TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/20 I406 2102493-1

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Veröffentlicht am 20.11.2018
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Entscheidungsdatum

20.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §10 Abs2 Z2
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I406 2102494-1/15E

I406 2102497-1/11E

I406 2102493-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. GZ 2102493-1

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL über die Beschwerde der XXXX, StA. Tunesien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.02.2015, Zl. 14-1020084406-14666572, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.07.2018, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Spruchteil des Spruchpunktes III. wie folgt lautet:

"Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 Asylgesetz 2005 wird nicht erteilt."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. GZ 2102494-1

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL über die Beschwerde des XXXX, StA. Tunesien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2015, Zl. 14-1020084504-14666599, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.07.2018, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Spruchteil des Spruchpunktes III. wie folgt lautet:

"Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 Asylgesetz 2005 wird nicht erteilt."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

III. GZ 2102497-1

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL über die Beschwerde des mj.XXXX, StA. Tunesien, vertreten durch XXXX sowie XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2015, Zl. 15-1050434302-150077405, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.07.2018, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Spruchteil des Spruchpunktes III. wie folgt lautet:

"Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 Asylgesetz 2005 wird nicht erteilt."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Erst- und zweitbeschwerdeführende Partei, beide tunesische Staatsbürger, reisten am 28.05.2014 in das Bundesgebiet ein, stellten am selben Tag die verfahrensgegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz und erklärten in der Erstbefragung am 29.05.2014 auf die Frage nach ihren Fluchtgründen, sie hätten vor drei Monaten in Tunis geheiratet, die Familie der Frau (erstbeschwerdeführende Partei) sei aber dagegen gewesen, eines Tages hätten ihre Brüder das Haus der Familie der zweitbeschwerdeführenden Partei, in dem sie, erst- und zweitbeschwerdeführende Partei, gewohnt hätten, demoliert, die Mutter der zweitbeschwerdeführenden Partei geschlagen und ihr mit dem Tod von erst- und zweitbeschwerdeführender Partei gedroht.

Im Zuge der Einvernahme durch die belangte Behörde am 12.11.2014 erstatteten dem erst- und zweitbeschwerdeführende Partei weiteres Vorbringen zu ihren Fluchtgründen.

Am XXXX wurde die drittbeschwerdeführende Partei, Sohn von erst- und zweitbeschwerdeführender Partei, geboren.

Mit angefochtenem Bescheid vom 05.02.2015 Zahl 14-1020084406-14666572, wies die belangte Behörde den Antrag der erstbeschwerdeführenden Partei auf internationalen Schutz vom 28.05.2014 gemäß § 3 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie § 8 AsylG (Spruchpunkt II.) ab, erteilte einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht, erließ eine Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Tunesien zulässig ist und stellte fest, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt III.).

Mit angefochtenen Bescheiden vom 06.02.2015 Zl, 14-1020084504-14666599 (zweitbeschwerdeführenden Partei) sowie 15-1050434302-150077405 (drittbeschwerdeführende Partei) wies die belangte Behörde deren Anträge auf internationalen Schutz vom 28.05.2014 (zweitbeschwerdeführenden Partei) sowie 16.01.2015 (drittbeschwerdeführende Partei) gemäß § 3 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie § 8 AsylG (Spruchpunkt II.) ab, erteilte Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht, erließ Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Tunesien zulässig ist und stellte fest, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt III.).

Mit Schreiben vom 20.02.2015 erhoben erst-, zweit- und drittbeschwerdeführende Partei, unterstützt durch den Verein Menschenrechte Österreich, dagegen vollinhaltlich Beschwerde.

Mit Urteil vom XXXX wurde die zweitbeschwerdeführende Partei wegen öffentlicher Vornahme einer geschlechtlichen Handlung (§ 218 Abs. 2 StGB) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Am 24.05.2017 stellte die zuständige Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen die zweitbeschwerdeführende Partei wegen fortgesetzter Gewaltausübung (§ 107b Abs. 1 StGB) ein.

Mit Schreiben vom 07.06.2018 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den beschwerdeführenden Parteie Länderfeststellungen zu ihrem Herkunftsstaat zum rechtlichen Gehör.

Am 05.07.2018 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt.

Laut Meldung einer Polizeiinspektion vom 20.09.2018 hat die zweitbeschwerdeführende Partei versucht, ihre Ehefrau durch mehrmalige Schläge am Körper zu verletzen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Personen:

Die Identität der beschwerdeführenden Parteien steht nicht fest. Soweit sie namentlich genannt werden, dient dies lediglich ihrer Identifizierung als Verfahrenspartei, nicht jedoch einer Vorfragebeurteilung im Sinn des § 38 AVG. Die beschwerdeführenden Parteien sind Staatsangehörige von Tunesien, der arabischen Volksgruppe und dem muslimischen Glauben zugehörig.

Erst- und zweitbeschwerdeführende Partei sind verheiratet, sie sind Eltern und gesetzliche Vertreter der minderjährigen drittbeschwerdeführenden Partei.

Die beschwerdeführenden Parteien haben darüber hinaus keine Angehörigen in Österreich.

Im Strafregister der Republik Österreich scheinen für die zweitbeschwerdeführende Partei folgende Verurteilungen auf:

01) LG XXXX vom XXXX RK XXXX

§ 27 (1) Z 1 8. Fall (3) SMG § 15 StGB

Datum der (letzten) Tat 05.06.2014

Freiheitsstrafe 7 Monate, davon Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu LG XXXX

Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am 04.07.2014

LG XXXX

zu LG XXXX

Probezeit des bedingten Strafteils verlängert auf insgesamt 5 Jahre

BG XXXX

02) BG XXXX

§ 12 2. Fall StGB § 127 StGB

Datum der (letzten) Tat 15.10.2014

Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Vollzugsdatum 17.03.2015

zu XXXX

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum 17.03.2015

BG XXXX

03) BG XXXX

§ 218 (2) StGB

Datum der (letzten) Tat 16.10.2016

Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Keine der beschwerdeführenden Parteien leidet an einer akuten oder lebensbedrohlichen psychischen oder physischen Erkrankung, welche ein Hindernis für eine Rückführung nach Algerien darstellen würde.

Weder Erst- noch Zweitbeschwerdeführende Partei haben eine Sprachprüfung abgelegt. Die zweitbeschwerdeführende Partei beherrscht die deutsche Sprache auf einfachem Niveau, die zweitbeschwerdeführende Partei auf sehr einfachem Niveau.

Die beschwerdeführenden Parteien bestreiten ihren Lebensunterhalt durch die Zuwendung Dritter.

