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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §13 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde des R in H, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 24. März 1997, Zl. 3-51-02/95/E1, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde nach dem Sicherheitspolizeigesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als er die ihm zugrunde liegende Beschwerde auch bezüglich der behaupteten Verletzung einer Richtlinie (§89 Sicherheitspolizeigesetz) zurückweist, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In seiner wegen "Verletzung der §§ 88 und 89 SPG" an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg (die belangte Behörde) erhobenen Beschwerde brachte der Beschwerdeführer folgendes vor:
"Der Beschwerdeführer war am 5.11.1995 Opfer einer Amtshandlung des Gendarmeriepostens Vorkloster. Diese Amtshandlung ist zu GZ P-4472/95-RA des Gendarmeriepostens Vorkloster als Strafanzeige dargestellt und bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz als Strafbehörde vorgelegt worden, womit diese Beschwerde jedenfalls auch der Bezirkshauptmannschaft Bregenz zuzurechnen ist. Diese Amtshandlung verletzte den Beschwerdeführer in geschützten Rechten, weshalb er nach §§ 88 und 89 Sicherheitspolizeigesetz nachstehende Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat einbringt.
Zunächst ist unerklärlich, warum die Strafanzeige nicht von jenen Beamten formuliert wurde, die die Amtshandlung durchgeführt haben. Der naheliegende Schluß, daß ihnen dafür die Erfahrung fehlt, wirft dann allerdings die Frage auf, warum sie dann die Amtshandlung unbeaufsichtigt durchführen durften.
Nach der Strafanzeige fuhr der Beschwerdeführer am 5.11.1995, einem Sonntagmorgen, um 9.12 Uhr bei Gelblicht über die ampelgeregelte Kreuzung Bundesstraße B-202/Prälatendammstraße.
Nach der Strafanzeige wurde der Beschwerdeführer offenbar wegen dieses Nichtsachverhaltes vom Gendarmeriefahrzeug mit Blaulicht und später sogar mit eingeschaltetem Folgetonhorn (bis auf seinen Privatgrund) verfolgt.
Nach dem BGBl. Nr. 181/1929 darf ein Notzeichen nur verwendet werden, wenn akute Gefahr besteht. Daß im konkreten Fall eine solche akute Notsituation bestanden hätte, behauptet die Gendarmerieanzeige nicht einmal.
Während dieser Fahrt mit Blaulicht und Folgetonhorn hat der Lenker des Gendarmeriefahrzeugs offenbar auch den Geschehnissen auf der Straße nicht die von der Straßenverkehrsordnung geforderte Aufmerksamkeit geschenkt, war er doch (Seite 3 der Strafanzeige) offenbar auf 'ständiges Ablesen des Tachometers des Dienstwagens' fixiert.
Die grundlose Verfolgung eines Kraftfahrzeuglenkers mit Folgetonhorn und Blaulicht ist geeignet, ihn in seiner Ehre zu beeinträchtigen.
Richtig ist, daß diesbezüglich die österreichische Rechtsordnung bisher weniger sensibel war als die europäische. Österreich hat jedoch unlängst den Fall Friedl vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschrechte verglichen, nachdem die Kommission in ihrem Bericht eine Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers festgestellt hatte.
Die Beamtin J. hat versucht, das Führerscheinheft des Beschwerdeführers durchzublättern, ohne dabei die Handschuhe auszuziehen. Damit hat sie übersehen, daß Privateigentum möglichst schonend zu behandeln ist.
Allgemein wird bemerkt, daß in jüngster Zeit Gendarmeriepatrouillen offenbar nicht immer nach Richtlinie zusammengesetzt werden. Früher war es üblich, daß weniger erfahrene Gendarmeriebeamte zusammen mit erfahreneren in den Einsatz geschickt wurden.
Beim Fall des Beschwerdeführers handelte es sich um zwei junge Gendarmeriebeamte, zudem noch verschiedenen Geschlechts, was offenbar zu einer Akzentuierung des Imponiergehabes geführt hat - bis sie dann, was den Beamten immerhin zugute zu halten ist, offenbar selbst erkannt haben, daß die Amtshandlung 'nicht mehr zu retten' war.
