TE Lvwg Erkenntnis 2019/6/6 VGW-001/042/6867/2018

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.06.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

06.06.2019

Index

44 Zivildienst

Norm

ZDG §22 Abs4
ZDG §65

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter Mag. DDr. Tessar über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt …, vom 29.3.2018, Zl. …, wegen Übertretung des § 65 i.V.m. § 22 Abs. 4 Zivildienstgesetz (ZDG), zur Recht:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.

II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Abs. 4 Verwaltungsgerichtshofgesetz – VwGG eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG) nicht zulässig. Im Übrigen ist gegen diese Entscheidung gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz – VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Begründung

Der Schuld- und Strafausspruch sowie die Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses lauten wie folgt:

„Sie haben als Zivildienstleistender, zur Ableistung des Zivildienstes der Einrichtung C., Dienststelle: Lebensmittel und Orientierung, Einrichtung: Abt. Obdach und Wohnen der C. in Wien, D.-gasse zugeteilt, die in § 22 Abs. 4 des Zivildienstgesetzes festgelegte Dienstpflicht sich nicht in die Gemeinschaft, in der Sie Ihre Dienstleistungen erbringen, einzufügen und durch Ihr Verhalten das friedliche Zusammenleben mit anderen Beschäftigten nicht gefährdet insofern verletzt, als Sie am 05.12.2017 eine aggressive Auseinandersetzung mit einem Mitarbeiter der Einsatzstelle hatten und die anwesenden Mitarbeiter das Gefühl einer drohenden körperlichen Auseinandersetzung hatten, sodass die Leiterin der Einsatzstelle sich gezwungen sah zu intervenieren.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 65 iVm § 22 Abs. 4 des Zivildienstgesetzes (ZOG), BGBI. Nr. 679/1986 idgF

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von € 210,00, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden gemäß § 65 ZOG

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

€ 21,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe

(mindestens jedoch € 10,00 je Übertretung).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher € 231,00.

Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen.

BEGRÜNDUNG:

Die Ihnen zur Last gelegte und im Spruch näher ausgeführte Verwaltungsübertretung gelangte der erkennenden Behörde durch eine Anzeige C., Zivildienstkoordination & Koordination Integrationsjahr zur Kenntnis.

Gemäß § 22 Abs. 4 ZOG hat sich der Zivildienstleistende in die Gemeinschaft, in der er seine Dienstleistung erbringt, einzufügen und darf durch sein Verhalten das friedliche Zusammenleben mit anderen Beschäftigten nicht gefährden.

Gemäß § 65 ZOG begeht ein Zivildienstleistender, der sonst eine der in den §§ 8a Abs. 4, 22, 23 und 23c festgelegten Dienstpflichten verletzt, eine Verwaltungsübertretung und ist hiefür von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 360 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen.

In Ihrem Einspruch haben Sie die Ihnen angelastete Übertretung bestritten und im Wesentlichen vorgebracht, dass die geschilderten Vorwürfe nicht der Wahrheit entsprechend und Sie nicht na einer aggressiven Auseinandersetzung mit einem Mitarbeiter beteiligt gewesen sind.

Dem ist entgegenzuhalten, dass sowohl jener Mitarbeiter, mit welchem Sie die aggressive Auseinandersetzung hatten, Herr E. F. als auch die zum Tatzeitpunkt anwesende Leiterin der Einsatzstelle, Frau Mag.a G. H., unabhängig voneinander als Zeugen diesen Vorfall bestätigten.

Die o.a. Zeugenaussagen wurden Ihnen mit Schreiben vom 02.03.2018 nachweislich zur Kenntnis gebracht, woraufhin Sie in Ihrer Stellungnahme angegeben haben, dass Sie am selben Tag eine sexuelle Belästigung gemeldet haben und es sich bei dem "freundschaftlichen-in-die-Seite-Knuffen" von Herrn E. F. um eine unsittliche Berührung Ihrer Brustwarze gehandelt hat.

Ihrer Äußerung ist entgegenzuhalten, dass der Täter bei der angelasteten Tat glaubhaft zu machen hätte, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Diese Glaubhaftmachung wurde aber durch Ihr Vorbringen nicht erreicht, da dieses aufgrund der durchaus glaubwürdigen, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Aussagen der Zeugen als Schutzbehauptung gewertet wird. Weiters wird angemerkt, dass die Zeugen aufgrund ihrer verfahrensrechtlichen Stellung der Wahrheitspflicht unterliegen und es träfen sie im Falle einer Verletzung dieser Pflicht strafrechtliche Sanktionen. Es besteht somit kein Anlass, an ihren Angaben zu zweifeln.

