Entscheidungsdatum
23.05.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W210 2162189-2/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anke SEMBACHER über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.04.2019, Zl. 1043816900-190365574, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz (in Rechtskraft erwachsen):
1.1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger von Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Usbeken, hat seinen eigenen Angaben zufolge im Herbst 2013 sein Heimatland verlassen und sich über den Iran, die Türkei, Griechenland und Italien letztlich in das österreichische Bundesgebiet begeben, wo er am 27.10.2014 seinen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz stellte. Zur Person des Beschwerdeführers liegt eine EURODAC-Treffermeldungen betreffend Griechenland vom 20.09.2014 vor. Der Name des Beschwerdeführers wurde hier mit " XXXX " vermerkt.
1.2. Im Verlauf seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 27.10.2014 gab der Beschwerdeführer neben seinen Angaben zum Reiseweg im Wesentlichen an, dass er ledig sei und aus der Provinz XXXX stamme; seine Familie würde im Iran leben. Die Reise sei bis in die Türkei mit Hilfe von Schleppern organisiert worden, alles Weitere habe er selbst organisiert. Er wolle nicht zurück nach Griechenland und habe dort auch keinen Asylantrag gestellt. Zu seinem Fluchtgrund gab er an, dass sein Vater im afghanischen Krieg gekämpft habe und für den Tod des zwanzigjährigen Sohnes eines Kommandanten verantwortlich gemacht werde. Als der Beschwerdeführer älter geworden sei, habe sein Vater Angst vor einer Blutrache an seinem Sohn gehabt und dem Beschwerdeführer zu einer Flucht nach Europa geraten.
1.3. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 17.11.2015 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er zwar in der afghanischen Provinz XXXX geboren, aber mit vier bis acht Jahren mit seiner Familie in den Iran gezogen sei. Er sei gesund, gehöre der Volksgruppe der Usbeken an und sei sunnitischer Moslem. Er habe zwei Jahre eine Schule im Iran besucht und in einer Autowerkstatt sowie auf Baustellen gearbeitet. Nachdem er aus dem Iran nach Afghanistan abgeschoben worden sei habe er zuerst ein paar Tage in Kabul und dann ein Jahr bei dem Nachbarn bzw. Freund seines Vaters gelebt. Bis zu seiner Flucht habe er dort ein Lebensmittelgeschäft betrieben. Danach sei er auf Anraten seines Vaters wieder für einen Monat in den Iran und von dort für acht Monate in die Türkei gezogen. In der Türkei habe ihm sein Vater telefonisch mitgeteilt, dass er weiter nach Europa solle. Sein Vater habe dem Beschwerdeführer dann erklärt, dass er damals beauftragt worden sei, den zwanzigjährigen Sohn seines Kommandanten in Sicherheit zu bringen, wobei dieser Sohn ums Leben gekommen sei. Der Kommandant habe den Vater des Beschwerdeführers für den Tod seines Sohnes verantwortlich gemacht und ihm gedroht, auch einen seiner Söhne umzubringen, wenn dieser das Alter von zwanzig Jahren erreicht habe. Nach diesem Vorfall sei der Vater mit der gesamten Familie in den Iran geflüchtet. Nun sei der Beschwerdeführer aus dem Grund der Blutrache bedroht. Befragt nach Familienangehörigen in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass sein Bruder sei seit zwei Monaten in Österreich sei.
1.4. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 17.11.2015 wurde der Name des Beschwerdeführers auf " XXXX " geändert.
1.5. Am 09.05.2017 wurde der Beschwerdeführer neuerlich niederschriftlich vor dem BFA zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Hier wiederholte er, gesund zu sein und in Österreich - abgesehen von seinem Bruder - keine weiteren persönlichen Beziehungen in Österreich zu haben. Zu seinen Fluchtgründen, wie er sie in der Einvernahme vom 17.11.2015 geschildert habe, wolle er nichts ergänzen. Der Beschwerdeführer legte Integrationsunterlagen vor.