1.2. Zu den Fluchtgründen:

Erst- und zweitbeschwerdeführende Partei haben keinen Fluchtgrund glaubhaft gemacht.

Nicht festgestellt werden kann somit, dass den beschwerdeführenden Parteien im Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung oder eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Prot. Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

Die beschwerdeführenden Parteien müssen nicht befürchten, in Tunesien durch staatliche Behörden verfolgt zu werden, in eine hoffnungslose Lage zu kommen, einem realen Risiko einer sonstigen Verfolgung oder einer Verletzung ihrer Rechte auf Leben, unmenschlicher Behandlung oder Folter unterworfen zu werden und/oder nicht der Todesstrafe zu unterliegen und als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes unterworfen zu sein.

Erst- und zweitbeschwerdeführende Partei haben ihr Herkunftsland aufgrund asylfremder Motive verlassen, es besteht auch zum aktuellen Zeitpunkt keine relevante Rückkehrgefährdung.

Für die drittbeschwerdeführende Partei wurden keine Fluchtgründe geltend gemacht, ebenso konnten solche von Amts wegen nicht festgestellt werden.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

2. Politische Lage

Tunesien ist gemäß der Verfassung von 2014 ein freier, unabhängiger und souveräner Staat, dessen Religion der Islam, dessen Sprache das Arabische und dessen Regierungsform die Republik ist. Die Revolution vom 14.1.2011 mit der Flucht des bisherigen Präsidenten Ben Ali hatte zu einer Phase des politischen Übergangs geführt. Ferner betont die Verfassung den zivilen und rechtsstaatlichen Charakter des Regierungssystems. Die Verfassung sieht ein gemischtes Regierungssystem vor, in dem sowohl der Präsident der Republik als auch das Parlament direkt vom Volk gewählt werden. Die Mitglieder der Regierung werden vom Präsidenten ernannt und benötigen darüber hinaus das Vertrauen des Parlaments. Der Premierminister bestimmt die Richtlinien der Politik, mit Ausnahme der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die in der Zuständigkeit des Staatspräsidenten liegen (AA 10.2017a). Die Verfassung garantiert durch eine stärkere Gewaltenteilung und die Einrichtung eines Verfassungsgerichtshofs eine bessere Kontrolle der verschiedenen Gewalten. Außerdem wurde die Gleichstellung von Frauen festgeschrieben. Bezüglich der Rolle der Religion einigten sich die Abgeordneten auf einen zwiespältigen Text, der sowohl den zivilen Charakter des Staates sowie Glaubens- und Gewissensfreiheit garantiert, als auch den Schutz des Sakralen festschreibt (GIZ 6.2018a).

Die Parlamentswahlen am 26.10.2014 konnte die säkulare Partei Nidaa Tounes mit 86 Sitzen vor der islamisch-konservativen Ennahdha mit 69 Sitzen (von insgesamt 217) für sich entscheiden (AA 10.2017a; vgl. GIZ 6.2018a). Bei den Präsidentschaftswahlen setzte sich am 21.12.2014 (Stichwahl) der Gründer der Nidaa Tounes und Übergangspremierminister von 2011 Beji Caid Essebsi gegen Übergangspräsident Moncef Marzouki durch (GIZ 6.2018a).

Aus den freien und fairen Parlamentswahlen 2014 ging eine seit 2015 regierende große Koalition unter Führung der säkular-konservativen Partei Nidaa Tounes sowie der islamischen Partei Ennahdha hervor. Seit 2016 ist eine "Regierung der nationalen Einheit" unter Premierminister Youssef Chahed (Nidaa Tounes) im Amt, die 2017 einer durchgreifenden Umbildung unterzogen wurde. Ihr Regierungsprogramm ist im sogenannten "Pakt von Karthago" niedergelegt, der von neun Parteien sowie dem Arbeitgeberverband (UTICA), dem Gewerkschaftsbund (UGTT) und dem Verband der Bauern und Fischer (UTAP) unterzeichnet wurde (AA 10.2017a).

Nach zähen Verhandlungen bildete Nidaa Tounes im Februar 2015 eine Koalitionsregierung mit Vertretern der wirtschaftsliberalen Partei Afek Tounes, der populistischen UPL und Ennahdha. Regierungschef war bis Juli 2016 der parteilose Habib Essid. Nach Druck durch Staatspräsident Essebsi, der kritisierte, dass die Regierung nicht effizient arbeite, stellte er die Vertrauensfrage, die er am 30.6.2016 verlor (GIZ 6.2018a). Seit 2016 ist eine "Regierung der nationalen Einheit" unter Premierminister Youssef Chahed (Nidaa Tounes) im Amt, die 2017 einer durchgreifenden Umbildung unterzogen wurde (AA 10.2017a).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (10.2017a): Tunesien - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tunesien-node/-/219068, Zugriff 9.10.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2018a): Tunesien - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/tunesien/geschichte-staat/, Zugriff 9.10.2018

3. Sicherheitslage

Die von der Regierung Essid als auch der Regierung Chahed angestrebte Verbesserung der Sicherheitslage im Inneren und der Anti-Terrorkampf bleiben trotz vermehrter Anstrengungen und zahlreichen Verhaftungs- und Durchsuchungsaktionen weiter eine Herausforderung. Nach den tragischen Anschlägen im Jahr 2015 auf das Bardo Museum, eine Hotelanlage in Sousse sowie einen Bus der Präsidialgarde, blieben der Großraum Tunis sowie touristische Anlagen von gezielten Terroranschlägen verschont. Dies mag auch an dem intensiven und konsequenten Vorgehen der Sicherheitskräfte liegen. Dennoch wurde durch den schweren Angriff von IS-Milizen auf die tunesisch-libysche Grenzstadt Ben Guerdane im März 2016 ein neues Kapitel der Gefährdung aufgeschlagen. Hier konnten die Sicherheitskräfte, insbesondere das Militär, den Angriff durch vermutlich ca. 100 vermeintliche IS-Kämpfer binnen kurzer Zeit niederschlagen. Dies zeigt, dass die Sicherheitskräfte sehr entschlossen gegen die latente und weiterhin präsente Gefährdung vorgehen (AA 23.4.2018).

