TE Vwgh Erkenntnis 1998/12/22 98/08/0163

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Veröffentlicht am 22.12.1998
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des W in S, vertreten durch Dr. Herwig Ernst, Rechtsanwalt in 2100 Korneuburg, Hauptplatz 32, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 12. März 1998, Zl. LGS NÖ/JUR/12181/1998, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe gemäß § 10 AlVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 26. Jänner 1998 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Korneuburg aus, daß der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 10 iVm § 38 AlVG für die Zeit vom 17. November 1997 bis 11. Jänner 1998 verloren habe. In der Begründung wurde nach auszugsweiser Wiedergabe der im Spruch genannten Gesetzesstellen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe sich geweigert, ab 17. November 1997 eine zumutbare Beschäftigung anzunehmen. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin führte er aus, er habe eine Woche zur Probe gearbeitet, daher kenne er die Arbeit als Taghausmeister sehr gut. Tatsache sei auch, daß ihm keiner sagen könne, daß er diese Arbeit leisten könne. Auch der Amtsarzt habe ihm versichert, daß dies "medizinisch nicht möglich sei". Es sei ihm ein Rätsel, daß zwei verschiedene Gutachten vorlägen, weil "das Arbeitsamt anscheinend die nie geleistete Arbeit besser beurteilen kann als meine Person, die diese Arbeit schon getätigt hat".

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Begründung wurde nach Darstellung der Rechtslage und des Verwaltungsgeschehens folgender Sachverhalt festgestellt: Der Beschwerdeführer beziehe schon seit längerer Zeit mit kurzen Unterbrechungen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Der letzte Notstandshilfebezug habe im Jahre 1994 begonnen. Am 2. Oktober 1997 sei ihm eine Beschäftigung als Taghausmeister bei der Firma M mit kollektivvertragsmäßiger Entlohnung und möglichen Arbeitsantritt am 17. November 1997 zugewiesen worden. Am 2. und 10. Oktober 1997 habe der Beschwerdeführer Probetage bei dieser Firma absolviert, zwischenzeitlich habe er sich im Krankenstand befunden. Am 17. November 1997 habe der Beschwerdeführer beim potentiellen Dienstgeber vorgesprochen und erklärt, daß er die Arbeit als Taghausmeister aus gesundheitlichen und körperlichen Gründen nicht verrichten könne. Laut Stellungnahme der Firma M handle es sich bei der Tätigkeit als Taghausmeister um keine körperlich schwere Tätigkeit. Das Beschäftigungsbild sei von der Firma M folgendermaßen umschrieben worden: Außenbereich sauber halten (zusammenkehren, ...), Terrasse und Kinderspielplatz kontrollieren, Kontrolle des Mülls auf entsprechende Mülltrennung, Gartenarbeit (bei entsprechender Witterung) und kleinere Instandhaltungsarbeiten.

Laut ärztlichem Gutachten vom 25. November 1997 leide der Beschwerdeführer unter Spondylose, Spondylarthrose, Gonarthrose und zeitweilig unter Kreuz- und Rückenschmerzen sowie Schmerzen in den Kniegelenken. Der Beschwerdeführer sei nach diesem Gutachten für leichte und mittlere körperliche Arbeiten geeignet. Lediglich aufgrund der Angabe des Beschwerdeführers anläßlich der ärztlichen Untersuchung, daß ihm die Arbeit bei der Firma M nach seinem Arbeitsversuch zu anstrengend gewesen sei, sei der untersuchende Arzt zum Schluß gekommen, daß die Arbeitsfähigkeit für diese Tätigkeit nicht gegeben sei. Dieses Gutachten sei vom untersuchenden Arzt am 9. Jänner 1998 dahingehend abgeändert worden, daß die beschriebene Tätigkeit bei der Firma M als leicht bis mittelschwer einzustufen sei und der Beschwerdeführer in objektiver Hinsicht für diese Art der Tätigkeit gesundheitlich und körperlich geeignet sei. Das amtsärztliche Gutachten und dessen Abänderung sei dem Beschwerdeführer nachweislich zur Kenntnis gebracht worden. Feststehe, daß innerhalb eines Jahres vor Beginn der Ausschlußfrist bereits eine weitere rechtskräftig verhängte Ausschlußfrist vorliege.

In der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei laut amtsärztlichen Gutachtens für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten geeignet. Die zugewiesene Beschäftigung als Taghausmeister bei der Firma M könne als leicht bis mittelschwer eingestuft werden. Der Beschwerdeführer sei zur Ausübung dieser Tätigkeiten in gesundheitlicher und körperlicher Hinsicht geeignet.

Es lägen nicht, wie der Beschwerdeführer in seiner Berufung anführe, zwei unterschiedliche Gutachten vor, sondern sei lediglich das Gutachten vom 25. November 1997 vom untersuchenden Arzt ergänzt bzw. abgeändert worden.

Der Beschwerdeführer habe durch die Nichtannahme der zugewiesenen, zumutbaren Beschäftigung den Tatbestand des § 10 Abs. 1 AlVG verwirklicht. Berücksichtigungswürdige Gründe für die Nachsicht im Sinne des § 10 Abs. 2 AlVG lägen nicht vor. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Bewerbungen für sich stellten keine berücksichtigungswürdigen Gründe für die Nachsichtserteilung dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (u.a.) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Eine solche Beschäftigung ist gemäß § 9 Abs. 2 AlVG zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen angemessen ist, seine Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist und dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert. Grundvoraussetzung für die Zuweisungstauglichkeit einer Beschäftigung an einen Arbeitslosen ist, daß dessen Kenntnisse und Fähigkeiten jenen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen, die an der zugewiesenen Arbeitsstelle verlangt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1997, Zl. 97/08/0414).

