Entscheidungsdatum
17.12.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L518 2116557-1/64E
L518 2116555-1/36E
L518 2116559-1/34E
L518 2129794-1/26E
SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 26.11.2018 MÜNDLICH VERKÜNDETEN
ERKENNTNISSES
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , von XXXX , geb. XXXX , von XXXX , geb. XXXX , von XXXX , geb. XXXX , alle StA. Armenien, alle vertreten durch Rae Mag. BISCHOF & Mag. LEPSCHI, gegen die Bescheide des Bundesasylamtes vom 21.10.2015 (P1-P3), Zl. XXXX , Zl. XXXX und Zl. XXXX und vom 27.06.2016 (P4), Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.11.2018, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als "bP1" bis "bP4" bezeichnet), sind Staatsangehörige Armeniens. Die männliche bP 1 und weibliche bP 2 sind verheiratet und die Eltern der minderjährigen bP 3 und bP 4. Die bP 1 und bP 2 brachten für sich und die bP 3 nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 30.12.2014 bei der belangten Behörde Anträge auf internationalen Schutz ein.
Für die in Österreich geborene bP 4 wurde am 02.03.2016 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
I.2.1. Die bP 1 und bP 2 wurden erstbefragt und im Anschluss vor der belangten Behörde einvernommen.
Zusammengefasst gaben die bP zu den Fluchtgründen an, dass die bP 1 als Polizist in Armenien gearbeitet habe. Sie sei Zeuge eines Mordes geworden. Der XXXX (idF L) habe den obersten XXXX Sicherheit, XXXX (idF: A) am 24.04.2014 erschossen. In weiterer Folge sei die bP 1 von den Hintermännern des Mordkomplottes bedroht worden. Man hätte sie zur Herausgabe von Beweismitteln sowie zu einem Attentat im Rahmen einer Demonstration zwingen wollen, sie ständig geschlagen und sei sie auch deshalb entlassen worden. Am 16.11.2014 habe man auf die bP 1 geschossen. Auch die bP 2 hätte man bedroht und gemeinsam mit der bP 3 entführt.
Für bP3 - bP4 wurden keine eigenen Gründe vorgebracht und wurde auf den gemeinsamen Familienverband verwiesen.
I.2.2. Mit Verständigung von der Beweisaufnahme wurden den bP von der belangten Behörde Länderfeststellungen übermittelt.
I.2.3. Die bP legten im erstinstanzlichen Verfahren vor:
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Geburtsurkunde, Meldezettel bP 4
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Armenische Geburtsurkunde bP 3, bP 2, bP 1
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Heiratsurkunde
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Unterlagen zur Integration / Unterstützungsschreiben
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Führerschein bP 2, bP 1
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Mutter Kind Paß
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Militärbuch bP 1
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Psychotherapeutisches Begleitschreiben bP 1 vom 18.06.2015 (PTBS - 20 bewilligte Therapiesitzungen, letzte am 17.06.2015)
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Psychotherapeutisches Begleitschreiben bP 1 vom 24.09.2015 (PTBS - 30 bewilligte Therapiesitzungen, zuletzt stattgefundene am 23.09.2015)
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Dienstausweis bP 1
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Berichte aus dem Internet
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Schreiben des Vorsitzenden der Eigentümergemeinschaft des Wohnhauses der bP in Armenien (Mai 2014 bP 1 mit Verletzungen gesehen - Polizei hätte nichts unternommen - mehrfache Nachforschungen nach der Ausreise der bP 1)
I.3. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der belangten Behörde gem. § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (Spruchpunkt I.) betreffend Asyl und § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG 2005 betreffend der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf deren Herkunftsstaat Armenien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den bP gem. § 57 und 55 nicht erteilt und gem. § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I. Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF und § 52 Abs. 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF eine Rückkehrentscheidung erlassen. Zudem wurde gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gem. § 46 FPG nach Armenien zulässig ist (Spruchpunkt III.).
Darüber hinaus wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gem. § 18 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
I.3.1. Die belangte Behörde sprach dem Vorbringen der Beschwerdeführer angesichts erheblicher nicht in Einklang zu bringender Widersprüche sowie Unplausibilitäten die Glaubwürdigkeit ab. Darüber hinaus sei eine erfolglose Quellensuche zu den behaupteten Vorfällen am 24.04.2015 in diversen Medien zur Entscheidungsfindung durchgeführt worden und finden sich zahlreiche Internetausdrucke im Akt.
I.3.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen.
I.3.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55, 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar.