Es hat auch weder eine Notwendigkeit noch eine Rechtsgrundlage dafür bestanden, den Beschwerdeführer auf seine Privatliegenschaft zu verfolgen. Die Beamten sind sohin in unzulässiger Weise auf Privatgrund eingedrungen.
Daß die Gendarmerieanzeige zudem technisch unmöglich ist, wird im Verwaltungsstrafverfahren vorgetragen werden, es rundet aber das Bild der Amtshandlung vollständig ab.
Klärungsbedürftig wäre schließlich auch noch, warum die Amtshandlung von Gendarmeriebeamten durchgeführt wurde, obwohl die Prälatendammstraße eine Gemeindestraße und die Exekutive auf Gemeindestraßen der Gemeindesicherheitswache übertragen ist. Der Beschwerdeführer stellt daher den Antrag festzustellen, daß er die in Beschwerde gezogene Amtshandlung ihn in folgenden Rechten verletzt hat:
1.
Grundlose Einleitung der Amtshandlung
2.
Entwürdigende Verfolgung mit Blaulicht und Folgetonhorn
3.
Eindringen auf Privatgrund
4.
Gesetzwidrige Verwendung von Notzeichen"
In der über Antrag des Beschwerdeführers am 9. Mai 1996 durchgeführten mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde (die infolge Verbindung auch das Verfahren über die Berufung des Beschwerdeführers gegen das in derselben Angelegenheit ergangene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz erfaßte) beantragte er ergänzend festzustellen,
"daß die beiden Gendarmeriebeamten auch dadurch Einschreitungsrichtlinien verletzt haben, daß sie mit ihrem Gendarmeriefahrzeug die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten haben, ohne das Blaulicht zu verwenden."
Mit Bescheid vom 24. März 1997 wies die belangte Behörde die bei ihr erhobene Beschwerde gemäß § 67c Abs. 4 AVG i.V.m. §§ 88 und 89 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) zurück und verpflichtete den Beschwerdeführer zum Kostenersatz in Höhe von S 6.865,--. Dabei nahm sie folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
"Der Beschwerdeführer lenkte am 5.11.1995 um 9.12 Uhr einen Pkw auf der Rheinstraße aus Hard kommend in Richtung Bregenz-Stadt. Beim Annähern an die ampelgeregelte Kreuzung der Rheinstraße mit der Prälatendammstraße beschleunigte der Beschwerdeführer seinen Pkw, während die Verkehrsampel der genannten Kreuzung für seine Fahrrichtung bereits "gelb" anzeigte. Dabei hätte der Beschwerdeführer noch rechtzeitig vor der Kreuzung anhalten können. Er passierte die Haltelinie ungefähr zu dem Zeitpunkt, als die Ampel von "gelb" auf "rot" umschaltete. Der Beschwerdeführer bog mit seinem Pkw in die Prälatendammstraße ein.
Dieser Vorgang wurde von zwei Gendarmeriebeamten wahrgenommen, die sich zur Verkehrsbeobachtung in einem Dienstfahrzeug auf einem Parkplatz im Nahbereich der Kreuzung aufhielten. Die Gendarmeriebeamten nahmen daraufhin sofort die Nachfahrt auf. Sie schlossen auf das Fahrzeug des Beschwerdeführers ca. 300 m nach der erwähnten Kreuzung auf (Brachsenweg, Bereich Firma Marte). Danach beschleunigte der Beschwerdeführer seinen Pkw und überschritt die auf dieser Straße erlaubte Höchstgeschwindigkeit um ca. 70 Prozent. In weiterer Folge versuchten die Gendarmeriebeamten das vor ihnen befindliche Fahrzeug des Beschwerdeführers anzuhalten. Zu diesem Zweck wurden Anhaltezeichen mit einem zum Seitenfenster hinausgehaltenen beleuchteten Anhaltestab gegeben, das Blaulicht eingeschaltet und einmal das Folgetonhorn zugeschaltet. Diese Anhalteversuche blieben erfolglos. Der Beschwerdeführer fuhr dann auf das in unmittelbarer Nähe gelegene, unversperrte Werksareal der Firma R. B. Internat. Spedition Ges.m.b.H. und hielt dort seinen Pkw an.