Laut österreichischem Außenministerium gilt eine partielle Reisewarnung (Sicherheitsstufe 5) für die Saharagebiete, das Grenzgebiet zu Algerien und die westlichen Landesteile (BMEIA 9.10.2018). Reisewarnungen bestehen für die Region südlich der Orte Tozeur - Douz - Ksar Ghilane - Tataouine - Zarzis . Die militärische Sperrzone im Süden ist unbedingt zu beachten und darf außer mit Sondergenehmigung der Sicherheitsbehörden nicht bereist werden (BMEIA 9.10.2018; vgl. AA 9.10.2018). Mit gewaltsamen Aktionen von Terrororganisationen ist zu rechnen.. Das militärische Sperrgebiet an der Grenze zu Algerien in der Nähe des Berges Chaambi ist teilweise vermint und kann von den Sicherheitskräften kurzfristig ausgedehnt werden. Im Westen des Landes ist mit verstärkter Militär- und Polizeipräsenz zu rechnen; es finden bewaffnete Auseinandersetzungen mit Terroristengruppen statt. Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) im Rest des Landes - bis auf die Touristenzonen (BMEIA 9.10.2018).

Der seit Ende 2015 verhängte Ausnahmezustand wurde erneut bis zum 6.11.2018 verlängert. Begründet wird dies mit den Erfordernissen der Terrorismusbekämpfung und der organisierten Kriminalität. Dazu ist anzumerken, dass der Ausnahmezustand - auch wenn er den Sicherheitskräften weitreichendere Prärogative einräumt - auf das tägliche Leben keine bemerkbaren Auswirkungen hat und im öffentlichen Leben kaum wahrgenommen wird (ÖB 16.10.2018). Das deutsche Auswärtige Amt rät von Reisen in die Gebirgsregionen nahe der algerischen Grenze, im Bereich von El Aioun bis Kasserine aufgrund von möglichen bewaffneten Auseinandersetzungen mit dort operierenden Terrorgruppen ab. Im Westen des Landes ist jenseits der Hauptverkehrsrouten generell besondere Vorsicht anzuraten. Aufgrund der weiterhin angespannten Lage, wird bei Reisen in die Stadt und die Region um Ben Guerdane zu besonderer Vorsicht geraten (AA 9.10.2018).

Aufgrund sozial-ökonomisch bedingter Protestbewegungen war es 2017 schon in den Regionen um Tataouine und Kebili im Süden des Landes zu spontanen Straßenblockaden und gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gekommen (AA 9.10.2018).

Die Sicherheitslage ist nach wie vor prekär, geprägt von täglichen Sicherheitsoperationen von Militär und Polizei und Meldungen über vereitelte Anschläge. Die Sorge der Infiltration aus Libyen und anderen Konfliktzonen zurückkehrenden Islamisten tunesischen Ursprungs ist groß. Auch mithilfe ausländischer logistischer Unterstützung wurde die Grenzkontrolle drastisch erhöht (ÖB 10.2017). Neben dem IS sind weiterhin Gruppen aktiv, die Al Qaida, oder anderen extremistisch-islamistischen Ideologien angehören. Beim mit Algerien seit Jahren geführten gemeinsamen Kampf gegen terroristische Gruppierungen im Grenzbereich besteht ein Pattverhältnis, das die Bewegungsfreiheit der Terrorzellen weitgehend einschränkt, aber nicht verhindert. Dennoch sind die Sicherheitskräfte auch hier bemüht, die Situation zunehmend unter Kontrolle zu bringen, wobei das Gelände den Terrorzellen gute Rückzugsmöglichkeiten bietet. Die Sicherheitslage in Libyen verfolgt die tunesische Regierung mit großer Sorge. Die Sicherheitskräfte an der Grenze zu Libyen, einschließlich Militär, wurden daher erheblich verstärkt (AA 23.4.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (23.4.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Tunesien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432981/4598_1526980268_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-tunesien-stand-dezember-2017-23-04-2018.pdf.

Zugriff 28.9.2018

-AA - Auswärtiges Amt (28.9.2018): Tunesien - Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tunesien-node/tunesiensicherheit/219024, Zugriff 28.9.2018

-BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (9.10.2018): Tunesien - Reiseinformationen, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/tunesien/, Zugriff 9.10.2018

-ÖB - Österreichische Botschaft Tunis (10.2017): Asylländerbericht Tunesien

-ÖB - Österreichische Botschaft Tunis (16.10.2018): Auskunft via Mail vom 16.10.2018

4. Rechtsschutz / Justizwesen

Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018, AA 23.4.2018). Im Allgemeinen respektiert die Regierung die richterliche Unabhängigkeit auch in der Praxis (USDOS 20.4.2018). Allerdings schreitet die Justizreform seit der Revolution nur langsam voran (FH 1.2018; vgl. AA 23.4.2018). Der Oberste Justizrat konnte seine Arbeit als neues Selbstverwaltungsorgan der Justiz erst aufnehmen, nachdem eine Gesetzesänderung die internen Konflikte der Richterschaft neutralisiert hatte. Als nächster Schritt soll die Konstituierung eines ordentlichen Verfassungsgerichts erfolgen; bislang wacht eine provisorische Instanz über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen vor ihrem Inkrafttreten (AA 23.4.2018).

Auch weiterhin finden sich zahlreiche Richter aus der Ben-Ali-Ära auf der Richterbank, und aufeinander folgende Regierungen versuchen regelmäßig, die Gerichte zu manipulieren. Mit den 2016 verabschiedeten Rechtsvorschriften wurde der Oberste Justizrat eingesetzt, der für die Gewährleistung der Unabhängigkeit der Justiz und die Ernennung der Richter des Verfassungsgerichts zuständig ist. Die Ratsmitglieder wurden im Oktober 2016 von Tausenden von Juristen gewählt. Das Gericht, das die Verfassungsmäßigkeit von Dekreten und Gesetzen bewerten soll, wurde jedoch weder eingerichtet noch formell ernannt (FH 1.2018).

Gesetzlich ist ein faires Verfahren vorgesehen, und die unabhängige Justiz gewährleistet dieses üblicherweise auch in der Praxis. Gemäß Angeklagten sind die gesetzlich garantierten Rechte nicht immer gewährleistet. Es gilt die Unschuldsvermutung. Angeklagte haben das Recht auf einen öffentlichen Prozess sowie auf einen Anwalt, der nötigenfalls aus öffentlichen Mitteln bereitgestellt werden muss. Sie haben das Recht, zu Zeugenaussagen Stellung zu nehmen und eigene Zeugen aufzurufen. Sie müssen in Beweismittel Einsicht nehmen können und müssen über die gegen sie erhobenen Anklagepunkte informiert werden. Des Weiteren muss ihnen ausreichend Zeit zur Vorbereitung der Verteidigung gewährt werden (USDOS 20.4.2018).