I.4. Gegen die genannten Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsätzen innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass sich die Behörde nicht näher mit der Problematik hinsichtlich der Ermordung von A auseinandergesetzt hätte. Es wäre Aufgabe der Behörde gewesen, sich mit den "länderüblichen Gebräuchen" näher auseinanderzusetzen und vor diesem Hintergrund das Vorbringen der bP 1 zu überprüfen. Auch mit den psychischen Problemen habe sich die Behörde nicht auseinandergesetzt und wäre die bP "gegebenenfalls durch einen medizinischen Sachverständigen in Augenschein" zu nehmen gewesen. Den bP wäre jedenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren gewesen, da die "Gefahr nicht nur real sondern massiv" sei. Hinsichtlich der bP 4 wurde ausgeführt, dass sie im Sinne einer Sippenhaft aufgrund des Verhaltens des Vaters verfolgt werde und einer realen Gefahr ausgesetzt sei. Darüber hinaus stünde keine innerstaatliche Fluchtalternative offen und wurde in Aussicht gestellt, dass weitere Beweismittel zur Verschlechterung des Gesundheitszustandes der bP 1 in Vorlage gebracht würden.
I.5. Mit Beschlüssen des BVwG vom 04.11.2015 bzw. 14.07.2016 (bP 4) wurde den Beschwerden gem. § 18 Abs. 5 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl I Nr. 87/2012 idgF die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
I.6. Nach Einholung entsprechender Zustimmung der bP 1 und bP 2 wurden vom BVwG Ermittlungen im Herkunftsstaat veranlasst.
Es wurde ersucht, nachfolgende Fragen zu beantworten (nachträglich anonymisiert durch das Gericht):
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bP 1 war angeblich von 2004 bis 2008 Polizist XXXX . Kann erhoben werden, ob dies den Tatsachen entspricht?
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Am XXXX 2014 wurde bP 1 angeblich Zeuge der Ermordung des XXXX . Angeblich soll der Mörder L, der XXXX gewesen sein. Kann erhoben werden, ob dieser Mord tatsächlich stattfand und wo dieser Mord stattfand? Gab es Festnahmen oder Verurteilungen? Wenn ja, wer waren die Täter. Können die Umstände des Mordes näher dargelegt werden? (wie, wo, warum, wer, usw.)
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Kann erhoben werden, wer der Chef der bP 1 bei der XXXX war?
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Kann erhoben werden, ob der beigefügte Polizei-Dienstausweis der bP 1 als echt eingestuft werden kann? Wenn dieser als nicht echt eingestuft wird, kann ausgeführt werden, warum dieser gefälscht ist?
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Die bP 1 wurde angeblich am XXXX 2014 unehrenhaft von der Polizei entlassen. Kann diese unehrenhafte Entlassung bestätigt werden und erhoben werden, welche Gründe es für die unehrenhafte Entlassung gab? Ist aktuell ein Verfahren gegen die bP 1 anhängig und wird nach diesem gefahndet?
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Die bP 1 gibt an, dass seine Frau und seine Tochter im August und im September 2014 von unbekannten Tätern entführt und geschlagen worden wären. Er hätte dies bei der Polizei angezeigt. Können diese Anzeigen verifiziert werden?
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bP 1 gibt an, dass am XXXX ein Sprengsatz im Pool seines Hauses deoponiert wurde und die Polizei das aufgenommen hat. Können diese Angaben verifiziert werden? Wurde der Sprengsatz entschärft? Gibt es diesbezüglich polizeiliche Dokumente?
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bP 1 gibt weites an, dass XXXX 2014 auf ihn selbst geschossen wurde. Dieser Vorfall soll im Tourist-Office namens XXXX seines Onkels in Jerevan stattgefunden haben.
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Können die beigefügten Bestätigungen der Eigentümergemeinschaft auf Authentität verifiziert werden bzw. diesbezügliche Erhebungen getätigt werden? (insbesondere die Bestätigung vom 17.09.2015 von XXXX )
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Können die Nachbarn und der Onkel der bP 1 betreffend der geschilderten Mißhandlungen befragt werden?
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Können in Nachbargeschäften der XXXX Tourist-Office Erhebungen bezüglich der angeblichen Schüsse am 16.11.2014 auf die bP 1 getätigt werden?
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Kann der beigefügte Führerschein als echt verifiziert werden?
I.7. Die nachstehend wörtlich wiedergegebene Anfragebeantwortung des Vertrauensanwaltes lange am 01.04.2016 beim BVwG ein (nachträglich anonymisiert durch das Gericht).
Nach durchgeführten Recherchen wurde folgendes geklärt:
1. bP 1 war in den Jahren XXXX tatsächlich bei der Polizei der Republik Armenien bei der XXXX tätig. Diese ist eine untergeordnete Abteilung bei der Polizei, welche sich mit dem Schutz und der Sicherheit des Eigentums der staatlichen und auch bestimmten Ämtern und Organisationen, sowie deren Mitarbeiter beschäftigt.
2. Das von bP 1 vorgebrachte Ereignis, der so genannte Zusammenhang mit dem Mordfall betreffend A, entspricht nicht der Wahrheit. Es wurden sämtliche mögliche Quellen recherchiert, wonach mit Sicherheit behauptet werden kann, dass das Verbrechen weder am 24.04.2014 noch an irgendeinem anderen Tag stattgefunden hat. Die von bP 1 genannte Person, L ist ein XXXX . Er ist bis zum heutigen Tag im Amt. Ein Dienstnehmer namens A wurde nicht umgekommen und irgendein solches Ereignis hat nicht stattgefunden.