Die Gendarmeriebeamten folgten dem Beschwerdeführer. Bei der nachfolgenden Amtshandlung benahm sich der Beschwerdeführer gegenüber der amtshandelnden Gendarmeriebeamtin zunächst bis zu einer Abmahnung durch den zweiten Gendarmeriebeamten aggressiv. Nach Durchführung einer Fahrzeugkontrolle und der Aufnahme von Notizen für die Anzeige an die Bezirkshauptmannschaft beendeten die Gendarmeriebeamten die Amtshandlung und entfernten sich wieder."
Rechtlich folgerte die belangte Behörde aus diesem Sachverhalt, daß weder die Einleitung der Amtshandlung, noch das Einschalten des Blaulichtes und das einmalige Zuschalten des Folgetonhorns, noch das Befahren des Betriebsgeländes der Firma R. B. Internat. Spedition Ges.m.b.H. Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellten. Der Beschwerdeführer habe nämlich wegen der Nichtbefolgung der erwähnten Anhaltezeichen nicht mit einer unmittelbaren Sanktion, sondern "lediglich allenfalls" mit einer Anzeige wegen einer Übertretung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (§ 26 Abs. 5 StVO) zu rechnen gehabt. Auch das Befahren der Betriebsfläche der genannten Firma sei ohne Ausübung irgendeines Zwanges erfolgt; das Tor zum Betriebsgelände sei geöffnet gewesen und die am Tor angebrachte Hinweistafel (gemäß der Aussage des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde zu ergänzen offenbar: mit der Aufschrift "Betriebseinfahrt, Zutritt verboten") sei mit dem Tor nach innen auf das Betriebsgelände mitbewegt worden. Den Gendarmeriebeamten sei der Aufenthalt auf dem Firmengelände nicht versagt worden, der Beschwerdeführer habe sie nicht zum Verlassen des Geländes aufgefordert. Schließlich sei das Nachfahren nur deswegen erfolgt, weil der Beschwerdeführer vorhergehenden Anhalteaufforderungen nicht Folge geleistet habe und weil Erhebungsschritte im Zusammenhang mit Verkehrsübertretungen zu erfolgen gehabt hätten. Auf diese Erhebungsschritte habe sich dann im wesentlichen auch tatsächlich die nachfolgende Amtshandlung beschränkt. Daß laut Grundbuch die gegenständliche Betriebsfläche nicht im Eigentum des Beschwerdeführers stehe, weshalb ihm die Beschwerdelegitimation fehle, bedürfe davon ausgehend keiner näheren Erörterung. Mangels Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sei eine "Maßnahmenbeschwerde" nicht zulässig. Die Beschwerde könne aber auch nicht auf § 88 Abs. 2 SPG gestützt werden, weil diese Bestimmung nur Beschwerden gegen "schlicht-hoheitliche" Verhaltensweisen im Bereich der Sicherheitsverwaltung ermögliche, während die gegenständlichen Akte eindeutig im Zusammenhang mit der Übertretung von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften und daher im Rahmen der Verkehrspolizei gesetzt worden seien. Diese sei nach § 2 Abs. 2 SPG jedoch nicht der Sicherheitsverwaltung zuzuzählen. "Lediglich der Vollständigkeit halber" sei zu erwähnen, daß nach den Verfahrensergebnissen auch nicht von einer Verletzung in den Rechten des Beschwerdeführers auszugehen sei. Das gelte zunächst für die Einleitung der Amtshandlung als solche, zumal sie schon deswegen nicht grundlos erfolgt sei, weil die Gendarmeriebeamten berechtigterweise vom Vorliegen einer Verwaltungsübertretung (§ 38 StVO) hätten ausgehen dürfen. Sie seien im Hinblick auf das Legalitätsprinzip zur Durchführung der Amtshandlung verpflichtet gewesen. Die Einschaltung des Blaulichts und das einmalige Zuschalten des Folgetonhorns seien infolge des vorangegangenen Verhaltens des Beschwerdeführers gerechtfertigt gewesen. Die Verfolgung eines mit überhöhter Geschwindigkeit fahrenden Kraftfahrzeuges durch einen Funkstreifenwagen stelle eine Einsatzfahrt im Sinne des § 26 Abs. 1 StVO dar und rechtfertige den Gebrauch des Blaulichts. Eine Beeinträchtigung der Ehre des Beschwerdeführers durch das Betätigen des Blaulichts bzw. des Folgetonhorns habe schon deswegen nicht vorgelegen, weil beides nicht grundlos und exzessiv erfolgt sei. Die Verwendung der genannten Einrichtungen enthalte keine negative bzw. ehrenrührige Information über einen Verkehrsteilnehmer, sondern nur die Aufforderung, einem herannahenden Einsatzfahrzeug Platz zu machen (§ 26 Abs. 5 StVO).
