TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/25 W241 2180070-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.03.2019
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Entscheidungsdatum

25.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W2412180070-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HAFNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Mag. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.11.2017, Zahl 1113941705/160638455, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.05.2018 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 wird XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 25.03.2020 erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben irregulär in Österreich ein und stellte am 06.05.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

1.2. In seiner Erstbefragung am 07.05.2016 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi im Wesentlichen Folgendes an:

Er stamme aus der Provinz Parwan (Afghanistan), sei sunnitischer Tadschike und ledig. Seine Eltern seien verstorben, zwei Halbbrüder lebten noch in Afghanistan. Eine Schwester lebe in Österreich. Vor ca. zehn Monaten habe er Afghanistan verlassen und sei über den Iran, die Türkei, Bulgarien, Serbien und Ungarn nach Österreich gereist.

Als Fluchtgrund gab der BF an, dass er von seinen Halbbrüdern unterdrückt worden sei. Er habe als Landwirt arbeiten müssen und nicht zur Schule gehen dürfen. Er sei von den Halbbrüdern auch einige Male geschlagen worden. Er habe alle schweren und harten Arbeiten verrichten müssen. Sie hätten ihn vom Erbe seines Vaters fernhalten wollen. In anderen Provinzen Afghanistans habe er niemanden.

1.3. Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der BF am 02.12.2015, am 18.01.2016 und am 12.04.2016 in Ungarn Asylanträge gestellt hatte. Aufgrund von Fristablauf erfolgte schließlich keine Überstellung des BF nach Ungarn.

1.4. Mit Schreiben vom 08.02.2017 übermittelte der BF das Original seiner Tazkira sowie eine englische Übersetzung.

1.5. Am 18.07.2017 wurden ein Zeugnis über den Pflichtschulabschluss und zwei Begleitschreiben vorgelegt.

1.6. Bei seiner Einvernahme am 07.08.2017 vor dem BFA, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi, legte der BF mehrere Fotos und zwei Empfehlungsschreiben vor.

Anschließend machte der BF Angaben zu seinen Lebensverhältnissen in Afghanistan und gab betreffend sein Fluchtvorbringen Folgendes an (Auszug aus dem Einvernahmeprotokoll, Schreibfehler teilweise korrigiert):

"LA: Was waren Ihre persönlichen Beweggründe, Afghanistan zu verlassen? Schildern Sie die Gründe für Ihre Ausreise so konkret, detailliert und chronologisch wie möglich, sodass diese auch für eine außenstehende Person nachvollziehbar ist.

VP: Ich habe wegen 3 Gründen Afghanistan verlassen.

Der erste Grund ist, dass wir in einer Region gelebt haben, wo wir die Minderheit waren. Die meisten in der Region waren Paschtunen, wir sind Tadschiken, mein Vater hatte 2 Ehefrauen. Seine erste Ehefrau war Paschtunin und meine Mutter Tadschikin. Der erste Grund ist, dass ich aufgrund von ethnischen Vorurteilen Afghanistan verlassen habe. Ich möchte ein Beispiel anführen. In der Schule hat man uns nicht gut behandelt. Die Dorfbewohner, die Paschtunen waren, haben uns nicht unterstützt und waren auch nicht gut zu uns. Als ich noch ein Kind war, erlaubten uns die Eltern der anderen Kinder nicht, dass sie mit mir spielen. Sie hatten deshalb die Vorurteile, da zu Regimezeit der Taliban, in dieser Region Kämpfe zwischen den Paschtunen und Tadschiken stattgefunden haben. Die Taliban haben viele Tadschiken getötet und umgekehrt, deshalb hatten sie alle einen Hass auf einander. Auch in der Moschee, wurde vom Mullah gesagt, dass die Tadschiken, keine guten Leute sind. Sie erlauben ihren Frauen, dass sie eine Schule besuchen. Gelegentlich ging ich zur Moschee, um dort etwas zu lernen. Der Mullah der Moschee, hat mich nicht gut behandelt. Er hat mich geschlagen und diskriminiert. In dieser Region lebten wir ganz alleine. Da niemand mit uns einen freundlichen Umgang pflegte. Die meiste Zeit verbrachte ich zuhause mit meiner Mutter. Meine Brüder waren auch nicht gut zu mir, da sie nicht meine leiblichen Brüder sind. Das ist einer der Gründe, warum ich Afghanistan verlassen habe.

Der zweite Grund, warum ich Afghanistan verlasse habe, war jener, dass ich ernsthafte Probleme mit meinen Brüdern hatte. Sie haben mich nicht als Mensch angesehen. Sie haben mich unterdrückt. Wir haben nicht ausreichend Essen von ihnen bekommen. Die schwierigsten und dreckigsten Arbeiten, z.B. den Stall reinigen, mussten wir machen. Oft wurde ich geschlagen. Es wurde mir gesagt, ich solle nicht in die Schule gehen, sondern auf den Feldern arbeiten, da es viel Arbeit ist. Aus diesem Grund, hat mich meine Mutter und mein Onkel mütterlicherseits, Ende 2010 nach Kabul geschickt, damit ich dort meine Schule abschließen kann. 2011 ist meine Schwester mit ihrem Mann XXXX geflüchtet und nach Österreich gereist. Meine Mutter war ganz alleine, deshalb wollte sie, dass ich wieder zurückkomme. Als ich wieder bei meiner Mutter war, haben meine Brüder mich mehrfach verprügelt. Sie haben mir vorgeworfen, dass ich von dem Verhältnis von meiner Schwester mit XXXX gewusst habe und ihnen nichts davon erzählt habe. Danach haben die Prügelattacken begonnen. Wöchentlich wurde ich verprügelt, sie haben mir sogar nicht erlaubt, dass Haus zu verlassen. Sie haben mir vorgeworfen, dass ich Schande über sie gebracht hätte. Meine Mutter war noch am Leben, sie hat noch ein Jahr gelebt. Ende 2012 oder Anfang 2013 haben die Amerikaner eine militärische Operation gegen die Taliban unternommen, da sich in unserer Region seit längerer Zeit die Taliban verbreitet haben. Bei dieser Operation wurden viele Zivilisten verletzt und getötet. Meine Mutter erlitt auch schwere Verletzungen im Bauchbereich und am Bein. Meine Halbbrüder habe die medizinische Behandlung meiner Mutter nicht bezahlt. In der Klinik, wo sie untergebracht war, gab es keine Behandlungsmöglichkeiten für sie. Meinen Halbbrüdern war dies gleichgültig und so verstarb meine Mutter. Ich war dann ganz alleine. Täglich gab es Streit. Sie wollten, dass ich mich von ihnen entferne, sie wollten mich sogar töten. Mehrere Male haben sie mir gedroht, dass sie mich töten werden. Ich habe mich an die Ältesten der Region gewandt, sie schenkten dieser Angelegenheit keine Beachtung und meinten, dass sei unsere private Angelegenheit. Die Regierung hatte dort keinen Einfluss, da die Region von den Taliban besetzt war.

