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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
ASVG §67 Abs10;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des H in L, vertreten durch Dr. Ernst Stolz und Dr. Sepp Manhart, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Römerstraße 19, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 30. Oktober 1996, Zl. Vd-4343/15/Kn, betreffend Haftung für Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Tiroler Gebietskrankenkasse in 6020 Innsbruck, Klara-Pölt-Weg 2), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 21. September 1995 sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, daß der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der K-Bar-Gesellschaft mbH aufgrund des § 67 Abs. 10 ASVG verpflichtet sei, an die Kasse die Rückstände an Sozialversicherungsbeiträgen von S 68.255,09 (Rest August 1993 bis einschließlich November 1993) zu bezahlen.
In dem dagegen erhobenen Einspruch führte der Beschwerdeführer aus, die K-Bar-Gesellschaft mbH sei spätestens ab Beginn des Jahres 1993 völlig illiquid gewesen, sodaß keinerlei Verbindlichkeiten mehr abgedeckt worden seien. Nur der Vollständigkeit halber sei auch angeführt, daß er durch seine "Mitgesellschafter" daran gehindert worden sei, in die finanzielle Gebarung der Gesellschaft Einblick und darauf Einfluß zu nehmen.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erließ die belangte Behörde den nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid, mit dem der Einspruch als unbegründet abgewiesen wurde.
Die belangte Behörde führte in der Begründung ihres Bescheides aus, die K-Bar-Gesellschaft mbH habe einen Barbetrieb geführt. Der Beschwerdeführer sei gemeinsam mit einer Gesellschafterin handelsrechtlicher Geschäftsführer gewesen. Bereits im Frühjahr 1993 habe sich die Gesellschaft in einer schwierigen finanziellen Situation befunden. Wegen Zahlungsunfähigkeit sei dann am 1. November 1993 der Betrieb eingestellt worden. Der Beschwerdeführer und ein weiterer Dienstnehmer seien mit dem Tag der Betriebseinstellung von der Sozialversicherung abgemeldet worden. Beide Dienstnehmer hätten auch im November 1993 von der Gesellschaft Entgelt - und zwar anteiliges laufendes Entgelt und Sonderzahlungen - erhalten. Eine weitere Dienstnehmerin sei mit 4. September 1993 von der Sozialversicherung abgemeldet worden.
Die K-Bar-Gesellschaft mbH schulde der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse die Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit August 1993 (Rest) bis einschließlich November 1993 in der Höhe von S 68.255,09 samt Nebengebühren. Die Einbringlichmachung dieser Forderung sei nicht möglich gewesen; ein Antrag auf Konkurseröffnung sei mangels hinreichenden Vermögens abgewiesen worden. Damit sei der Nachweis der Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden bei der Beitragsschuldnerin hinreichend erbracht.
Nach ständiger Rechtsprechung und Lehre treffe die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG den Geschäftsführer deshalb, weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehenden gesetzlichen Pflichten zur rechtzeitigen Abfuhr von Sozialversicherungsbeiträgen verletzt habe. Eine solche Pflichtverletzung könne darin liegen, daß der Geschäftsführer die Beitragsschulden insoweit schlechter behandle als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt läßt bzw. im Falle des Fehlens ausreichender Mittel nicht für eine zumindest anteilige Befriedigung auch der Forderungen des Sozialversicherungsträgers Sorge trage. Es sei Sache des haftungspflichtigen Geschäftsführers darzulegen, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen nicht möglich gewesen sei, widrigenfalls angenommen werden dürfe, daß er seiner Verpflichtung schuldhafterweise nicht nachgekommen sei.
Zwischen den Geschäftsführern sei eine Übertragung der gesamten Geschäftsführeragenden zwar zulässig, den Geschäftsführer treffe aber hinsichtlich des übertragenen Geschäftsbereiches eine Überwachungs- und Kontrollpflicht. Im Bereich der Sozialversicherung müsse der Geschäftsführer alle jene Pflichten erfüllen, die dem Dienstgeber nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften (§§ 33 und 58 ASVG) obliegen. Zum Pflichtenkreis des Dienstgebers gehöre insbesondere die vollständige und termingerechte Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er sei an der Geschäftsführung bzw. an der Überwachung und Ausübung der Kontrolle behindert worden und die Eheleute W. hätten die gesamten geschäftlichen Angelegenheiten erledigt, könne ihn von der Verantwortlichkeit nicht entlasten. Wenn ein Geschäftsführer in seiner Tätigkeit behindert werde, so müsse er entweder im Rechtsweg die ungehinderte Funktionsausübung erzwingen oder seine Funktion als Geschäftsführer zurücklegen.