Unter dem Blickwinkel des § 89 SPG führte die belangte Behörde weiter aus, daß der Beschwerdeführer nicht im Sinn dieser Bestimmung die Behauptung aufgestellt habe, beim Einschreiten eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes, von dem er betroffen war, sei eine gemäß § 31 erlassene Richtlinie verletzt worden. Die Beschwerde enthalte lediglich zweimal die Paragraphenbezeichnung "§ 89 SPG", von der Verletzung einer Richtlinie für das Einschreiten gemäß § 31 SPG sei jedoch nicht die Rede gewesen. Da eine Richtlinienverletzung in der Beschwerde an den Verwaltungssenat ausdrücklich geltend zu machen sei, sei der belangten Behörde eine Vorgangsweise in diese Richtung nicht möglich. Davon abgesehen seien den in der Beschwerde angeführten Punkten auch inhaltlich keine Richtlinienverletzungen zu entnehmen. Was schließlich den in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 1996 ergänzend gestellten Antrag anlange (Feststellung der Verletzung von Einschreitungsrichtlinien auch dadurch, daß die Gendarmen mit ihrem Fahrzeug die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten hätten, ohne das Blaulicht zu verwenden), so sei die sechswöchige Frist des § 89 Abs. 2 SPG nicht eingehalten worden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung derselben mit Beschluß vom 27. November 1997, B 1112/97-3, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat. Vor diesem wird als Beschwerdepunkt u.a. das Recht auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Amtshandlung "gemäß - analog §§ 88 und 89 SPG" geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der (ergänzten) Beschwerde wird die Ansicht vertreten, daß dem angefochtenen Bescheid nicht eindeutig zu entnehmen sei, "was die belangte Behörde wirklich wollte". Gehe man davon aus, daß es sich bei ihren Ausführungen nicht weitgehend um obiter dicta handle, dann hätte sie die Beschwerde als unbegründet ab- und nicht als unzulässig zurückweisen müssen. Außerdem wäre die Zurückweisung der Beschwerde nach siebenstündiger Verhandlung jedenfalls als verfehlt anzusehen.
Dem ist zu entgegnen, daß die belangte Behörde in deutlicher Form ihren Entscheidungswillen zum Ausdruck brachte; sie wies die bei ihr erhobene Beschwerde zur Gänze zurück, und zwar - noch einmal kurz zusammengefaßt - deswegen, weil
-
kein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorliege,
-
"schlichtes Polizeihandeln" gemäß § 88 Abs. 2 SPG nur im Rahmen der Sicherheitsverwaltung bekämpft werden könne und
-
eine Verletzung von Richtlinien im vorliegenden Fall nicht bzw. verspätet behauptet worden sei.
"Lediglich der Vollständigkeit halber" - und damit in der Tat als obiter dictum - führte die belangte Behörde ergänzend aus, daß "nach dem Ergebnis des gegenständlichen Verfahrens auch nicht von einer Verletzung in den Rechten des Beschwerdeführers auszugehen ist".
