen Islam zugehörig (GN 2013).
Am 29.8.2016 wurde die Straße Kabul-Bamyan eingeweiht. Das von der italienischen Agentur für Entwicklung finanzierte Straßenprojekt sollte die Verbindungen zwischen Kabul und Bamyan erleichtern und den wirtschaftlichen Aufschwung in der Region unterstützen. Durch die neu errichtete Straße beträgt die Reisezeit von Kabul nach Bamyan zweieinhalb Stunden.
Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage
Bamyan wird als relativ friedliche Provinz erachtet; die Ursache dafür ist, laut UNAMA, die aktive Einbindung religiöser Gelehrter in Friedensprozesse, sowohl auf Gemeinde- als auch Regierungsebene. Die Provinz wird trotz der Armut und Vernachlässigung durch die Zentralregierung als sicherer Hafen betrachtet. Mit Stand April 2017 war die Provinz laut Berichten sicher und war offen für den lokalen und internationalen Tourismus. So hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 die Anzahl inländischer und ausländischer Touristen verdoppelt.
Im Zuge einer Befragung wurde die Verbesserung der Sicherheitslage im Jahr 2017 als Grund zum Optimismus angeführt. Bamyan hat in den letzten 15 Jahren weniger Gewalt als die anderen Provinzen durchlebt. Sogar Frauen können in Bamyan sicher und alleine in eigens für sie errichtete Cafés gehen, ohne belästigt zu werden.
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 10 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Im gesamten Jahr 2017 wurden 4 zivile Opfer (0 getötete Zivilisten und 4 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Drohungen, Einschüchterungen und Belästigungen, gefolgt von Blindgängern/Landminen und Bodenoffensiven. Dies bedeutet einen Rückgang von 60% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Bamiyan
Der Zusammenhalt zwischen den Bewohnern ethnisch homogenerer Gesellschaften wie in Panjsher, Bamyan und Daikundi wird als Grund für die geringe Anzahl an Anschlägen betrachtet: Da die Bewohner dieser Provinzen mehrheitlich einer Ethnie zugehören, würden diese keine aufständischen Aktivitäten erlauben. So nahmen im Juli 2017 elf Talibanmitglieder an den Friedensverhandlungen in der Provinz Bamyan teil.
Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in Bamyan gemeldet.
1.5.1.2. Provinz Balkh
Bei der Provinz Balkh, mit deren Hauptstadt Mazar- e Sharif, handelt es sich laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben.
1.5.2. Sichere Einreise
Die Stadt Mazar- e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher erreichbar. Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher.
1.5.3. Wirtschafts- und Versorgungslage
Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.
In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.
Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 28.12.2017).
1.5.3.1. Wirtschaftslage der Stadt Mazar-e Sharif
Mazar- e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. In Mazar- e Sharif besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Als Alternative dazu stehen ferner günstige Unterkünfte in "Teehäusern" zur Verfügung. Generell besteht in Mazar- e Sharif laut EASO, trotz der im Umland herrschenden Dürre, keinerlei Lebensmittelknappheit. In Mazar- e Sahrif haben die meisten Leute laut EASO Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch zu besseren Sanitäreinrichtungen. Schulische Einrichtungen sind in Mazar-e Sharif vorhanden.
1.5.4. Medizinische Versorgung
Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Mazar- e Sharif sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar. In Mazar- e Sharif zählt dazu das Alemi Krankenhaus. Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar.
1.5.5. Ethnische Minderheiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.
Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.
Die schiitische Minderheit der Hazara, zu welchen der Beschwerdeführer zählt, macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten.
Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können.
Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert; vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert.
So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft. So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt. Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke.
Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf; soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen.
Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert.
1.5.6. Religion
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten und etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten.
Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben. Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi- Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung.
Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll lautislamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtsprechung unter die Kapitalverbrechen fällt und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte.
Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert.
Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert; so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion. Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze.
Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht- muslimischen Glauben deklariert. Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt. Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen.
Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet.
Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung. Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen.
Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte - dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016).
1.5.7. Rückkehrer
In der Zeit von 2012 bis 2017 sind 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei der Großteil der Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran kommen. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. In der Provinz Balkh ließen sich von den insgesamt ca. 1,8 Millionen Rückkehrer/innen in der Zeit von 2012 bis 2017 109.845 Personen nieder.
Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen.
Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.
Die Großfamilie ist für Zurückkehrende die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.
Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.
Afghanische Flüchtlinge im Iran
Die letzten zwei bis drei Jahre zeigen doch auf eine progressivere Entwicklung für Afghanen im Iran, wo sich die Maßnahmen der iranischen Behörden auf einen höheren Integrationsgrad der Afghanen zubewegen. Die freiwillige Rückkehr der afghanischen Flüchtlinge ist immer noch das Hauptziel der iranischen Flüchtlingspolitik, aber man hat eingesehen, dass dies im Moment nicht in größerem Maße geschehen kann. Deshalb versucht man Maßnahmen zu ergreifen, die die Situation für die Afghanen verbessern, während man darauf wartet, dass eine Rückkehr stattfinden kann. Es gibt heute einen politischen Willen, die Fähigkeit der Afghanen, sich besser selbst zu versorgen und selbstständiger zu werden, zu unterstützen, aber gleichzeitig sind die Ressourcen des Iran begrenzt und dies bedeutet eine große Herausforderung für die iranischen Behörden. Es gibt auch von den iranischen Behörden nicht zuletzt aus sicherheitsmäßigen Aspekten Interesse daran, mehr Kenntnisse über die Anzahl der sich illegal im Land aufhaltenden Staatsbürger zu erhalten. Dieses hatte zur Folge, dass die iranischen Behörden im Jahr 2017 mit einer Zählung (headcount) und der Registrierung der Afghanen, die sich illegal im Land aufhalten, begonnen haben. In dieser ersten Runde hat man einige ausgewählte Kategorien priorisiert, beispielsweise nicht-registrierte Afghanen, die mit iranischen Staatsbürgern verheiratet sind und Kinder in der Schule haben.