Der bereits mehrfach verlängerte Ausnahmezustand, der im Jahr 2015 verhängt worden war, gibt der Polizei ein breites Mandat für Verhaftungen und Inhaftierungen bei sicherheits- oder terrorismusbezogenen Verdachtsfällen (FH 1.2018; vgl. ÖB 10.2017).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (23.4.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Tunesien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432981/4598_1526980268_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-tunesien-stand-dezember-2017-23-04-2018.pdf.

Zugriff 9.10.2018

-FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Tunisia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1426446.html, Zugriff 9.10.2018

-ÖB - Österreichische Botschaft Tunis (10.2017): Asylländerbericht Tunesien

-USDOS - U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Tunisia, https://www.ecoi.net/en/document/1430358.html, Zugriff 9.10.2018

5. Sicherheitsbehörden

Dem Innenministerium untersteht die Polizei (Exekutivfunktion in Städten) und die Nationalgarde bzw. Gendarmerie (Exekutivfunktion in ländlichen Gebieten und Grenzsicherung). Zivile Behörden kontrollieren den Sicherheitsapparat, wiewohl es gemäß NGOs vereinzelt zu Misshandlungen von Häftlingen kommt (USDOS 20.4.2018; vgl. GIZ 6.2018a). Es mangelt an effektiven Strafverfolgungs- und Strafmechanismen bei Vergehen seitens der Sicherheitskräfte, und diesbezügliche interne Untersuchungen sind von einem Mangel an Transparenz geprägt (USDOS 20.4.2018).

Der Sicherheitsapparat war unter dem Ben Ali-Regime allgegenwärtig und sicherte dessen Machterhalt. Die Rolle der Sicherheitskräfte während des Umsturzes, aber teilweise auch bei gewaltsam aufgelösten Demonstrationen gegen die ersten beiden Interimsregierungen im Frühjahr 2011, vertieften den Vertrauensverlust der Bevölkerung gegenüber den Sicherheitsorganen, insbesondere der Polizei und den Sondereinheiten des Innenministeriums. Die Kluft zwischen Innenbehörden und Bevölkerung konnte auch durch die Auflösung der Geheimpolizei ("police politique"), die Symbol der staatlichen Repression war, nicht wieder geschlossen werden. Die Demonstranten forderten u.a. den Austausch von führenden Mitarbeitern im Innenministerium. Diese Forderung wurde zunächst nicht im erhofften Maße umgesetzt. Erst mit einiger Verspätung zog das Innenministerium personelle Konsequenzen und Verantwortliche auf verschiedenen Ebenen wurden umgesetzt, entlassen oder in den Vorruhestand versetzt. Eine von allen internationalen Partnern für notwendig erachtete umfassende Reorganisation des tunesischen Innenministeriums einschließlich der nachgeordneten Behörden wurde bislang noch nicht angegangen, es wurde aber im Sommer 2015 ein internationaler Kooperationsmechanismus etabliert, der zu mehr Transparenz und Koordination der Unterstützung führte (AA 23.4.2018).

Das Militär genießt aufgrund seiner zurückhaltenden Rolle während der Revolution 2011 ein sehr hohes Ansehen in der Bevölkerung, welches bis dato anhält. So besagen Umfragen aus September 2016, dass 98,5% der Bevölkerung Vertrauen in die Armee haben. Durch die derzeit starke Einbindung des Militärs in den Antiterrorkampf als auch bei der Sicherung der Grenzen (so ist z.B. der Süden Tunesiens militärische Sperrzone) ist das Militär nach wie vor wichtiger Stützpfeiler der äußeren aber auch der inneren Sicherheit (AA 23.4.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (23.4.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Tunesien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432981/4598_1526980268_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-tunesien-stand-dezember-2017-23-04-2018.pdf.

Zugriff 9.10.2018

-GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2018a):

Tunesien, Geschichte & Staat,

https://www.liportal.de/tunesien/geschichte-staat/, Zugriff 9.10.2018

-USDOS - U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Tunisia, https://www.ecoi.net/en/document/1430358.html, Zugriff 9.10.2018

6. Folter und unmenschliche Behandlung

Artikel 23 der tunesischen Verfassung vom 26.1.2014 garantiert den Schutz der Menschenwürde und der körperlichen Unversehrtheit, verbietet seelische oder körperliche Folter und schließt eine Verjährung des Verbrechens der Folter aus. Mit der Ratifizierung des Zusatzprotokolls zur Konvention der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe am 29.6.2011 hat sich Tunesien zur Einrichtung eines nationalen Präventionsmechanismus verpflichtet. Eine innerstaatliche gesetzliche Grundlage wurde 2013 geschaffen. 2016 schließlich wählte das Parlament die Mitglieder der neuen "Nationalen Instanz zur Verhütung von Folter". Zu ihren Hauptaufgaben gehören unangemeldete Besuche an allen Orten des Freiheitsentzugs (AA 23.4.2018).

Auch wenn NGOs in den vergangenen Jahren einen Rückgang an Folterfällen festgestellt haben, so gibt es weiterhin glaubwürdige Berichte über Misshandlungen von Inhaftierten durch die Sicherheitskräfte (USDOS 20.4.2018). Es gab Berichte über Folter und andere Misshandlungen, ohne dass die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurden (AI 22.2.2018). Tunesische und internationale Medien sowie spezialisierte NGOs, wie die Organisation Mondiale contre la Torture (OMCT) oder die Organisation contra la Torture en Tunisie (OCTT), berichten kontinuierlich über entsprechende Einzelfälle sowie Bestrebungen, rechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen einzuleiten. Bislang sei es jedoch in keinem einzigen Fall gelungen, eine Verurteilung von Amtspersonen oder ehemaligen Amtspersonen wegen Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung zu erreichen. Abstrakte Befürchtungen, dass diese Delikte wieder zunehmen könnten, werden vor allem im Zusammenhang mit Terrorabwehrmaßnahmen geäußert (AA 23.4.2018; vgl. USDOS 20.4.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (23.4.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Tunesien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432981/4598_1526980268_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-tunesien-stand-dezember-2017-23-04-2018.pdf.