1.6. Mit Bescheid vom 02.06.2017 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers vom 27.10.2014 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. ab (Spruchpunkt II.). Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für seine freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
Begründend wurde zu Spruchpunkt I. zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine ihn betreffende individuelle Verfolgung in seinem Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen glaubhaft gemacht habe. Selbst im Falle einer Wahrunterstellung seines Fluchtvorbringens würden keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Beschwerdeführer im gesamten Staatsgebiet Afghanistans bedroht sei. Insbesondere in Kabul wäre der Beschwerdeführer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der Anonymität der Großstadt nicht auffindbar. Die Motive für die Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Iran seien vor dem Hintergrund seiner festgestellten Staatsangehörigkeit nicht asylrelevant. Glaubhaft sei, dass der Beschwerdeführer nach Verlust seiner Aufenthaltsberechtigung im Iran aus wirtschaftlichen Gründen nach Europa gereist sei. Zu Spruchpunkt II. wurde festgehalten, dass es keine Hinweise dafür gebe, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in sein Heimatland in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde, zumal dort sein Onkel lebe und auch das familiäre Netzwerk im Iran Unterstützung bieten könne. Der Beschwerdeführer habe selbst angegeben, dass seine Familie in Afghanistan über ein Haus, ein Grundstück und acht Geschäfte verfüge. Der Beschwerdeführer sei volljährig, leide an keinen gesundheitlichen Einschränkungen und verfüge über Schulbildung sowie Berufserfahrung. Zu Spruchpunkt III. wurde zunächst ausgeführt, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür hervorgekommen seien, dass der Tatbestand des § 57 AsylG erfüllt sein könnte. Der Beschwerdeführer habe keinerlei enge familiäre Bindungen. Zwar besuche er Deutschkurse, doch habe eine Integrationsverfestigung nicht festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer gehe keiner geregelten Arbeit nach und sei nicht selbsterhaltungsfähig. Auch verfügte er über keine sozialen Kontakte zu österreichischen Staatsbürgern außerhalb seiner Unterkunft. Bei einer Gesamtabwägung seiner Interessen und der öffentlichen Interessen am geordneten Vollzug des Asyl- und Fremdenwesens sei seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig und die erlassene Rückkehrentscheidung geboten. Eine Gefährdung des Beschwerdeführers sei nicht zu erkennen, weshalb seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde gemäß des IV. Spruchpunktes mit 14 Tagen ab Rechtskraft des Bescheides festgelegt, da keine besonderen Umstände festgestellt werden hätten können, die anderes notwendig erscheinen ließen. Dem Bescheid wurden die zu diesem Zeitpunkt aktuelle Länderberichte zugrunde gelegt.
1.7. Für ein Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem Beschwerdeführer amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
1.8. Gegen den oben angeführten Bescheid erhob der Beschwerdeführer, unterstützt durch seinen Rechtsberater, mit Schreiben vom 18.06.2017 fristgerecht vollumfängliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
1.9. In weiterer Folge reiste der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Deutschland aus, wo er am 24.11.2017 einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Dieser wurde mit Bescheid des (deutschen) Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18.12.2017 als unzulässig zurückgewiesen.
1.10. Die anberaumte Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht konnte nicht durchgeführt werden, da die Ladung des Beschwerdeführers wegen unbekannten Aufenthalts des Beschwerdeführers nicht zugestellt werden konnte. Der Beschwerdeführer hatte laut Melderegisterauszug ab 20.11.2017 keine aufrechte Meldeadresse. Der Beschwerdeführer hat dem Bundesverwaltungsgericht keine Mitteilung gemäß § 8 Abs. 1 ZustG betreffend die Änderung seiner bisherigen Abgabestelle erstattet.
1.11. Mit Schreiben vom 14.12.2017 erklärte Österreich seine Zuständigkeit gemäß der Dublin III-VO, woraufhin eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Österreich für den 08.06.2018 angekündigt wurde. Diese Überstellung wurde jedoch nicht durchgeführt.