3. Bis April 2015 war XXXX XXXX der Polizei der Republik Armenien. Nach Beendigung seines Dienstverhältnisses wurde XXXX an seiner Stelle nominiert und er führt bis zum heutigen Tag seinen Dienst. Im Vorstand des staatlichen Dienstes arbeitet ein Regiment für den Schutz der Objekte, Veranstaltungen sowie Ämter, dessen Oberbefehlshaber XXXX ist. bP 1 war im oben genannten Regiment tätig.
4. Der Dienstausweis der bP 1 ist echt.
5. Ich habe offiziell die Polizei nicht über die Gründe der Dienstauflösung der bP 1 erfragt, jedoch einige Leute, die Zugang zu den Polizei-Computern hatten, haben geäußert, dass im 2014, im XXXX kein Aufsehen erregender Vorfall hinsichtlich einer Diensauflösung gegeben habe.
6. Die von der bP 1 dargelegten Ereignisse, wo angeblich gegen ihn und seine Familienmitglieder Verhaftungen und Attentate gegeben haben soll, wurden von niemandem bestätigt. Es wurden die Presseberichte, die offiziellen Polizeiberichte über Verbrechensdelikte, sowie die Informationen von Personen, die diesbezüglich in den Polizei-Computern verfügbar waren, recherchiert. Die Nachbarn der bP 1 in seiner Wohngegend haben diese Erzählungen ebenfalls dementiert.
7. Was den Zwischenfall von " XXXX " Touristen-Büro betrifft,es wurden in der Tat auf diese Institution Schüsse gefeuert.
Es wurde einmal während der Nacht geschossen, wo keiner im Büro war. Dieser Vorfall wurde seitens der Polizei protokolliert, jedoch der Schütze ist bis zum heutigen Tag nicht erforscht. Die Sicherheitskameras haben die Momentaufnahmen des Schusses, die im Internet zu sehen sind (siehe Link, https://www.youtube.com/watch?v=zHQhjdgnp4U). Es ist offensichtlich, dass das Ziel des Schusses nicht die bP 1 gewesen ist und er steht in überhaupt keinem Zusammenhang mit diesem Vorfall.
8. Der vorgelegte Führerschein ist echt.
I.8. Am 06.04.2015 wurde den bP die Anfragebeantwortung samt Länderfeststellungen übermittelt.
I.9. Über die rechtsfreundliche Vertretung der bP langte am 20.04.2016 eine Stellungnahme ein und wurden Unterlagen (A2 Diplom bP 2, Geburtsurkunde bP 4, psychosozialer Befund, psychotherapeutischer Bericht vom 05.11.2015, Dienstbestätigung aus Armenien, Diplome der bP 1 und bP 2) vorgelegt.
I.10. am 26.04.2016 langte eine weitere Stellungnahme der bP ein.
I.11. Am 30.08.2017 wurden den bP aktuelle Länderfeststellungen zur Stellungnahme übermittelt und wurden sie unter einem aufgefordert, hierzu sowie zu etwaig geänderten persönlichen Verhältnissen Stellung zu nehmen.
I.12. Am 13.09.2017 langte eine entsprechende Stellungnahme ein und wurden Unterlagen zur Integration vorgelegt.
I.13. Mit Erkenntnissen des BVwG vom 17.11.2017 wurden die Beschwerden der bP vollinhaltlich abgewiesen. Den dagegen erhobenen Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Entscheidung vom 06.09.2018, Zl Ra 2018/18/0010 bis 0013-7 stattgegeben und wurden die Entscheidungen des BVwG behoben.
I.14. In der Folge wurde vom BVwG eine weitere Recherche im Herkunftsstaat mit nachfolgendem Inhalt in Auftrag gegeben:
Die Beschwerdeführer (BF), XXXX , geb. XXXX in XXXX , Staatsangehöriger von Armenien, stellte 2014 einen Asylantrag. Er sei von XXXX XXXX gewesen.
In dieser Angelegenheit wurden von Ihnen bereits Erhebungen durchgeführt. Die damalige Anfrage vom 19.01.2016 und Ihre Beantwortung vom 01.04.2016 sind dem gegenständlichen Ersuchen beigeschlossen.
Der Beschwerdeführer hat nunmehr weitere Dokumente als Beweismittel vorgelegt (Schreiben der Nachbarn, Arbeitsbuch).
Im Auftrag des zuständigen Richters des Bundesverwaltungsgerichtes, Mag. Dr. STEININGER, wird um ergänzende Erhebungen sowie um Beantwortung der nachstehend angeführten Fragen ersucht:
? Können die von dem Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente (Schreiben der Nachbarn, Arbeitsbuch) als authentisch verifiziert werden? Kann der geschilderte Sachverhalt verifiziert werden?