Zugriff 3.10.2018

-AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Tunisia„ http://www.ecoi.net/local_link/336537/479211_de.html, Zugriff 3.10.2018

-USDOS - U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Tunisia, https://www.ecoi.net/en/document/1430358.html, Zugriff 3.10.2018

7. Korruption

Tunesien nimmt auf dem Corruption Perceptions Index von Transparency International (2017) Platz 74 von 180 ein (TI 21.2.2018). Das Land schneidet nach dem Umbruch 2011 schlechter ab als noch unter Ben Ali. Vor allem die sogenannte kleine Korruption hat seitdem zugenommen. Im Alltag sind insbesondere Verkehrsdelikte und Verwaltungsangelegenheiten von Korruption betroffen, wo oft bestochen wird, um Verfahren zu beschleunigen oder Strafzetteln zu entgehen (GIZ 6.2018a). Die Korruption bestimmt den sozialen Alltag von der banalen Bestechung eines Polizisten, bis zur Einschulung der Kinder in eine gut beleumundete Schule oder der Vergabe schlechter Schulnoten durch Lehrer/innen, die sich durch Nachhilfestunden ihr Gehalt aufbessern (ÖB 10.2017).

Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Beamte vor, und die Regierung hat einige Vorkehrungen getroffen, um diese Gesetze umzusetzen, obwohl sie nicht immer wirksam sind. So hat die Regierung unter der Leitung des Premierministers z.B. eine Antikorruptionskampagne gestartet (USDOS 20.4.2018). Die Instanz zur Korruptionsbekämpfung sensibilisiert für das Thema und übergibt regelmäßig mutmaßliche Korruptionsfälle an die Justiz, wo diese jedoch nicht prioritär behandelt werden. Ende Mai 2017 hat die Regierung eine Kampagne gegen korrupte Geschäftsleute gestartet (GIZ 6.2018a). Eine Reihe von Verhaftungen und Ermittlungen richteten sich auch gegen Politiker, Journalisten, Polizisten und Zollbeamte. Zu den Vorwürfen gehörten Veruntreuung, Betrug und die Annahme von Bestechungsgeldern (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

-GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2018a):

Tunesien, Geschichte & Staat,

https://www.liportal.de/tunesien/geschichte-staat/, Zugriff 28.9.2018

-ÖB - Österreichische Botschaft Tunis (10.2017): Asylländerbericht Tunesien

-TI - Transparency International (21.2.2018): Corruption Perceptions Index 2017,

https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2017, Zugriff 28.9.2018

-USDOS - U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Tunisia, https://www.ecoi.net/en/document/1430358.html, Zugriff 28.9.2018

8. NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Eine Vielzahl nationaler und internationaler NGOs untersucht Menschenrechtsfälle und publiziert ihre Ergebnisse ohne Restriktionen durch die Regierung. Regierungsbeamte sind üblicherweise kooperativ und reagieren auf ihre Ansichten (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 23.4.2018). Die seit der Revolution sehr aktiv gewordene Zivilgesellschaft trägt ihren Beitrag zur Anprangerung und Bekämpfung von Missständen bei, hat jedoch noch nicht genügend Einfluss auch tatsächlich spürbare Änderungen in Richtung mehr Respekt von bürgerlichen Rechten und Freiheiten herbeizuführen (ÖB 10.2017).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (23.4.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Tunesien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432981/4598_1526980268_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-tunesien-stand-dezember-2017-23-04-2018.pdf.

Zugriff 3.10.2018

-ÖB - Österreichische Botschaft Tunis (10.2017): Asylländerbericht Tunesien

-USDOS - U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Tunisia, https://www.ecoi.net/en/document/1430358.html, Zugriff 3.10.2018

9. Wehrdienst und Rekrutierungen

Die tunesische Armee (Forces Armees Tunisiens, FAT) besteht aus den Landstreitkräften, der Marine und der Luftwaffe. Der verpflichtende Wehrdienst dauert ein Jahr und muss von männlichen Staatsbürgern im Alter von 20-23 Jahren abgeleistet werden. Freiwillig kann man sich bereits ab 18 Jahren zum Militärdienst melden. Die tunesische Staatsbürgerschaft ist Voraussetzung (CIA 26.9.2018; vgl. ÖB 10.2017, AA 23.4.2018).

Die einjährige Wehrpflicht kann auch in den Arbeitsverbänden des "Service National" abgeleistet werden. Einberufene können aufgrund von Freistellungsregelungen Teile der Wehrpflichtzeit durch Zahlung von entsprechenden Beiträgen verkürzen (AA 23.4.2018). Tunesien verfügt über eine "selektive" Wehrpflicht, was de facto bedeutet, dass die Mehrheit der Wehrpflichtigen nur einen einmonatigen Wehrdienst leisten und sich mittels Sondersteuer von den übrigen 11 Monaten befreien. Das Gesetz sieht zahlreiche Ausnahmen vor: so sind junge Männer in Ausbildung, Familienerhalter, über 30jährige, rechtmäßig sich im Ausland Aufhaltende, u.a. vom Wehrdienst befreit. Gehaltsbezieher können sich vom Wehrdienst befreien indem sie einen Teil Ihres Bezugs zugunsten der Sozialkassen der Armee abführen. Die aktuelle Sicherheitslage hat zu einer grundlegenden Änderung des verpflichtenden Wehrdienstes geführt: de facto werden nur noch sich freiwillig Stellende und diese nur nach einer genauen Sicherheitsüberprüfung eingezogen. (ÖB 10.2017).

Zum 1.7.2011 ist ein Wehrsold eingeführt worden. Seit März 2003 gibt es auch für junge Frauen die Möglichkeit zur Ableistung des Wehrdienstes. Kriegsdienstverweigerung und Fahnenflucht sind strafbar, entsprechende Verurteilungen aber nicht bekannt (AA 23.4.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (23.4.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Tunesien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432981/4598_1526980268_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-tunesien-stand-dezember-2017-23-04-2018.pdf, Zugriff 2.10.2018

-CIA - Central Intelligence Agency (26.9.2018): The World Factbook - Tunisia,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ts.html, Zugriff 2.10.2018

-ÖB - Österreichische Botschaft Tunis (10.2017): Asylländerbericht Tunesien

10. Allgemeine Menschenrechtslage

Seit dem Volksaufstand und dem Beginn der Demokratisierung 2010/11 hat Tunesien deutliche Fortschritte beim Schutz der Menschenrechte gemacht (AA 10.2017a; vgl. GIZ 9.2018a). Die tunesische Verfassung vom 26.1.2014 enthält umfangreiche Garantien bürgerlicher und politischer sowie wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Grundrechte. Tunesien hat die meisten Konventionen der Vereinten Nationen zum Schutz der Menschenrechte einschließlich der entsprechenden Zusatzprotokolle ratifiziert. Vereinzelt noch bestehende Vorbehalte wurden 2011 größtenteils zurückgezogen (AA 23.4.2018; vgl. AA 10.2017a). Eine ständige Herausforderung bleibt die Anpassung der nationalen Rechtsordnung an die neue Verfassung sowie internationale Standards. Wesentliche Problemfelder bleiben Defizite beim Schutz vor Folter und unmenschlicher Behandlung - vor allem im Kontext der Terrorabwehr sowie immer wieder aufflammender sozialer Unruhen (AA 10.2017a).

Tunesien verfügt über eine Reihe an Institutionen, die sich mit Menschenrechten befassen. Das Land schneidet allerdings auch nach dem Umbruch in den Berichten internationaler Menschenrechtsorganisationen regelmäßig schlecht ab. Eingeschränkte Presse- und Meinungsfreiheit, Folter von Häftlingen und Attacken gegen Oppositionelle listet der aktuelle Jahresbericht von Amnesty International auf. Auch laut der Internationalen Menschenrechtsliga (FIDH) kommt es nach wie vor zu Menschenrechtsverletzungen (GIZ 9.2018a).

Im Vergleich zu den weitreichenden Einschränkungen von Meinungs- und Pressefreiheit vor der Revolution 2011 haben sich die Bedingungen für unabhängige Medienberichterstattung in den letzten Jahren grundlegend verbessert. Sowohl wurden wichtige rechtliche Grundlagen zum Schutz der freien Presse geschaffen, als auch die offiziellen und informellen Strukturen, die zur Unterdrückung freier Meinungsäußerung eingesetzt wurden, größtenteils abgeschafft. Die Meinungs- und Pressefreiheit, sowie auch das Recht auf Zugang zu Informationen und Kommunikationsnetzwerken wurden in den Artikeln 31 und 32 der Verfassung von 2014 ausdrücklich gestärkt. Die Medien berichten frei und offen in unterschiedlicher Qualität. Auch die Regierung kommuniziert besser. Lediglich im Bereich Zugang zu Information und Kenntnis darüber gibt es Verbesserungsbedarf (AA 23.4.2018). Allerdings verlängerten die Behörden 2017 den Ausnahmezustand erneut und legitimierten damit willkürliche Einschränkungen (AI 22.2.2018).

Die Öffnung der Medienszene hat in den letzten Jahren zum Entstehen einer lebendigen, teilweise wildwüchsigen Medienlandschaft geführt, die Missstände offen thematisiert (AA 23.4.2018). Gesetzlich sind Meinungs- und Pressefreiheit somit gewährleistet und die Regierung respektierte diese Rechte im Allgemeinen, wiewohl es weiterhin Restriktionen gibt (USDOS 20.4.2018). Diese Restriktionen finden sich z. B. in Bezug auf sicherheitsrelevante Themen. Seit den Ausweitungen der Antiterrormaßnahmen hat sich diese Tendenz verstärkt. Journalisten und Blogger, die Kritik an Sicherheitskräften üben, müssen weiterhin mit Strafen rechnen. Ebenso existieren weiterhin Einschränkungen bei der Kritik an der Religion. Rechtlich verankert ist dies u.a. in Artikel 6 der Verfassung, der den "Schutz des Sakralen" garantiert. Blogger und Journalisten erhalten weiterhin Morddrohungen aus dem radikal-islamistischen Lager, wenn sie sich kritisch zur Religion positionieren (AA 23.4.2018). Während Online- und Printmedien häufig regierungskritische Artikel veröffentlichen, üben Journalisten und Aktivisten dennoch zeitweise Selbstzensur als Resultat von Gewaltakten gegen Journalisten. Meinungsäußerungen, die "die öffentliche Ordnung oder Moral verletzen" oder "absichtlich Personen stören, auf eine Art und Weise, die den öffentlichen Anstand beleidigen" stehen weiterhin unter Strafe (USDOS 20.4.2018).

Die staatliche "Agence Tunisienne d'Internet" (ATI) hat sich zur Gewährleistung eines freien Internetzugangs verpflichtet. Internetseiten mit kritischer Berichterstattung zu Tunesien sind ohne Einschränkungen zugänglich (AA 23.4.2018).

Die Verfassung garantiert das Recht auf friedliche Versammlungen und Demonstrationen (AA 23.4.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Zu Einschränkungen kam es mehrfach während des Ausnahmezustands, der seit November 2015 immer wieder verlängert wurde. Zeitweise war dies mit einer nächtlichen Ausgangssperre im Großraum Tunis verbunden. Die Sicherheitsbehörden verhielten sich in der Vergangenheit während des Ausnahmezustands zum Teil widersprüchlich. De jure wurden öffentliche Versammlungen und Demonstrationen wiederholt verboten. De facto verzichtete man jedoch darauf, trotz Verbots anberaumte Veranstaltungen gewaltsam aufzulösen (AA 23.4.2018).

Vereinigungsfreiheit ist gesetzlich gewährleistet (AA 23.4.2018; vgl. USDOS 20.4.2018) und in der Praxis üblicherweise nicht eingeschränkt. Nach dem neuen Vereinsrecht können alle Arten von Vereinigungen gegründet und zugelassen werden (AA 23.4.2018).

Die primäre Behörde der Regierung zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen und zum Kampf gegen Bedrohungen der Menschenrechte ist das Justizministerium. Das Ministerium versagt allerdings dabei, Fälle von Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Innerhalb des Präsidentenbüros ist der Hohe Ausschuss für Menschenrechte und Grundfreiheiten eine von der Regierung finanzierte Agentur, die mit der Überwachung der Menschenrechte und der Beratung des Präsidenten betraut ist. Das Ministerium für die Beziehungen zu den Verfassungsorganen, der Zivilgesellschaft und den Menschenrechten ist für die Koordinierung der Regierungsaktivitäten im Zusammenhang mit den Menschenrechten zuständig. Die Wahrheits- und Würdekommission (IVD) wurde 2014 gegründet, um schwere Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen (USDOS 23.4.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (23.4.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Tunesien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432981/4598_1526980268_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-tunesien-stand-dezember-2017-23-04-2018.pdf, Zugriff 3.10.2018

-AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Tunisia, https://www.ecoi.net/en/document/1425115.html, Zugriff 3.10.2018

-GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2018a):

Tunesien, Geschichte & Staat,

https://www.liportal.de/tunesien/geschichte-staat/, Zugriff 28.9.2018 , Zugriff 3.10.2018

-USDOS - U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Tunisia, https://www.ecoi.net/en/document/1430358.html, Zugriff 3.10.2018