Die Ihnen zur Last gelegte Übertretung ist somit in objektiver Hinsicht als erwiesen anzusehen.

Bei der vorliegenden Verwaltungsübertretung handelt es sich um ein so genanntes Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs.1 VStG. Gemäß dieser Bestimmung genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Ein derartiges Vorbringen. das geeignet gewesen wäre, Ihr mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen, haben Sie aber nicht erstattet. Demnach sind auch die subjektiven Voraussetzungen für die Strafbarkeit zweifelsfrei erwiesen.

Zur Bemessung der Strafhöhe:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist die Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfälligen Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Bei der Strafbemessung wurde eine einschlägige Vorstrafe erschwerend gewertet, mildernd war kein Umstand.

Ihre Vermögens- und Einkommensverhältnisse und allfälligen Sorgepflichten haben Sie der Behörde nicht bekanntgegeben. Es wurden mangels Angaben durchschnittliche Werte angenommen, da sich keine Anhaltspunkte für eine schlechte wirtschaftliche Lage ergaben.

Unter Berücksichtigung aller Strafzumessungsgründe ist die verhängte Strafe nicht zu hoch bemessen.

Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte zwingende Bestimmung des Gesetzes.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

In der gegen dieses Straferkenntnis fristgerecht erhobenen Beschwerde brachte die beschwerdeführende Partei vor, keine strafbare Handlung begangen zu haben. Erläuternd wurde u.a. ausgeführt:

„Ich habe die genannten Verwaltungsvorschriften (§ 22 Abs. 4 ZDG, § 65 ZDG) nicht verletzt bzw. trifft mich an der Verletzung derselben kein Verschulden.

Folgendes hat sich zugetragen:

Her F., mein unmittelbarer Vorgesetzter, hat mich am 5.12.2017 plötzlich und unvermittelt in die Brustwarze gekniffen. Ich habe dies heftig zurückgewiesen, da ich mich dadurch körperlich angegriffen, vor allem aber auch sexuell belästigt fühlte. Ich gebe zu, dass ich auf dieses Verhalten von Herrn F. auch mit einer Beschimpfung reagiert habe, was meiner Ansicht nach aber in dieser Situation nachvollziehbar und verständlich ist. Es entstand ein Streit zwischen uns, den wir dann auch vor Frau Mag. H. unserer beider Vorgesetzten, fortsetzten. Nachdem dort ständig mehrere Leute anwesend waren, war es mir unangenehm. den Anlass für den Streit gegenüber Frau Mag." H. zu benennen, und ich tat dies nicht. Frau Mag. H. schickte mich sodann nach Hause.

Ich habe noch an diesem Tag ein SMS an Frau Mag.a H. geschickt, in dem ich ihr den Grund für mein emotionales Verhalten mitteilte. Frau Mag.a H. antwortete darauf am nächsten Tag, dass sich Herr F. "für die unerwünschte Berührung entschuldigt". Zum Beweis für dieses Vorbringen lege ich die SMS-Konversation zwischen mir und Frau Mag. H. vom 5.12.2017 bis 12.12.2017 bei (Beilage 1).

Weiters lege ich ein Schreiben der Gleichbehandlungsanwaltschaft bei, in dem diese die C. am 16.2.2018 davon informierte, dass nach meinen Angaben Herr F. mich am 5.12.2017 in die Brustwarze gezwickt hat und dies ihrer Beurteilung nach eine sexuelle Belästigung meiner Person durch Herrn F. darstellt; sowie darauf hinweist, dass die C. hier der im Gleichbehandlungsgesetz festgeschriebenen Pflicht zur angemessenen Abhilfe bei sexueller Belästigung nicht im erforderlichen Ausmaß nachgekommen sei (Beilage 2). Die Gleichbehandlungsanwaltschaft als Beratungseinrichtung mit-langjähriger Expertise hat demnach mein Vorbringen der sexuellen-Belästig als glaubhaft eingeschätzt.