Der dritte Grund für meine Flucht war, die Anwesenheit der Taliban in der Region. Sie haben üblicherweise junge Männer, im Alter zwischen 18 und 19 Jahren, angeworben. Sie haben einige gleichaltrige, die ich aus meinem Dorf gekannt habe, mitgenommen. Sie sind im Krieg gefallen. Sie sind ins Dorf gekommen und haben den Dorfbewohnern gesagt, dass sie in den Krieg gegen die Ungläubigen ziehen sollen, da diese in unser Land eingedrungen sind. Derjenige, der sich gegen die Taliban gestellt hat, wurde getötet. Es war an einem Freitag, als die Taliban in der Moschee waren und für sich geworben haben. An jenem Tag sagten sie, dass die Jugendlichen des Dorfes, sich versammeln sollen. Sie werden sie mit in den Krieg nehmen. Ich ging gemeinsam mit 3 weiteren Jugendlichen nicht mit den Taliban mit. Nach einer Woche kam ich nachhause zurück. Meine Brüder haben aus der Landwirtschaft viel Geld verdient und die Taliban unterstützt. Deshalb hatten sie gute Kontakte zu den Taliban. Meine Brüder wollten mich den Taliban übergeben, damit ich in den Krieg ziehe. Sie wollten mich vernichten. In der Nacht haben meine Brüder beschlossen, dass ich am nächsten Tag mit den Taliban mitgehen muss. In derselben Nacht, ohne meinen Brüdern davon zu erzählen, bin ich zu meinem Onkel mütterlicherseits gegangen. Am nächsten Tag kam ich nachhause zurück und bemerkte, dass sie alles in meinem Zimmer zerstört haben. Ich habe einige Fotos, die ich ihnen vorlegen möchte. Sie haben auch einen Brief hinterlassen. Darin stand "Achte auf dich!". Mein Onkel sah die Umstände meines Lebens und auch ich konnte nicht mehr, mit diesen Personen zusammenleben, sodass mein Onkel, noch am selben Tag, den Entschluss für mich gefasst hat, in Richtung Iran zu reisen. Er organisierte mir einen Schlepper.

Ich konnte vorhin ihre Frage nicht beantworten, wann ich tatsächlich Afghanistan verlassen habe. Es war alles plötzlich. Ich habe vorhin erwähnt, dass die Lage im Iran auch nicht gut war. Sie haben junge Männer in den Krieg nach Syrien geschickt. Ich wollte nicht in den Krieg ziehen. Ich war müde und erschöpft vom Krieg in Afghanistan. Ich blieb 10 Tage im Iran und ging danach in die Türkei, wo ich 15 Tage war. Danach reiste ich weiter nach Europa. Ich bin im 6. Monat 2015 aus Afghanistan ausgereist und nicht im 6. Monat 2014.

LA: Haben Sie alles angeben, das Ihnen wichtig erscheint, oder haben Sie noch irgendwelche Ergänzungen zu machen?

VP: Ich habe all meine Erlebnisse erzählt. Aus diesen 3 Gründen konnte ich nicht in Afghanistan leben, da mein Leben in Gefahr war. Ich bin auch auf keinen Fall dazu bereit nach Afghanistan zurückzukehren, da ich dort getötet werde.

LA: Wann wurden Sie eine Woche von den Taliban festgehalten?

VP: Das war 2015, ich glaube das war im 6. Monat, ca. 2 Wochen danach bin ich ausgereist. Als ich in Österreich angekommen bin, habe ich erfahren, dass die Taliban erfahren haben, dass ich in Österreich bin. Sie haben auch einen Brief an die Dorfgemeinschaft geschickt, darin stand, dass ich die Taliban nicht unterstützt habe und geflüchtet bin. Wenn ich in die Region zurückkehre, muss ich von den Taliban getötet werden. Wenn ich schaffe, werde ich eine Kopie des Schreibens den Behörden vorlegen.

LA: Warum wurden Sie eine Woche von den Taliban festgehalten?

VP: Sie wollten, dass ich mit ihnen mitgehe. Ich habe mich geweigert, da die Taliban viele meiner Freunde geweigert haben. Sie wollten, dass ich sie unterstützte. Ich weiß nicht, was sie mit uns machen wollten, aber sie wollten, dass wir gegen die Regierung kämpfen. Ich wäre entweder im Krieg gefallen, oder wenn ich mich geweigert hätte, hätte man mich ebenfalls getötet.

LA: Wieso wurden Sie wieder von den Taliban freigelassen?

VP: Die Dorfältesten haben sich an die Taliban gewandt, die 3 anderen Männer und mich freizulassen.

LA: Wie kommen Sie dann zu der Annahme, dass man Sie getötet hätte?

VP: Es ist üblich, dass die Taliban einen mit in den Krieg mitnehmen. Entweder man wird im Krieg getötet oder man wir von den Taliban getötet.

LA: Wer waren diese anderen 3 Männer, die sich ebenfalls geweigert haben, mit den Taliban mitzugehen?

VP: Sie waren aus meiner Region. Es waren 2 Tadschiken und ein Paschtune.

LA: Was genau, wurde von den Dorfältesten mit den Taliban ausverhandelt?

VP: Ich selbst wurde von den Taliban festgehalten. Ich weiß nicht, was besprochen wurde. Ich weiß es nicht. Nach einiger Zeit, habe ich erfahren, dass wir eine weitere Chance erhalten sollen und es solle uns Zeit gegeben werden, uns den Taliban anzuschließen. Meine Brüder wollten, dass ich zu den Taliban gehe, da meine Mutter von den Amerikanern getötet wurde, ich solle mich an diesen, gemeinsam mit den Taliban, rächen. Für jeden Gefangen wurden 20.000 Afghani bezahlt. Ich weiß nicht, ob mein Onkel, dieses Geld für mich bezahlt hat.

LA: Wieso flüchteten sie nicht in einen anderen Teil Afghanistans?

VP: Da ich niemanden kannte und auch keine Angehörigen, in einem anderen Teil Afghanistans habe. Ich hatte auch Angst davor, dass meine Brüder mich finden werden. Sie haben mich immer bedroht und mir gesagt, dass wir, Schande über sie gebracht hätten. In Afghanistan ist das eine sehr üble Sache und eine Schande, wenn eine Schwester oder die Tochter, mit einem anderen Mann, von zuhause wegläuft.

LA: Wo verbrachten Sie im Jahr 2011 Ihre Zeit in Kabul?

VP: Im XXXX in der Stadt Kabul.

LA: Bei wem haben Sie in Kabul gelebt?

VP: Ich hatte in Kabul niemanden. Halbtags habe ich die Schule besucht, nachmittags habe ich gearbeitet. Ich habe eine Abendschule besucht und habe tagsüber gearbeitet. In naher Zukunft werde ich ihnen die Schulbesuchsbestätigung vorlegen.

LA: Wieso flüchteten Sie nicht nach Kabul?

VP: Ich konnte es nicht, ich hatte Angst, dass meine Brüder mich dort finden werden. Wenn sie mich gefunden hätten, hätten sie mich getötet.

LA: Wieso befürchten Sie, von Ihren Brüdern getötet zu werden?

VP: Das sind nicht meine leiblichen Brüder, sondern meine Halbbrüder. Sie wollten mir nicht meinen Anteil an den Grundstücken geben. Nachdem meine Schwester geflüchtet ist, waren sie sehr verärgert und wollten einen Weg finden, mich zu vernichten.

LA: Wer war das Familienoberhaupt Ihrer Familie?

VP: Mein Halbbruder, XXXX , er ist 36 Jahre alt.

LA: Wie oft wurden Sie von Ihren Brüdern mit dem Umbringen bedroht?

VP: Mehr als 4 oder 5 Mal.

LA: Wann wurden Sie das erste Mal von den Brüdern mit dem Umbringen bedroht?

VP: Als meine Schwester geflüchtet ist. Befragt, das war 2011.

LA: Wieso haben Sie erst im 6. Monat 2015 den Entschluss gefasst, Afghanistan zu verlassen?

VP: Ich hatte zuvor nicht die Absicht, Afghanistan zu verlassen. Nachdem Vorfall, dass sie alles in meinem Haus zerstört haben und mein Onkel mütterlicherseits, den Brief gelesen hatte, hat er für mich den Entschluss gefasst, dass ich das Land verlassen soll.

LA: Warum haben Sie nicht selbst den Entschluss gefasst, Afghanistan zu verlassen?

VP: Ich konnte es nicht, ich hatte kein Geld. Es war schwierig, ohne Geld etwas zu tun.

LA: Woher wissen Sie, wer Ihr Haus verwüstet hat?

VP: Genau weiß ich es nicht. Am Abend zuvor, haben mir meine Brüder gesagt, dass ich am nächsten Tag, mit den Taliban mitgehen werde. Ich erzählte meinen Brüdern nichts davon und ging zu meinem Onkel mütterlicherseits. Als ich zurückkam und alles zerstört und verwüstet war, hatte ich meine Brüder unter Verdacht.

LA: Hatten Sie, nachdem Ihr Haus zerstört wurde, nochmals Kontakt zu Ihren Halbbrüdern?

VP: Nein.

LA: Wurden Sie persönlich in Afghanistan von den dort agierenden Behörden gesucht, waren Sie je in Haft?

VP: Nein, weder noch.

LA: Gingen Sie aufgrund der Probleme mit Ihren Brüdern zur Polizei?

VP: Nein, unsere Region ist unsicher und wir von den Taliban kontrolliert.

LA: Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt zu Ihrer Familie z.B. Onkel mütterlicherseits?

VP: Als ich in Ungarn war.

LA: Wie organisierten Sie, dass Ihnen Ihre Tazkira geschickt wird?

VP: Ich habe einen Asylwerber aus XXXX 300 € gegeben, damit er mir meine Tazkira organisiert.

LA: Haben Sie noch Kontakt zu Bekannten oder Verwandten, die sich in Afghanistan aufhalten?

VP: Nein.

LA: Was fürchten Sie bei einer eventuellen Rückkehr nach Afghanistan?

VP: Ich habe Angst, dort getötet zu werden. Entweder töten mich die Taliban oder meine Brüder."

1.7. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 17.11.2017 den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, das Vorbringen des BF sei unglaubhaft. Er habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Afghanistan. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.

Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse - im Gegensatz zu seinem Fluchtvorbringen - glaubwürdig wäre. Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.

Seine Fluchtgeschichte habe der BF aufgrund der vagen Schilderung und angesichts mehrerer unplausibler Aussagen nicht glaubhaft machen können.

In der rechtlichen Beurteilung wurde ausgeführt, dass die Begründung des Antrages keine Deckung in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) finde.

Subsidiärer Schutz wurde ihm nicht zuerkannt, da im Falle einer Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur GFK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt oder im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes aufgrund der derzeitigen, allgemeinen Lage in Afghanistan nicht drohe. Dem BF sei eine Rückkehr in seine Heimatprovinz aufgrund der dortigen Sicherheitslage aktuell nicht zumutbar, allerdings komme eine Innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul infrage, wo sich ein Onkel aufhalte. Es sei dem BF zumutbar, dort selbstständig durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit aus eigenen Kräften für die Deckung der grundlegendsten Bedürfnisse aufzukommen.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wurde den BF mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG der Verein Menschenrechte Österreich gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig als Rechtsberater zur Seite gestellt.

1.8. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben vom 14.12.2017 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim BVwG ein und beantragte die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

In der Beschwerdebegründung wurde die Beweiswürdigung der belangten Behörde kritisiert und mehrere Berichte zur Situation in Afghanistan zitiert.

Am selben Tag wurden zwei handschriftlich verfasste Schreiben, angebliche Drohbriefe, beim BFA abgegeben.

1.9. Die Beschwerde samt Verwaltungsakt langte am 18.12.2017 beim BVwG ein.

1.10. Mit Schreiben vom 23.03.2018 wurde mitgeteilt, dass sich der BF aufgrund eines Selbstmordversuches im Krankenhaus befinde. Dem Schreiben lag ein Beschluss eines Bezirksgerichts über die Unterbringung des BF bei. Gleichzeitig wurde die Einvernahme einer Vertrauensperson als Zeugin beantragt.

1.11. Das BVwG führte am 09.05.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari durch, zu der der BF im Beisein eines gewillkürten Vertreters und einer Vertrauensperson persönlich erschien. Die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme an der Verhandlung.

Dabei legte der BF folgende Dokumente vor:

-

Arztbrief eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 24.04.2018

-

Psychologisches Gutachten vom 12.04.2018

-

Schreiben der Vertrauensperson

-

sechs Empfehlungsschreiben

Daraufhin gab der BF auf richterliche Befragung im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus der Verhandlungsschrift):

"RI: Geben Sie bitte Namen, Alter und Aufenthaltsorte Ihrer näheren Angehörigen bekannt!

BF: Meine Eltern sind verstorben. Ich habe im Jahr 2014 erfahren, dass eine Schwester namens XXXX in Österreich leben sollte. Sie ist auch verheiratet mit XXXX . Ich habe sie noch nicht gefunden. Ich habe bis heute keine Information bezüglich ihr. In Afghanistan habe ich zwei Halbbrüder. Sie heißten XXXX und XXXX . Wir haben den gleichen Vater aber verschiedene Mütter. Das war alles, was meine Familie betrifft. Diese Brüder sind verheiratet, und sie haben eigene Familie. Ich habe einen Onkel mütterlicherseits, der schon 2016 aufgrund der schlechten Situation in Afghanistan das Land verlassen hat. Ich hatte mit ihm 2016 Kontakt und habe erfahren, dass sie nach Pakistan nach Peshawar zu ziehen. Seither habe ich keinen Kontakt mehr. Ich habe weder eine Adresse noch Kontaktdaten von ihm.

Haben Sie noch Kontakt zu sonstigen Angehörigen?

BF: Nein.

RI: Wie ist es Ihnen gelungen, die Tazkira zu besorgen?

BF: Ich hatte die Tazkira schon von früher, als ich hergekommen bin, wollte ich mein richtiges Alter angeben. Es gab einen Afghanen in XXXX . Er hatte noch Verwandte in Afghanistan und ich habe ihm 300 Euro bezahlt. Und so wurde mir meine Tazkira geschickt.

RI: Diese Tazkira muss ja bei jemandem in Afghanistan gewesen sein. Wie haben Sie die dann erhalten?

BF: Als ich am letzten Abend Afghanistan verlassen habe, habe ich meine Tazkira meinem Onkel mütterlicherseits gegeben. Mein Onkel mütterlicherseits hatte dann meine Tazkira meinem Nachbarn, bzw. Bekannten gegeben, die in der Nähe wohnten. Die Verwandten von dieser Person in XXXX sind dann zu meinem Dorf in Afghanistan. Sie sind selber aus derselben Gegend. Diese fragten dann im Dorf nach meinem Onkel und die Dorfbewohner sagten, dass der Onkel sich nicht mehr im Dorf befände, aber das Dokument noch bei Nachbarn wären. Sie fragten dann nach meiner Tazkira nach. Die Tazkira war bei einem Nachbarn und wurde ihnen dann ausgehändigt. Diese Verwandten haben mir dann die Tazkira aus Kabul geschickt. Ich kannte seine Verwandten nicht, nur ihn selber.

RI: Haben Sie in Ihrem Herkunftsstaat eine Schul- oder Berufsausbildung absolviert?

BF: Ich habe bis zur elften Klasse in der Provinz Parwan, im Bezirk XXXX , die Schule besucht. Das letzte Jahr habe ich in einem Lycee in Kabul gelernt. Also habe ich zwölf Klassen abgeschlossen.

BF ersucht um eine Pause. Er hat Kopfschmerzen.

Verhandlung wird von 14:05 Uhr bis 14:10 Uhr

RI: Sie haben in Kabul gelebt. Womit haben Sie sich in Ihrem Herkunftsstaat Ihren Lebensunterhalt verdient bzw. wer ist für Ihren Lebensunterhalt aufgekommen?

BF: Meistens, weil meine Mutter auch dort war, hat sie mir geholfen. Ich hatte keine besondere Berufsausbildung. In dem Dorf, wo ich gelebt habe, habe ich auf dem Feld gearbeitet. Ich habe keinen speziellen Beruf gehabt.

RI: Wovon haben Sie in Kabul gelebt und wo sind Sie da untergekommen?

BF: Ich habe in Kabul mit vier anderen Personen im XXXX gewohnt. Wir hatten gemeinsam ein Zimmer gemietet. Ich habe nur am Wochenende in einem Restaurant geputzt. Das Geld hat nicht gereicht. Meine Mutter hat mir Geld geschickt.

RI: Wie stellte sich Ihre finanzielle Situation bzw. die Ihrer Familie dar?

BF: Grundsätzlich war die finanzielle Lage meiner Familie gut. Meinen Halbbrüdern ging es finanziell besser. Sie haben das Geld verwaltet und haben uns nur so viel Geld gegeben, dass es zum Leben gereicht hat.

RI: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder Gruppierung?

BF: Nein.

RI: Wann haben Sie Ihren Herkunftsstaat zuletzt genau verlassen?

BF: Genau weiß ich es nicht mehr. Ich glaube, das war 2015, sechster oder siebter Monat.

Zur derzeitigen Situation in Österreich:

RI ersucht D, die folgenden Fragen nicht zu übersetzen. RI stellt diverse Fragen.

RI: Sprechen Sie Deutsch? Haben Sie mich bis jetzt auch ohne Übersetzung durch den D verstehen können?

BF: Ja, ich spreche sehr gut Deutsch, weil ich habe den Hauptschulabschluss gemacht und ich habe viel gelernt. Heute sind wir mit dem Auto nach Wien gefahren.

RI stellt fest, dass der BF die zuletzt gestellten und nicht übersetzten Fragen verstanden und gut verständlich auf Deutsch beantwortet hat.

RI: Besuchen Sie derzeit einen Deutschkurs oder werden Sie noch weitere Deutschkurse besuchen?

BF: Ja, ich möchte auf jeden Fall mein Deutsch verbessern, denn ich habe vor, hier eine Zukunft zu planen und einen Beruf auszuüben. Sobald die Möglichkeiten gegeben sind, einen Deutschkurs zu besuchen, werde ich das sofort machen.

RI: Haben Sie Arbeit in Österreich? Gehen Sie einer regelmäßigen Beschäftigung nach?

BF: Derzeit nicht. Aber vor drei oder vier Monaten hatte ich einen Job in einer Pizzeria in XXXX gefunden. Nach einer Woche sagte mit das AMS, dass ich keine Erlaubnis habe, dort zu arbeiten. Es kann sein, dass mein Versicherungsschutz und meine Sozialhilfe gestrichen wird und ich noch zusätzlich eine Geldstrafe bekommen würde. Sobald ich eine Arbeitserlaubnis erhalte, werde ich dort wieder arbeiten.

RI: Besuchen Sie in Österreich bestimmte Kurse oder eine Schule, oder sind Sie aktives Mitglied in einem Verein? Gehen Sie sportlichen oder kulturellen Aktivitäten nach?

BF: Nein, leider nicht. Ich war aber mit meiner VP in XXXX beim Fußballplatz. Es gibt dort ein offizielles Team dort. Sie sagten, dass ich als Flüchtling dort nicht spielen darf. Auch in XXXX und in XXXX durfte ich nicht spielen.

RI: Wurden Sie in Österreich jemals von einem Gericht wegen einer Straftat verurteilt oder von einer Behörde mit einem Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot belegt?

BF: Nein, ich versuche die ganze Zeit, ein braver Flüchtling zu sein und nicht gegen das Gesetz zu verstoßen.

RI an VP: Möchten Sie noch etwas angeben?

VP: Verweist auf das vorgelegte Schreiben und die Motivation des BF, weshalb er Afghanistan (nicht aus freiem Willen) verlassen musste. Die familiäre Situation des BF, die sich aus meinen Gesprächen mit ihm ergeben hat, war sehr belastend für ihn. So hat auch die Schwester, die ausgereist ist, Schande über die Familie gebracht. Dies war seine Sichtweise, als er nach Ö gekommen ist. Jetzt sieht er es anders und findet, dass ihre Handlung sehr mutig war.

BF: Ich habe 2014 durch die Familie von XXXX , das ist der Mann, mit dem meine Schwester aus Afghanistan geflohen ist, erfahren, dass sie nach Ö gekommen ist.

Zu den Fluchtgründen und zur Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat:

RI: Nennen Sie jetzt bitte abschließend und möglichst umfassend alle Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe). Nehmen Sie sich dafür nun bitte ausreichend Zeit, alles vorzubringen.

BF: Der erste Grund, warum ich Afghanistan verlassen habe, war, dass sich in der Gegend, wo ich gelebt habe, überwiegend Paschtunen leben. Wir waren dort die Minderheit. Meine Halbbrüder haben permanent mit mir und meiner Mutter Auseinandersetzungen gehabt. Wir konnten uns nicht bei der Regierung beschweren. Wir sind dann zum Dorfältesten gegangen, aber selbst die konnten und wollten uns nicht helfen. Sie waren auch Paschtunen und meine Mutter war Tadschikin.

Wenn ich in die Moschee zum Lernen gegangen bin, hat der Mullah mich öfters geschlagen. Auch die anderen Kinder im Ort, mit denen ich spielen wollten, ließen nicht zu, dass ich mich ihnen anschließe und mit ihnen spiele. Auch auf dem Schulweg bin ich immer wieder von anderen Paschtunen-Kinder zusammengeschlagen worden. So hatte ich nirgendwo meinen Platz, weder in der Schule noch in der Moschee.

RI: Warum sind Sie dann nicht in Kabul geblieben?

BF: Als ich 2011 in Kabul war, hat meine Schwester bei uns im Ort gelebt. Das waren die Abschlussprüfungen, als ich erfahren habe, dass meine Schwester gemeinsam mit ihrem zukünftigen Mann das Land verlassen hat. Meine Mutter wurde von meinen Halbbrüdern immer wieder zusammengeschlagen. Sie war ganz allein. Sie wollte, dass ich wieder zu ihr zurückkomme. Ich konnte meine Mutter nicht zu mir holen, da ich sonst kein Einkommen hatte und meine Mutter konnte nicht arbeiten. Meine Halbbrüder hätten sie auch nicht weggelassen. Die Dorfbewohner wollten mit uns keinen Kontakt und haben unsere Nähe gemieden. Bei Feierlichkeiten wurden wir nie eingeladen. Bei Problemen haben wir uns an die Leute gewandt, es wurde uns aber nicht geholfen. Wir wurden immer allein gelassen. Mit "wir" meine ich meine Mutter und mich. Wir waren dort in der Minderheit.

Ein zweiter Grund ist, dass, solange ich denken kann, als Kind die Brüder zu mir sehr ungerecht waren. Ich musste immer auf dem Feld arbeiten und durfte keine Ausbildung machen. Wir hatten auch Vieh, um das ich mich kümmern musste. Auch musste ich das Brennholz zu ihnen ins Haus liefern. Ich musste die Hausarbeit erledigen, den Abwasch zu machen. Sie haben mich nie als einen gleichwertigen Menschen behandelt und erniedrigten mich. Sie gaben mir Schwerstarbeit. Zu Neujahr, wenn alle anderen Geschenke bekamen, habe ich nichts erhalten. Es gab auch mehrmals körperliche Übergriffe. Als meine Schwester geflohen ist, dachten sie, dass ich davon wusste. Als ich wieder zu meiner Mutter zurückkam, haben sie mich zusammengeschlagen. Sie beschuldigten mich, ein Schandfleck zu sein und sie würden sich für mich schämen. Wenn sie böse waren, musste ich dafür büßen.

Auf Nachfrage: Mir wurde auch gedroht, dass ich umgebracht werden würde. Es ist immer wieder vorgekommen, ich habe es nicht gezählt.

RI: Wann war der letzte Kontakt zu Ihren Brüdern?

BF: Als ich Afghanistan verlassen habe, im sechsten oder siebten Monat 2015. Seitdem ich Afghanistan verlassen habe, habe ich keinen Kontakt mehr.

RI: Was war das Ziel der Brüder. Wollten sie, dass Sie für sie arbeiten oder wollten Sie nur, dass Sie verschwinden?

BF: Beides. Ich habe einen Teil vom Grundstück meines Vaters vererbt bekommen. Sie wollten mir meinen Anteil nicht geben. Sie haben mich wie einen Sklaven behandelt.

R: Wann war der Vorfall mit dem Luftangriff, bei dem Ihre Mutter verletzt wurde?

BF: Das war Anfang 2012, als ich wieder zurück in mein Heimatdorf zu meiner Mutter gegangen bin. Einige Monate danach wollten die Amerikaner einen Vergeltungsanschlag gegen die Taliban ausüben. Bei diesem Angriff ist meine Mutter am Bein und Bauch verletzt worden. Danach haben meine Halbbrüder nicht geholfen, sie nach Kabul ins Krankenhaus zu bringen. In der Klinik, die sich in unserm Dorf befand, gab es keine richtige Behandlung für meine Mutter.

RI: Mit wie vielen Leuten haben Sie in Kabul gewohnt?

BF: Es waren mit mir vier Personen. Die drei Personen heißen XXXX , XXXX und XXXX .

RI: Hatte Ihr Bruder XXXX noch einen Zusatznamen?

BF: Wir haben ihn zu Hause immer XXXX gerufen.

RI: Sagt Ihnen der Name XXXX etwas?

BF: Nein.

RI: Ihre Tazkira hat Ihnen ein XXXX zugeschickt, der wie Ihr Bruder heißt. Was sagen Sie dazu? Und dazu wohnt er noch dort, wo Sie als Schüler in Kabul gewohnt haben!

BF: Nein, ich glaube, das ist der Bruder oder der Vater des Mannes aus XXXX . Nachgefragt: Das ist eine sehr gute Frage. Ich kenne diese Person von dort aus, vom XXXX in Kabul. Diese Person, die ich kenne, die in XXXX lebt, hat früher auch im XXXX gelebt.

RI: Und der Verwandte des Freundes heißt zufällig wie Ihr Bruder?

BF: Das weiß ich nicht. Ich kannte den Freund von dort. Als ich im XXXX zur Schule ging, war er an derselben Schule. Wenn Sie wollen, es sind auch Telefonnummern auf der Rückseite. Sie können sie kontaktieren und fragen.

RI: Haben Sie ein Handy hier?

VP: Das hat er in XXXX vergessen.

RI: Gibt es sonst noch Fluchtgründe?

BF: Ja. Die Unsicherheit der Lage, die Existenz der Taliban. Die Taliban haben die Jugendlichen zwischen 19 und 20 Jahren animiert, mit ihnen gegen die Regierung und gegen die Amerikaner zusammen zu arbeiten. Da meine Brüder eine gute Beziehung zu den Taliban hatten, wollten sie auch, dass ich mit den Taliban zusammenarbeite. Ich wurde mehrmals von Taliban aufgefordert, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Da ich mich ihnen nicht anschloss, haben sie mich für eine Woche gefangen gehalten. Das war an einem Freitag. Ungefähr zehn Taliban saßen in zwei Autos und kamen zur Moschee. Ich war auch in der Moschee. Sie wollten, dass ich mich ihnen anschließe. Ich ging aber nicht mit. Sie haben auf der Stelle mit Fäusten auf mich eingeschlagen. Sie haben mich getreten. Sie haben uns die Augen verbunden. Mit uns meine ich, drei andere. Zwei Tadschiken und ein Paschtune. Wir sind dann in dem Auto eine halbe Stunde auf einer nicht asphaltierten Straße gefahren. Wir hatten zwar die Augen verbunden, aber ich merkte, dass es keine asphaltierte Straße war. In einem Keller nahmen Sie uns die Augenbinde ab. Es hat gestunken und ich sah Blutspuren. Dieses Zimmer hatte nur eine kleine Öffnung, aber wir konnten nicht rausschauen. Am nächsten Tag, am Samstag, sind dann fünf Personen gekommen. Einer von ihnen hat vor der Tür gewartet. Ihre Gesichter waren bis auf die Augen vermummt. Sie fragten uns wieder, wie wir uns entschieden hätten und ob wir uns ihnen anschließen und mit ihnen zusammenarbeiten würden. Als wir dies ablehnten, haben sie angefangen, auf uns vier mit Fäusten und Tritten einzuschlagen. Mit Allem, was sie in die Hände bekamen. Ich wurde dann am Hinterkopf mit einer Spitze vom Gewehrkolben einer Kalaschnikow verletzt. Mein linkes Ohr war gerissen und blutete. Sie haben uns so zusammengeschlagen, dass wir nicht mehr aufstehen konnten. Zwei Tage lang haben sie uns nur einen Kübel Wasser gebracht und ein paar Kekse, damit wir überleben. Zwei Tage später sind sie dann wiedergekommen. Sie haben gesehen, dass mein ganzes Gesicht geschwollen und mein Körper blau war. Sie haben zwei Stunden auf uns eingeredet. Sie sagten, wir seien Moslems, wir müssten gegen sie kämpfen und sie aus unserem Land vertreiben. Auch die Polizei und die Regierung seien Ungläubige, sie unterstützen Amerikaner. Wir müssten ihnen behilflich sein, sie zu vernichten. Sie würden uns brauchen und uns Waffen geben. Solche Dinge haben sie uns dann gesagt. Zum Schluss habe ich trotzdem ihren Vorschlag nicht angenommen. Ich sagte ihnen, wenn ich mit ihnen mitkommen würde, würde ich im Gefecht sterben, denn auch andere Jugendliche wären so gestorben. Da haben sie nichts mehr gesagt und sind gegangen. Am nächsten Tag, am Donnerstag, sind wieder fünf Personen gekommen. Einer hat vor der Tür gewartet. Sie haben zwei von uns in ein anderes Zimmer gebracht. Nach einer Stunde sind sie dann zu uns gekommen und teilten uns mit, dass die beiden anderen mit ihnen zusammenarbeiten würden, was wir dazu meinten. Ich sagte ihnen, nein. Ich hätte vom Krieg genug und wollte nicht mit ihnen zusammenarbeiten, um jemanden zu töten. Danach hat er meine Füße festgebunden und mich kopfüber an die Decke gehängt. Er hat mich mit dem Wasserschlauch gepeitscht. Ich musste so laut schreien, dass ich keine Stimme hatte.

RI: Warum haben Sie das alle nicht vor der Behörde erzählt?

BF: Ich habe auch gesagt, dass ich von den Taliban festgenommen wurde. Jetzt ist die letzte Gelegenheit für mich, dass ich es detailliert erzähle. Sie haben die zwei anderen gebracht. Sie wurden auch zusammengeschlagen. Ich fragte sie, warum sie zusammengeschlagen wurden. Sie sagten dann, dass das mit dem Zusammenarbeiten eine Lüge gewesen wäre. Am nächsten Tag, es war Freitag früh, haben sie uns wieder unsere Augen verbunden und die Hände gefesselt und uns mit dem Auto zum Dorf gebracht und uns aus dem Auto hinausgeschmissen. Wir waren dermaßen durch die Schläge beeinträchtigt, dass wir nur schwer nach Hause gehen konnten.

RI: Was war der Grund, warum die Taliban Sie wieder zurückgebracht hatten?

BF: Damals, als ich noch bei den Taliban gefangen war, wusste ich noch nicht, dass die Eltern meiner drei Mitgefangenen zu den Taliban gegangen sind und gebeten haben, ihre Kinder freizulassen. Ich habe erfahren, dass mein Onkel mütterlicherseits 20000 Afganis sowie alle anderen drei je 20000 gezahlt haben.

RI: Hat der Onkel auch in dem Dorf gelebt?

BF: Ja, er hat auch in unserer Gasse gelebt. Als ich in Ungarn 2016 im Gefängnis war, hatte ich Kontakt zu ihm. Er sagte mir, dass er auf dem Weg nach Pakistan war. Wir konnten uns gegenseitig nicht mehr erreichen.

RI: Nach der Freilassung von den Taliban, was ist dann passiert?

BF: Ich konnte mich eine Woche nicht bewegen und war zu Hause. Nach einer Woche, es war Abend und ich kam gerade vom Feld zurück, sind meine Brüder gekommen und teilten mir mit, dass ich zu den Taliban gehen und mich bei den Amerikanern für meine Mutter rächen sollte. Als ich das hörte, war ich hoffnungslos. Ich hatte keine andere Wahl, ich bin zu meinem Onkel mütterlicherseits. Ich erzählte ihm, dass meine Halbbrüder vorhatten, mich am nächsten Tag den Taliban zu übergeben. Die Nacht verbrachte ich bei meinem Onkel. Er hat mich am nächsten Morgen nach Hause gebracht. Ich habe gesehen, dass die Scheiben zerbrochen und die Vorhänge zerrissen waren. Ein Kasten war zerbrochen. Zuhause lag ein Schreiben mit dem Inhalt "Pass auf". Mein Onkel sah, wie mein Leben schwierig geworden ist. Er sagte mir, ich müsse Afghanistan verlassen und in den Iran gehen. Er kannte jemanden, der mir dabei helfen konnte. Das war im siebten oder sechsten Monat 2015.

RI: Was ist auf den Fotos zu sehen?

BF: Das ist das Zimmer, wo alles zerstört war. Ich selber habe diese Fotos gemacht, damit ich mich beim Dorfältesten beschweren könne, weil ich so Schwierigkeiten hatte. Ich war jedoch nicht beim Dorfältesten, da mein Onkel dagegen war.

RI: Hier haben Sie gesagt, die Familien hätten die Freilassung vor den Taliban ausverhandelt. Vor dem BFA sagten Sie, es wären die Dorfältesten gewesen.

BF: Die Eltern von den drei Personen sind gemeinsam mit den Dorfältesten zu den Taliban gegangen.

RI: Sie haben gesagt, Sie haben einen Drohbrief bekommen?

BF: Als ich mit meinem Onkel Kontakt hatte, teilte er mir mit, dass zwei Drohbriefe an mich geschickt wurden. In einem war mein Name vermerkt und dass ich mit den Taliban zusammenarbeiten sollte, in dem anderen haben sie erfahren, dass ich geflohen bin. Sie sagten, dass ich kein Recht hätte, wieder in mein Dorf zurückzukommen. Ich sei als Flüchtling ins Ausland geflohen. Insgesamt wurden mir drei Briefe zugestellt. Einen habe ich im Zimmer gefunden, zwei habe ich bekommen, nachdem ich ausgereist bin.

RI: In welcher Sprache waren diese Briefe geschrieben?

BF: In Paschtu. Ich habe in der Schule etwas Paschtu gelernt.

RI: Warum haben Sie nicht alle drei Briefe vorgelegt?

BF: Der Brief aus dem Zimmer ist unterwegs verloren gegangen.

RI: Sie nehmen einen Drohbrief mit, aber die Tazkira nehmen Sie nicht mit?

BF: Ich habe die Drohbriefe nicht mitgenommen, die Person aus XXXX hat sie mir mitgenommen.

R wiederholt die Frage.

BF: Ich hatte nicht vor, nach Europa zu kommen. Ich wusste nicht, dass es nötig wäre, meine Tazkira mitzunehmen.

RI: Wie sind Sie zu diesen beiden Drohbriefen gekommen?

BF: Diese Person aus XXXX , dessen Familie befindet sich derzeit in Afghanistan. Sie sind in mein Dorf gegangen und haben dort die Briefe von nahen Freunden meines Onkels mütterlicherseits erhalten. Sie haben die Briefe in das Haus meines Onkels geschickt. Vielleicht war mein Onkel nicht zu Hause und sein Freund hat die Briefe bekommen.

Als ich hergekommen bin nach einigen Monaten, hat mein Onkel diese Briefe erhalten. Ich weiß nicht, ob die Briefe zu meinem Onkel nach Hause geschickt wurden oder ob der Nachbar nachgeschaut hat und für meinen Onkel in Empfang genommen hat.

RI: Hatte Ihr Onkel auch Probleme?

BF: Ja, mit den Dorfbewohnern wegen der Bewässerung der Felder."

1.12. Mit Beschluss des BVwG vom 02.07.2018 wurde ein Facharzt für Psychiatrie und Neurologie mit der Erstellung eines Gutachtens zum Gesundheitszustand des BF beauftragt.

1.13. Aus einem psychiatrisch-neurologischen Fachgutachten vom 03.12.2018 geht hervor, dass der BF an einer rezidivierenden depressiven Störung mit somatischem Syndrom leidet. Das Suizidrisiko ist erhöht, die Arbeitsfähigkeit gemindert. Bei Abbruch der Behandlung bzw. Trennung von seiner österreichischen Vertrauensperson sei eine Verschlechterung der depressiven Symptomatik möglich.

1.14. Am 07.02.2019 wurde eine Stellungnahme zum Fachgutachten übermittelt. Darin wurde insbesondere auf die fehlende Möglichkeit psychiatrischer Behandlung in Afghanistan hingewiesen.

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 07.05.2016 und der Einvernahme vor dem BFA am 07.08.2017, die Beschwerde vom 14.12.2017 und die Stellungnahme vom 07.02.2019

* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation)

* Einvernahme des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 09.05.2018

* Einsicht in die vom BF vorgelegten Schriftstücke und ärztlichen Befunde

* Einsicht in das psychiatrisch-neurologische Gutachten vom 03.12.2018

* Einsichtnahme in folgende in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom BVwG zusätzlich eingebrachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF:

o Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat (Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 sowie eine Aktualisierung vom 23.11.2018) sowie Festellungen zur Lage in der Stadt Mazar-e Sharif und zur Dürre in Herat und Mazar-e Sharif

o Zusammenfassung der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender vom April 2016 sowie Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Innern vom Dezember 2016

o Auszug aus Landinforeport Afghanistan - Rekrutierung durch die Taliban - vom 29.06.2017

o Auszug von EASO vom Juli 2012 zu den Rekrutierungsstrategien der Taliban.

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Folgende Feststellungen werden aufgrund des glaubhaft gemachten Sachverhaltes getroffen:

3.1. Zur Person des BF:

3.1.1. Der BF führt den Namen XXXX , er ist volljährig, Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zum sunnitischen Islam. Die Muttersprache des BF ist Farsi, er spricht auch Englisch und Deutsch.

Der BF ist ledig und stammt aus dem Dorf XXXX , Distrikt XXXX in der Provinz Parwan, wo die Familie ein Haus und eine Landwirtschaft besitzt. Seine Familienmitglieder leben in Afghanistan.

Der BF hat zwölf Jahre eine Schule besucht und kann lesen und schreiben. Danach hat er in der familieneigenen Landwirtschaft gearbeitet.

3.1.2. Laut Angaben des BF besteht zu den Familienangehörigen kein Kontakt.

3.1.3. Der BF hat im März 2018 einen Suizidversuch unternommen und leidet aktuell an einer rezidivierenden depressiven Störung mit somatischem Syndrom und Suizidtendenz. Er ist im erwerbsfähigen Alter, hat eine Schulbildung genossen und in der Landwirtschaft gearbeitet.

3.1.4. Der BF verließ nach seinen Angaben Mitte 2015 Afghanistan und reiste über den Iran, die Türkei, Bulgarien, Serbien und Ungarn nach Österreich, wo er am 06.05.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

3.1.5. Der BF hält sich seit Mai 2016 in Österreich auf und spricht bereits Deutsch. Er hat in Österreich den Pflichtschulabschluss nachgeholt und geht keiner regelmäßigen Beschäftigung nach. Der BF lebt in einer privaten Unterkunft bei einer österreichischen Staatsbürgerin, die er im Haushalt und bei der Gartenarbeit unterstützt. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

3.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

3.2.1. Der BF hat sein Vorbringen, dass er aufgrund einer Bedrohung durch seine Halbbrüder bzw. die Taliban fliehen hätte müssen, nicht glaubhaft gemacht.

3.2.2. Der BF wurde nach eigenen Angaben in seinem Herkunftsstaat niemals inhaftiert, ist nicht vorbestraft und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme. Der BF war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an.

3.2.3. Grund für die Ausreise des BF aus seinem Herkunftsstaat waren die dortige unsichere persönliche und allgemeine Situation und die Suche nach besseren - auch wirtschaftlichen - Lebensbedingungen im Ausland.

3.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:

3.3.1. Es konnte vom BF nicht glaubhaft vermittelt werden, dass er im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen - etwa durch die Bedrohung durch Taliban - ausgesetzt wäre.

3.3.2. Für das erkennende Gericht ist, ungeachtet der grundsätzlich in Afghanistan, insbesondere in Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif vorhandenen allgemeinen Existenzmöglichkeiten für Rückkehrer, bei einer Rückkehr des BF in die Heimat mittels Abschiebung angesichts der bei ihm ärztlich diagnostizierten psychischen Erkrankungen, welche zu einer Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit führen, davon auszugehen, dass der BF in eine sehr unsichere wirtschaftliche Situation geraten würde, welche ihm eine weitere Behandlung seiner Erkrankungen verunmöglichen würde. Der BF wäre daher im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in der Lage, für sich selbst zu sorgen und sich eine - zumindest grundlegende - Existenz zu sichern.

3.4. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

Auf Grundlage von aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat der BF getroffen:

3.4.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan ("Gesamtaktualisierung am 29.06.2018", Schreibfehler teilweise korrigiert):

[...]

2. Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.01.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).

Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.09.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.09.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größt

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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