Im Gegensatz zu Pakistan leben nur 3% der afghanischen Flüchtlinge in Iran in Camps. Auch wenn die Flüchtlingslager für Amayesh-registrierte ("Amayesh" ist die Bezeichnung für das iranische Flüchtlingsregistrierungssystem, Anm.) Personen vorgesehen sind, leben dort in der Praxis auch nicht-registrierte Afghanen.
Die Mehrheit der Afghanen, die sich sowohl legal als auch illegal im Land aufhalten, wohnen in von Afghanen dominierten urbanen und halb-urbanen Gebieten. Schätzungen zufolge leben circa 57% der Afghanen im Iran in der Provinz Teheran, Isfahan sowie Razavi-Chorsan (mit Maschhad als Hauptort). Um die 22% leben in den Provinzen Kerman, Fars und Ghom, während die Übrigen in den anderen Provinzen verteilt sind. Die afghanische Flüchtlingspopulation im Iran besteht aus einer Anzahl unterschiedlicher ethnischer Gruppen. Schätzungen über die registrierten Afghanen zufolge gehört die Mehrheit von ihnen der Ethnie der Hazara an, gefolgt von Tadschiken, Paschtunen, Belutschen und Usbeken. Es fehlen Zahlen zur nicht-registrierten Gemeinschaft, dennoch stellen auch hier die Hazara und die Tadschiken eine Mehrheit dar.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Namen, Herkunft, ethnischen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Familienangehörigen, Sprachkenntnissen, der Schulbildung und Berufserfahrung des Beschwerdeführers beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens und ist seine Identität für dieses Verfahren hinreichend geklärt.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
2.2.1. Der Beschwerdeführer brachte als fluchtauslösendes Ereignis im erstinstanzlichen Verfahren im Wesentlichen vor, dass er seiner Cousine zur Flucht verhelfen habe wollen, diese aber dabei getötet worden oder verschwunden sei und die Familie seiner Cousine den Beschwerdeführer für deren Tod bzw. Verschwinden verantwortlich mache und sich rächen möchte.
2.2.2. Die belangte Behörde kommt im angefochtenen Bescheid zum Schluss, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen konnte und ist aus folgenden Gründen im Recht:
2.2.2.1. Zunächst ist zu erwähnen, dass die Aussagen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen in der Erstbefragung wesentliche Unterschiede zu den Aussagen in der Einvernahme bei der belangten Behörde aufweisen.
So gab der Beschwerdeführer in der Erstbefragung an, dass er seine Cousine mit dem Motorrad mitgenommen habe. Diese sei dann vom Motorrad gefallen und von einem nachkommenden Fahrzeug überrollt worden und verstorben. Die Familie der Cousine mache den Beschwerdeführer für ihren Tod verantwortlich und er werde von diesen bedroht (vgl. AS 19).
In der Einvernahme bei der belangten Behörde führte der Beschwerdeführer jedoch aus, die Familie seiner Tante habe vom Iran nach Afghanistan zurückkehren wollen. Seine Cousine XXXX habe das aber nicht gewollt. Sie habe den Beschwerdeführer daher gebeten, sie zu einem Busterminal zu begleiten, da sie flüchten habe wollen. Der Beschwerdeführer habe sie mit dem Motorrad zum Busterminal gebracht. Bei seiner Heimkehr habe ihm sein Bruder gesagt, er müsse unverzüglich das Land verlassen. Erst als der Beschwerdeführer in der Türkei gewesen sei, habe man ihm mitgeteilt, dass seine Cousine im Busterminal einen Unfall gehabt habe und keiner wisse, ob sie noch am Leben sei. Die Cousins haben gedroht, den Beschwerdeführer umzubringen, wenn sie ihn "erwischen" (vgl. AS 696ff).
Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 dient die Einvernahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach Antragstellung "insbesondere
der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden ... und
hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen" (vgl. hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12). Diese Regelung bezweckt den Schutz der Asylwerber davor, sich im direkten Anschluss an die Flucht aus ihrem Herkunftsstaat vor uniformierten Staatsorganen über traumatische Ereignisse verbreitern zu müssen, weil sie unter Umständen erst vor kurzem vor solchen geflohen sind, weshalb an die dennoch bei der Erstbefragung erstatteten, in der Regel kurzen Angaben zu den Fluchtgründen im Rahmen der Beweiswürdigung keine hohen Ansprüche in Bezug auf Stringenz und Vollständigkeit zu stellen sind (vgl. auch VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0189 mwN). Ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert; die Verwaltungsbehörde bzw. das Bundesverwaltungsgericht können in ihrer Beweiswürdigung also durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.
Es wird daher im vorliegenden Fall zwar nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung des Beschwerdeführers nicht in erster Linie auf seine Fluchtgründe bezog und diese daher nur in aller Kürze angegeben und protokolliert wurden. Es ist dem Beschwerdeführer aber sehr wohl vorzuwerfen, dass die Angaben in der Erstbefragung gravierend von den Angaben in der Einvernahme bei der belangten Behörde abweichen. Es stellt nämlich einen gänzlich anderen Sachverhalt dar, ob die Cousine bei einem vom Beschwerdeführer verursachten Motoradunfall ums Leben gekommen ist, oder der Beschwerdeführer die Cousine bei einem Busterminal abgesetzt und später erfahren hat, dass ihr etwas zugestoßen sein soll. Die Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers wird daher bereits durch diesen Umstand massiv geschmälert.
In der Einvernahme bei der belangten Behörde leugnete der