Im Antwortschreiben der C. an die Gleichbehandlungsanwaltschaft vom 29.3.2018 wird der Vorfall der sexuellen Belästigung zugegeben: Am 05.12.207 kam es dann zu dem hier gegenständlichen Vorfall, als Herr F., gemeint als freundschaftliche vertraute Geste, Herrn B. in die Brust zwickte und ihn fragte, wie es ihm ginge. " (Beilage 3, Seite 2). Meiner Meinung nach ist daher das Vorbringen von Herrn F. und Frau Mag.a H., dass es sich nämlich um ein „freundschaftliches In-die-Seite-Knuffen" gehandelt habe, als Schutzbehauptung zu werten. Die übereinstimmenden Aussagen in den mir zugesendeten Vernehmungen von Herrn F. und Frau Mag. H. stehen jedenfalls im Widerspruch zu der von mir belegten Meldung der sexuellen Belästigung sowie auch dem Anwaltsschreiben der C. vom 29.3.2018, in dem dieser Vorfall zugegeben wird. Es ist meines Erachtens eindeutig belegt, dass der Vorfall der sexuellen Belästigung wie von mir vorgebracht, stattgefunden hat. Damit habe ich die genannten Verwaltungsvorschriften (§ 22 Abs. 4 ZDG, § 65 ZDG) nicht verletzt bzw. trifft mich an der Verletzung derselben kein Verschulden.

Es ist mir nicht nachvollziehbar, wieso meine Vorgesetzten dies in der von Ihnen durchgeführten Befragung nicht erwähnt haben. Eigenartig erscheint mir auch das gegenüber der Gleichbehandlungsanwaltschaft ausgesprochene "Angebot" des Rechtsanwaltes des C., hinsichtlich der gegenständlichen Anzeige eine "entsprechende ergänzende Sachverhaltsdarstellung an die Zivildienstserviceagentur zu übermitteln, in der der Hintergrund der aggressiven Auseinandersetzung vom 5.12.2017 geschildert wird, um hier allenfalls eine Verringerung der Strafe zu erwirken" (Beilage 3, Seite 5 unten). Dies deshalb, weil es sich hier um eine Verwaltungsstrafangelegenheit handelt, in der die Darstellung des Sachverhaltes durchgängig der Wahrheit entsprechen sowie vollständig sein sollte und es meines Erachtens damit nicht um eine Angelegenheit geht, die Gegenstand der Verhandlung zweier Parteien, in diesem Fall der C. und mir, sein kann. Mit diesem „Angebot" wird auch zugegeben, dass in der Sachverhaltsdarstellung gegenüber der Zivildienstserviceagentur bisher der Hintergrund der Auseinandersetzung nicht geschildert wurde und diese damit nicht vollständig war.

Dass sich die Meldung der C. an die Zivildienstbehörde auch auf zwei Monate andauerndes Fehlverhalten meinerseits in Form von Zuspätkommen stützt - wie im Anwaltsschreiben vom 29.3.2018 (Seite 4) behauptet - , ist dem gegenständlichen Bescheid selbst nicht zu entnehmen. Die Verletzung der genannten Vorschriften wird darin ausschließlich mit der aggressiven Auseinandersetzung am 5.12.2017 begründet.“

Als Beilage wurde nachfolgende SMS Konversation beigeschlossen:

„Konversation mit +43...1

Type

Date

Message

Empfangen

12.12.2017

16:15:05

Hallo A., bitte sei Montag. 18.12. um 13h im Lager. Bis dahin bist du weiter freigestellt. LG, G.

Empfangen

06.12.2017

21:44:04

Du hast bis nächsten Mittwoch eine Woche Sonderurlaub. Wir brauchen Zeit alles zu regeln und ich vertrau deiner Impulskontrolle nicht genug um dich arbeiten zu lassen. E. entschuldigt sich für die unerwünschte Berührung. Du hast von verschiedenen Möglichkeiten zu sagen, dass dich das gestört hat, eine beleidigende & hoch aggressive gewählt. LG, G.

Gesendet

06.12.2017

16:44:04

Soll ich morgen kommen? LG A.

Gesendet

05.12.2017

16:37:29

Ich wurde heute von E. unsittlich in die Brustwarze gezwickt. Um ehrlich zu sein, habe ich mich geschämt, das laut im Büro zu sagen, damit du bescheid weißt. LG A.

Empfangen

05.12.2017

16.28.57

Wir haben heute bei der ZISA niemanden mehr erreicht. Bleib morgen auf jeden Fall noch zuhause. LG, G.

