Entscheidungsdatum
29.05.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W261 2174306-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.09.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der nunmehrige Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 28.03.2015 als Unbegleiteter Minderjähriger in die Republik Österreich ein und stellte am selben Tag gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der Erstbefragung am 28.03.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari und eines Rechtsberaters an, dass er im Jahr 2000 in der Provinz Sar-e-Pul geboren sei und Afghanistan verlassen habe, weil vor ca. 10 Jahren Taliban Kämpfer zum Haus seiner Familie gekommen seien, und den Vater bedroht und geschlagen hätten. Vor ca. zwei Jahren habe sein Vater beschlossen, dass er Afghanistan verlassen solle. Er sei dann in den Iran gegangen. Er habe in Afghanistan nicht länger in die Schule gehen können, wie er kein Geld für die Schule gehabt habe, er habe sich kein Heft und keinen Stift leisten können.
Aufgrund von Zweifeln an seiner Minderjährigkeit veranlasste das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge belangte Behörde) im Mai 2015 eine Altersfeststellung. Nach dem Ergebnis der medizinischen Untersuchungen kam der medizinische Sachverständige der medizinischen Universität Wien in seinem Gutachten vom 15.05.2015 zum Ergebnis, dass der BF zum Zeitpunkt der Untersuchung ein Alter von 17,6 Jahren aufgewiesen habe, und er auch zum Zeitpunkt der Asylantragstellung minderjährig gewesen sei. Das errechnete fiktive Geburtsdatum sein der XXXX 1997.
Der BF legte am 22.02.2017, am 08.05.2017 und am 27.07.2017 eine Reihe von Integrationsunterlagen, unter anderem A1 und A2 Zertifikate, Schulbesuchsbestätigungen der Tourismusschule XXXX , eine Schulbesuchsbestätigung der Berufsschule für Lebensmittel, Touristik und Zahntechnik in XXXX , eine Bestätigung der Lehre bei der Firma XXXX GmbH und diverse weitere Bestätigungen in Kopie vor.
Am 10.08.2017 erfolgte die niederschriftliche Ersteinvernahme des BF vor der belangten Behörde im Beisein einer Vertrauensperson sowie eines Dolmetschers für die Sprache Dari. Er gab an, er sei in der Provinz Sar-e-Pul geboren, er sei Usbeke und sunnitischer Moslem. Er habe drei Jahre lang die Schule besucht und habe in weiterer Folge seinem Vater in der Landwirtschaft geholfen. Im Iran und in der Türkei habe er als Arbeiter am Bau gearbeitet. Seine Familie lebe noch im Heimatdorf, er habe Kontakt zu dieser. Er habe Probleme mit den Taliban gehabt, diese hätten ihn mitnehmen und Waffen geben wollen. Er habe wegen des Geldes nicht mehr zur Schule gehen können. Er habe große Angst vor den Taliban gehabt, weil er gesehen habe, wie diese andere Jugendliche auf dem Weg zur Schule mitgenommen hätten. Sein Vater habe ihm zuerst nichts davon erzählt, dass die Taliban ihn hätten mitnehmen wollen, daher habe dieser veranlasst, dass der BF in den Iran gehe. Er persönlich habe keinen Kontakt zu den Taliban gehabt, diese hätten immer mit seinem Vater gesprochen. Im Falle einer Rückkehr sei er in Lebensgefahr, weil die Taliban ihn töten würden. Der BF legte eine Reihe von Integrationsunterlagen vor.
Mit Eingabe vom 18.08.2017 gab der BF eine schriftliche Stellungnahme zu den im Rahmen der Ersteinvernahme vorgelegten Länderinformationen ab. Mit Eingabe vom 13.09.2017 übermittelte der BF einen Arztbericht vom 17.08.2017, wonach der BF wegen seines Ohrs in HNO-ärztlicher Behandlung sei, und eine Kopie des Lehrvertrages für eine Kochlehre.
Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte die belangte Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt III.). Die belangte Behörde stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV).
Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle einer Rückkehr stellte die belangte Behörde insbesondere fest, der BF habe eine Furcht vor Verfolgung durch die Taliban nicht glaubhaft gemacht. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der BF einer konkreten persönlichen asylrelevanten Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt gewesen sei, bzw. eine solche zukünftig zu befürchten hätte. Er sei volljährig, arbeitsfähig und verfüge über Familie in Afghanistan. Er könne nach Sar-e-Pul zurückkehren. Er liefe nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse nicht befriedigen zu können und in eine aussichtlose Lage zu geraten.
Der BF erhob mit Eingabe vom 17.10.2017, bevollmächtigt vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen diesen Bescheid fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte nach Schilderung des Sachverhaltes begründend aus, dass die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt habe, indem sie unzureichende Länderfeststellungen herangezogen habe. Die Sicherheitslage in Afghanistan sei aufgrund der in der Beschwerde zitierten Länderinformationen so schlecht, dass eine Rückführung des BF eine Verletzung nach Art. 2 und 3 EMRK bedingen würde. Die Feststellungen seien aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens und einer mangelhaften Beweiswürdigung getroffen worden. Vielmehr habe der BF glaubhaft dargelegt, dass die Taliban seinem Vater mitgeteilt hätten, dass diese den BF mitnehmen hätten wollen, weswegen er aus Afghanistan habe flüchten müssen. Dies habe auch zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung geführt, dem BF wäre Asyl zu gewähren gewesen, zumal er nicht in seine Herkunftsprovinz zurückkehren könne und ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative auch nicht zur Verfügung stehe. Die Abschiebung nach Afghanistan würde in jedem Fall eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen, weswegen dem BF jedenfalls der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei. Jedenfalls sei die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht zulässig, weil sich der BF in Österreich bereits sehr gut integriert hat. Die belangte Behörde habe die zahlreichen, vorgelegten Integrationsunterlagen nicht hinreichend gewürdigt. Eine gesetzeskonforme Interessensabwägung hätte jedenfalls das Ergebnis gebracht, dass die Rückkehrentscheidung den BF in seinen Rechten nach Art. 8 EMRK verletzten würde, weswegen diese für unzulässig zu erklären sei, und dem BF ein Aufenthaltstitel zu erteilen sei. Es werde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt.
Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 23.10.2017 beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein.
Das BVwG führte am 08.03.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm. Der BF wurde im Beisein seiner Rechtsvertreterin und eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt und wurde ihm Gelegenheit gegeben, zu den aktuellen Feststellungen zur Situation in Afghanistan Stellung zu nehmen.
Das BVwG legte im Rahmen der Verhandlung die aktuellen Länderinformationen zu Afghanistan, genauer das Länderinformationsblatt Afghanistan in der Fassung vom 30.01.2018, einen Auszug aus der UNHCR Richtlinie vom 19.04.2016, eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 09.08.2017 zur Taliban Zwangsrekrutierung von Kindern und einen Landinfo Report Afghanistan zum Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne vor und räumte den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
Mit Eingabe vom 12.03.2018 übermittelte die belangte Behörde dem BVwG medizinische HNO Befunde über den Beschwerdeführer.
Der BF, bevollmächtigt vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, führte in seiner Stellungnahme vom 27.03.2018 im Wesentlichen aus, dass die Taliban nach den in der Stellungnahme zitierten Ausführungen von Afghanistan Experten selbst in Kabul in der Lage seien, Personen zu finden. Zudem seien Personen, die in Kabul keine familiären Bindungen und Geldmittel hätten, mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert. Auch lasse die aktuelle Sicherheits- und Versorgungslage eine Rückkehr der BF nach Afghanistan nicht zu. Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.
Das BVwG übermittelte mit Schreiben vom 17.04.2019 ergänzend das Länderinformationsblatt Afghanistan in der Fassung vom 26.03.2019, die aktuelle UNHCR Richtlinie vom 30.08.2018, Auszüge aus den aktuellen EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 und räumte den Parteien die Möglichkeit ein hierzu innerhalb einer Frist bis zum 08.05.2019 eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
Der BF führte durch seine bevollmächtige Vertretung in seiner Stellungnahme vom 08.05.2019 im Wesentlichen aus, dass der BF von den Taliban verfolgt werde, und ihn diese nach den zitierten Länderinformationen auch in Großstädten finden können würden. Der afghanische Staat könne den BF nicht vor dieser Bedrohung schützen, wie dies die zitierten Länderinformationen belegen würden. Eine Rückkehr des BF in seine Heimatprovinz sei aufgrund der prekärenSicherheitslage nicht möglich. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe dem BF nicht zur Verfügung. Er laufe als Zivilist Gefahr, Opfer von Gewalt zu werden. UNHCR stelle fest, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul nicht möglich sei. Zudem sei ihm aufgrund der Dürressituation in Mazar-e Sharif und Herat und der dort herrschenden Lebensmittelknappheit, des fehlenden Trinkwassers und der fehlenden sanitären Einrichtungen eine Neuansiedlung in diesen Städten nicht zumutbar. Er werde keinen Wohnraum finden und stehe hinsichtlich der Arbeitsfindung in Konkurrenz mit den vielen anderen Rückkehrern nach Afganistan. Die Lage für Rückkehrer nach Afghanistan sei aufgrund der Sicherheitslage und der sich zuspitzenden Versorgungslage prekär. Der BF sei besonders vulnerabel, weil er nicht auf die Unterstützung seiner Familie zurückgreifen könne, weswegen er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Falle seiner Rückkehr in eine existenzielle Notlage gerate werde. Aufgrund seines langjährigen Aufenthaltes im Westen werde er zudem in eine Außenseiterrolle gedrängt werden, die ihm den Zugang zu den ohnehin schpon beschränkten Ressourcen zusätzlich erschweren werde. Daher würden alle in der Beschwerde angeführten Anträge aufrecht erhalten werden. Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.