Dieses Vorgehen ist unbedenklich. Es kann aber auch nicht davon die Rede sein, daß die belangte Behörde im Hinblick auf die von ihr durchgeführte mündliche Verhandlung nicht mehr zur Zurückweisung der erhobenen Beschwerde berechtigt gewesen wäre. Im übrigen ist mit der Gegenschrift darauf hinzuweisen, daß mitunter erst auf Grund der Durchführung eines Verfahrens beurteilt werden kann, ob ein anfechtbares Verwaltungshandeln vorliegt. Schließlich sei ergänzend angemerkt, daß die mündliche Verhandlung nicht nur im Rahmen der hier gegenständlichen Beschwerde durchgeführt wurde, sondern auch dem Verfahren über die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz zugeordnet war.
2. Ausgehend von der hier zu beurteilenden Entscheidung der belangten Behörde geht die in der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge ins Leere. Sie zielt nämlich ausschließlich darauf ab, die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen betreffend die "fahrtechnischen" Aspekte (insbesondere: Bei welcher Ampelphase überquerte der Beschwerdeführer die Haltelinie vor der gegenständlichen Kreuzung? Wann erreichte das Gendarmeriefahrzeug den Pkw des Beschwerdeführers?) zu erschüttern, sodaß sich ergäbe, daß die Gendarmeriebeamten ohne nachvollziehbaren Grund eingeschritten seien. Diesem Umstand kommt für die allein maßgebliche Frage, ob die Vorgangsweise der beiden Gendarmeriebeamten schon abstrakt tauglicher Gegenstand einer Beschwerde nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG oder § 88 SPG sein konnte und ob eine Beschwerde nach § 89 SPG erhoben wurde, jedoch keine Bedeutung zu. Die in der Beschwerde in diesem Zusammenhang geäußerte Ansicht, die belangte Behörde hätte sich "ihre eigenen Gedanken über die Amtshandlung zu machen und diese von sich aus näher zu untersuchen gehabt" bzw. die strenge Unterscheidung in faktische Amtshandlung, in schlichte Amtshandlung und in richtlinienwidriges Verhalten entspreche nicht der "menschenrechtlichen Prüfpflicht" der Behörde, verkennt die Struktur des österreichischen Rechtsschutzsystems im Bereich der öffentlichen Verwaltung (vgl. dazu im vorliegenden Zusammenhang Wiederin, Einführung in das Sicherheitspolizeirecht, Rz 725 ff.). Daran vermag auch der Hinweis auf Art. 13 EMRK nichts zu ändern. Im übrigen übersieht der Beschwerdeführer, daß ihm auch nach Ansicht der belangten Behörde gegen das in Beschwerde gezogene Verhalten eine "wirksame Beschwerde" (im Weg des § 89 SPG) offengestanden wäre, von welcher Möglichkeit der Beschwerdeführer gemäß der im angefochtenen Bescheid vertretenen Auffassung - auf die noch zurückzukommen sein wird - jedoch nicht in der vom Gesetz geforderten Form bzw. nicht rechtzeitig Gebrauch gemacht habe.
3. Während die Beschwerde sohin schlichtweg die Auffassung vertritt, es müsse die Möglichkeit bestehen, die vorgetragene Amtshandlung zu bekämpfen, wendet sie sich nicht dagegen, daß die belangte Behörde in dieser Amtshandlung keine Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erblickte. Auch der Verwaltungsgerichtshof tritt dieser Beurteilung der belangten Behörde bei.
Nach der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts liegt die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dann vor, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung eindeutig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist. Die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person liegt nur vor, wenn es keines dazwischen geschalteten weiteren Handelns mehr bedarf, um den behördlichen Zustand herzustellen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1997, Zl. 95/01/0600). Beispielsweise verneint wurde das Vorliegen eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt beim "Herabstoßen" eines Hubschraubers der Exekutive auf Teilnehmer an einer Versammlung
(vgl. VfSlg. 10.762/1986).