11. Haftbedingungen

Die Haftbedingungen in den Haftanstalten, bzw. Justizvollzugsanstalten entsprechen zumeist nicht internationalen Standards, primär aufgrund von Überbelegung und mangelhafter Infrastruktur (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 23.4.2018). Die 27 tunesischen Haftanstalten (plus 6 Zentren für Minderjährige) sind chronisch überbelegt (AA 23.4.2018; vgl. ÖB 10.2017). Laut Generaldirektor für Gefängnisse und Rehabilitation (DGPR) sank die Rate der Gefängnisüberfüllung von 155 Prozent im Jahr 2016 auf 114 Prozent im September 2017 (USDOS 20.4.2018). Laut einer in der Presse zitierten Äußerung des Justizministers im November 2016 befanden sich damals ca. 22.000 Häftlinge in tunesischen Gefängnissen, davon ca. 10.000 rechtskräftig verurteilt. Laut inoffizieller Mitteilung der zentralen Gefängnisverwaltung stehen für die 22.000 Häftlinge allerdings nur 11.000 Betten zur Verfügung. Die hygienischen Verhältnisse entsprechen nicht internationalen Standards (AA 23.4.2018). Die den Häftlingen zur Verfügung stehende Gesundheitsversorgung bleibt unzureichend. Allerdings wurden viele Gefängnisse renoviert und um ein neues Gesundheitszentrum erweitert. (USDOS 20.4.2018).

Seit 2005 besteht eine Vereinbarung zwischen der Regierung und dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK), die es dem IKRK ermöglicht, die Haftanstalten zu besuchen und der Regierung periodisch zu berichten; diese Möglichkeit wird seither auch regelmäßig genutzt (AA 23.4.2018). Weiters gewährt die Regierung unabhängigen nichtstaatlichen Beobachtern, darunter lokalen und internationalen Menschenrechtsgruppen, NGO, lokalen Medien und dem Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte Zugang zu den Gefängnissen (USDOS 20.4.2018).

Das Gesetz verlangt, dass Untersuchungshäftlinge getrennt von verurteilten Häftlingen festgehalten werden, aber das Justizministerium berichtete, dass dies wegen Überbelegung nicht möglich ist (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (23.4.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Tunesien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432981/4598_1526980268_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-tunesien-stand-dezember-2017-23-04-2018.pdf, Zugriff 3.10.2018

-ÖB - Österreichische Botschaft Tunis (10.2017): Asylländerbericht Tunesien

-USDOS - U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Tunisia, https://www.ecoi.net/en/document/1430358.html, Zugriff 3.10.2018

12. Todesstrafe

Das tunesische Strafgesetzbuch von 1913 sieht in seiner geltenden Fassung die Todesstrafe für Mord, Vergewaltigung mit Todesfolge sowie Landesverrat vor. Neue Straftatbestände, für die eine Sanktionierung mit der Todesstrafe vorgesehen ist, wurden durch das am 7.8.2015 in Kraft getretene Gesetz gegen Terrorismus und Geldwäsche geschaffen. Eine verfassungsrechtliche oder gesetzliche Aufhebung der Todesstrafe wurde in der Phase des demokratischen Übergangs seit 2011 diskutiert, fand jedoch in der Verfassungsgebenden Versammlung keine Mehrheit (AA 23.4.2018). Die Todesstrafe wird weiterhin verhängt, jedoch nicht mehr vollstreckt. Die letzte Vollstreckung fand 1991 statt. Seitdem befolgt Tunesien ein Moratorium über die Vollstreckung der Todesstrafe. Jede verhängte Todesstrafe wird in eine lebenslange oder zeitige Freiheitsstrafe umgewandelt (AA 23.4.2018; vgl. AI 22.2.2018, ÖB 10.2017).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (23.4.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Tunesien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432981/4598_1526980268_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-tunesien-stand-dezember-2017-23-04-2018.pdf, Zugriff 2.10.2018

-AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Tunisia, https://www.ecoi.net/en/document/1425115.html, Zugriff 2.10.2018

-ÖB - Österreichische Botschaft Tunis (10.2017): Asylländerbericht Tunesien

13. Religionsfreiheit

Tunesien ist zu weiten Teilen muslimisch. 98-99% der Bevölkerung sind Muslime - mehr oder weniger praktizierend. Die meisten sind Sunniten. Neben Muslimen leben in Tunesien rund 25.000 Christen (zum Großteil Katholiken), wobei die Gemeinden zum Großteil aus ausländischen Bürgern bestehen. 1.500 Juden leben in Tunesien, die meisten im Großraum Tunis und auf der Insel Djerba, wo sich auch mit der La Ghriba-Synagoge eine wichtige Pilgerstätte für Juden aus aller Welt befindet. Sie gilt als die älteste erhaltene Synagoge in Nordafrika (GIZ 9.2018b; vgl. AA 23.4.2018). Des Weiteren gibt es noch Schiiten und Baha'is (USDOS 29.5.2018).

Der Islam ist offizielle Religion Tunesiens und der Staatspräsident muss laut Verfassung Muslim sein (GIZ 9.2018b; vgl. USDOS 29.5.2018). Allerdings ist die freie Religionsausübung in der Verfassung garantiert (GIZ 9.2018b; vgl. AA 23.4.2018); Religions- und Weltanschauungsfreiheit wird in Tunesien mit gewissen Einschränkungen gewährt (AA 23.4.2018). Die Verfassung reflektiert das herrschende Gleichgewicht zwischen religiösem und säkularem Lager in der Gesellschaft und Politik: Der Islam ist als Religion des Landes anerkannt, aber die islamische Scharia wurde nicht in der Verfassung verankert. Ein ziviler Staat ist die Grundlage der Verfassung, in der ausdrücklich auf die universellen Menschenrechte Bezug genommen wird (AA 23.4.2018; vgl. USDOS 29.5.2018).

Die verschiedenen religiösen Gemeinschaften leben in der Regel friedlich zusammen (GIZ 9.2018b). Tunesien ist gegenüber religiösen Minderheiten grundsätzlich tolerant, auch wenn Nichtmuslime in der Praxis durch das islamisch beeinflusste Personenstandsrecht Diskriminierungen erfahren können (z.B. de facto Benachteiligung bei Sorgerechtsentscheidungen) (AA 23.4.2018).