Im erstinstanzlichen Akt erliegt eine mit 6.12.2017 datierte Anzeige der C., in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde wie folgt:

„Betrifft:  Dienstpflichtverletzung eines ZDL

                         Anzeige gern § 39 Abs. 3 ZDG

                         Hr. A. B., geb. 1995

                         wohnhaft in J.-Gasse,Wien

Gemäß § 39 ZOG wird über den von der Zivildienstserviceagentur mit dem Bescheid vom 17.02.2017, Zl.: …, unserer Abteilung Obdach und Wohnen der C. zur Ableistung des Zivildienstes von 01.04.2017 bis 31.12.2017 zugewiesenen ZDL A. B. eine

ANZEIGE

darüber erstattet, seine Dienstpflichten verletzt und dadurch eine Verwaltungsübertretung begangen zu haben.

1. Darstellung der Tat:

• Am 05.12.2017 ist es erneut zu einer aggressiven Auseinandersetzung zwischen dem Zivildiener A. B. und einem Mitarbeiter der Einsatzstelle gekommen. Dieses Mal war der neue Fachanleiter des Lagers, Herr E. F., betroffen. Er hat den ZDL B. beim gemeinsam ins Lager gehen freundschaftlich am Arm gestupst und gefragt, wie es ihm geht, worauf der ZDL mit "Geh Scheißen" geantwortet hat. Herr F. hat ihm daraufhin ruhig erklärt, dass ein solcher Ton nicht angemessen ist und Herrn B. für ein Gespräch ins Büro gebeten.

Im Büro waren zufällig die Leiterin der Einsatzstelle, G. H., und drei weitere Mitarbeiterinnen anwesend. Herr B. baute sich drohend nur etwa 15cm entfernt vor Herrn F. auf und meinte "Was willst du eigentlich von mir". Herr F. wiederholte, dass dieser Ton nicht angemessen sei. In der Folge wurde das Gespräch immer hitziger. Die anwesenden Mitarbeiterinnen hatten rasch das Gefühl einer drohenden körperlichen Auseinandersetzung, woraufhin sich Frau H. gezwungen sah zu intervenieren. Um die Situation zu entschärfen wurde der ZDL B. auf Sonderurlaub geschickt. Frau H. hat ihn nochmals darauf hingewiesen, dass dieses Verhalten unangebracht ist. Zum Abschluß sagte der ZDL B. noch zu Herrn F. "Du bist ein Stück Scheiße" und verließ den Raum. Der ZDL A. B. hat bereits am 30.06.2017 eine schriftliche Verwarnung wegen zwei Vorfällen mit aggressivem Verhalten bekommen und bestätigt.

• Seit etwa zwei Monaten kommt Herr B. vermehrt um etwa 5-10 Minuten verspätet zum Dienst, was aufgrund des Personalwechsels und von Abwesenheiten durch Krankenstände noch nicht gemeldet wurde. Am 28.11.2017 hat Herr F. ihn diesbezüglich mündlich verwarnt und für das nächste Zuspätkommen eine schriftliche Verwarnung angekündigt. Auf das Zuspätkommen angesprochen, reagiert der ZDL B. flapsig und uneinsichtig mit der Antwort "Sind ja nur 10 Minuten".

Wir bringen diese Dienstpflichtverletzungen zur Anzeige.

Beweismittel:

Das umschriebene strafbare Verfahren des ZDL beruht auf eigener dienstlicher Wahrnehmung des Vorgesetzten.

Mit freundlichen Grüßen

C.

K. L.

Zivildienstkoordination

Beilagen:

Anzeige & Ansuchen um Entlassung 29.06.2017 (wurde zurückgezogen 25.07.2017) Schriftliche Verwarnung 30.06.2017“

Mit Strafverfügung vom 14.2.2017 wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, § 22 Abs. 4 i.V.m. § 65 ZDG verletzt zu haben.

Mit Schriftsatz vom 2.1.2018 erhob die beschwerdeführende Partei fristgerecht Einspruch.

In weiterer Folge erfolgte am 15.2.2018 die Einvernahme von Herrn E. F.. Herr E. F. gab lediglich an, dass er freundschaftlich den Beschwerdeführer in die Seite geknufft habe, und der Beschwerdeführer daraufhin „Geh scheißen“ gesagt habe. Daraufhin sei der Beschwerdeführer von Herrn F. zur Leiterin der Außenstelle geführt worden, wo es zu einer nicht näher konkretisierten Auseinandersetzung gekommen sei. Bei dieser sei es zu keinerlei Handgreiflichkeiten gekommen. Der Zeuge sagte zudem selbst aus, dass (auch) sein Verhalten nicht korrekt gewesen sei.