? Falls es sich um eine Fälschung handelt, woran ist erkennbar, dass dieses Dokument nicht authentisch ist? Welche Merkmale weist das Dokument auf bzw. wodurch unterscheidet es sich von Originalen des Ausstellers?
? Kann erhoben werden, ob sich aus der im Arbeitsbuch ersichtlichen Zahlenkombination "3448..." ergibt, dass der BF tatsächlich unehrenhaft entlassen worden sei?
? Kann erhoben werden, ob der Beschwerdeführer tatsächlich ca. 30 Personen befehligt hat bzw. er das Kommando über 30 Personen hatte? Welchen Dienstrang hatte der Beschwerdeführer bei der Polizei?
? Der BF gibt im Verfahren an, dass er am XXXX von unbekannten Personen zusammengeschlagen worden sei. Am XXXX 2014 am frühen Morgen sei er zuhause am Eingang des Hofes zu den Wohnungen zusammengeschlagen worden, wobei ihm seine beiden Nachbarn XXXX XXXX " anschließend ärztliche bzw. Erste Hilfe geleistet hätten. (Schreiben der Nachbarn ist beigeschlossen)
Kann durch Befragung der Nachbarn XXXX u. XXXX sowie weiterer Nachbarn (welche zum damaligen Zeitpunkt dort auch gewohnt haben) erhoben werden, ob der geschilderte Vorfall tatsächlich stattgefunden hat?
? Kann erhoben werden (durch Befragung von Nachbarn und Verwandten), ob bekannt ist, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer Armenien verlassen hat?
Es wird ersucht, im Rahmen von Recherchen gegenüber den Behörden in ARMENIEN die Vertraulichkeit hinsichtlich der personenbezogenen Daten und die Anonymität des BF zu wahren, sowie darüber, dass der BF in Österreich um internationalen Schutz angesucht hat.
I.15. Die Recherche führt zur Übermittlung nachstehenden Ergebnisses:
Arbeitsbuch des Beschwerdeführers, seine ehemalige Position bei der Polizei
Das bereitgestellte Arbeitsbuch ist authentisch.
Seit dem XXXX 2013 ist er ein Offizier bei der Polizei und hatte den Dienstrang eines Leutnants inne.
Es war nicht möglich zu überprüfen, ob er 30 Personen unter seinem Kommando hatte.
Allerdings basierend auf der Tatsache, dass der Dienstrang eines "Leutnants" den niedrigsten unter den Offizieren darstellt, ist es unwahrscheinlich, dass er das Kommando über 30 Personen inne hatte.
Bezugnehmend auf die Zahlenkombination "3448" im Arbeitsbuch bestehen keine Fakten die bestätigen könnten, dass die Gründe einer Entlassung mit einer gewissen Nummerierung codiert werden. In der Tat handelt es sich bei der Zahlenkombination N 3448-A um die reguläre Nummer der Anordnung zur Beendigung seines Dienstvertrages.
Schreiben der Nachbarn und die in diesen Schreiben beschriebenen Tatsachen
Ich habe beide Nachbarn, die die vorgelegten Dokumente bereitgestellt haben, getroffen und mit ihnen gesprochen. Beide Nachbarn haben bestätigt, dass diese Dokumente von ihnen unterzeichnet und verschlossen worden sind. Allerdings waren ihre Angaben in beiden Schreiben die Tatsachen betreffend kontrovers und haben sich gegenseitig widersprochen. Das gilt auch für die Aussage des Beschwerdeführers.
Zuerst habe ich Fr. XXXX , eine Ärztin, die im " XXXX " arbeitet, getroffen. Sie bestätigte, dass sie eine Nachbarin des Beschwerdeführers gewesen ist und dass das Schreiben von ihr verfasst worden war. Sie bestätigte ihre Unterschrift und ihren Stempel.
Sie sagte mir, dass sie den Beschwerdeführer wahrhaft medizinisch versorgt hatte, der wiederum einige kleine Verletzungen, aber nicht viele schwerwiegende, gehabt hat, wie es in ihrem Schreiben als auch vom Beschwerdeführer und dem anderen Nachbarn beschrieben worden ist.
Sie war sich über den Grund der Verletzungen nicht sicher. Ebenfalls hat sie mir im Gegensatz zu der Aussage eines anderen Nachbarn erzählt, dass sie den Beschwerdeführer nicht wie angeblich angegeben am Eingang des Gebäudes gesehen hat, sondern dass sie ihn besucht hat, als er sich in seiner Wohnung befunden hatte.
Zudem hat sie mir gesagt, dass der angebliche Vorfall dann stattgefunden hat, als der Beschwerdeführer bereits von seinem Polizeidienst befreit worden ist. Jedoch im Gegensatz dazu hat der Beschwerdeführer angegeben, dass der angebliche Vorfall am XXXX 2014 stattgefunden hat, sprich vor seiner Entlassung am XXXX 2014.
Zusätzlich hat mir Frau XXXX erzählt, dass das Schreiben dem Beschwerdeführer persönlich übergeben worden ist.
Der andere Nachbar, Herr XXXX war ein alter Mann von ungefähr 75 Jahren oder älter. Er behauptete ein autorisierter Hausbesorger des Wohngebäudes zu sein, in dem auch der Beschwerdeführer einst lebte.
Er war verwirrt, als ich ihm das Schreiben zeigte. Allerdings bestätigte er, dass das Schreiben von ihm unterzeichnet und gestempelt worden ist. Er hat mir auch gesagt, dass es sich nicht um seine Handschrift handeln würde und dass der Text von anderen Personen vorbereitet worden wäre. Er hatte das Schreiben lediglich unterzeichnet.
Als ich fragte, wer ihm das Papier gebracht hatte, damit es von ihm unterzeichnet werden würde, war er irritiert und gab an, dass er sich nicht daran erinnern würde.
Er berichtete mir zudem, dass er und Frau XXXX den Beschwerdeführer alleine am Eingang gesehen und ihm daraufhin in seine Wohnung gebracht hätten. Aber wie oben angegeben wurde, hatte Frau XXXX eine andere Version.
Zudem hatte ich den Eindruck, dass Herr XXXX nichts über den Inhalt des Schreibens gewusst hat. Insbesondere als ich ihn fragte, was sonst noch mit dem Beschwerdeführer und seinen Familienangehörigen geschehen ist (damit hatte ich die angebliche Invasion in seine Wohnung und die Mitnahme seines Computers etc. im Sinn) berichtete er mir, dass außer dem angeblichen Verletzungsvorfall anscheinend nichts anderes vorgefallen ist.
Im Allgemeinen war Herr XXXX unglücklich mit meinen Fragen und vermied es auf direkte Fragen, dabei auf sein Alter und sein schlechtes Gedächtnis bezugnehmend, zu antworten.
Weitere Anmerkungen
Als ich Herrn XXXX getroffen habe, erhielt er einen Telefonanruf von jemanden, den er " XXXX " nannte und er fragte sie "wer wird mich treffen? Warum? Etc.". Meiner Meinung nach hat es sich dabei um XXXX gehandelt, die angerufen hatte, um ihn über meinen angeblichen Besuch zu warnen, damit er sich darauf vorbereiten konnte.
Ich wurde darüber informiert, dass es sich bei dem einzigen Verwandten, der an seiner Adresse lebt, um seinen Bruder und seine Familie handelt. Mir wurde gesagt, dass er für den Nationalen Sicherheitsdienst arbeitet und das als ein Ermittler. Dementsprechend habe ich es als vernünftig betrachtet, ihn nicht zu treffen und ihn über seinen Bruder zu befragen.
Ich habe bemerkt, dass im Gegensatz zu der ersten Erhebung, die vor ein paar Jahren durchgeführt worden ist, die Nachbarn nicht allzu kooperativ gewesen sind und sie es vermieden haben zu sprechen. Sie haben stattdessen empfohlen mit den Familienmitgliedern etc. zu sprechen. Ich glaube, dass sie wohl auch gewarnt worden sind.
Schlussfolgerung
Basierend auf den Fakten, die während meinen Gesprächen mit den zwei Nachbarn als auch durch das Vergleichen mit anderen Tatsachen aufgedeckt werden konnten wurden beide Schreiben meiner Meinung nach nur geschrieben und/oder unterzeichnet, um den Beschwerdeführer zu unterstützen und nicht, weil es sich bei den Fakten in den Schreiben um die Wahrheit handelt.
I.16. Mit Urkundenvorlage vom 21.11.2018 wurden von den bP medizinische Unterlagen und Unterlagen zur Integration vorgelegt.
I.17. Für den 26.11.2018 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.
Gemeinsam mit der Ladung wurden Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat zugestellt. Ebenso wurde - in Ergänzung bzw. Wiederholung zu den bereits bei der belangten Behörde stattgefundenen Belehrungen - ua. hinsichtlich der Obliegenheit zur Mitwirkung im Verfahren manuduziert und wurden die bP aufgefordert, Bescheinigungsmittel vorzulegen.
Zu Beginn der Verhandlung brachten die befragten bP vor, bisher die Wahrheit gesagt zu haben und brachten keine Umstände vor, welche gegen die Annahme der Beweiskraft iSd § 15 AVG in Bezug auf die bisher durchgeführten Einvernahmen Zweifel aufkommen ließen.
Den bP wurde die letzte eingeholte Ermittlung vorgehalten.
Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung wurde das Erkenntnis des BVwG vom selben Tag mündlich verkündet.
Die Beschwerden wurden gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
Die bP wurden iSd § 29 Abs. 2 a VwGVG über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 4 zu verlangen bzw. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt, belehrt.
Nach Verkündung der Erkenntnisse wurde den bP sowie deren rechtsfreundlicher Vertretung eine Ausfertigung der Niederschrift ausgefolgt.