Vor diesem Hintergrund kann weder in der Einleitung der Amtshandlung (selbst wenn diese wie behauptet grundlos erfolgt wäre), noch im "Verfolgen" des vom Beschwerdeführer gelenkten Fahrzeugs mit Blaulicht und mit Folgetonhorn oder im Durchblättern seines Führerscheinheftes ohne Ausziehen der Handschuhe eine nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG oder § 88 Abs. 1 SPG bekämpfbare Maßnahme gesehen werden. Der Versuch, den Beschwerdeführer mittels Anhaltestab zum Anhalten zu veranlassen (was allenfalls als "Befehl" gedeutet werden könnte), wurde in der Beschwerde nicht releviert. Damit verbleibt das in der Beschwerde als "Eindringen auf Privatgrund" bezeichnete Nachfahren der einschreitenden Gendarmeriebeamten auf das Firmengrundstück der R. B. Internat. Spedition Ges.m.b.H., was freilich deswegen nicht näher auf allfälligen "Maßnahmencharakter" überprüft werden muß, weil es den Beschwerdeführer jedenfalls nicht in seinen Rechten verletzen konnte; die belangte Behörde hat nämlich unbestritten festgestellt, daß das Firmengelände nicht im Eigentum des Beschwerdeführers steht (der eingeholte Grundbuchsauszug weist als Liegenschaftseigentümer im Rang 3264/1989 zwei vom Beschwerdeführer verschiedene Privatpersonen aus). Daß dem Beschwerdeführer allenfalls eine anderweitige privatrechtliche Position in bezug auf die Liegenschaft zukäme, hat er nicht behauptet und ist im Verfahren auch nicht hervorgekommen.
4. Daß die in Rede stehende Amtshandlung oder einzelne Teilaspekte derselben auch nicht gemäß § 88 Abs. 2 SPG in Beschwerde gezogen werden kann/können, wird vom Beschwerdeführer gleichfalls nicht in Frage gestellt. Es kann daher genügen, mit der belangten Behörde darauf hinzuweisen, daß die genannte Bestimmung eine Beschwerdemöglichkeit nur im Bereich der Sicherheitsverwaltung im Sinn des § 2 Abs. 2 SPG eröffnet, dem das gegenständliche Einschreiten der beiden Gendarmeriebeamten jedoch nicht zugeordnet werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1998, Zl. 97/01/1173).
5. Abschließend ist der vorliegende Fall unter dem Blickwinkel des § 89 SPG zu betrachten. Diese Bestimmung (in der Fassung des insoweit am 1. Juli 1996 in Kraft getretenen Bundesgesetzes BGBl. Nr. 201/1996; vgl. § 94 Abs. 3 SPG) lautet wie folgt:
"Beschwerden wegen Verletzung
von Richtlinien für das Einschreiten
§ 89. (1) Insoweit mit einer Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat die Verletzung einer gemäß § 31 festgelegten Richtlinie behauptet wird, hat der unabhängige Verwaltungssenat sie der zur Behandlung einer Aufsichtsbeschwerde in dieser Sache zuständigen Behörde zuzuleiten.
(2) Menschen, die in einer binnen sechs Wochen, wenn auch beim unabhängigen Verwaltungssenat (Abs. 1), eingebrachten Aufsichtsbeschwerde behaupten, beim Einschreiten eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes, von dem sie betroffen waren, sei eine gemäß § 31 erlassene Richtlinie verletzt worden, haben Anspruch darauf, daß ihnen die Dienstaufsichtsbehörde den von ihr schließlich in diesem Punkte als erwiesen angenommenen Sachverhalt mitteilt und sich hiebei zur Frage äußert, ob eine Verletzung vorliegt.
(3) Von einer Mitteilung (Abs. 2) kann insoweit Abstand genommen werden, als der Beschwerdeführer schriftlich oder niederschriftlich erklärt, durch mündliche Äußerungen der Behörde klaglos gestellt worden zu sein.
(4) Jeder, dem gemäß Abs. 2 mitgeteilt wurde, daß die Verletzung einer Richtlinie nicht festgestellt worden sei, hat das Recht, binnen 14 Tagen die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates zu verlangen, in dessen Sprengel das Organ eingeschritten ist; dasselbe gilt, wenn eine solche Mitteilung (Abs. 2) nicht binnen drei Monaten nach Einbringung der Aufsichtsbeschwerde ergeht. Der unabhängige Verwaltungssenat hat festzustellen, ob eine Richtlinie verletzt worden ist.