Zudem wurde am 1.3.2018 die Dienststellenleitern Frau G. H. einvernommen. Diese gab an, dass es in ihrem Büro zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Beschwerdeführer und Herrn E. F. gekommen sei, bei welcher der Beschwerdeführer unangemessene verbale Äußerungen getätigt habe, wie etwa die Worte „Geh scheißen“ an Herrn E. F. gerichtet habe. Diese verbalen Äußerungen seien von Herrn E. F. stets dahingehend beantwortet worden, dass der Beschwerdeführer respektvoll sprechen zu solle.

DAS VERWALTUNGSGERICHT WIEN HAT ERWOGEN:

Gemäß § 22 Abs. 4 ZDG hat sich der Zivildienstpflichtige in die Gemeinschaft, in der er seine Dienstleistung erbringt, einzufügen, und darf dieser durch sein Verhalten das friedliche Zusammenleben mit anderen Beschäftigten nicht gefährden.

Gemäß § 65 ZDG begeht ein Zivildienstleistender, der sonst eine der in den §§ 8a Abs. 4, 22, 23 und 23c ZDG festgelegten Dienstpflichten verletzt, eine Verwaltungsübertretung und ist hiefür von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 360,-- Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen.

Aufgrund der unstrittigen Angaben der C. wird festgestellt:

Der Beschwerdeführer hat zwischen dem 1.4.2017 und dem 31.12.2017 seinen Zivildienst bei der C., Abteilung Obdach und Wohnen, Dienststelle Wien, D.-g., abgeleistet.

Am 5.12.2017 kam es im Büro der Leiterin der Einsatzstelle, Frau G. H., zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Beschwerdeführer und einem Fachanleiter der C., Herrn E. F.. Bei dieser Auseinandersetzung waren außer der Einsatzstellenleiterin Frau G. H. und Herrn E. F. auch andere Personen zugegen. Bei dieser Auseinandersetzung kam es bei Zugrundelegung der Angaben der einvernommenen Zeugin G. H. ausschließlich zu unangemessenen verbalen Äußerungen des Beschwerdeführers, wie etwa die Worte „Geh scheißen“. Diese verbalen Äußerungen wurden vom Herrn E. F. stets dahingehend beantwortet, dass der Beschwerdeführer darauf hingewiesen wurde, respektvoll sprechen zu sollen.

Weiters steht aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers und der von ihm vorgelegten SMS-Konversation fest, dass der Beschwerdeführer bereits am 5.12.2017, 16.04 Uhr, seiner unmittelbaren Vorgesetzten, nämlich der Leiterin der Einsatzstelle Frau G. H., per SMS mitgeteilt hatte, dass der Grund für das unfreundliche Verhalten des Beschwerdeführers gegenüber Herrn E. F. der gewesen sei, dass Herr E. F. den Beschwerdeführer „unsittlich in die Brustwarze gezwickt“ hatte.

Für das erkennende Gericht besteht kein Grund zur Annahme, dass der Beschwerdeführer den „Knuff in die Seite“ von Herrn E. F. als eine schmerzhafte Berührung seiner Brustwarze wahrgenommen hatte. Schon in Anbetracht des Umstands, dass der Beschwerdeführer seiner Vorgesetzten nur kurze Zeit nach der Auseinandersetzung noch am gleichen Tag mitgeteilt hatte, dass der Grund für seine Verhalten der Umstand gewesen sei, dass er sich von Herrn E. F. durch ein Zwicken in die Brustwarze unsittlich belästigt gefühlt habe, besteht kein Anlass, das nunmehrige gleichlautende Vorbringen lediglich als Schutzbehauptung abzuqualifizieren.

Dass bei solch einer Wahrnehmung des Gezwicktwerdens in die Brustwarze vom verletzten Beschwerdeführer die milieubedingt nicht sonderlich als verletzend einzustufende Äußerung „Geh scheißen“ getätigt worden ist, kann als durchaus nachvollziehbar und nicht überschießend eingestuft werden:

Es kann dahin gestellt bleiben, ob Herr E. F. wirklich den Beschwerdeführer in dessen Brustwarze gezwickt hatte oder nicht; kommt es doch gegenständlich allein darauf an, die Angemessenheit bzw. Unangemessenheit des Verhaltens des Beschwerdeführers zu beurteilen. Bei dieser Prüfung kommt es jedenfalls bei der Ermittlung eines allfällig anlastbaren Verschuldens auf die subjektive Wahrnehmung des Beschwerdeführers an.

