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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §46 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/08/0374Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über den Antrag des G in W, vertreten durch Mag. Ulrike Meyer, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilferstraße 1B, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG wegen Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der zur hg. Zl. 98/08/0142 protokollierten Beschwerde, und in der Beschwerdesache des Antragstellers gegen den aufgrund des Beschlusses des Ausschusses in Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 30. April 1998, Zl. LGS-W Abt. 10/1218/56/1998, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juli 1998, Zl. 98/08/0142, wurde dem Antragsteller zur Einbringung der Beschwerde die Verfahrenshilfe u.a. durch Beigebung eines Rechtsanwaltes bewilligt. Der bestellten Verfahrenshelferin wurde die Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juli 1998 zugestellt, mit der dem Antragsteller die von ihm selbst verfaßte Beschwerde gemäß § 34 Abs. 2 VwGG zur Behebung näher umschriebener Mängel zurückgestellt wurde. Dieser Auftrag wurde am 21. August 1998 der bestellten Verfahrenshelferin zugestellt und räumte eine Frist zur Behebung der bezeichneten Mängel von sechs Wochen ein. Der Mängelbehebungsauftrag enthielt u.a. den Hinweis, daß ein ergänzender Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung vorzulegen ist, die zurückgestellte Beschwerde (einschließlich der angeschlossen gewesenen, gesetzlich vorgeschriebenen Beilagen) auch dann wieder vorzulegen sei, wenn zur Ergänzung ein neuer Schriftsatz eingebracht werde und überdies eine weitere Ausfertigung der vom Beschwerdeführer selbst verfaßten Beschwerde samt Abschriften der Beilage für den Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beizubringen sei.
Der mit 24. September 1998 datierte und am 28. September 1998 zur Post gegebene Schriftsatz wurde ausdrücklich als "Beschwerde" bezeichnet und in zweifacher Ausfertigung unter Anschluß einer Bescheidausfertigung vorgelegt. Die zurückgestellte, vom Beschwerdeführer selbst verfaßte Beschwerde wurde ebensowenig vorgelegt wie eine weitere Ausfertigung derselben.
Daraufhin wurde mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 1998 das Beschwerdeverfahren eingestellt. Dieser Beschluß wurde dem Vertreter des Antragstellers am 16. November 1998 zugestellt.
Mit dem am 30. November 1998 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Antrag begehrte der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der zur hg. Zl. 98/08/0142 protokollierten Beschwerde. Darin wird ausgeführt, der Inhalt der Beschwerde sei ca. eine Woche vor Ablauf der Frist verfaßt und geprüft worden. Der Verfahrenshelfer habe in der Woche vom 21. bis 25. September 1998 eine starke Grippe gehabt und daher die Kanzlei nur aufgesucht, um die notwendigsten Erledigungen, d.h. insbesondere Fixkalender, abzufertigen. Zum Zeitpunkt der Abfertigung der gegenständlichen Beschwerde am 24. September 1998 habe der Verfahrenshelfer die inhaltlich bereits geprüfte Beschwerde aufgrund des unvorhergesehenen und unabwendbaren Ereignisses der Krankheit nicht mehr in bezug auf den Mängelbehebungsauftrag geprüft, sondern zweifach mit einer Halbschrift und der Beilage abgefertigt. Der Vertreter des Antragstellers habe ausschließlich aufgrund der Erkrankung den Mängelbehebungsauftrag bei der Abfertigung des Schriftsatzes nicht beachtet.
Der zulässige und rechtzeitige Wiedereinsetzungsantrag ist nicht begründet:
Bei einem gemäß § 34 Abs. 2 VwGG erteilten Mängelbehebungsauftrag wird die Frist zur Verbesserung nicht nur dann versäumt, wenn diesem Auftrag innerhalb der Frist überhaupt nicht, sondern auch dann, wenn ihm nur unvollständig entsprochen wurde. Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung dieser Frist ist daher zulässig; er ist nach den oben festgehaltenen Zustelldaten auch rechtzeitig.
Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Das Verschulden des Vertreters einer Partei ist einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten. Dies gilt nicht nur für gesetzliche Vertreter und Bevollmächtigte der Partei, sondern auch für ihren Verfahrenshelfer (Beschluß eines verstärkten Senates vom 19. Jänner 1977, VwSlg. N.F. 9226/A).
Der in § 46 Abs. 1 VwGG gebrauchte Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Bei Anwendung des bei beruflichen rechtskundigen Parteienvertretern gebotenen strengeren Maßstabes hätte es die dem Rechtsanwalt obliegende Sorgfaltspflicht erfordert, sich bei der Unterfertigung des Schriftsatzes zur Mängelbehebung von der ordnungsgemäßen und richtigen Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages zu vergewissern (vgl. den hg. Beschluß vom 23. Juni 1998, Zl. 98/08/0150, m.w.N.). Bei Erfüllung der dem Rechtsanwalt obliegenden Pflicht hätte ihm auffallen müssen, daß die Übermittlung der vom Antragsteller selbst verfaßten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht und der Mängelbehebungsschriftsatz nur in zweifacher Ausfertigung vorbereitet wurde. Das Außerachtlassen der gegebenenfalls erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt ist als ein den Grad minderen Versehens überschreitendes Verschulden des Vertreters des Antragstellers zu werten.
Nach dem dargestellten Vorbringen hat die Vertreterin des Antragstellers am 24. September 1998 die inhaltlich bereits geprüfte Beschwerde aufgrund der Krankheit nicht mehr in bezug auf den Mängelbehebungsauftrag geprüft, sondern zweifach mit einer Halbschrift und der Beilage abgefertigt.
Daraus erhellt aber, daß die Vertreterin des Antragstellers am 24. September 1998 den vorbereiteten und behauptetermaßen schon geprüften Schriftsatz überhaupt nicht mehr überprüft hat, sondern lediglich unterfertigt und zur Abfertigung übergeben hat. Ein solches Verhalten eines Rechtsanwaltes stellt jedenfalls ein den Grad minderen Versehens überschreitendes Verschulden dar.
Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher nicht stattzugeben.
Der neuerlich vorgelegte Beschwerdeschriftsatz ist sohin verspätet und daher jedenfalls zurückzuweisen.
Wien, am 22. Dezember 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998080373.X00Im RIS seit
03.04.2001