(5) In Verfahren gemäß Abs. 4 vor dem unabhängigen Verwaltungssenat sind die §§ 67c bis 67g und 79a AVG sowie § 88 Abs. 5 dieses Bundesgesetzes anzuwenden. Der unabhängige Verwaltungssenat entscheidet durch eines seiner Mitglieder."
Gemäß der eben wiedergegebenen Bestimmung wird das Verfahren somit durch eine binnen sechs Wochen zu erhebende Aufsichtsbeschwerde des Betroffenen eingeleitet, die alternativ beim unabhängigen Verwaltungssenat oder direkt bei der Dienstaufsichtsbehörde eingebracht werden kann (§ 89 Abs. 2 SPG). Das Gesetz (§ 89 Abs. 1 leg. cit.) sieht aber auch die amtswegige "Umdeutung" sonstiger beim unabhängigen Verwaltungssenat eingebrachter Anbringen in Aufsichtsbeschwerden vor: Der unabhängige Verwaltungssenat hat stets dann, wenn in einer bei ihm erhobenen Beschwerde (sei es auch im Zusammenhang mit einer Beschwerde wegen Verletzung subjektiver Rechte gemäß § 88 SPG) eine Richtlinienverletzung behauptet wird, sie der Dienstaufsichtsbehörde zur weiteren Behandlung als Aufsichtsbeschwerde zuzuleiten (Wiederin, aaO., Rz 748).
Im vorliegenden Fall ging die belangte Behörde davon aus, daß weder der Tatbestand des § 89 Abs. 1 SPG noch jener des Abs. 2 dieser Norm erfüllt sei; der Beschwerdeführer habe nicht behauptet, es sei eine gemäß § 31 SPG festgelegte/erlassene Richtlinie verletzt worden.
Mit dieser Ansicht verkennt die belangte Behörde das Gesetz. Zwar gibt sie zutreffend die in der Literatur hiezu vertretenen Standpunkte wieder. Wenn bei Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate2, 389, festgehalten ist, es bestehe das Erfordernis, diese Rechtsverletzung (gemeint: Richtlinienverletzung) in der Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat "ausdrücklich" geltend zu machen, während im übrigen bei Beschwerden an den unabhängigen Verwaltungssenat nach § 88 i.V.m. § 67c AVG die ausdrückliche Behauptung bestimmter Rechtsverletzungen nicht erforderlich ist, so kann das jedoch nur so verstanden werden, daß in der Beschwerde eine (im Sinn von irgendeine) Richtlinienverletzung behauptet werden muß, um das Verfahren nach § 89 SPG in Gang zu setzen. Der Beschwerdeführer muß also explizit die Verletzung einer Richtlinie behaupten. Aufsichtsbeschwerden, die keinen Beschwerdepunkt "Richtlinienverletzung" beinhalten, müssen nicht beantwortet, beim unabhängigen Verwaltungssenat erhobene Beschwerden, deren Inhalt eine Richtlinienverletzung lediglich erschließen läßt, nicht als Aufsichtsbeschwerden der Dienstaufsichtsbehörde zugeleitet werden (Wiederin, aaO., Rz 749). Es genügt, wenn ausdrücklich die Verletzung von Richtlinien behauptet wird. Eine exakte Zuordnung eines behauptetermaßen richtlinienwidrigen Verhaltens zu einer bestimmten Norm der auf Grund des § 31 SPG erlassenen Richtlinien-Verordnung-RLV ist dagegen nicht erforderlich. Das gebietet weder der Wortlaut des § 89 Abs. 1 und 2 SPG, noch ließe sich ein derartiges Verständnis wertungsmäßig mit § 67c Abs. 2 AVG - worauf § 89 Abs. 5 SPG bezüglich des Verfahrens nach Abs. 4 dieser Bestimmung verweist - in Einklang bringen, wonach bei Beschwerden wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt die ausdrückliche Behauptung bestimmter Rechtsverletzungen nicht erforderlich ist. Teleologisch betrachtet kann das Erfordernis, die Verletzung einer gemäß § 31 SPG festgelegten/erlassenen Richtlinie zu behaupten, nur so begründet werden, daß auf diesem Wege darüber Klarheit zu schaffen ist, ob der Beschwerdeführer - was in seiner Ingerenz liegt - die Rechtsschutzmöglichkeit nach § 89 SPG in Anspruch nehmen möchte. Ist das aber eindeutig klargestellt, so ist nicht zu sehen, warum in formalistischer Weise eine Zuordnung zu ganz bestimmten Richtlinien gefordert werden sollte.