Bei Zugrundelegung der vom erkennenden Gericht als erwiesen anzunehmenden Wahrnehmung des Beschwerdeführers, von seinem arbeitsanweisungsbefugten Arbeitskollegen unsittlich in die Brustwarze gezwickt worden zu sein, vermag nun aber insbesondere in Anbetracht des offensichtlich nicht sonderlich förmlichen Kontakts zwischen Herrn E. F. und dem Beschwerdeführer (denn bei einem förmlichen Vorgesetztenverhältnis käme es auch nicht zu einem freundschaftlichen Knuff in die Seite) und der ebenfalls nicht förmlichen Gesprächsbasis zwischen der Dienststellenleiterin G. H. und dem Beschwerdeführer (vgl. die gegenseitige lockere „Du“-Anrede in den SMS´s) die umgangssprachlich jedenfalls zwischen Männern nicht unübliche, im konkreten Kontext jedenfalls nicht verletzend gebrauchte Aussage „Geh scheißen“ als keine situationsbedingt unangemessene Reaktion eingestuft werden.

Schon gar nicht kann bei solch einer nicht-förmlichen Gesprächsbasis diese Wortwendung zu einer Beeinträchtigung der innerbetrieblichen Zusammenarbeit führen. Diese Wendung des Beschwerdeführers kann daher keinesfalls als tatbildlich eingestuft werden.

Zudem ist aber bei Zugrundelegung dieser Sicht- und Erlebnisweise des Beschwerdeführers und der in Anbetracht der nicht-förmlichen Gesprächsbasis nicht wirklich als verletzend einzustufenden Wendung „Geh scheißen“ durchaus anzunehmen, dass der Beschwerdeführer die Reaktion des E. F. auf diese Worte „Geh scheißen“ als völlig unangemessen und überzogen eingestuft hat:

Wenn es wirklich zuvor so etwas wie eine freundschaftliche Sympathie seitens Herrn E. F.´für den Beschwerdeführer gegeben haben soll (und genau das behauptet dieser, wenn er angibt, dass das Verhältnis zwischen ihm und dem Beschwerdeführer so vertraulich war, dass er berechtigt annehmen konnte, dass ein Knuffen in die Seite vom Beschwerdeführer als freundschaftlicher Sympathieerweis gewertet werde), und wenn der Beschwerdeführer zudem auch Anlass hatte anzunehmen, dass ihm von Herrn E. F. eine gewisse Sympathie entgegen gebracht wird, ist auch für einen Außenstehenden (und wohl umso mehr für den Beschwerdeführer) das darauf gesetzte Verhalten von Herrn E. F. (nämlich die strafweise Vorführung des Beschwerdeführers vor die Dienststellenleiterin) als völlig unverhältnismäßig und geradezu böswillig motiviert einzustufen.

Es ist daher mehr als naheliegend, dass der Beschwerdeführer diese Reaktion von Herrn E. F. als unangemessen und empörend eingestuft hat. Wenn man dann aber auch noch veranschlagt, dass der Beschwerdeführer das ursprüngliche Verhalten des Herrn E. F., welches er als ein Zwicken in die Brustwarze wahrgenommen hatte, als völlig inakzeptabel eingestuft hat, kann es nicht verwundern, dass diese Reaktion von Herrn E. F. im Beschwerdeführer das berechtigte Gefühl einer Entrüstung ausgelöst hat.

Dann ist aber auch unstrittig, dass Herr E. F. jedenfalls aus der Sicht des Beschwerdeführers in grober Weise zu Unrecht den Beschwerdeführer vor der Dienststellenleiterin belastet (und angeschwärzt) hatte, zumal Herr E. F. bei Zugrundelegung der Wahrnehmung des Beschwerdeführers tatsachenwidrig das empörende Verhalten des Zwickens in die Brustwarze verschwiegen hatte, und stattdessen den Beschwerdeführer als grundlos aggressiv dargestellt hatte.