Im vorliegenden Fall sei auch gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen worden. Es seien nämlich die Dienstnehmerentgelte bis November 1993 zur Gänze ausbezahlt und auch die Rechnungen für die Bierlieferungen bis zur Betriebseinstellung beglichen worden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte deren Behandlung ab und trat sie gemäß § 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab (Beschluß vom 24. Februar 1997, B 4914/96).
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes führt der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 18. Oktober 1995, Zl. 91/13/0037, 0038, aus, eine interne Verteilung der Geschäftsführeragenden sei geeignet, ein Verschulden des danach mit der Abgabenangelegenheit nicht betrauten Geschäftsführers an der Uneinbringlichkeit von Abgabenschuldigkeiten auszuschließen. Im Beschwerdefall werde von der Behörde nicht in Abrede gestellt, daß der Beschwerdeführer mit finanziellen Angelegenheiten nichts zu tun gehabt habe. Aus der Tatsache, daß er keinen Einblick in die Geschäftsunterlagen gehabt habe und ihm ein solcher sogar verwehrt worden sei, sei sein Verschulden an der Uneinbringlichkeit von Abgabenschuldigkeiten von vornherein nicht gegeben.
Damit verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage und den Inhalt des von ihm zitierten Erkenntnisses. In diesem Erkenntnis wird nämlich ausgesprochen, daß im Falle einer Aufteilung der Agenden zwischen mehreren Geschäftsführern einer Ges.m.b.H. im Regelfall die mit Abgabenangelegenheiten nicht befaßten Personen zur Haftung dafür nicht herangezogen werden können. Im Erkenntnis wurde aber auch ausdrücklich festgehalten, daß eine Überprüfung der Tätigkeit des mit der Entrichtung der Steuern der Gesellschaft betrauten oder hiefür verantwortlichen Geschäftsführers durch den anderen Geschäftsführer dann in Betracht kommt, wenn ein Anlaß vorliegt, an der Ordnungsmäßigkeit seiner Geschäftsführung zu zweifeln.
Die belangte Behörde ist auf das im Einspruch vorgetragene Argument eingegangen, daß der Beschwerdeführer an der Überwachung und Ausübung der Kontrolle durch die Eheleute W. behindert worden sei. Gerade dieser Umstand hätte ihn an der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung zweifeln lassen und - so auch die zutreffende Auffassung der belangten Behörde - dazu führen müssen, entweder im Rechtsweg die ungehinderte Funktionsausübung zu erzwingen oder die Funktion als Geschäftsführer zurückzulegen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 12. Mai 1992, Zlen. 92/08/0072, 0073, und vom 20. April 1993, Zl. 92/08/0173), daß es Sache des Geschäftsführers ist, im Rechtsweg die Ausübung seiner Rechte zu erzwingen oder die Geschäftsführungsbefugnis zur Vermeidung weiterreichender Haftung zurückzulegen. Wegen dieser Möglichkeiten ist die Beeinträchtigung seiner Geschäftsführung nicht geeignet, ihn von der Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG zu befreien.
Weiters macht der Beschwerdeführer geltend, eine Verletzung des Gebotes der gleichen Behandlung der Gläubiger liege nicht vor. Die K-Bar-Gesellschaft mbH sei zumindest ab August 1993 absolut zahlungsunfähig gewesen, Umsätze seien nur bis August 1993 getätigt worden. Im August 1993 sei noch ein Teil der Sozialversicherungsbeiträge bezahlt worden, offen für diesen Monat sei nur mehr ein Betrag von S 16.082,--. Ein Geschäftsführer verstoße nicht schon deshalb gegen die Gleichbehandlungspflicht, weil er einen Teil der offenen Verbindlichkeiten zur Gänze, einen anderen Teil nicht einmal teilweise, jedoch die Beitragsschulden zumindest zum Teil entrichte. Die Vorschreibung der Beiträge für den Monat August 1993 sei sohin jedenfalls rechtswidrig.