Bis zur Revolution vom Januar 2011 konnte der Islam über die Befolgung der grundlegenden muslimischen Riten hinaus kaum gesellschaftliche und politische Aktivitäten entfalten. Außerhalb der Gebetszeiten blieben die Moscheen geschlossen. Zudem wurden die Freitagspredigten sowie alle religiösen Gemeinschaften vom Staat überwacht. Mit der Revolution ist der Islam im gesellschaftlichen und politischen Leben des Landes allmählich immer sichtbarer geworden. Nach dem 14.1.2011 war die Kontrolle über viele Moscheen zunächst verloren gegangen, viele staatlich eingesetzte Imame wurden spontan durch neue, in einigen Fällen dem Salafismus nahestehende Imame von ihren Posten verdrängt. Zahlreiche Moscheen wurden zu Zentren, in denen dschihadistische Ziele gepredigt wurden. Strenggläubige Salafisten versuchten, das öffentliche Leben in ihrem Sinne zu beeinflussen, etwa durch striktes Fasten im Ramadan oder Angriffe auf als blasphemisch angesehene Kunstausstellungen. Inzwischen hat das Religionsministerium nach eigenen Angaben die Kontrolle über annähernd alle Moscheen des Landes zurückgewonnen und radikalen Imamen Predigtverbot erteilt bzw. diese Prediger abgesetzt. Allerdings hat lediglich eine geringe Anzahl der derzeit an tunesischen Moscheen eingesetzten Imame eine theologische Ausbildung (5%). Die Regierung plant daher nach der Rückgewinnung der Moscheen nun den Fokus auf die Förderung der Imam-Ausbildung zu legen, um sicherzustellen, dass ein zeitgemäßes, umfassendes Islambild in den Moscheen vermittelt wird (AA 23.4.2018).

Es ist rechtlich möglich, vom Islam zum Christentum zu konvertieren. Missionierung und das Verteilen religiösen Materials sind der katholischen Kirche jedoch verboten (AA 23.4.2018). Es gibt erheblichen gesellschaftlichen Druck gegen die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion (USDOS 29.5.2018). Tunesische Konvertiten (einige Hundert im Land) werden innerhalb ihres sozialen und familiären Umfelds zwar zunächst häufig geächtet, mittelfristig aber gesellschaftlich wieder akzeptiert und integriert (AA 23.4.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (23.4.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Tunesien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432981/4598_1526980268_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-tunesien-stand-dezember-2017-23-04-2018.pdf, Zugriff 2.10.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2018b): Tunesien - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/tunesien/gesellschaft/, Zugriff 2.10.2018

-USDOS - U.S. Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom - Tunisia, https://www.ecoi.net/en/document/1436869.html, Zugriff 2.10.2018

14. Ethnische Minderheiten

Die Bevölkerung besteht zu 98 Prozent aus Arabern, 1 Prozent Europäern und 1 Prozent Juden und anderen (CIA 26.9.2018).

Eine rassisch diskriminierende Gesetzgebung oder Verwaltungspraxis gibt es in Tunesien nicht (AA 23.4.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Minderheiten unterliegen keinen besonderen Beschränkungen. Allerdings ist die tunesische Bevölkerung sehr homogen; nur ein kleiner Teil beruft sich auf seinen berberischen Ursprung. Fälle von Diskriminierung der berberischen Minderheit sind nicht bekannt (AA 23.4.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (23.4.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Tunesien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1432981/4598_1526980268_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-tunesien-stand-dezember-2017-23-04-2018.pdf, Zugriff 2.10.2018

-CIA - Central Intelligence Agency (26.9.2018): The World Factbook - Tunisia,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ts.html, Zugriff 2.10.2018

-USDOS - U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Tunisia, https://www.ecoi.net/en/document/1430358.html, Zugriff 2.10.2018

15. Relevante Bevölkerungsgruppen

15.1.Frauen

Frauen sind seit der Unabhängigkeit Tunesiens mit der Einführung des fortschrittlichen Personenstandsgesetzes von 1957 Männern rechtlich weitgehend gleichgestellt. Eine Ausnahme stellen das Erbrecht dar (AA 23.4.2018; vgl. GIZ 9.2018b, ÖB 10.2017). Die neue Verfassung Tunesiens ist im Vergleich zu anderen arabischen oder muslimischen Ländern in Bezug auf Frauenrechte ein Musterbeispiel (ÖB 10.2017). Sie garantiert den Schutz der bisher erreichten Frauenrechte und verpflichtet den Staat zu deren weiterer Entwicklung. Der Staat garantiert die Chancengleichheit zwischen Mann und Frau und wirkt auf die paritätische Vertretung von Frauen und Männern in gewählten Körperschaften sowie allgemein auf Stärkung und Ausbau der Frauenrechte hin. Der Staat trifft weitere Maßnahmen zur Eliminierung von Gewalt gegen Frauen (AA 23.4.2018; vgl. ÖB 10.2017).

Frauen können die Scheidung einreichen und Unterhaltsansprüche gerichtlich geltend machen. Dies gilt auch für das Sorgerecht, allerdings mit der Einschränkung, dass minderjährige tunesische Kinder das Land nur mit ausdrücklicher Zustimmung ihres Vaters oder des Vormundschaftsgerichts verlassen können. Die Stimme einer Frau als Zeugin in einem Gerichtsverfahren hat dasselbe Gewicht wie die eines Mannes. Im Erbrecht gelten die Bestimmungen der Scharia, wonach der Mann zu zwei Drittel und die Frau zu einem Drittel erben. Nichtmuslimische Frauen können nur mit .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl

Zustimmung der muslimischen Familie des Verstorbenen erben. Diese Regelung kann durch vertragliche Übereinkunft der Ehepartner umgangen werden. Eine Änderung der diskriminierenden Bestimmungen im Erbrecht in Richtung einer Besserstellung der Frauen ist in der politischen Diskussion (AA 23.4.2018). Ferner hob das Justizministerium im September 2017 ein Dekret auf, das tunesischen Frauen verboten hatte, nicht-muslimische Männer zu heiraten (FH 1.2018; vgl. ÖB 10.2017, AA 23.4.2018).

Obwohl Vergewaltigung, auch innereheliche, gesetzlich verboten ist, bleibt dieses Vergehen ein ernstes Problem. Einvernehmlicher außerehelicher Geschlechtsverkehr ist illegal, aber sofern dieser zwischen Erwachsenen stattfindet, kommt es nicht zu Strafverfolgung. Opfer von Vergewaltigungen werden oft durch das herrschende Tabu und sozialen Druck davon abgehalten, Übergriffe zu melden (USDOS 20.4.2018). Ein Gesetz zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen ist 2017 in Kraft getreten; dieses sieht u. a. vor, dass Vergewaltiger einer strafrechtlichen Verfolgung nicht mehr durch Heirat des Opfers entgehen können (AA 23.4.2018). Erstmals werden auch die Opfer von häuslicher Gewalt unter Schutz gest

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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