Das BVwG führte am 24.05.2019 eine Abfrage im GVS System durch, wonach der BF seit 28.03.2015 bis 16.07.2017 Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung bezogen habe. Seit 17.07.2017 sei er in einem Lehrverhältnis und komme selbst für seinen Unterhalt auf.
Aus dem vom BvWG am 24.05.2019 eingeholten Auszug aus dem Strafregister ist ersichtlich, dass im Strafregister der Republik Österreich für den BF keine Verurteilungen aufscheinen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers
Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , im Dorf XXXX in der Provinz Sar-e-Pul, ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Usbeken an, ist sunnitischer Moslem, gesund und ledig. Die Muttersprache des BF ist Dari. Neben seiner Muttersprache spricht der BF Usbekisch, Farsi, Türkisch, Englisch und etwas Deutsch.
Der BF wuchs in seinem Heimatdorf auf und besuchte dort für drei Jahre die Schule. Er ist ledig und kinderlos.
Der Vater des BF heißt XXXX , seine Mutter heißt XXXX . Der BF hat einen jüngeren Bruder, XXXX . Die Eltern des BF leben nach wie vor im Heimatort des BF, der Bruder hat Afghanistan verlassen. Der BF steht in regelmäßigen Kontakt mit seinen Eltern. Der Vater des BF ist als Landarbeiter tätig. Die Mutter des BF ist Hausfrau.
Die Familie des BF ist Eigentümerin eines Hauses im Heimatort des BF.
Der BF half in Afghanistan seinem Vater in der Landwirtschaft. Er war im Iran und in der Türkei insgesamt ca. zwei Jahre lang als Bauarbeiter tätig. Der BF ist Zivilist.
Der BF reiste im Jahr 2013 aus Afghanistan in den Iran aus, wo er zehn Monate in Teheran lebte und arbeitete. Er wanderte dann in die Türkei aus, wo er sich bis Anfang 2015 aufhielt und arbeitete. Er gelange über Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich, wo er am 28.03.2015 illegal einreiste und am selben einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
1.2 Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers
Das vom BF dargelegte Fluchtvorbringen betreffend die Gefahr, von den Taliban zwangsrekrutiert und getötet zu werden, ist nicht glaubhaft.
Der BF war in seinem Heimatland Afghanistan keiner psychischen oder physischen Gewalt aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt, noch hat er eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten.
Der BF wurde in Afghanistan nie persönlich bedroht oder angegriffen, es droht ihm auch künftig keine psychische und/oder physische Gewalt von staatlicher Seite, und/oder von Aufständischen, und/oder von sonstigen privaten Verfolgern in seinem Herkunftsstaat.
Es ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass konkret der BF auf Grund der Tatsache, dass er sich seit vier Jahren in Europa aufhält bzw. dass jeder afghanische Staatsangehörige, der aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt, in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre. Ebenso wenig kann mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass dem BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner "westlichen Wertehaltung" psychische und/oder physische Gewalt drohen würde.
Auch sonst haben sich keine Hinweise für eine dem BF in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.
1.3 Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der BF befindet sich seit seiner Antragstellung im März 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Er bezog seit seiner Einreise bis 16.07.2017 Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.
Der BF besuchte Deutschkurse, zuletzt auf Niveau A2, und verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache. Er besuchte den Übergangslehrgang der Tourismusfachschule in XXXX und ist seit 17.07.2017 Kochlehrling und selbsterhaltungsfähig. In seiner Freizeit besucht er das Fitnessstudio, geht laufen, spazieren oder trifft sich mit seinen Freunden. Er besuchte am 27.03.2017 einen Wertekurs für Asylwerber, absolvierte im Mai und Juni 2017 einen Erste-Hilfe-Kurs, arbeitete bei der Gemeinde XXXX am Kooperationsprojekt "Blühendes XXXX " und führte für die Gemeinde XXXX divers Tätigkeiten auf Remunerationsbasis aus. Der BF hat in Österreich keine Familienangehörigen. Neben Freundschaften konnten keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des BF in Österreich festgestellt werden.
Der BF hört am rechten Ohr schlecht.
Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.4 Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem BF bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinz Sar-e-Pul aufgrund der volatilen Sicherheitslage und der dort stattfinden willkürlichen Gewalt im Rahmen von internen bewaffneten Konflikten ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.