Dem ist vorerst aufgrund des vorgelegten Verwaltungsaktes entgegenzuhalten, daß die anteilige Bezahlung der Beitragsschulden für August 1993 erst im Zuge eines Exekutionsverfahrens im April 1994 erwirkt werden konnte (Stellungnahme der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 29. Oktober 1996). Dazu kommt, daß die weitere Geschäftsführerin im Rahmen der von der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung ausführte (Seite 47 des Verwaltungsaktes): "Mit dem geringen Umsatz und meinen Geldbeträgen wurden ab August 1993 Schulden der Gesellschaft beglichen." Darüber hinaus übersieht der Beschwerdeführer, daß der Geschäftsführer gegen die genannte Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Beitragsschulden mit anderen Schulden auch dann verstößt, wenn die Mittel, die ihm bei oder nach Fälligkeit der in Haftung gezogenen Sozialversicherungsbeiträge für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, er aber diese Mittel gemessen an der Liquidität und der Höhe der sonstigen Verbindlichkeiten auch nicht entsprechend anteilig für die Behandlung aller Verbindlichkeiten verwendet und dadurch die Beitragsschulden im Verhältnis zu anderen Verbindlichkeiten schlechter behandelt hat. Derartige Behauptungen und Bescheinigungen hat der Beschwerdeführer trotz Aufforderungen durch die belangte Behörde nicht vorgetragen.
Der Beschwerdeführer meint, auch die Vorschreibung der Sozialversicherungsbeiträge für November 1993 sei rechtswidrig. Der Betrieb der Gesellschaft sei am 1. November 1993 eingestellt worden. Allfällige Gehaltszahlungen am 1. November 1993 hätten sich auf Oktober 1993 bezogen. Es wäre auch unsinnig gewesen, Gelder für einen Monat zu bezahlen, in dem aufgrund der Schließung der Gesellschaft Arbeitsleistungen gar nicht mehr möglich gewesen seien.
Der Beschwerdeführer übersieht, daß die belangte Behörde davon ausging, daß zwei Dienstnehmer noch im November 1993 von der Gesellschaft Entgelt und Sonderzahlungen erhalten hätten. Diese Feststellung ist mit dem Akteninhalt in Einklang. Nach den vom ehemaligen Steuerberater der Gesellschaft vorgelegten Lohnkonto des Beschwerdeführers wurde ihm im November ein anteiliger Bruttolohn (offenbar ein Dreißigstel) und die Sonderzahlung gewährt, ebenso einem weiteren Dienstnehmer, nämlich dem erst mit 1. November 1993 abgemeldeten Peter W. Die Beiträge für November beziehen sich daher auf die allgemeinen Beiträge für diesen einen Arbeitstag und die Sonderbeiträge für die Sonderzahlungen.
Schließlich macht der Beschwerdeführer sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, ab September 1993 seien keinerlei Geldmittel aus dem Betrieb der K-Bar-Gesellschaft mbH vorhanden gewesen, um irgendwelche Schulden zu bezahlen. Gehaltszahlungen und die Begleichung der Bierlieferungen seien aus Privatmitteln erfolgt. Peter W. habe hiefür eine private Lebensversicherung aufgelöst und ein Darlehen seiner Großmutter in die Gesellschaft eingebracht. Darüber hinaus sei das Privathaus der Eheleute W. zur Schuldentilgung veräußert worden und Frau W. habe aus ihrem Einkommen als Lehrerin mehrere Zahlungen geleistet.
Auch damit kann der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen. Dieses Vorbringen ist nämlich schon dadurch widerlegt, daß Dienstnehmerentgelte bis November 1993 zur Gänze und die Rechnungen für Bierlieferungen bis zur Betriebseinstellung ebenfalls zur Gänze beglichen wurden.
Der Beschwerdeführer kann daher mit seinen Ausführungen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenbegehren der nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen mitbeteiligten Partei bezüglich des Schriftsatzaufwandes war gemäß § 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG i.d.F. BGBl. I Nr. 88/1997, der schon aus gleichheitsrechtlichen Überlegungen auch auf den im § 49 Abs. 1 erster Satz VwGG genannten Fall des § 48 Abs. 3 Z. 2 VwGG zu beziehen ist, abzuweisen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 26. Jänner 1998, Zl. 94/17/0385).
Wien, am 22. Dezember 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997080117.X00Im RIS seit
20.11.2000