1.12. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.07.2018 zu W134 2162189-1/9E wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 02.06.2017 als unbegründet abgewiesen. Die Zustellung des Erkentnisses vom 09.07.2018 erfolgte durch Hinterlegung ohne Zustellversuch, da der konkrete Aufenthaltsort bzw. die Abgabestelle des Beschwerdeführers nicht bekannt war und nicht ohne Schwierigkeiten ermittelt werden konnte. Das Erkenntnis vom 09.07.2018 erwuchs am 09.07.2018 in Rechtskraft.
2. Verfahren über den zweiten Antrag auf internationalen Schutz:
2.1. Am 09.04.2019 wurde der Beschwerdeführer von Deutschland nach Österreich rücküberstellt und stellte unmittelbar nach seiner Ankunft im Bundegebiet seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.
Im Zuge seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer auf die Frage, was sich seit rechtskräftigem Abschluss seines Erstverfahrens geändert habe, an, dass seine Frau zu ihm gekommen sei und jetzt in Deutschland lebe. Er habe Angst, dass sie sich töte, wenn sie alleine in Deutschland sei. An seiner persönlichen Lage habe sich nichts geändert. Befragt nach seinen Rückkehrbefürchtungen erklärte der Beschwerdeführer, in Afghanistan nichts zu haben. Er habe Afghanistan mit sechs Jahren verlassen; wenn er zurückkehr, wisse er nicht, wohin er gehen solle. Konkret danach befragt, seit wann dem Beschwerdeführer die Änderungen seiner Situation bekannt seien, erklärte er, dass sich nichts geändert habe.
2.2. Aufgrund des zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Ermittlungsergebnisses wurde dem Beschwerdeführer eine schriftliche Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 ausgefolgt, wonach beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückzuweisen.
2.3. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 09.04.2019 wurde betreffend den Beschwerdeführer eine Anordnung zur Unterkunftnahme gemäß § 15b AsylG 2005 getroffen.
2.4. Am 15.04.2019 erfolgte eine Befragung des Beschwerdeführers im Beisein seines Rechtsberaters, bei der der Beschwerdeführer als Grund für seinen zweiten Asylantrag wiederum angab, dass seine Frau seit Ende 2017 in Deutschland lebe und er zu ihr wolle. Er habe auch in Deutschland einen Antrag gestellt aber Deutschland habe ihn nach Österreich zurückgeschickt. Im Erstverfahren sei er ledig gewesen und habe keine Frau gehabt. Mitte 2016 habe er geheiratet, daraufhin habe sein Vater seine Frau nach Deutschlang geschickt. Er sei bei seiner Eheschließung in Afghanistan nicht persönlich anwesend gewesen, es habe sich hierbei um eine Stellvertrete-Ehe gehandelt.
Der Beschwerdeführer legte im Rahmen dieser Einvernahme eine Fotokopie von einer Aufenthaltsberechtigungskarte, lautend auf XXXX , ausgestellt von der Ausländerbehörde der Stadt XXXX , Bundesrepublik Deutschland, gültig bis XXXX , vor. Weiters legte der Beschwerdeführer zwei handschriftlich verfasste Schreiben vom 15.04.2019 vor, worin die Gründe für seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz festgehalten sind. Darin wird (sinngemäß und in dritter Person) ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seit fünf Jahren in Europa lebe und bei einer Rückkehr nach Afghanistan als unislamisch bezeichnet werde, die Sicherheitslage sowohl in XXXX als auch in Kabul sehr schlecht sei, er zu Mazar-e Sharif keine Anknüpfungspunkte habe und er nunmehr nach islamischem Recht mit einer in Deutschland asylberechtigten Frau verheiratet sei.
Zu dem im Rahmen dieser Einvernahme in das Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt zu Afghanistan erklärte der Beschwerdeführer, in Afghanistan geboren zu sein aber dort nicht gelebt zu haben. Er habe dort kein Zuhause, seine Eltern seien im Iran. Eine weitere Stellungnahme des Beschwerdeführers oder seines anwesenden Rechtsberaters erfolgte hierzu nicht.
2.5. Mit Bescheid vom 30.04.2019 wies das BFA den (zweiten) Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 09.04.2019 sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.). Unter Spruchpunkt VIII. wurde ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005 aufgetragen worden sei, ab 09.04.2019 in näher bezeichnetem Quartier Unterkunft zu nehmen.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im neuerlichen Asylverfahren keine asylrelevanten Gründe vorgebracht habe bzw. sich kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben habe. Dem Vorbringen, wonach der Beschwerdeführer nunmehr verheiratet sei, wurde kein Glauben geschenkt. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 sei mangels Vorliegen der Voraussetzungen nicht zu erteilten gewesen. Auch das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich habe sich seit Rechtskraft seines Vorverfahrens nicht geändert, zumal der Bruder des Beschwerdeführers selbst von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen sei. Im Falle einer zurückweisenden Entscheidung bestehe gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise. Betreffend das verhängte Einreiseverbot wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die Frist für die freiwillige Ausreise in sein Herkunftsland nicht eingehalten habe und daher unter den Anwendungsbereich des Art. 11 der Rückführungsrichtlinie falle. Zudem könne er den Besitz der Mittel für seinen Unterhalt nicht nachweisen, weshalb auch der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG erfüllt und ein Einreisverbot im genannten Umfang zu erlassen gewesen sei. Diesem Bescheid wurde das Länderinformationsblatt zu Afghanistan vom 29.06.2018, Stand:
26.03.2019, zu Grunde gelegt.
2.6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, unterstützt durch den ausgewiesenen Rechtsberater, mit Schreiben vom 30.04.2019 fristgerecht Beschwerde, in welcher der Bescheid zur Gänze in Beschwerde gezogen wird. Im Wesentlichen wird vorgebracht, dass durch die Heirat und das Zusammenlaben des Beschwerdeführers mit seiner Ehefrau in Deutschland ein schützenswertes Familienleben vorliege, welches durch eine Rückkehrentscheidung verletzt würde. Bloß aufgrund der Rücküberstellung des Beschwerdeführers von Deutschland nach Österreich könne die belangte Behörde nicht die Familieneigenschaft von Frau XXXX negieren. Zudem wurde unter Heranziehung weiterer Länderberichte auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, insbesondere in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif, bezuggenommen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul, wie sie noch im Erkenntnis vom 07.08.2018 angenommen worden sei, stehe gemäß den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 nicht mehr zur Verfügung. Auch aus diesem Grund liege keine entschiedene Sache vor. Zum erlassenen Einreiseverbot wurde ausgeführt, dass dieses nicht von § 53 FPG gedeckt sei, soweit es sich auf die verstrichene Frist für die freiwillige Ausreise beziehe. Da der Beschwerdeführer unbescholten und um eine Integration bemüht sei stehe die Dauer des Einreiseverbotes außer Relation.
2.7. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 16.05.2019 zur Entscheidung vorgelegt; über das Einlangen des vollständigen Aktes beim Bundesverwaltungsgericht per 16.05.2019 wurde das BFA am 20.05.2019 in Kenntnis gesetzt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungs- und Gerichtsakten des Beschwerdeführers (insbesondere auch zum Vorverfahren zu W134 2162189-1), Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Strafregister:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinen privaten- und familiären Verhältnissen:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans, gehört der usbekischen Volksgruppe an und ist moslemischen (sunnitischen) Glaubens. Er spricht muttersprachlich Dari. Seine Herkunftsprovinz ist XXXX , den überwiegenden Teil seines Lebens verbrachte der Beschwerdeführer jedoch im Iran, wo er im Verband seiner afghanischen Familie aufwuchs, zwei Jahre die Schule besuchte und Berufserfahrung auf Baustellen sammelte. Während seines einjährigen Aufenthalts in Afghanistan betrieb der Beschwerdeführer ein Lebensmittelgeschäft und hielt sich damals für rund ein Monat auch in Kabul auf.
Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2014 nach Österreich ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde vollinhaltlich abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.07.2018, W134 2162189-1/9E, ebenfalls abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs am 09.07.2018 in Rechtskraft.
Der Bruder des Beschwerdeführers XXXX hält sich seit etwa September 2015 ebenfalls in Österreich auf und ist Asylwerber. Es besteht kein gemeinsamer Haushalt. Es bestehen auch keine finanziellen noch sonstigen Abhängigkeiten zueinander. Weitere Verwandte oder Familienangehörige hat der Beschwerdeführer in Österreich nicht. Die Kernfamilie des Beschwerdeführers lebt im Iran.
Der Beschwerdeführer besuchte in Österreich Deutschkurse und Basisbildungskurse, weitere Bildungsmaßnahmen nahm der Beschwerdeführer nicht in Anspruch. Sprachzertifikate wurden nicht vorgelegt. Der Beschwerdeführer ist weder Mitglied in einem Verein noch in einer Organisation. Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht erwerbstätig und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.
Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig und leidet an keinen gesundheitlichen Einschränkungen.
Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer reiste im Herbst 2017 aus dem österreichischen Bundesgebiet aus und am 11.11.2017 nach Deutschland ein, wo er am 24.11.2017 ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Der Beschwerdeführer wurde am 09.04.2019 in das österreichische Bundesgebiet rücküberstellt und stellte noch am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag).
1.2. Zu den Fluchtgründen:
Eine maßgebliche Änderung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers seit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers kann nicht festgestellt werden, ebenso kann keine maßgebliche Änderung der vom Beschwerdeführer bereits im Erstverfahren vorgebrachten Fluchtgründe oder Rückkehrbefürchtungen festgestellt werden.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan eine Verfolgung aufgrund seines Aufenthaltes in Europa droht.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten wird und ihm die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen ist.
1.3. Zur maßgeblichen Lage in Afghanistan:
1.3.1. Aktualisierungen zur Sicherheitslage:
1.3.1.1. Kurzinformation vom 26.03.2019:
Anschläge in Kabul-Stadt
Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).
Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).
Überflutungen und Dürre
Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).
Friedensgespräche
Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).
Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US-Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).
Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen USVertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).
Verschiebung der Präsidentschaftswahl
Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen", welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).
1.3.1.2. Kurzinformation 01.03.2019:
Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).
Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).
Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).
Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).
Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018). Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Zivile Opfer
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;
1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).
Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).
Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).
Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019). Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).
1.3.1.3. Kurzinformation vom 31.01.2019:
Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).
1.3.1.4. Kurzinformation vom 22.01.2019:
Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.- amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Katar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).
Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).
1.3.1.5. Kurzinformation vom 08.01.2019:
Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul
Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).
Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl
Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.). Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach der Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).
1.3.1.6. Kurzinformation vom 23.11.2018:
Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).
Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).
Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefängnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).
1.3.1.7. Kurzinformation vom 29.10.2018:
Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:
Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Millionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Millionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a). Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilisten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).
Zivile Opfer
Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).
Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert:
davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018). Regierungsfeindliche Gruppierungen verursachten 65% der zivilen Opfer (5.243): davon 1.743 Tote und 3.500 Verletze. 35% der Opfer wurden den Taliban, 25% dem Islamischen Staaten - Provinz Khorasan (ISKP) und 5% unidentifizierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben (darunter 1% selbsternannten Mitgliedern des ISKP) (UNAMA 10.10.2018).
Regierungsfreundliche Gruppierungen waren für 1.753 (761 Tote und 992 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich: 16% wurden durch die afghanischen, 5% durch die internationalen Sicherheitskräfte und 1% durch regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen verursacht (UNAMA 10.10.2018).
1.3.1.8. Kurzinformation vom 19.10.2018:
Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:
Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).
Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptstädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai (SIGAR 30.7.2018), Ghazni-Stadt im August (ANSA 13.8.2018) und Sar-e Pul im September (FAZ 10.9.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).
Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).
Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.5.2018 - 30.9.2018) 1.969 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Zivile Opfer
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] bei Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018). Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).
Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).
Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und - prävention" und das Protokoll V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichne