Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Mai 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Strafsache gegen Martin P***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 16. Oktober 2018, GZ 21 Hv 70/17p-52, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Relevanz – Martin P***** vom wider ihn erhobenen Vorwurf gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, er habe am 15. Februar 2017 in B***** Harald K***** durch ca zehn wuchtige Schläge mit einer 5 kg schweren Hantel gegen dessen Kopfbereich eine schwere Körperverletzung verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung (§ 84 Abs 1 StGB), „nämlich ein Othämatom rechts, eine laterale Orbitabodenfraktur links, eine Jochbeinfraktur links, eine Fraktur der Kieferhöhle links an der Seiten- und Vorderwand, einen Hämatosinus maxillaris links sowie eine Rissquetschwunde und ein Hämatom frontotemporal rechts“, absichtlich zugefügt.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Freispruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte und (im Sinn der Anklageschrift) einen Schuldspruch wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB anstrebende Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft; sie verfehlt ihr Ziel.
Nach den (unbekämpft gebliebenen) Feststellungen (US 2 f) kam es zwischen Martin P***** und Harald K***** am 15. Februar 2017 nach einem Wortgefecht zu einer körperlichen Auseinandersetzung, im Zuge derer der Angeklagte K***** mit einer 5 kg schweren Hantel einmal links und bei der Rückwärtsbewegung rechts ins Gesicht schlug, woraus die im Urteilsspruch angeführten Verletzungen resultierten.
Die Tatrichter gingen davon aus, dass mangels feststellbaren genauen Ablaufs der Kampfhandlungen (unter anderem) „offen bleiben muss“, „ob die vom Angeklagten gegen Harald K***** ausgeführten zwei Hantelschläge deswegen ausgeführt wurden, da von Harald K***** ein unmittelbar drohender oder gegenwärtiger Angriff auf den Angeklagten ausging“. Nicht festgestellt werden könne „weiters, ob der Angeklagte lediglich irrtümlich einen solchen Angriff annahm“ (US 3).
Das Schöffengericht erwog insofern, dass sich der Angeklagte mit Notwehr dahin verantwortet habe, es sei K***** auf ihn losgegangen, während dieser die Situation „genau andersrum“ darstellte, weshalb es „nicht möglich“ gewesen sei, „einer der beiden Varianten den Vorzug zu geben“ (US 4), und „zugunsten des Angeklagten“ eine „Negativfeststellung getroffen“ werden musste, „ob eine Notwehrsituation für ihn vorlag oder er irrtümlich eine solche angenommen hat“ (US 7). Da auch „ein (Putativ-)Notwehrexzess offen geblieben“ sei (der Sache nach somit verneint wurde), wäre der Angeklagte freizusprechen gewesen (US 8).
Mit ihrer Rechtsrüge (Z 9 lit a) kritisiert die Staatsanwaltschaft das Fehlen von Feststellungen zur subjektiven Tatseite. Ihrem Vorbringen zufolge sei – mit Blick auf das konstatierte Versetzen von Schlägen mit der 5 kg schweren Hantel – eine Feststellung des Inhalts indiziert, dass der Angeklagte dabei in der Absicht agierte, das Opfer schwer zu verletzen (§ 87 Abs 1 StGB).
Voraussetzung einer prozessordnungskonformen Ausführung der Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist es, auch bei der Behauptung von Feststellungsmängeln von den im Urteil getroffenen Konstatierungen in ihrer Gesamtheit auszugehen (RIS-Justiz RS0099810 [T6, T21]).
Die Beschwerde übergeht aber den Umstand, dass das Schöffengericht – aus der Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe noch erkennbar – davon ausging, dass der Angeklagte Harald K***** zwar im Zuge von Kampfhandlungen offenbar vorsätzlich (zur Vorsatztat als Voraussetzung für die Annahme von [Putativ-]Notwehr vgl RIS-Justiz RS0089382) „ins Gesicht schlug“, aber insofern „zu Gunsten des Angeklagten“, „da Harald K***** nicht geglaubt werden konnte“, das Vorliegen der Voraussetzungen einer (Putativ-)Notwehrsituation (§ 3 Abs 1 erster Satz StGB bzw § 8 erster Satz StGB) zubilligte (US 3, 4 und 7; vgl insofern: Höpfel in WK2 StGB § 8 Rz 20; Schmoller, WK-StPO § 14 Rz 48); (weitere) Konstatierungsdefizite, insbesondere zur Frage, ob der Angeklagte mit der von ihm gewählten Vorgangsweise das Maß zulässiger Verteidigung überschritten hat und aus welchen Gründen dies geschehen ist (vgl RIS-Justiz RS0089390, RS0089270), hat die Rechtsmittelwerberin nicht geltend gemacht.
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Textnummer
E125475European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00031.19A.0529.000Im RIS seit
11.07.2019Zuletzt aktualisiert am
17.07.2019