Mit Schreiben vom 05.12.2018 wurde die schriftliche Ausfertigung der mündlich verkündeten Erkenntnisse begehrt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien
Bei den bP handelt es sich um im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Armenier, welche aus einem überwiegend von Armeniern bewohnten Gebiet stammen und sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennen.
Die bP 1 und 2 sind junge, arbeitsfähige Menschen mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer -wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage.
Die Pflege und Obsorge der minderjährigen bP ist durch deren Eltern gesichert.
Familienangehörige (Eltern, Onkel und Tanten und Schwester der bP 2; Onkel und Bruder der bP 1) leben nach wie vor in Armenien. Die bP haben vor ihrer Ausreise bei den Eltern der bP 1 in deren Wohnung gelebt und besitzen die Eltern überdies noch ein Haus im Geburtsort der bP 1. Die Eltern der bP 2 leben auch in einem ihnen gehörigen Haus, die Mutter der bP 1 ist Biologielehrerin. Die bP stehen zu ihren Verwandten in regelmäßigen Kontakt.
Die bP 1 hat im Anschluss an die Schulausbildung bei einer Autoservicestelle und dann mehrere Jahre lang als Polizist bis kurz vor der Ausreise gearbeitet. Die bP 2 hat in Armenien nach der Grundschule die Universität besucht. Im Anschluss hat sie bis zur Ausreise in gehobener Position in einer Süßwarenfirma gearbeitet.
Die bP haben in Österreich keine Verwandten und leben auch sonst mit keiner nahestehenden Person zusammen, welche nicht zur Kernfamilie zu zählen ist. Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und halten sich seit vier Jahren bzw. der Geburt (bP 4) im Bundesgebiet auf. Sie reisten rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein. Sie leben von der Grundversorgung. Sie sind strafrechtlich unbescholten.
Die bP besuchen die armenische Kirche.
Die bP 1 und 2 haben Deutschkurse besucht. Die bP 2 hat die A2 und B1 Deutschprüfung bestanden und arbeitete ehrenamtlich bei pro mente. Seit 01.06.2018 ist sie in einem ehrenamtlichen Projekt zur Betreuung von Pensionisten. Die bP 2 besuchte von Februar bis Juni 2017 eine Schule für Sozialbetreuungsberufe. Die bP 3 besuchte in Österreich den Kindergarten und besucht die Volksschule. Nachmittags ist sie seit September 2018 in einem Hort.
Die bP 1 wurde im Jahr 2015 wegen PTBS samt mittelschwerer Depression behandelt. Sie erhielt Therapiesitzungen und wurden ihr Medikamente empfohlen. Am 10.08.2017 wurde bei der bP 1 die Diagnose Schlafstörung, Angsterkrankung, Nikotinabusus, Depression F 32 gestellt und wurden ihr Medikamente zur Behandlung dieser psychischen Erkrankungen verordnet. Am 06.09.2017 sowie 07.09.2017 suchte sie zwei Ärzte für Allgemeinmedizin auf, wobei eine Posttraumatische Belastungsstörung und ein Zustand nach Schädel-Hirn Trauma mit fraglicher Gewalteinwirkung diagnostiziert wurde. Im Juni 2018 wurde von einem FA für Psychiatrie und Neurologie die Diagnose posttraumatische Belastungsstörung, schwere depressive Episode gestellt. Die bP 1 hat sich von 03.01.2018 bis 29.01.2018 wegen akuter selbstgefährdender Erkrankung stationär im Krankenhaus befunden. Die bP 1 erhält Medikamente wegen ihrer Erkrankung und besucht 3x im Monat eine Psychotherapie.
Die bP 2, 3 und 4 sind gesund.
Die Identität der bP steht fest.
II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat im Herkunftsstaat Armenien
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei Armenien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:
Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 9.5.2018, Wahl von Oppositionsführer Pashinyan zum Ministerpräsidenten (relevant für Abschnitt: 2. Politische Lage).
Am 8.5.2018 wurde Oppositionsführer Nikol Pashinyan von Staatspräsident Armen Sarkisyan zum Ministerpräsidenten ernannt, nachdem das Parlament Pashinyan mit 59 zu 42 Stimmen in das Amt gewählt hatte. Vor der Abstimmung kündigte der Fraktionsvorsitzende der regierenden Republikanischen Partei Armeniens (HHK), Vahram Baghdasaryan, an, dass die HHK den Pashinyan-Unterstützern elf Stimmen leihen würde - genug, um zusammen mit den Stimmen der Oppositionsabgeordneten die nötige Unterstützung zur Wahl zu gewährleisten (RFE/RL 8.5.2018).
Der Fraktionschef der Republikanischen Partei, Vagram Bagdasaryan, sagte vor der Abstimmung, seine Partei unterstütze Paschinyan lediglich, um die Stabilität des Landes zu sichern. Nun kann Paschinyan von der Verfassungsänderung profitieren, die den Staatspräsidenten auf eine weitgehend repräsentative Rolle degradiert und die Befugnisse des Regierungschefs erweitert hat. Zunächst dürfte die bisherige Regierungspartei dem neuen Ministerpräsidenten das Regieren schwermachen: Sie verfügt im Parlament weiter über eine Mehrheit von 58 der 105 Sitze. Paschinyan versprach vor der Abstimmung einen entschlossenen Kampf gegen Korruption und politische Verfolgung. Russland sicherte er eine Fortsetzung der engen Beziehungen zu. Der russische Präsident Wladimir Putin seinerseits gratulierte zum Wahlsieg. Paschinyans Wahl gelang erst im zweiten Anlauf. Zwar hatte die bisher regierende Republikanische Partei keinen eigenen Kandidaten aufgestellt, sie versagte Paschinyan am 1. Mai aber die Unterstützung. Der Oppositionsführer rief daraufhin seine Anhänger zu massiven Protesten und einem Generalstreik auf (WZ 8.5.2018). Daraufhin gab die Republikanische Partei am 2.5.2018 bekannt, dass sie bereit sei, die Kandidatur von Nikol Pashinyan im Interesse der Stabilität des Landes zu unterstützen (JAMnews 8.5.2018).
Quellen:
* JAMnews (8.5.2018): Velvet Revolution leader elected as PM of Armenia, https://jam-news.net/?p=100877, Zugriff 9.5.2018
* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (8.5.2018): Armenian Protest Leader Formally Appointed Prime Minister, https://www.rferl.org/a/armenian-protest-leader-pashinian-gets-second-chance-prime-minister-parliamentary-vote-may-8/29214380.html, Zugriff 9.5.2018
* WZ - Wiener Zeitung (8.5.2018): Oppositionsführer Paschinian wird Regierungschef,
https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltpolitik/963598_Oppositionsfuehrer-Paschinian-wird-Regierungschef.html, Zugriff 9.5.2018
KI vom 24.4.2018, Massenproteste_Rücktritt von Premierminister Sargsyan (relevant für Abschnitt: 2. Politische Lage)
Nach Massenprotesten, die elf Tage andauerten, ist der armenische Premierminister, Serzh Sargsyan, am 23.4.2018 zurückgetreten. Der ehemalige Präsident, der zehn Jahre das Land regierte, war am 17.4.2018 mit klarer Mehrheit vom Parlament zum Premierminister gewählt worden. Schon vorher gab es lautstarke Proteste gegen diese Wahl. Sie galt nicht nur Oppositionellen als Schlusspunkt einer Intrige, in deren Verlauf 2015 die Verfassung geändert wurde, um dem amtierenden Präsidenten Sargsyan auch nach seiner zweiten Amtszeit die Macht im Land zu sichern (FR 23.4.2018, vgl. The Guardian 23.4.2018).
Am 23.4.2018 überstürzten sich die Ereignisse. Während des ganzen Wochenendes waren die Proteste weitergegangen und hatten an Stärke zugenommen, auch in anderen Städten des Landes, obwohl die Polizei zeitweise massiv einschritt und mehrere hundert Demonstranten festnahm, unter ihnen auch Oppositionsführer Nikol Paschinyan sowie zwei weitere Abgeordnete der Opposition, die eigentlich parlamentarische Immunität genießen. Das hatte den Zorn der Demonstranten nur noch angeheizt. Nach Einschätzung von Beobachtern versammelten sich am 22.4.2018 auf dem Platz der Republik gegen 170.000 Personen, darunter auch ein paar Hundert unbewaffnete Soldaten in Uniform. Der Verteidigungsminister drohte mit Konsequenzen. Der bisherige Ministerpräsident und neue erste Vizeregierungschef, Karen Karapetyan, traf sich in Folge mit den festgenommenen Parlamentsabgeordneten, gegen die bereits Klage wegen Verstoßes gegen die Versammlungsfreiheit erhoben worden war, und erwirkte deren Freilassung (NZZ 23.4.2018). Nikol Paschinyan forderte inzwischen die Bildung einer Übergangsregierung sowie vorzeitige Neuwahlen (AN 23.4.2018).
Quellen:
* AN - Armenian News (23.4.2018): Armenian opposition leader: Snap parliamentary elections are needed, https://news.am/eng/news/447929.html, Zugriff 24.4.2018
* FR - Frankfurter Rundschau (23.4.2018): Ministerpräsident Sargsjan tritt nach Protesten zurück,
http://www.fr.de/politik/armenien-ministerpraesident-sargsjan-tritt-nach-protesten-zurueck-a-1492456, Zugriff 24.4.2018
* The Guardian (23.4.2018): Shock as Armenia's prime minister steps down after 11 days of protests, https://www.theguardian.com/world/2018/apr/23/serzh-sargsyan-resigns-as-armenias-prime-minister-after-protests, Zugriff 24.4.2018
* NZZ - Neue Zürcher Zeitung (23.4.2018): Volksproteste zwingen Armeniens Regierungschef zum Rücktritt, https://www.nzz.ch/international/armenien-ruecktritt-von-praesident-sargsjan-erzwungen-ld.1379927, Zugriff 24.4.2018
* Politische Lage
Armenien (arm.: Hayastan) umfasst knapp 29.800 km² und hat etwas über 3 Millionen Einwohner (2016). Davon sind laut der Volkszählung von 2011 98,1% ethnische Armenier, 1,2% Jesiden, 0,4% Russen und Angehörige kleinerer Minderheiten wie Assyrer, Kurden oder Griechen (NSS-RA 2013, vgl. CIA 12.1.2017).