Gemäß § 10 Abs. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Liegt im Zeitraum eines Jahres vor dem Beginn eines Anspruchsverlustes bereits ein früherer Anspruchsverlust, so beträgt dieser Zeitraum acht Wochen. Diese Bestimmung ist gemäß § 38 AlVG auch auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. Februar 1984, Slg. Nr. 11337/A, und vom 27. April 1993, Zl. 92/08/0219) sind die genannten Bestimmungen Ausdruck der dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zugrunde liegenden Gesetzeszwecke, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muß sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene, ihm zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, das heißt bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein.

Um sich in bezug auf eine vom Arbeitsamt vermittelte, zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits (und deshalb) aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern.

Das Nichtzustandekommen eines den Zustand der Arbeitslosigkeit beendenden (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen somit auf zwei Wegen verschuldet (das heißt dessen Zustandekommen vereitelt) werden: Nämlich dadurch, daß der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermines, Nichtantritt der Arbeit, etc.), oder aber, daß er den Erfolg seiner (nach außen zutage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund unterliegt es keinem Zweifel, daß der Beschwerdeführer dadurch, daß er die ihm angebotene Arbeitsstelle nicht angenommen hat, den Tatbestand der Vereitelung verwirklicht hätte, wenn es sich um eine zumutbare und für die Zuweisung geeignete Arbeitsstelle gehandelt hat.

Der Beschwerdeführer, dessen Ausführungen in der Berufung sich erkennbar gegen eine Zuweisungstauglichkeit der ihm angebotenen Stelle richteten, macht in der Beschwerde sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, die ihm zugewiesene Arbeit bei der Firma M sei nicht zumutbar gewesen. Er wirft der belangten Behörde vor, sich mit dem exakten Inhalt des von der Firma M umschriebenen Arbeitsbereiches nicht auseinandergesetzt zu haben. Die Tätigkeitsbeschreibung sei nicht exakt genug, weil die genannten Arbeiten sehr wohl auch eine andauernd körperlich schwere Tätigkeit erfordern könnten. Es hätte daher das Ausmaß, die Dauer und der Umfang dieser Arbeiten erhoben werden müssen. Aus dem Gutachten des Amtsarztes ergebe sich, daß er lediglich für leichte bis mittelschwere Arbeiten geeignet sei. Bei Erhebung des exakten Umfanges und der Dauer der bei der Firma M zu verrichtenden Arbeiten hätte sich ergeben, daß diese nur bzw. zum Großteil als schwere Arbeiten einzustufen seien. Mit diesen Ausführungen macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde hätte ein Gutachten eines Sachverständigen der Berufskunde einholen müssen.

Mit diesem Vorbringen kann der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde die dem Beschwerdeführer zugewiesene Tätigkeit laut Stellungnahme des potentiellen Dienstgebers beschrieben und festgehalten, daß nach Mitteilung des Dienstgebers bei dieser Beschäftigung keine körperlich schwere Tätigkeit enthalten sei und daß der erkennende Leistungsausschuß der Auffassung sei, die umschriebene Beschäftigung sei als leicht bis mittelschwer einzustufen.

Die Feststellung der Leistungsanforderung der zugewiesenen Tätigkeit aufgrund der Mitteilung des potentiellen Dienstgebers und des Fachwissens des Leistungsausschusses ist zulässig und kann im Beschwerdefall darin auch keine Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickt werden. Angesichts der besonderen Zusammensetzung des Leistungsausschusses (je ein Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter) und des Umstandes, daß es sich bei der dem Beschwerdeführer angebotenen Tätigkeit um eine weit verbreitete handelt, bedurfte es keiner weiteren Feststellungen. Dazu kommt, daß nach dem unstrittigen medizinischen Sachverständigengutachten das körperliche und geistige Leistungskalkül des Beschwerdeführers keine besonders weitreichenden Einschränkungen aufweist, ist doch der Beschwerdeführer für leichte und mittelschwere Arbeiten geeignet.

Bei dieser Fallgestaltung ist es nicht rechtswidrig, wenn der erkennende Leistungsausschuß die Leistungsanforderungen der zugewiesenen Tätigkeiten mit leicht bis mittelschwer einstufte und ausgehend vom medizinischen Leistungskalkül des Beschwerdeführers davon ausging, daß er körperlich in der Lage ist, ohne Schädigung seiner Gesundheit diese Arbeiten durchzuführen.

Der Beschwerdeführer wendet sich wie bereits in der Berufung pauschal gegen diese Feststellungen, ohne im Detail aufzuzeigen, bei welchen der genannten Tätigkeiten schwere körperliche Arbeit zu verrichten gewesen wäre. Er kann daher keine Bedenken gegen die Feststellungen der belangten Behörde erwecken.

Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, es lägen berücksichtigungswürdige Gründe einer Nachsicht im Sinn des § 10 Abs. 2 AlVG vor. Ein solcher sei darin gelegen, daß er sich bei zahlreichen Firmen beworben habe und es ihm nicht möglich sei, seine laufenden Ausgaben zu decken.

Auch mit diesem Vorbringen kann der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen.

Die Gefährdung des eigenen Unterhaltes stellt nach der Judikatur keine Gründe dar, derentwegen der vorübergehende Ausschluß vom Bezug der Notstandshilfe den Beschwerdeführer härter träfe, als dies im allgemeinen der Fall ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1996, Zl. 95/08/0080). Auch das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Bemühen um Beendigung seiner Arbeitslosigkeit stellt keinen berücksichtungswürdigen Grund im Sinn des § 10 Abs. 2 AlVG dar, weil eine derartige Verpflichtung jeden Arbeitslosen trifft (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 1993, Zl. 93/08/0111).

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Kostenzuspruch stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. Dezember 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998080163.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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