In der hier zu beurteilenden Beschwerde an die belangte Behörde hat der Beschwerdeführer ausdrücklich auch § 89 SPG als Rechtsgrundlage genannt. Ob damit schon ausreichend klargestellt wurde, daß ein Verfahren nach § 89 SPG eingeleitet werden solle, kann dahinstehen. Zweifel in diese Richtung hätten die belangte Behörde jedenfalls zur Einleitung eines Verbesserungsverfahrens nach § 13 AVG veranlassen müssen. Das hat sie nicht getan. Allerdings hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 1996 beantragt ergänzend festzustellen, "daß die beiden Gendarmeriebeamten auch dadurch Einschreitungsrichtlinien verletzt haben, daß ..." Jedenfalls damit hat er klargestellt, ein Vorgehen in Richtung § 89 SPG - uzw. schon bezüglich seines ursprünglichen Beschwerdevorbringens - zu begehren, zumal nicht ohne weiteres gesagt werden kann, daß das Beschwerdevorbringen "auch inhaltlich keine Verletzung von Bestimmungen der RLV" enthalte. Wenn - wie in der Beschwerde unterstellt - die darin angeführten Verhaltensweisen eine unsachliche Vorgangsweise zum Ausdruck brachten, könnte nämlich an eine Verletzung des § 5 Abs. 1 erste Alternative RLV (demnach haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei der Erfüllung ihrer Aufgaben alles zu unterlassen, das geeignet ist, den Eindruck von Voreingenommenheit zu erwecken) gedacht werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1998, Zl. 98/01/0084).
Ungeachtet all dessen steht einer Zurückweisung der Beschwerde "gemäß § 67c) Abs. 4 AVG iVm § 89 SPG" schon der Umstand entgegen, daß der belangten Behörde in dieser Phase des Verfahrens (vor einer Befassung i.S. des § 89 Abs. 4 SPG) überhaupt keine Zurückweisungskompetenz zukommt. Sieht sie - mangels Behauptung (irgend)einer Richtlinienverletzung - keinen Anlaß, die bei ihr eingelangte Eingabe an die Aufsichtsbehörde weiterzuleiten, so ist insoweit (allenfalls nach einem erfolglosen Verbesserungsversuch) eine weitere Behandlung der Eingabe nicht vorgesehen. Von daher erweist sich - ohne daß die Frage der Rechtzeitigkeit zu prüfen wäre - entgegen der Ansicht der belangten Behörde auch die Zurückweisung des in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 1996 ergänzend erstatteten Vorbringens, wonach die beiden Gendarmeriebeamten auch durch Überschreiten der zulässige Höchstgeschwindigkeit, ohne das Blaulicht zu verwenden, Einschreitungsrichtlinien verletzt hätten, als verfehlt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1997, Zl. 96/01/0001).
6. Nach den eben angestellten Überlegungen zu 5. entsprach die Zurückweisung der bei der belangten Behörde eingebrachten Beschwerde, soweit sich diese auf § 89 SPG bezog, nicht dem Gesetz. Der angefochtene Bescheid war daher in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, während die Beschwerde im übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die vom Beschwerdeführer beantragte mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG entfallen.
7. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff (insbesondere § 50) VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 13. Jänner 1999
Schlagworte
Pflichten bei Erteilung des Verbesserungsauftrages Erforschung des Parteiwillens Rechtskraft Besondere Rechtsgebiete Verfahrensrechtliche BescheideEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998010169.X00Im RIS seit
21.02.2002