Dem BF steht als interstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung, wo es ihm möglich ist, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem BF droht bei seiner Rückkehr in diese Stadt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.
Der BF ist jung und arbeitsfähig. Seine Existenz kann er in Mazar-e Sharif - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden. Der BF hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen, sodass er im Falle der Rückkehr - neben den eigenen Ressourcen - auf eine zusätzliche Unterstützung zur Existenzsicherung greifen kann. Diese Rückkehrhilfe umfasst jedenfalls auch die notwendigen Kosten der Rückreise. Er hat eine drei Jahre Schulausbildung, weiters hat er bereits Berufserfahrung in der Landwirtschaft, am Bau und in der Gastronomie gesammelt, die er auch in Mazar-e Sharif wird nutzen können.
Der BF ist weitgehend gesund. Der BF läuft im Falle der Rückkehr in eine nach Mazar-e Sharif nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder dass sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern wird. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.
1.5 Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 26.03.2019, in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018, den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018, die in der Arbeitsübersetzung Landinfo report "Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vom 23.08.2017 und in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 08.09.2017 zur Zwangsrekrutierung von Kindern durch die Taliban enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:
1.5.1 Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.
1.5.1.1 Herkunftsprovinz Sar-e-Pul (auch Sar-i-Pul)
Die nördliche Provinz Sar-i-Pul (auch Sar-e-Pul), die Herkunftsprovinz des BF, war bis 1988 Teil der Provinz Jawzjan. Sie grenzt im Süden an die Provinzen Ghor und Bamyan, im Westen und im Norden an Faryab, Jawzjan und Balkh und im Osten an Samangan. Die Provinz besteht aus folgenden Distrikten: der Provinzhauptstadt Sar-i-Pul/Sar-e-Pul, Sozma Qala/Sozmaqala, Sanga Charakh/Sancharak, Sayyad/Sayad, Kohistanat/Kohestanat, Kosfandi/Gosfandi und Balkhab. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 578.639 geschätzt. In der Provinz leben Usbeken, Paschtunen, Hazara, Tadschiken und andere ethnische Gruppierungen.
Während die Provinz Sar-e-Pul im Februar und Juni 2017 noch zu den relativ friedlichen Provinzen in Nordafghanistan zählte, wurde sie im August 2017 als volatil bezeichnet. Die Sicherheitslage in der Provinz Sar-e-Pul hat sich in den letzten Jahren verschlechtert, nachdem Aufständische der Taliban und anderer regierungsfeindlicher Gruppierungen in gewissen Gegenden aktiv geworden sind. Im Zeitraum 01.01.2017-30.04.2018 wurden in der Provinz 74 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 108 zivile Opfer (67 getötete Zivilisten und 41 Verletzte) registriert. Hauptursache waren gezielte Tötungen, Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet eine Steigerung von 11% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Terroristen zu befreien; dabei werden Aufständische verhaftet und getötet. Auch werden Luftangriffe durchgeführt, dabei werden Aufständische getötet. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und den Sicherheitskräften finden statt.
Regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen sind in einigen Distrikten aktiv und führen Angriffe aus. Talibankämpfer sind in der Provinz aktiv und rekrutieren neue Anhänger. Der IS gewinnt in einigen Distrikten der Provinz Terrain. So sollen Mitglieder des IS gemeinsam mit den Taliban, zwei i. d. R. verfeindete Gruppierungen, im August 2018 einen bedeutenden Angriff verübt und zahlreiche Zivilisten getötet haben. Auch ausländische Kämpfer sollen sich dem IS in Nordafghanistan, auch in der Provinz Sar-e-Pul, angeschlossen haben. Die Islamische Bewegung Usbekistan (IMU) ist in der Provinz aktiv und hat ein Trainingscamp in Sar-e-Pul; auch wird dem Anführer der Bewegung nachgesagt, in der Provinz für den IS zu rekrutieren.
In einigen Fällen schließen sich Aufständische den Friedensprozessen in Sar-e-Pul an.
Bei der Provinz Sar-e-Pul handelt es laut den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 um einen Landesteil Afghanistans, wo willkürliche Gewalt stattfindet und allenfalls eine reelle Gefahr festgestellt werden kann, dass der BF ernsthaften Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie nehmen könnte - vorausgesetzt, dass er aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse von derartigen Risikofaktoren konkret betroffen ist.
1.5.1.2 Provinz Balkh
Hingegen handelt es sich bei der Provinz Balkh, mit deren Hauptstadt Mazar-e Sharif, laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte.
Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben.
1.5.2 Sichere Einreise
Die Stadt Mazar-e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher erreichbar. Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher.
1.5.3 Wirtschafts- und Versorgungslage
Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.
In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.
Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant.
1.5.3.1 Wirtschafts- und Versorgungslage der Provinz Sar-e-Pul
Sar-e-Pul wird als eine der ressourcenreichsten Provinzen gesehen. Sie hat große Reserven an Erdöl, Kupfer und anderen natürlichen Bodenschätzen. Mitte März wurden ca. 70.000 Obstbäume in verschiedenen Teilen der Provinz Sar-e-Pul gepflanzt; dies soll u.
a. positive Auswirkungen auf die Lage der Bauern in der Provinz haben. In der Provinz Sar-e-Pul stieg der Mohnanbau im Vergleich zu den 195 Hektar im Jahr 2014 auf 3.600 Hektar im Jahr 2017.
1.5.3.2 Wirtschafts- und Versorgungslage der Stadt Mazar-e Sharif
Mazar-e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. In Mazar-e Sharif besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Als Alternative dazu stehen ferner günstige Unterkünfte in "Teehäusern" zur Verfügung. Laut FEWs NET befand sich Mazar-e Sharif im Februar 2019 in Phase 2 des fünfteiligen Klassifizierungssystems. In Phase 2, auch "Stressed" genannt, weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und sind nicht in der Lage sich wesentliche, nicht nahrungsbezogenen Güter zu leisten ohne irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden. In Mazar-e Sharif haben die meisten Leute laut EASO Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch zu besseren Sanitäreinrichtungen. Schulische Einrichtungen sind in Mazar-e Sharif vorhanden.
1.5.4 Medizinische Versorgung
Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Mazar-e Sharif sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar. Laut einem 2018 veröffentlichten Bericht der Weltbank haben sich die Gesundheitsdienstleistungen in Afghanistan im Zeitraum 2004-2010 erheblich verbessert, diese Verbesserung hat sich im Zeitraum 2011-2016 jedoch verlangsamt. Der Bericht listet die Provinz Balkh (Mazar-e Sharif) im Zeitraum 2011-2016 unter den Provinzen mit leistungsstarken Gesundheitseinrichtungen. Viele Menschen in Afghanistan haben konfliktbedingt keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung. Medizinische Einrichtungen werden zunehmend zum Ziel von Militärangriffen.
1.5.5 Ethnische Minderheiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.
Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.
Die usbekische Minderheit ist die viertgrößte Minderheit Afghanistans und macht etwa 9% der Bevölkerung aus. Usbeken sind Sunniten und siedeln sowohl im ländlichen Raum, wie auch in urbanen Zentren (Mazar-e Sharif, Kabul, Kandahar, Laschkargah u.a.), wo ihre Wirtschafts- und Lebensformen kaum Unterschiede zu Dari-sprachigen Gruppen aufweisen. In den Städten und in vielen ländlichen Gegenden beherrschen Usbeken neben dem Usbekischen in der Regel auch Dari auf nahezu muttersprachlichem Niveau. Heiratsbeziehungen zwischen Usbeken und Tadschiken sind keine Seltenheit. Die usbekische Minderheit ist im nationalen Durchschnitt mit etwa 8% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert.
1.5.6 Religion
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten, wie es auch der BF ist.
1.5.7 Rückkehrer
In der Zeit von 2012 bis 2017 sind 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei der Großteil der Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran kommen. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. In der Provinz Balkh ließen sich von den insgesamt ca. 1,8 Millionen Rückkehrer/innen in der Zeit von 2012 bis 2017 109.845 Personen nieder.
Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen.
Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.
Die Großfamilie ist für Zurückkehrende die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.
Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.
1.5.8 Terroristische und aufständische Gruppierungen
Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte grundsätzlich vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus. Die Taliban haben hauptsächlich in Faryab und Sar-e-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten.
Berichten zufolge nutzen regierungsfeindliche Kräfte in Gebieten, in denen sie die tatsächliche Kontrolle über das Territorium und die Bevölkerung ausüben, verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern, einschließlich Maßnahmen unter Einsatz von Zwang. Personen, die sich der Rekrutierung widersetzen, sind einer Quelle zufolge ebenso wie ihre Familienmitglieder gefährdet, getötet oder bestraft zu werden. Einige Familien erhalten Geldzahlungen oder Schutz im Austausch dazu, dass sie ihre Kinder in von Taliban-geführten Schulen schicken.
Einer weiteren Quelle ist zu entnehmen, dass die Taliban eher Zuflucht zu traditionellen Systemen nehmen, wo über ein Lossystem oder per Quote rekrutiert wird. Des Weiteren gibt es auch Fälle von Familien, die sozusagen traditionell bei den Taliban sind.
Kinder aus verarmten und ländlichen Gegenden, vor allem unter Talibankontrolle, sind besonders anfällig für Rekrutierungen. Diese Kinder werden durch die Taliban indoktriniert und erhalten eine militärische Ausbildung, wie u.a. das Verwenden von kleinen Waffen sowie das Herstellen und Einsetzen von Sprengkörpern. Zwar seien Kindersoldaten im Verhaltenskodex der Taliban ausdrücklich verboten, jedoch ende ihre Definition eines Kindes, sobald jemand die Pubertät erreiche oder in der Lage sei, sich einen Bart wachsen zu lassen.
2. Beweiswürdigung:
2.1 Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Familienangehörigen, Sprachkenntnissen, der Schulbildung und Berufserfahrung des BF beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens. Die Angaben dienen zur Identifizierung im Asylverfahren.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 145/2017, (in der Folge: AsylG 2005) liegt es auch am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd § 274 ZPO zu verstehen. Ausgehend von § 274 Abs. 1 letzter Satz ZPO eignet sich nur eine Beweisaufnahme, die sich sofort ausführen lässt (mit Hilfe so genannter "parater" Bescheinigungsmittel) zum Zwecke der Glaubhaftmachung (VwGH 27.05.2014, 2014/16/0003 mwN), wobei der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner asylrechtlichen Spruchpraxis von dieser Einschränkung abweicht.
Mit der Glaubhaftmachung ist auch die Pflicht der Verfahrenspartei verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzung liefern. Insoweit trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).
Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.
Unter diesen Maßgaben ist das Vorbringen eines Asylwerbers also auf seine Glaubhaftigkeit hin zu prüfen. Dabei ist v.a. auf folgende Kriterien abzustellen: Zunächst bedarf es einer persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers, die insbesondere dann getrübt sein wird, wenn sein Vorbringen auf ge- oder verfälschte Beweismittel gestützt ist, oder er wichtige Tatsachen verheimlicht respektive bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert. Weiters muss das Vorbringen des Asylwerbers - unter Berücksichtigung der jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten - genügend substantiiert sein; dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein, muss also mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen; diese Voraussetzung ist u.a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen. Schließlich muss das Fluchtvorbringen in sich schlüssig sein; der Asylwerber darf sich demgemäß nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.
Bereits die belangte Behörde wertete das Vorbringen des BF betreffend eine asylrelevante Verfolgungsgefahr aufgrund vager Angaben sowie aufgrund von Widersprüchen als unglaubhaft.
Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 dient die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen (vgl. hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12), ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert; die Verwaltungsbehörde bzw. das BVwG können in ihrer Beweiswürdigung also durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.
Es wird im vorliegenden Fall zwar nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung BF nicht in erster Linie auf seine Fluchtgründe bezog, und diese daher nur in aller Kürze angegeben und protokolliert wurden. Ebenso wird berücksichtigt, dass der BF zum Zeitpunkt seiner Erstbefragung noch minderjährig war. Dass der BF die vorgebliche ihm drohende Zwangsrekrutierung durch die Taliban - und damit die vorgeblich eigentlichen Ausreisegründe aus Afghanistan - zunächst nicht einmal ansatzweise erwähnte, ist für das BVwG jedoch nicht nachvollziehbar. Dabei ist hervorzuheben, dass der BF trotz Müdigkeit grundsätzlich in der Lage sein muss, umfassende und inhaltlich übereinstimmende Angaben zu den konkreten Umständen und dem Grund der Ausreise aus dem Herkunftsstaat zu machen, zumal eine Person, die aus Furcht vor Verfolgung ihren Herkunftsstaat verlassen hat, gerade in ihrer ersten Einvernahme auf konkrete Befragung zu ihrer Flucht die ihr gebotene Möglichkeit wohl kaum ungenützt lassen wird, die Umstände und Gründe ihrer Flucht in umfassender und in sich schlüssiger Weise darzulegen, um den beantragten Schutz vor Verfolgung möglichst rasch erhalten zu können. Es entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine mit Vernunft begabte Person, die behauptet, aus Furcht vor Verfolgung aus ihrem Herkunftssaat geflüchtet zu sein, über wesentlich Ereignisse im Zusammenhang mit ihrer Flucht, die sich im Bewusstsein dieser Person einprägen, selbst nach einem längeren Zeitraum noch ausreichend konkrete, widerspruchsfreie und nachvollziehbare Angaben machen kann.
Dier erkennende Richterin geht vielmehr davon aus, dass der BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bei seiner Ersteinvernahme die wahren Gründe für seine Ausreise angab, dass sein Vater vor damals ca. 10 Jahren von den Taliban bedroht wurde, der BF dies jedoch nicht mitbekommen hatte. Sein Vater beschloss im Jahr 2013, dass der BF Afghanistan verlassen und in den Iran gehen soll. Der Grund dafür ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht eine Bedrohung durch die Taliban, sondern der Umstand, dass der BF und seine Familie so arm waren, dass kein Geld für eine Schulausbildung des BF zur Verfügung stand, er konnte sich nicht einmal ein Heft und einen Stift kaufen (vgl. AS 11).
Der BF übersteigerte dieses Vorbringen im Laufe des Verfahrens. So gab er bei der Erstbefragung vor der belangten Behörde am 10.08.2017 erstmals an, dass er selbst Probleme mit den Taliban gehabt habe (vgl. AS 142). Die Taliban hätten ihn mitnehmen und Waffen geben wollen (vgl. AS 142). Die Taliban hätten nicht mit ihm selbst, sondern mit seinem Vater gesprochen, der dem BF darüber nichts erzählt habe (vgl. AS 142). Nach seiner Ausreise hätten die Taliban seinen Vater damit gedroht, dass sie den BF umbringen würden, wenn er zurückkomme (vgl. AS 142). Dieses Vorbringen ist aus mehreren Gründen nicht glaubhaft. Einerseits gibt der BF selbst an, dass er persönlich nie von den Taliban bedroht worden ist (vgl. AS 143), was mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit wahr ist. Der BF war im Jahr 2012 laut dem medizinischen Sachverständigengutachten zur Altersfeststellung bereits ca. 15 Jahre alt, damit in einem Alter, in welchem ihm der "Bart zu wachsen" begann, er damit für die Taliban nicht mehr als Kind angesehen wird, wie dies aus den Länderinformationen, insbesondere aus der in den Feststellungen zitierten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 08.09.2017 zur Zwangsrekrutierung der Taliban, ersichtlich ist. Hätten die Taliban tatsächlich Interesse am BF gehabt, hätten sie diesen selbst angesprochen und zu indoktrinieren versucht, was nach den eigenen Angaben des BF nie geschah. Der Beweiswürdigung der belangten Behörde ist auch insoweit zu folgen, als im Lichte der Länderinformationen auch nicht nachvollziehbar ist, dass die Eltern des BF nach seinen eigenen Angaben nach wie vor unbehelligt in seinem Heimatdorf leben, und dies obwohl sich der BF angeblich mit Hilfe des Vaters der beabsichtigten Zwangsrekrutierung entzogen haben will.
Gleichzeitig versucht der BF bei der Ersteinvernahme seinen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eigentlichen Fluchtgrund, die finanzielle Situation seiner Familie, weswegen er keine Schule besuchen konnte, zu relativieren, indem er ausführte: "Ich konnte nicht mehr zur Schule gehen aufgrund des Geldes, aber es war machbar, dass man Geld organisieren konnte." (vgl. AS 142).
Bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG übersteigerte der BF sein Vorbringen neuerlich. Er schilderte einen Vorfall, bei dem die Taliban in das Haus seiner Familie eingedrungen seien, und den BF hätten mitnehmen wollen. Er sei damals noch sehr jung gewesen. Die Taliban hätten nach seinem Vater verlangt, um mit ihm zu sprechen, damit sie den BF mitnehmen können. Der Vater habe sich geweigert, seinen Sohn herauszugeben, woraufhin die Taliban angekündigt hätten, dass sie den BF in einer Woche abholen würden. Sein Vater habe ihm das nicht erzählt, und ihn stattdessen in den Iran geschickt. Die Taliban seien wiedergekommen und hätten den Vater geschlagen (vgl. S 11 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Der BF sei damals 12 Jahre alt gewesen (vgl. S 12 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Es sei üblich in dem Ort, in dem der BF lebte, dass die Kinder, die Waffen tragen könnten, mitgenommen werden, kleinere Kinder würden mitgenommen werden, um deren Organe zu verkaufen (vgl. S 12 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Damit gibt der BF im Widerspruch zu seinen Aussagen vor der belangten Behörde erstmals an, dass er persönlich von den Taliban bedroht worden sein soll, obwohl er dies bei der belangten Behörde noch ausdrücklich verneinte (siehe oben). Auch diese Aussagen des BF vor dem BVwG sind nicht plausibel im Lichte der ins Verfahren eingebrachten Länderinformationen. Wie schon ausgeführt, war der BF zu dem Zeitpunkt, als die Vorfälle passiert sein sollen, ein Jugendlicher. Hätten die Taliban tatsächlich Interesse an seiner Person gehabt, hätten sie ihn persönlich angesprochen und ihn versucht zu überzeugen, dass er sich ihnen anschließen soll. Das Fluchtvorbringen des BF ist sehr konstruiert und spiegelt den Versuch des BF wieder, eine asylrelevante Bedrohung durch regierungsfeindliche Kräfte darzustellen. Dieses Fluchtvorbringen ist jedoch weder schlüssig, noch nachvollziehbar noch plausibel, weswegen die entsprechende Feststellung zu treffen ist.
Im Gesamtzusammenhang betrachtet ist daher nicht davon auszugehen, dass dem BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Übergriffe durch die Taliban drohen werden.
Die Feststellungen hinsichtlich einer nicht bestehenden Gefährdung des BF aufgrund seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Asylantragstellung sowie seiner rechtswidrigen Ausreise beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten bzw. wurde vom BF auch keine über die oben dargestellten Fluchtgründe hinausgehende drohende Verfolgung substantiiert vorgebracht.
Der BF bringt in seiner Stellungnahme vom 08.05.2019 unter anderem vor, dass er zu den Personen zähle, die vermeintlich Werte oder ein Erscheinungsbild angenommen hätten, die mit westlichen Ländern in Verbindung gebracht werden würden, welche nach den UNHCR-Richtlinien als "verwestlicht wahrgenommene" Personen ein sogenanntes potentielles Risikoprofil haben würden, und er deshalb von regierungsfeindlichen Kräften angegriffen werden würde. Dazu ist festzuhalten, dass sich der BF erst seit März 2015 in Österreich aufhält und aufgrund der Kürze dieses Aufenthalts in Zusammenhang mit dem von ihm in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck nicht davon ausgegangen wird, dass der BF eine "westliche Lebenseinstellung" in einer solchen Weise übernommen hätte, dass er alleine deshalb bei einer Rückkehr einer Verfolgungsgefährdung ausgesetzt wäre. Aus den Länderberichten zu Afghanistan lässt sich nicht entnehmen, dass per se jeder Rückkehrer aus Europa, aus diesem Grund einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Der BF selbst brachte in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG auch nichts Diesbezügliches vor, und ist es auch seiner Rechtsvertretung weder in der Beschwerde noch in der Stellungnahme vom 08.05.2019 gelungen, eine derartige Verfolgung im Einzelfall glaubhaft zu machen, weswegen die entsprechende Feststellung zu treffen war.
Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid bereits richtig anführte, gibt es beim BF abseits dieser oben genannten Fluchtgründe keine besonderen Vulnerabilitäten des BF, die eine asylrelevante Verfolgung in Afghanistan wahrscheinlich erscheinen lassen. Der BF ist als Usbeke und Sunnit, somit Anhänger der Mehrheitsreligion Afghanistans, er war nach seinen eigenen Angaben nie politisch aktiv, er brachte auch keine konkret seine Person betreffenden geschlechtsspezifischen Verfolgungsgefahren vor.
2.3 Zu den Feststellungen zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Betreffend das Privatleben und insbesondere die Integration des BF in Österreich wurden dessen Angaben in der Beschwerdeverhandlung sowie die vorgelegten Unterlagen den Feststellungen zugrunde gelegt.
Dem BF ist zugute zu halten, dass er sich seit seinem Aufenthalt in Österreich um seine Integration bemühte. Er lernte Deutsch, besuchte eine Schule und es gelang ihm sogar, eine Lehrstelle als Koch zu bekommen, die er nunmehr bereits seit ca. zwei Jahren offensichtlich erfolgreich ausfüllt. Auch bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung zeigte der BF das Bild eines jungen, tüchtigen und lernbereiten Mannes, der in der Lage und willens ist, die ihm gebotenen Chancen zu nutzen.
Die Feststellung der Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.
2.4 Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Rückkehr des BF nach Afghanistan ergeben sich aus den o.a. Länderfeststellungen unter Berücksichtigung des vom BF in seiner Beschwerde, in seinen Stellungnahmen zur Gefährdungslage in Afghanistan diesbezüglich angeführten Länderberichtsmaterials in Zusammenschau mit den vom BF glaubhaft dargelegten persönlichen Umständen.
Im Einklang mit seinen Stellungnahmen kommt die erkennende Richterin unter Berücksichtigung der aktuellen Länderinformationen, wonach die Provinz Sar-e-Pul zu den relativ instabilen Provinzen im Nord Afghanistans zählt, die in den letzten Jahren eine Zunahme der durch Taliban verursachten Gewalt erlebt hat, zum Ergebnis, dass ihm eine Rückkehr in diese Provinz allein schon aufgrund der Sicherheitslage nicht möglich ist.
Entgegen den Ausführungen des BF in seinen Stellungnahmen ist es ihm hingegen möglich, in die Stadt Mazar-e Sharif als innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative zurückzukehren. Mazar-e Sharif ist, wie aus den zitierten Länderfeststellungen zu entnehmen ist, für Zivilisten, wie es der BF ist, weitgehen sicher, sodass der BF bei einer Rückkehr in diese Stadt mit keinen Eingriffen in seine körperliche Unversehrtheit zu rechnen ha