Armenien ist seit September 1991 eine unabhängige Republik. Das Ein-Kammer-Parlament (Nationalversammlung) hat 131 Mitglieder und wird alle fünf Jahre gewählt. Die Verfassung von 2005 wurde zuletzt durch das Referendum vom 06.12.2015 weitreichend geändert. Die neue Verfassung sieht die Umwandlung des bisherigen semi-präsidialen Regierungssystems in ein parlamentarisches System vor. Das Amt des Staatspräsidenten wird im Wesentlichen auf repräsentative Aufgaben reduziert (AA 3.2017a).
Die Opposition warf dem amtierenden Präsidenten Sarksyan, dessen letzte Amtszeit 2018 ausläuft, vor, das Amt des Regierungschefs anzustreben (Standard 7.12.2015). Laut zentraler Wahlkommission stimmten bei einer Beteiligung von 50,5 Prozent 63,5 Prozent für die Annahme der Verfassungsänderungen. Die Oppositionspartei Armenischer Nationalkongress warf der Regierung Wahlbetrug vor. Hunderte Demonstranten protestierten gegen den Ausgang (RFE/RL 7.12.2015). NGOs, wie das Anti-Korruptions-Zentrum von Transparency International, berichteten von massiven Unregelmäßigkeiten, darunter über 900 Verletzungen der Wahlordnung sowie Fälle von Einschüchterung (Caucasian Knot 9.12.2015, vgl. EN 7.12.2015).
Die regierende Republikanische Partei Armeniens gewann bei den Parlamentswahlen vom 2.4.2017 über 49% und die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament. Das Mitte-Rechts-Bündnis des russlandfreundlichen Oligarchen Gagik Tsarukyan erreichte 27%. Daneben schaffte das Bündnis Yelq und die nationalistische Armenische Revolutionäre Föderation den Einzug ins Parlament (EN 3.4.2017; vgl. PA 4.4.2017). Insbesondere die künftige Orientierung des Landes vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise zwischen einer EU-Annäherung einerseits und einem starken Bündnis mit Russland infolge des militärischen Konflikts mit Aserbaidschan andererseits, dominierten thematisch den Wahlkampf (RFL/RL 3.4.2017).
Trotz der Einhaltung der Grundfreiheiten und der guten Administrierung der Parlamentswahlen unter Einführung neuer Technologien, wurden die Wahlen durch glaubwürdige Berichte über Stimmenkauf und Druckausübung auf WählerInnen, Beamte sowie Angestellte von Privatunternehmen überschattet (OSCE/ODIHR 3.4.2017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Armenien/Aussenpolitik_node.html#doc339304bodyText3, Zugriff 4.5.2017
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Caucasian Knot (9.12.2015): TI states gross violations at Armenian referendum, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/33921/, Zugriff 4.5.2017
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CIA - Central Intelligence Agency (12.1.2017): The World Factbook, Armenia;
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/am.html, Zugriff 4.5.2017
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Der Standard (7.12.2015): Armenien: Ja zu umstrittener Verfassungsänderung,
http://derstandard.at/2000027073366/Armenier-stimmten-fuer-umstrittene-Verfassungsaenderung, Zugriff 4.5.2017
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EN - Eurasiannet.org (7.12.2015): Armenia: Widespread Reports of Irregularities Mar Constitutional Referendum, http://www.eurasianet.org/node/76461, Zugriff 4.5.2017
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EN - EurasiaNet.org (3.4.2017): Armenia: Voters Opt for More of the Same, http://www.eurasianet.org/node/83066, Zugriff 4.4.2017
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NSS-RA - National Statistical Service of the Republic of Armenia (2013): The Results of 2011 Population Census of the Republic of Armenia, Table 5.1: Population (urban, rural) by Ethnicity, Sex and Age, http://armstat.am/en/?nid=517, http://armstat.am/file/doc/99486253.pdf, Zugriff 5.5.2017
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OSCE/ODIHR - Organization for Security and Cooperation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights et alia (3.4.2017): Armenia, Parliamentary Elections, 2 April 2017:
Statement of Preliminary Findings and Conclusions, http://www.osce.org/office-for-democratic-institutions-and-human-rights/elections/armenia/309156?download=true, Zugriff 4.4.2017
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PA - PanARMENIAN Network (4.4.2017): Republican Party of Armenia secures 55 parliamentary seats, http://www.panarmenian.net/eng/news/236627/, Zugriff 4.5.2017