Dass solch eine als böswillig und tatsachenverzerrend erlebte Anschuldigung, die noch dazu nicht nur gegenüber der Dienstellenleiterin, sondern auch gegenüber weiteren Personen getätigt wurde (denn die Anschuldigung erfolgte offenkundig nicht nur gegenüber der Dienststellenleiterin), im Beschwerdeführer umso mehr das Gefühl der Empörung ausgelöst hat, ist mehr als verständlich.

In Anbetracht solch einer gewiss schweren und aus der Sicht des Beschwerdeführers zweifelsohne berechtigten Empörung vermag das Verhalten das Beschwerdeführers, nämlich die spontane verbale Beschimpfung des Herrn E. F., als keinesfalls unnachvollziehbar und unbegründet eingestuft werden.

Nach Überzeugung des erkennenden Gerichts hat daher der Beschwerdeführer in einem Zustand einer seines Erachtens schwerwiegenden und berechtigten Empörung spontan die Kontenance verloren.

Zu solch einer Konstellation wurde durch die Judikatur und Lehre der Entschuldigungsgrund der „Empörungsbeleidigung“ herausgearbeitet, welcher zur Schuldlosigkeit der Verwirklichung eines Beleidigungstatbestands, auch wenn dieser nicht im Strafgesetzbuch angeführt ist, führt (vgl. etwa. ÖBDK 2.2.1981, BKd 71/80 [samt Glosse in AnwBl. 1981/1444]; ÖBDK 10.5.1999, 14 Bkd 2/99 [samt Glosse in AnwBl. 1999/76124]; ASG Wien 23.8.2010, 27 Cga 80/09w zur Auslegung § 15 Abs. 3 lit. B BAG; Rami, § 115 StGB.Beleidigung, Rz. 14ff, in: Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar zur Strafgesetzbuch 20172; Lambauer, § 115 StGB, Pkt. B 3 III, in: Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch [Lieferung März 2009]; Tipold A., § 115 StGB, in: Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht. Besonderer Teil I [20153] 237ff).

Dieser Entschuldigungsgrund wird sogar ausdrücklich im § 115 Abs. 3 StGB im Hinblick auf den Straftatbestand der „Beleidigung“ normiert. Dieser lautet wie folgt:

„Wer sich nur durch Entrüstung über das Verhalten eines anderen dazu hinreißen läßt, ihn in einer den Umständen nach entschuldbaren Weise zu beschimpfen, zu verspotten, zu mißhandeln oder mit Mißhandlungen zu bedrohen, ist entschuldigt, wenn seine Entrüstung, insbesondere auch im Hinblick auf die seit ihrem Anlaß verstrichene Zeit, allgemein begreiflich ist.“

Das Vorliegen dieses Entschuldigungsgrunds ist nach Überzeugung des erkennenden Gerichts in Anbetracht der unstrittigen subjektiven Wahrnehmung des Beschwerdeführers, dass dieser von Herrn E. F. in einer seine Sexualsphäre betreffenden Weise verletzt worden ist (durch das Zwicken in die Brustwarze) anzunehmen. (Ob ein Zwicken in die Brustwarze durch einen gleichgeschlechtlichen Mann schon als eine Verletzung der Sexualsphäre einzustufen ist, kann dahingestellt bleiben, da es gegenständlich nur auf den Wertungskodex des Beschwerdeführers ankommt. Für eine Person mit offensichtlich arabischen Hintergrund erscheint solch eine Wertung als nicht völlig unnachvollziehbar.)

Sohin ist aber selbst im Falle, dass sich die Verwirklichung des angelasteten objektiven Tatbilds durch den Beschwerdeführer erweisen sollte, von einer Nichtverwirklichung des gegenständlich angelasteten Tatbestands infolge des Vorliegens des (schuldausschließenden) Entschuldigungsgrunds der Entrüstungsbeleidigung auszugehen.

Folglich war schon aus diesem Grunde spruchgemäß von der Nichtverwirklichung des angelasteten Tatbestands auszugehen.

Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG hatte eine öffentliche mündliche Verhandlung zu entfallen.

Da keine Partei die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung beantragt hat, konnte gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG seitens des Verwaltungsgerichts Wien von einer Verhandlung abgesehen werden.

Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Zivildiener; Dienstpflichten; Beleidigung; Unmutsäußerung; Empörungsbeleidigung; Entschuldigungsgrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.001.042.6867.2018

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten