Index
14 OrganisationsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verfassungswidrigkeit der Regelungen des ASGG über besondere Feststellungsverfahren vor dem OGH in Arbeitsrechtssachen; keine Erstattung eines Rechtsgutachtens durch den OGH in Form einer Gerichtsentscheidung; ausnahmsweise Berufung des OGH als erste und einzige Instanz verfassungskonform; sachliche Rechtfertigung der Beschränkung der Antragsberechtigung auf kollektivvertragsfähige Körperschaften der Arbeitgeber und ArbeitnehmerSpruch
Die Anträge werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Mit insgesamt sieben, auf Art89 Abs2 und Art140 Abs1 B-VG gestützten, zu den Zlen. G52/95, G53/95, G54/95, G55/95, G56/95, G1318/95 und G146/96 protokollierten Anträgen - fünf wurden mit Beschlüssen vom 30. März 1995 gestellt, einer (der zu G1318/95) datiert vom 12. Juli 1995 und einer (der zu G146/96) vom 25. April 1996 - begehrt der Oberste Gerichtshof (im folgenden: OGH), "§54 Abs2 bis 4 ASGG, die Wortfolgen 'und Anträge nach Abs2' und 'oder einen solchen Antrag' in Abs5 dieser Bestimmung sowie den zweiten Satz des §58 Abs1 ASGG als verfassungswidrig aufzuheben."
Alle Anträge des OGH sind aus Anlaß von bei ihm anhängigen besonderen Feststellungsverfahren gemäß §54 Abs2 ASGG gestellt worden. Im Verfahren zu Z8 ObA 801/94 (G52/95) geht es um einen Feststellungsantrag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, Gewerkschaft Handel, Transport, Verkehr, wider die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, Fachverband der Autobusunternehmen, betreffend die Abgeltung von Stehzeiten. Das Verfahren zu Z8 ObA 802/94 (G53/95) hat einen Feststellungsantrag der Landesinnung der chemischen Gewerbe für Oberösterreich wider den Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst, betreffend die Feststellung des Nichtübergehens von Arbeitsverhältnissen zum Gegenstand. Dem Verfahren zu Z8 ObA 801/95 (G54/95) liegt ein Feststellungsantrag der "Republik Österreich (Österreichischer Bundestheaterverband)" gegen den Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft Kunst, Medien, Freie Berufe, betreffend die Festlegung der Spielzeit für die Dienstnehmer der Wiener Volksoper zugrunde. Das Verfahren zu Z8 ObA 802/95 (G55/95) betrifft einen Feststellungsantrag des Wiener Bühnenvereins gegen den Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft Kunst, Medien, Freie Berufe, auf Festlegung der Spielzeit für die Dienstnehmer der Wiener Volksoper. Dem Verfahren zu Z8 ObA 803/95 (G56/95) liegt ein Feststellungsantrag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, Gewerkschaft Handel, Transport, Verkehr, wider die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, Fachverband für das Güterbeförderungsgewerbe, betreffend Überstunden zugrunde. Im Verfahren zu Z9 ObA 801/95 (G1318/95) geht es um einen vom Zentralverband der land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeber in Niederösterreich, Burgenland und Wien sowie den Arbeitgeberverbänden der Land- und Forstwirtschaft in Steiermark, der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe Kärntens und Oberösterreichs sowie dem Land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverband Salzburg wider den Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft Agrar-Nahrung-Genuß, gestellten Feststellungsantrag betreffend Sonderzahlungen für Zeiten ohne Entgelt für Forstarbeiter in der Privatwirtschaft. Und im Verfahren zu Z8 ObA 2060/96s (G146/96) ist der OGH vom Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft der Privatangestellten, angerufen worden, über einen gegen den Hauptverband der Österreichischen Sparkassen und den Verband Österreichischer Banken und Bankiers gerichteten Antrag betreffend Valorisierung bestimmter Pensionsleistungen zu entscheiden.
2. Die §§54 und 58 ASGG, BGBl. Nr. 104/1985 (Stammfassung) idF (nur der Abs1 des §54) BGBl. Nr. 624/1994, - die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben - lauten wie folgt:
"Besondere Feststellungsverfahren
§54. (1) In Arbeitsrechtssachen nach §50 Abs1 können die parteifähigen Organe der Arbeitnehmerschaft im Rahmen ihres Wirkungsbereiches sowie der jeweilige Arbeitgeber auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen, die mindestens drei Arbeitnehmer ihres Betriebes oder Unternehmens betreffen, klagen oder geklagt werden. Es ist jedoch ohne Belang, wenn sich nach der Streitanhängigkeit die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer des Betriebs oder Unternehmens auf einen Arbeitnehmer verringert oder die Strittigkeit des Rechts oder Rechtsverhältnisses zwar nicht mehr einen Arbeitnehmer des Betriebs oder Unternehmens, wohl aber zumindest noch einen zwischenweilig aus dem Betrieb oder Unternehmen ausgeschiedenen Arbeitnehmer betrifft.
(2) Kollektivvertragsfähige Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer (§§4 bis 7 ArbVG) können im Rahmen ihres Wirkungsbereichs gegen eine kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer beziehungsweise der Arbeitgeber beim Obersten Gerichtshof einen Antrag auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen anbringen, die einen von namentlich bestimmten Personen unabhängigen Sachverhalt betreffen. Der Antrag muß eine Rechtsfrage des materiellen Rechts auf dem Gebiet der Arbeitsrechtssachen nach §50 zum Gegenstand haben, die für mindestens drei Arbeitgeber oder Arbeitnehmer von Bedeutung ist.
(3) Der Antrag ist dem vom Antragsteller zu bezeichnenden Antragsgegner mit dem Auftrag zuzustellen, hiezu binnen vier Wochen Stellung zu nehmen. Innerhalb dieser Frist können auch andere kollektivvertragsfähige Körperschaften der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer im Rahmen ihres Wirkungsbereichs zu dem Antrag Stellung nehmen.
(4) Der Oberste Gerichtshof hat über den Feststellungsantrag auf der Grundlage des darin angegebenen Sachverhalts durch den einfachen Senat (§11 Abs1) zu entscheiden. Die Entscheidung ist allen kollektivvertragsfähigen Körperschaften zuzustellen, die sich am Verfahren beteiligt haben.
(5) Feststellungsklagen nach Abs1 und Anträge nach Abs2 können auch dann erhoben werden, wenn der Berechtigte eine Leistungsklage erheben könnte. Für die Dauer des Verfahrens über eine solche Feststellungsklage oder einen solchen Antrag sind alle Fristen zur Geltendmachung des Anspruchs des Berechtigten gehemmt. Nach Beendigung des Verfahrens steht dem Berechtigten zur Erhebung der Leistungsklage zumindest noch eine Frist von drei Monaten offen; war die ursprüngliche Frist kürzer, so steht dem Berechtigten nur diese offen. Der Beendigung steht das Ruhen des Verfahrens gleich."
"Kostenersatz und Gebühren
§58. (1) In Rechtsstreitigkeiten nach §50 Abs2 steht einer Partei ein Kostenersatzanspruch an die andere nur im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof zu. In besonderen Feststellungsverfahren nach §54 Abs2 steht keiner Partei ein Kostenersatzanspruch an die andere zu.
(2) Die Parteien haben die den fachkundigen Laienrichtern nach §32 ausgezahlten Beträge nicht zu ersetzen."
3. Der OGH begründet seine Anträge - sie sind, was die rechtlichen Ausführungen anbelangt, textgleich - im wesentlichen wie folgt:
"1.) Der Oberste Gerichtshof wird in den Fällen des §54 Abs2 ASGG nicht - wie es Art92 Abs1 B-VG grundsätzlich vorsieht - als oberste Instanz, sondern als Eingangs- (und einzige) Instanz tätig.
Aus Art92 Abs1 B-VG ergibt sich nach einhelliger Meinung lediglich eine Bestandsgarantie für den Obersten Gerichtshof, der für einen nicht ganz unwesentlichen Teil der Zivil- und Strafrechtssachen zuständig sein muß; eine Deutung dieser Bestimmung in Richtung einer Rechtsweggarantie (oberste Instanz in allen Zivil- und Strafrechtssachen) oder einer Maximalzuständigkeit (oberste Instanz ausschließlich in Zivil- und Strafrechtssachen) wird hingegen von Lehre und Rechtsprechung schon aus Gründen des Wortlauts und wegen Art83 Abs1 B-VG (die Zuständigkeit der Gerichte wird durch Bundesgesetz festgestellt) abgelehnt.
Ob eine Regelung, wonach der Oberste Gerichtshof - wenn auch nur in einer bestimmten Materie oder für eine bestimmte Personengruppe - als Eingangs- und einzige Instanz tätig wird, mit Art92 Abs1 B-VG vereinbar ist, ist zweifelhaft und durch Lehre und Rechtsprechung nicht hinreichend geklärt; zu dieser Frage gibt es nämlich nur ganz vereinzelte Stellungnahmen.
Der Wortlaut des Art92 Abs1 B-VG spricht prima vista dagegen: Eine oberste Instanz setzt voraus, daß es auch eine 'niedrigere' gibt. Diese Auslegungsmöglichkeit deutet Wresounig (ASGG 131 mit FN 92), vorsichtig an, ohne sich jedoch festzulegen. Hellbling (JBl 1956, 334) hingegen hielt dies - allerdings in anderem Zusammenhang (Abgrenzung von Gerichtsbarkeit und Verwaltung) - für zulässig, wenn auch wegen der Gefahr der Überlastung für nicht wünschenswert.
Der Verfassungsgerichtshof hat sich, soweit der Oberste Gerichtshof feststellen konnte, nur einmal (VfSlg 12151) und dort nur am Rande - im Zusammenhang mit durch Gerichte zu entscheidenden Strafsachen - mit dieser Frage beschäftigt; er führte dort zwar aus, daß der Bundesverfassungsgesetzgeber von einem dreistufigen organisatorischen Aufbau der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit ausgehe, lehnte es jedoch zugleich ab, diese Ansicht zum Prüfmaßstab für die konkrete Ausgestaltung des Instanzenzuges in einem Verfahren zu machen.
Der Oberste Gerichtshof sprach in einer Erlagssache, in welcher der Erlag beim Obersten Gerichtshof beantragt worden war, aus, er könne nach Art92 Abs1 B-VG jedenfalls nicht in solchen Zivil- und Strafsachen als erste Instanz tätig werden, in denen seine Zuständigkeit auch in letzter Instanz in Betracht komme (SZ 55/107). Als einen möglichen Ausnahmsfall nannte er in dieser Entscheidung §532 ZPO. Zu denken wäre aber auch an Entscheidungen über Kompetenzkonflikte sowie Ordinations- und Delegationsfälle. Solche betreffen aber nur rein verfahrensrechtliche Konstellationen, die nur Bestandteil eines anderen Verfahrens und mit dem vorliegenden Fragenkomplex nicht vergleichbar sind.
Betrachtet man Art92 Abs1 B-VG unter der im Verfassungsrecht herrschenden 'Versteinerungstheorie', wird dieses Ergebnis bestätigt. Es zeigt sich, daß zur Zeit der Erlassung der relevanten Artikel des B-VG, die man allgemein mit dem Jahr 1929 ansetzt, der Oberste Gerichtshof nicht als Eingangs- und einzige Instanz in Zivilverfahren oder Teilen davon vorgesehen war; eine solche Zuständigkeit ist daher durch das historische Verständnis des Art92 Abs1 B-VG nicht gedeckt (zur Tätigkeit des Obersten Gerichtshofs als reine Gutachtensinstanz iSd §16 litf OGH-Statut, §27 GewGG, später §27 ArbGG siehe unten 2.).
Sachlich gerechtfertigte Gründe für eine abweichende Regelung gerade in den hier zu entscheidenden Fällen lassen sich, wie noch unten (3.) ausgeführt werden wird, nach Meinung des Obersten Gerichtshofes nicht finden, sodaß von einem aus Art92 Abs1 B-VG abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot, den Obersten Gerichtshof nicht als Eingangs- und einzige Instanz vorzusehen, auszugehen ist.
2.) Formal wurde die Regelung des §54 Abs2 bis 4 ASGG so gestaltet, daß der Oberste Gerichtshof als Gericht - und zwar in einem 'streitigen Außerstreitverfahren' - entscheidet, wobei allerdings der vom Antragsteller behauptete Sachverhalt ohne weitere Prüfung zugrundezulegen ist und die Behauptung des Antragstellers, die Entscheidung sei für mindestens drei Arbeitgeber oder Arbeitnehmer von Bedeutung, genügt.
Die Rolle des Antragsgegners beschränkt sich materiell auf jene eines Lieferanten rechtlicher Argumente; gegen den vom Antragsteller behaupteten Sachverhalt kann der Antragsgegner nichts vorbringen, sondern höchstens seinerseits einen Antrag nach §54 Abs2 ASGG mit von ihm aufgestellten Sachverhaltsbehauptungen einbringen, über den der Oberste Gerichtshof dann ebenfalls, jedoch unter Zugrundelegung dieses Sachverhalts, zu entscheiden hätte.
Vergleichbare gerichtliche Verfahren dieser Art gibt es nicht; auch in Verfahren, in denen vorerst gerichtliche Anordnungen nur auf Grund der Anträge und Behauptungen einer Seite erlassen werden (Zahlungsbefehl im Mahnverfahren; Übergabs- und Übernahmsauftrag bei der gerichtlichen Aufkündigung) oder zumindest erlassen werden können (einstweilige Verfügungen), entscheiden die Gerichte nicht abschließend lediglich auf Grund der unüberprüften Behauptungen einer Seite, ohne dem Gegner in irgendeinem Stadium des Verfahrens (durch Erhebung von Einspruch, Einwendungen oder Widerspruch) Gelegenheit zu geben, zu diesen auch im tatsächlichen Stellung zu nehmen.
Das in §54 Abs2 bis 4 ASGG vorgesehene Verfahren entspricht nach Meinung des Obersten Gerichtshofes - unter Zugrundelegung eines heute wohl als herrschend anzusehenden materiellen Begriffes - nicht dem traditionellen Bild der Gerichtsbarkeit; materiell handelt es sich vielmehr um ein vom Obersten Gerichtshof zu erstattendes Rechtsgutachten, welches - zur Ausräumung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen solche nach früherem Recht (§16 litf OGH-Statut, §27 GewGG bzw §27 ArbGG) zu erstattende Gutachten - in den Mantel einer Gerichtsentscheidung gekleidet wurde.
Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob der einfache Gesetzgeber verfassungskonform den Gerichten - und somit auch dem Obersten Gerichtshof - über die klassische gerichtliche Entscheidungstätigkeit und die Justizverwaltung hinaus, weitere Aufgaben zuweisen kann; keinesfalls darf eine solche Tätigkeit der Gerichtsbarkeit völlig wesensfremd sein, was bei Erstattung von abstrakten Rechtsgutachten zur Klärung von Rechtsfragen, die möglicherweise in Zukunft in gerichtlichen Verfahren entscheidungswesentlich sein könnten, aber nicht gesagt werden kann. Das war wohl auch mit ein Grund, warum der Bundesverfassungsgesetzgeber des Jahres 1929 die vorgefundene Rechtslage hinsichtlich der Gutachtenstätigkeit des Obersten Gerichtshofes stillschweigend hinnahm und auch noch das OGHG (§11 - Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen) dem Obersten Gerichtshof solche Tätigkeiten überträgt.
Einerseits wollte man mit der Neuregelung - allerdings in Verkennung der geäußerten Argumente, die sich vorwiegend gegen den positiv-rechtlich angeordneten generell-bindenden Charakter, den die Gutachten durch die Eintragung in das Judikatenbuch bekamen ('Auslegungsjudikate'), richteten - die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den früheren Rechtszustand (§16 litf OGH-Statut, §27 GewGG bzw §27 ArbGG) umgehen (dazu Walter, Gerichtsbarkeit und Verfassung 71, 150, 198; Sobalik, JBl 1961, 149; Gärtner, Staatsbürger 1968/17/1 f; Jelinek, RZ 1976, 137 und Walter, JBl 1988, 188 gegen Fasching in Schima-FS 1969, 133).
Andererseits wollte man dadurch (sonst wäre das Verfahren ja an sich zwecklos) diesen 'Entscheidungen' - ohne die früher angeordnete bedenkliche Bindungswirkung über die Verfahrensparteien hinaus wieder einzuführen (AB 527 BlgNR 16.GP, 7) - die Bedeutung einer 'echten' oberstgerichtlichen Entscheidung verschaffen (vgl Schwarz - Löschnigg, Arbeitsrecht 741; Schrank, RdW 1985, 5). Als Gutachten wäre es nicht geeignet, Grundlage ständiger Rechtsprechung iSd §502 Abs1 ZPO bzw §8 OGHG zu werden; dies wäre - dogmatisch gesehen - erst dann der Fall, wenn diese Ansicht aus Anlaß bestimmter Rechtsfälle aufgegriffen und zur ständigen Rechtsprechung gemacht werden würde (vgl Jelinek, RZ 1976, 137 ff, insb 147). Um nicht nur auf die de-facto-Autorität überzeugend begründeter Gutachten des Obersten Gerichtshofes vertrauen zu müssen und das gewünschte Ergebnis (Schaffung von Leitjudikatur) zu erreichen, wählte der Gesetzgeber das äußere Gewand einer gerichtlichen Entscheidung, ohne allerdings diesem 'Verfahren' den einem echten gerichtlichen Verfahren wesentlichen Inhalt zu geben.
Eine solche vom Gesetzgeber bewußt gewählte (vgl AB 7 f) formale Ausgestaltung als 'Entscheidung', um dem Rechtsgutachten die gewünschte Präjudizwirkung zu verleihen, hält der Oberste Gerichtshof für einen Mißbrauch der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten und für verfassungsrechtlich bedenklich, sodaß er seinen Anfechtungsantrag auch hierauf stützt, was notwendigerweise ebenfalls zur Aufhebung des gesamten Normenkomplexes zwingen würde.
3.) Bedenklich ist die Regelung auch unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (Fasching in Fasching - FS II, Vortrag Richterwoche 1992, 22).
...
Im früheren Recht (§16 litf OGH-Statut und §27 ArbGG bzw dessen Vorläufer §27 GewGG) stand nur dem Bundesministerium für Justiz die Kompetenz zu, dem Obersten Gerichtshof die Erstattung eines in das Judikatenbuch einzutragenden Gutachtens aufzutragen; dieses Recht war jedoch nach §16 litf OGH-Statut nicht auf bestimmte Materien beschränkt und so gesehen wesentlich unproblematischer als die jetzige Regelung.
Nunmehr räumt §54 Abs2 ASGG bestimmten Interessenvertretungen, nämlich den kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, ein solches Antragsrecht zur Entscheidung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts auf dem gesamten Gebiet der Arbeitsrechtssachen ein. Anderen Interessenvertretungen, nämlich den in §14 UWG und §§28 ff KschG genannten sowie den in §54 Abs1 ASGG erwähnten parteifähigen Organen der Arbeitnehmer, die aus allgemein als gerechtfertigt anerkannten Gründen zur Durchsetzung von Ansprüchen ihrer Mitglieder oder zur erleichterten Führung von Testprozessen ohne das Prozeß- und Kostenrisiko einer Einzelrechtsverfolgung 'Verbandsklagen' einbringen können, wurde dieses Privileg nicht zuteil (dazu für alle Fasching, Lehrbuch2 Rz 338, 642, 2288, 2295). Ihnen steht nur das allgemeine Gerichtsverfahren zur Verfügung; sie müssen ihre Klage in erster Instanz einbringen, den behaupteten Sachverhalt beweisen und allenfalls ihr Recht im Instanzenzug wahren.
Es fehlt daher jede sachliche Rechtfertigung, gerade kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine solche Sonderstellung einzuräumen, zumal diese solche Anträge in allen arbeitsrechtlichen Fragen des materiellen Rechtes, auch über ihre Regelungsbefugnis (Abschluß von Kollektivverträgen) hinaus, stellen können.
Derart gravierende verfahrensrechtliche Begünstigungen bestimmter Parteien sind wegen der jeweils erfaßten identen Sachverhalte gleichheitswidrig (vgl VfSlg 7.786 betreffend das wohl dem ORF, nicht aber dem Beschwerdeführer eingeräumte Beschwerderecht an den Verwaltungsgerichtshof gegen Entscheidungen der Rundfunkkommission).
Hieraus folgt, daß die im Erkenntnis vom 19.6.1993, G233/92, vom Verfassungsgerichtshof für die Anerkennung der sachlichen Rechtfertigung der Sonderbehandlung des Kostenersatzanspruches nach §58 ASGG für betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten nach §50 Abs2 ASGG genannten Argumente jedenfalls für alle Rechtsstreitigkeiten nicht herangezogen werden können, die über den sachlichen Regelungsbereich der kollektivvertragsfähigen Körperschaften hinausgehen; dazu gehören jedenfalls Arbeitsrechtsstreitigkeiten, in denen die Auslegung von Kollektivverträgen keine Rolle spielt, sowie betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten nach §50 Abs2
ASGG.
4.) Der Oberste Gerichtshof hält auch das Antragsrecht der kollektivvertragsfähigen Köperschaften der Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach §54 Abs2 ASGG in dem Bereich, in dem diesen eine Regelungsbefugnis zum Abschluß von Kollektivverträgen zukommt und es um deren Auslegung geht, für verfassungsrechtlich bedenklich. Wollte man nämlich die Sonderstellung damit rechtfertigen, daß der Oberste Gerichtshof die Kollektivverträge 'authentisch' interpretieren soll - worauf viele Anträge tatsächlich hinauslaufen -, wäre ein solches Vorhaben erst recht verfassungsrechtlich bedenklich, weil eine solche Interpretation nur durch den Normenerlasser erfolgen darf, dh ein Gesetz ist nur durch den Gesetzgeber, eine Verordnung durch den Verordnungsgeber und ein Kollektivvertrag nur durch eine neue Vereinbarung der Kollektivvertragspartner 'authentisch interpretierbar'.
Sähe §54 Abs2 ASGG tatsächlich eine derartige Kompetenz für den Obersten Gerichtshof in bezug auf Kollektivverträge vor, wäre dies aus dem genannten Grund verfassungsrechtlich bedenklich. Tatsächlich ordnet §54 Abs2 ASGG jedoch nicht an, daß die vom Obersten Gerichtshof erzielten Auslegungsergebnisse normativer Inhalt des Kollektivvertrages werden oder irgend jemanden über die Grenzen des Anlaßfalles hinaus generell-abstrakt binden sollen.
Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes wäre der Verfassungsgerichtshof selbst dann, wenn er die besonderen Antragsbefugnisse der kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach §54 Abs2 ASGG im Rahmen ihrer Regelungsbefugnis für verfassungsrechtlich unbedenklich hielte, nicht befugt, die dann zu weit gefaßte Wortfolge in Abs2 'auf dem Gebiet der Arbeitsrechtssachen nach §50' durch eine engere zu ersetzen, und der Entfall der gesamten Passage würde zu einem verfassungsrechtlich zweifellos noch weniger zu rechtfertigenden uferlosen Antragsrecht der genannten Institutionen führen. Aus diesem Grund erübrigt es sich, für diesen Fall einen Eventualantrag zu stellen."
4. Die Bundesregierung hat in allen Verfahren eine jeweils gleichlautende Äußerung erstattet. Darin wird zunächst zur Zulässigkeit ausgeführt:
"1. Der Verfassungsgerichtshof prüft in einem auf Antrag eines Gerichts eingeleiteten Verfahren zur Gesetzesprüfung nur die im Antrag aufgeworfenen Bedenken (vgl. etwa VfSlg. 12691/1991 und VfSlg. 9911/1983, aber auch VfSlg. 7382/1974).
Nach §62 Abs1 VfGG hat ein Antrag nach Art140 Abs1 B-VG die gegen die Gesetzmäßigkeit des bekämpften Gesetzes sprechenden Bedenken im einzelnen darzulegen. Fehlt diese Darstellung, so handelt es sich dabei um kein behebbares Formgebrechen, sondern um ein Prozeßhindernis (vgl. etwa VfSlg. 12564/1990).
2. Der Antrag auf Aufhebung des §58 Abs1 zweiter Satz ASGG wurde vom Obersten Gerichtshof überhaupt nicht begründet.
Im Hinblick darauf, daß nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes alle anzuwendenden Bestimmungen, die miteinander in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, von einer Aufhebung umfaßt sein müssen, bestehen gegen den Antrag auf Aufhebung des §58 Abs1 zweiter Satz ASGG ausschließlich unter diesem Gesichtspunkt keine Bedenken; dies freilich unter der Voraussetzung, daß durch eine solche Aufhebung auch in den Anlaßverfahren (weiterhin) keine Kostenersatzpflicht besteht.
Sollte aber der Antrag auf Aufhebung des §54 Abs2 bis 4 ASGG abgewiesen werden, so wäre der Antrag auf Aufhebung des §58 Abs1 zweiter Satz ASGG zurückzuweisen, weil keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung selbst geltend gemacht wurden.
3. Der Antrag auf Aufhebung der Wortfolgen 'und Anträge nach Abs2' und 'oder einen solchen Antrag' im §54 Abs5 ASGG ist hingegen schon deshalb zurückzuweisen, weil diese Bestimmungen betreffend die Ablaufshemmung einer Verjährungs- oder Präklusivfrist eines Anspruchs eines einzelnen Arbeitnehmers oder Arbeitgebers in den Verfahren, die vor dem OGH anhängig sind, gar nicht anzuwenden sind, es sohin an der Präjudizialität dieser Regelungen fehlt. Die Präjudizialität bildet jedoch die Grenze für die Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof. Die Grenzen der Aufhebung einer in Prüfung stehenden Gesetzesbestimmung müssen dabei so gezogen werden, daß einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und daß andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in einem untrennbaren Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfaßt werden (vgl. VfSlg. 6674).
Im vorliegenden Fall verweist §54 Abs5 auf Abs2, ohne mit dieser Bestimmung in einem untrennbaren Zusammenhang zu stehen. Sollte §54 Abs2 aufgehoben werden, so wird dieser Verweis lediglich inhaltsleer; der verbleibende Text würde jedoch keinen veränderten Inhalt bekommen."
In weiterer Folge gibt die Bundesregierung in ihren Äußerungen einen kurzen Abriß der Entstehungsgeschichte der angefochtenen Bestimmungen. Sie weist darauf hin, daß der erste Teilentwurf einer einheitlichen Kodifikation des gesamten Arbeitsrechts des Jahres 1960 ein kollektives Klagerecht der Betriebsräte vorgesehen habe, dem die Annahme zugrunde lag, daß Arbeitnehmer die ihnen zustehenden arbeitsrechtlichen Ansprüche während des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses nur selten gerichtlich geltend machen, weshalb es immer wieder vorkomme, daß solche Forderungen nicht befriedigt werden. Diese Annahme treffe noch heute zu.
Die Bundesregierung nimmt weiters Stellung zur dogmatischen Einordnung eines Antrages nach §54 Abs2 ASGG und führt aus, daß die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche grundsätzlich dem Willen des einzelnen Berechtigten überlassen bleibe. Aber schon bei der Reform des Zivilprozesses der Jahre 1895 bis 1898 sei dessen Zweck nicht nur als Möglichkeit der Interessensdurchsetzung für einzelne, sondern auch als Einrichtung zum Wohl der gesamten Gesellschaft verstanden worden. Die unmittelbare Bewährung des objektiven Rechts gehöre seither ebenfalls zu den Aufgaben des zivilgerichtlichen Verfahrens. Die Herstellung der gewünschten objektiven Rechtswirklichkeit könne durch individuelle Klagen jedoch nicht immer gewährleistet werden.
In den letzten beiden Jahrzehnten habe das rechtsstaatliche Anliegen der Bewährung des objektiven Rechts durch die Einführung eines Modells der "Verbandsklage" bzw. eines "Verbandsantrags" immer stärkere Bedeutung gefunden. So habe die mit der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989, BGBl. Nr. 343, weiter entwickelte Regelung des §55 Abs4 JN bestimmten Verbänden die Möglichkeit der Durchführung von Testverfahren eröffnet. Auch seien den im §29 KSchG genannten Verbänden eigene materiellrechtliche Ansprüche auf Feststellung oder Unterlassung eingeräumt. Weitere Verbandsantrags- und Verbandsklagsbefugnisse seien etwa in §6 Abs3 GleichbehandlungsG, §12 Abs1 RabattG, §7 Abs2 NahversorgungsG 1977, §44 Abs1 KartellG 1988 und §14 UWG vorgesehen.
Mit der Zivilverfahrens-Novelle 1983 sei für bestimmte Streitwertbereiche vorgesehen worden, daß die bis dahin möglich gewesene Anrufung des OGH nur zulässig sei, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhänge, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukomme (Zulassungsrevision). Damit sollte, wie unter Verweis auf den Ausschußbericht (1337 BlgNR, 15. GP, 20) ausgeführt wird, sichergestellt werden, daß der OGH grundsätzlich nur mit wichtigen, zumindest potentiell für eine größere Anzahl von Rechtsstreitigkeiten bedeutsamen Rechtsfragen befaßt werde, um seiner Leitfunktion besser gerecht werden zu können.
Mit der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989, BGBl. Nr. 343, sei das System der Zulassungsrevision - abgesehen von gewissen familienrechtlichen und bestandsrechtlichen Streitigkeiten (§502 Abs3 ZPO) - generell in Abhängigkeit von der Höhe des Streitwertes eingeführt worden.
Die Entwicklung der Bestimmungen über die Revisionszulässigkeit mache deutlich, daß damit dem OGH vorwiegend die Aufgabe übertragen wurde, durch seine Rechtsprechung eine Leitfunktion auszuüben, sohin für die Zulässigkeit der Revision im Einzelfall neben der Erzielung einer Einzelfallgerechtigkeit vor allem ein öffentliches Rechtspflegeinteresse treten müsse. Gleiches sei auch für das außerstreitige Verfahren (§§14 bis 16 AußStrG) eingeführt worden.
Nach Auffassung der Bundesregierung dienen diesem Anliegen in gleicher Weise die Verbandsanträge und Verbandsklagen, die nur insofern von den herkömmlichen individuellen Rechtsschutzinstrumenten abweichen, als die Verbindung mit einem individuellen Rechtsschutzinteresse erheblich geringer sei. Im Interesse der Verhinderung einer uferlosen Ausweitung von Verbandsklags- und Verbandsantragsmöglichkeiten seien zweckentsprechende und sachgerechte Zugangskriterien festgelegt worden. Den in Rede stehenden Verfahren sei insbesondere gemeinsam, daß die jeweiligen Verbände im Interesse breiter Bevölkerungskreise entweder gewisse Verhaltensweisen durch Unterlassungsklagen zu unterbinden oder durch das Erwirken von Leitentscheidungen eine entsprechende Abklärung herbeizuführen suchen, wodurch dem einzelnen Berechtigten die Durchsetzung seiner Ansprüche erheblich erleichtert werde, was sowohl der Prozeßökonomie als auch der Prävention dienen solle.
Zur Erreichung der angestrebten Verbesserung der Rechtssicherheit sei es erforderlich, daß diese Leitentscheidungen mit einer entsprechenden Überzeugungskraft ausgestattet seien, sohin vom OGH stammen, erhöhte Publizität (Information durch die Interessenvereinigungen) erlangen und allenfalls divergierende Entscheidungen der Untergerichte möglichst hintangehalten werden. Dies verlange nach entsprechenden Verfahrensbesonderheiten.
Zu den Bedenken des OGH nimmt die Bundesregierung im einzelnen wie folgt Stellung:
"A) Zur Berufung des OGH als einzige Instanz im Verfahren nach dem §54 Abs2 bis 4 ASGG
...
Art92 Abs1 B-VG lautet: 'Oberste Instanz in Zivil- und Strafrechtssachen ist der Oberste Gerichtshof.' Nach dem Wortlaut des Art92 B-VG wird sprachlich nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht, ob die instanzmäßige Stellung des Obersten Gerichtshofes oder lediglich sein Bestand unter verfassungsgesetzliche Garantie gestellt werden soll.
Eine historische Untersuchung dieser Verfassungsbestimmung zeigt, daß man sich bei der Schaffung des Bundesverfassungsgesetzes 1920 an Vorgängerbestimmungen orientierte. In den Materialien zu Art92 B-VG wird darauf hingewiesen, daß diese Bestimmung dem §15 des Grundgesetzes über die richterliche Gewalt, StGBl. Nr. 38/1918 entspreche (siehe Kelsen - Froehlich - Merkl, Die Bundesverfassung vom 1. Oktober 1920, 5. Teil (1922) 192).
Der zitierte Art15 sah folgendes vor: 'Als oberste Instanz in Zivil- und Strafsachen besteht der Oberste Gerichtshof.'
Das Sylvesterpatent RGBl. Nr. 4/1852 normierte, daß der OGH als dritte Instanz zu bestehen habe. Art12 des Staatsgrundgesetzes über die richterliche Gewalt, RGBl. Nr. 144/1867, sah vor, daß der Oberste Gerichts- und Kassationshof in Wien bestehe (zu den einzelnen Vorgängerbestimmungen siehe ausführlich Hellbling, Können Verwaltungsbehörden über zivilrechtliche Ansprüche entscheiden? JBl 1956, 331f).
Die Materialien und die Literatur zeigen, daß man mit den Vorgängerbestimmungen zu Art92 B-VG nur 'dessen Bestand ... als Bollwerk der Rechtseinheit unter verfassungsrechtliche Garantie' stellen wollte (siehe Hauke, Grundriß des Verfassungsrechts, 1905, 84). Trotz der - irreführenden - späteren Fassung bestand nie die Absicht, eine sachliche Änderung der Rechtslage vorzunehmen (siehe in diesem Sinne auch Merkl, Die ständisch-autoritäre Verfassung Österreichs, Ein kritisch-systematischer Grundriß (1935), 92, der von einem Redaktionsversehen spricht, dessen Beseitigung durch §104 der Verfassung 1934 erfolgte, ohne daß eine sachliche Änderung vorgenommen werden sollte; siehe auch Kelsen, Die Verfassungsgesetze der Republik Österreich, I (1919)).
Bemerkenswert in diesem Zusammenhang sind auch die Vorentwürfe zur Bundesverfassung 1920: So nahm Kelsen in sämtliche seiner Entwürfe den Text des §15 des Grundgesetzes über die richterliche Gewalt auf (siehe dazu Ermacora, Die Entstehung der Bundesverfassung 1920 (1990) 140ff.). Noch bis zum Evidenzexemplar wurde diese Fassung beibehalten; erst in der Fassung vom 23. 9. 1920 wurde schließlich der vorliegende Wortlaut des Art92 B-VG aufgenommen (siehe Ermacora, Die Entstehung der Bundesverfassung 1920 (1990) 756; siehe auch die Gegenüberstellung bei Ermacora, Die Österreichische Bundesverfassung und Hans Kelsen (1982) 319).
Man kann daher davon ausgehen, daß Art92 B-VG im Sinne einer historischen Interpretation nur den Bestand des Obersten Gerichtshofes garantiert und seine prinzipielle Bedeutung als oberste Instanz ausspricht (siehe auch Mayer, B-VG-Kommentar (1994) 232; Ringhofer, Die österreichische Bundesverfassung (1977) 288 f; Walter, Verfassung und Gerichtsbarkeit (1960) 171 f; aA allerdings Hellbling, Können Verwaltungsbehörden über zivilrechtliche Ansprüche entscheiden, JBl 1956, 331 f). In der Literatur wird daraus der Schluß gezogen, daß es verfassungsrechtlich zulässig sei, den Instanzenzug durch einfache Gesetze abzukürzen oder sachliche Einschränkungen für Rechtsmittel vorzusehen (Walter, Verfassung und Gerichtsbarkeit 172; Mayer, B-VG-Kommentar 232 f). Die Beschränkungen dürfen jedoch nicht so weit gehen, daß der Oberste Gerichtshof als höchste Instanz bedeutungslos ist (Mayer, B-VG-Kommentar 232).
In diesem Sinn hält etwa auch Fasching fest, daß Art92 eine rein organisatorische Regelung für den Gerichtsaufbau treffe, die höchstens noch dahin verstanden werden kann, daß durch einfaches Gesetz dem Höchstgericht Materien, die dem Kernbereich der Zivilund Strafsachen angehören, nicht zur Gänze oder soweit entzogen werden dürfen, daß damit die Funktion als Höchstgericht in Ziviloder Strafsachen illusorisch würde (Fasching, Zivilprozeßrecht, Lehr- und Handbuch2 Rz 1849; Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, IV. Band (1971) 244 ff; Ergänzungsband, 1974, 79 ff).
Soweit ersichtlich, finden sich in der Literatur jedoch keine Aussagen darüber, ob es verfassungsrechtlich zulässig ist, dem Obersten Gerichtshof auch Aufgaben zur Entscheidung in erster und einziger Instanz zuzuweisen. Wird es jedoch als mit Art92 Abs1 B-VG vereinbar angesehen, den Obersten Gerichtshof sogar als Instanz auszuschalten, so müßte es im Sinne eines Größenschlusses auch zulässig sein, den Obersten Gerichtshof als einzige Instanz einzusetzen.
Gegen die Einrichtung einer einzigen Instanz sprechen auch keine anderen Verfassungsbestimmungen. Insbesondere Art6 MRK, an den hier in erster Linie zu denken wäre, gewährt kein Recht auf einen bestimmten Instanzenzug oder - wo ein solcher eingerichtet sein sollte - auf Gerichtsbarkeit in allen Instanzen (siehe Matscher,
Die Verfahrensgarantien der EMRK in Zivilrechtssachen, ZÖR 1980, 21; Miehsler/Vogler, Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1986, Art6 EMRK, Rz 272 mit weiteren Hinweisen auf die Judikatur der Straßburger Organe).
Gegen eine derartige Auslegung spricht auch nicht das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 12151/1989, in dem der Gerichtshof festgestellt hat, daß sich '(a)us dem Zusammenhalt von Art92 Abs1 B-VG (betreffend den OGH), Art140 Abs1 B-VG (worin von dem 'zur Entscheidung in zweiter Instanz berufenen Gericht' die Rede ist) und §8 Abs5 litd des Übergangsgesetzes 1920 (der ua. eine die Bezirksgerichte betreffende Regelung enthält) deutlich (ergibt), daß der Verfassungsgesetzgeber von einem dreistufigen organisatorischen Aufbau der Zivil- und der Strafgerichtsbarkeit ausgeht.'
Diese Feststellungen beziehen sich im gegebenen Zusammenhang auf die Einrichtung der Gerichtsorganisation im grundsätzlichen und lassen keine Schlußfolgerungen darauf zu, ob der einfache Gesetzgeber im Einzelfall dem OGH Aufgaben zur Entscheidung in erster Instanz zuweisen kann.
Auch eine Versteinerung und damit eine Orientierung an der einfachgesetzlichen Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Art92 Abs1 B-VG (1920) zeigt, daß der Verfassungsgesetzgeber von einer Zuweisung von Aufgaben an den OGH auch in erster Instanz ausgegangen ist:
An Hand des historischen Materials kann nämlich gezeigt werden, daß es bereits zum maßgebenden Zeitpunkt der Erlassung des B-VG Bestimmungen gab, wonach der OGH als einzige Instanz, sohin ohne vorgeschaltene Instanz, zu entscheiden hatte.
Ein besonderes Beispiel hiefür ist die Zuständigkeit des OGH zur erstinstanzlichen Entscheidung über eine Nichtigkeitsklage und eine Wiederaufnahmsklage, wenn der OGH im vorausgegangenen Verfahren in letzter Instanz entschieden hat (§532 ZPO).
In diesem Fall hat der OGH das Verfahren grundsätzlich nach den Bestimmungen des erstinstanzlichen Verfahrens, also als Tatsacheninstanz durchzuführen.
Als weiteres Beispiel sei der §28 JN (auch nach der damals geltenden Fassung) genannt.
Nach dieser Bestimmung hatte und hat der OGH bei Vorliegen einer inländischen Gerichtsbarkeit und Fehlen einer örtlichen Zuständigkeit eines Gerichts, ein Gericht als zuständiges Gericht zu bestimmen (Ordination). Der Gesetzgeber hat hier kein vorgeschaltenes unterinstanzliches subsidiäres Gericht vorgesehen, das vorweg über die Ordination zu entscheiden hätte, wobei erst nach dessen Entscheidung der OGH allenfalls angerufen werden könnte.
Gleiches gilt für die Delegation einer Rechtssache von einem Oberlandesgerichtssprengel in einen anderen nach §31 Abs2 JN. Auch das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit sowie die Voraussetzungen einer Delegation hat der OGH von Amts wegen zu erheben und demgemäß sogar als Tatsacheninstanz zu entscheiden (s. Manzsche Große Ausgabe der Österreichischen Gesetze, JN-ZPO14 E. 20 zum §42 JN sowie Fasching, Lehr- und Handbuch2, Rz 79, 206 und 208).
Auch die im Zeitpunkt der Erlassung des B-VG bereits geregelte Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach dem §33 StPO, idFd RGBl. Nr. 119/1873, ist als Beispiel zu nennen. Auch hiebei handelt es sich um ein eigenständiges Verfahren, in dem dem OGH keine Unterinstanz vorgeschaltet ist.
Daß der OGH dabei über die Gesetzwidrigkeit einer vorausgegangenen Entscheidung oder eines Vorgangs eines Strafgerichts zu befinden hat, ändert nichts an der Qualifikation dieses Instituts, weil in dem eigenständigen Verfahren über eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ausschließlich der OGH zur Entscheidung berufen ist.
Der OGH hat zwar in seinem Antrag nach Art140 B-VG darauf hingewiesen, daß diese Institute 'mit dem vorliegenden Fragenkomplex nicht vergleichbar' seien. Die Bundesregierung teilt diese Auffassung jedoch nicht, denn die aufgezählten Rechtsinstitute zeigen sehr deutlich, daß der einfache Gesetzgeber bei der Zuweisung von Kompetenzen an die einzelnen Instanzen - auch zum Versteinerungszeitpunkt - nicht nur jedenfalls den OGH stets in dritter und letzter Instanz zur Entscheidung berufen, sondern ihn auch in verschiedentlichen anderen Konstellationen in den Verfahrensablauf eingebunden hat.
Zum Versteinerungszeitpunkt kam dem OGH weiters auch die Aufgabe zu, Gutachten nach dem §16 litf OGHG, RGBl. Nr. 325/1850 (dessen Weitergeltung durch den §5 Abs4 des Gesetzes RGBl. Nr. 41/1904 festgeschrieben wurde) zu erstatten.
Nach dieser Bestimmung war dem Plenarsenat des Obersten Gerichtsund Kassationshofs 'die Entscheidung einer von den Gerichten verschieden oder unrichtig entschiedenen Rechtsfrage vorbehalten, wenn der Generalprokurator über Auftrag des Justizministers die Abhaltung einer Plenarversammlung beantragt' hatte. Gemäß §36 des Statuts hatten derartige Plenarentscheidungen 'den untergeordneten Gerichten als Erläuterung zu dienen'. Mit Entschließung vom 11. November 1852, RGBl. Nr. 24, wurde die Generalprokuratur aufgehoben (und später nur für Strafsachen wieder vorgesehen). Seither kam es unmittelbar auf Grund von Anträgen des Justizministeriums zu Gutachten auf der Grundlage des §16 litf des Statuts. Die Weitergeltung dieser Bestimmung wurde in §5 Abs4 des Gesetzes vom 24. Februar 1907, RGBl. Nr. 41, anerkannt. Gemäß §16 des Beschlusses der provisorischen Nationalversammlung vom 30. Oktober 1918, StGBl. Nr. 1, hatten die nichtaufgehobenen Gesetze und Einrichtungen der Monarchie weiterhin Geltung behalten.
Im Rahmen der - allerdings nach dem Versteinerungszeitpunkt eingeführten - Gewerbegerichtsbarkeit war dem OGH ausschließlich eine Leitfunktion übertragen, weil er nach dem §26 Abs4 GewGG, BGBl. Nr. 229/1922, in einem Rechtsstreit niemals angerufen werden konnte. Der OGH konnte sohin nur auf Ersuchen des BMJ nach dem §27 GewGG über eine von den Gewerbegerichten oder von den gewerblichen Berufungssenaten verschieden oder unrichtig entschiedene Rechtsfrage eine in das Judikatenbuch aufzunehmende Entscheidung fällen (Wahle, Die Judikate und Sprüche des OGH, herausgegeben vom Redaktionausschuß des OGH, 1950, Vorwort, S. XXXIX und XL).
Auch die Judikate nach dem §27 ArbGG sind nicht als Entscheidung über einen konkreten Rechtsfall ergangen, sondern auch hier entschied der OGH über eine ihm vom BMJ vorgelegte Rechtsfrage abstrakt; er fungierte sohin auch hier als 'Auslegungsgerichtshof'.
Die Gutachten nach dem §27 ArbGG und dem §16 litf) des OGH-Statuts unterschieden sich nur dadurch, daß ein Gutachten nach der letztgenannten Bestimmung nicht zwingend in das Judikatenbuch aufgenommen werden mußte (s. Wahle, a.a.O., Vorwort, S XLI; siehe auch Sobalik, Rechtsgutachten von Gerichtshöfen, JBl 1961, 150).
Die Sachgerechtigkeit des Verfahrens nach dem §54 Abs2 bis 4 ASGG - jährlich fallen durchschnittlich 10 Verfahren an - folgt auch aus dem System der Revisions(Rekurs)zulässigkeit und der Funktion des Verbandsantrags. Beide stellen gerade darauf ab, daß es sich um Rechtsfragen von erheblicher, also über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung handelt (Leitfunktion des OGH in einem 'Testprozeß').
Es ist im Rahmen des geltenden Revisions(Rekurs)zulassungsmodells ein wesentliches Kriterium, daß im allgemeinen Interesse Rechtsfragen geklärt werden sollen; genau das soll aber auch in den Verfahren nach dem §54 Abs2 bis 4 ASGG erfolgen.
Die bisherigen Erfahrungen zeigen auch, daß die besonderen Feststellungsverfahren nach dem §54 Abs2 ASGG einen erheblichen Beitrag zur Rechtseinheit und Rechtssicherheit und damit zur Vermeidung einer Vielzahl von Einzelverfahren im Arbeitsrecht leisten (vgl. Gamerith, Die besonderen Feststellungsverfahren nach §54 ASGG, DRdA 1988, 316).
B) Zum Wesen der Entscheidung des OGH:
Der OGH vertritt weiters die Auffassung, daß der Gesetzgeber - unter Mißbrauch seiner Gestaltungsmöglichkeit - dem OGH verfassungswidrigerweise die Erstattung von Rechtsgutachten zuweist.
Dem ist folgendes entgegenzuhalten:
a) Zunächst ist festzuhalten, daß grundsätzlich in jede Entscheidung des OGH auch eine abstrakte Rechtsmeinung, so gesehen auch ein 'Gutachten' einfließt (zu gerichtlichen Gutachten allgemein vgl. Jelinek, Die heutige Bedeutung der Judikate, Sprüche, Gutachten und Plenarentscheidungen des Obersten Gerichtshofes, RZ 1976, 137).
Der Unterschied zwischen einer Entscheidung und dem miteingeflossenen 'Gutachten' besteht darin, daß die Entscheidung ein konkretes Begehren rechtskräftig erledigt, während das 'Gutachten' die Rechtsansicht des OGH zu einer bestimmten Rechtsfrage beinhaltet.
Die Judikatur des OGH hat demgemäß eine über den jeweiligen Einzelfall hinausreichende wesentliche Funktion für die Rechtskonkretisierung, die Sinnermittlung von Rechtsnormen und den Rechtsschutz (VfSlg. 12409/1990, Fasching, Lehr- und Handbuch2, Rz 1491), sohin eine 'Leitfunktion'.
Es ist zwar in der Praxis zu erwarten, daß der OGH bei der Entscheidung künftiger Rechtssachen die gleiche Rechtsmeinung vertreten wird, er ist aber an sie nicht gebunden, wie an eine generelle Norm.
Eine derartige Bindung sah der oben bereits zitierte §16 litf des OGH-Statuts, RGBl. Nr. 325/1850 vor.
Der §8 OGHG enthält diese Bindungsnorm nicht mehr, sondern stellt nur eine Zuständigkeitsnorm für den verstärkten Senat dar.
Der §54 Abs4 ASGG schreibt darüber hinaus vor, daß über die Feststellungsanträge der einfache Senat (§11 Abs1 ASGG) zu entscheiden hat, wodurch die ausschließlich für das Verfahren nach dem §54 Abs2 ASGG gegebene Bindung noch unterstrichen wird.
Liegen die Voraussetzungen des §8 OGHG vor, so ist auch in einem Verfahren nach dem §54 Abs2 ASGG durch einen verstärkten Senat zu entscheiden, weil der OGH in diesem Verfahren im Rahmen der Rechtsprechung zu entscheiden hat (Kuderna, Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, Erl. 20 zu §54 ASGG).
Das System des besonderen kollektiven Rechtsschutzes räumt den Köperschaften des §54 Abs2 ASGG eigene Rechte (Feststellungsansprüche) ein, wobei die darüber ergehenden Entscheidungen des OGH zwischen den Parteien in Rechtskraft erwachsen. Es gilt der Grundsatz des 'ne bis in idem', sohin die Unzulässigkeit, einen Antrag zu wiederholen, in dem derselbe Sachverhalt zugrunde gelegt wird.
Schon daraus folgt, daß es sich bei der Enderledigung des OGH über einen Antrag nach §54 Abs2 ASGG nur um eine Entscheidung und kein Gutachten handeln kann.
Durch die Beschränkung der Antragslegitimation der kollektivvertragsfähigen Körperschaften auf den 'Rahmen ihres Wirkungsbereiches' wird ein Ausufern der Anträge verhindert (vgl. Machacek, Struktur und Funktion der Sozialgerichtsbarkeit, FS Floretta (1983) 757).
Anträge auf Feststellung abstrakter Rechtsfragen, welchen nur eine theoretische Bedeutung zukommt, sind nicht zulässig, weil die Arbeitsrechtssache für mindestens drei Arbeitnehmer oder Arbeitgeber von Bedeutung sein und ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung gegeben sein muß (vgl. Kuderna, Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, Erl. 12 zu §54 ASGG).
Alle diese Regelungen verschaffen dem Institut des besonderen kollektiven Rechtsschutzes eine zur Wahrnehmung seiner Aufgaben geeignete Struktur.
Daß die ergehenden Beschlüsse zugleich 'Entscheidungen' im Sinn des OGHG sind, ist als eine sachgerechte Systemkonformität anzusehen.
b) Im übrigen spricht der OGH selbst davon, daß das Verfahren nach dem §54 Abs2 bis 4 ASGG ein 'streitiges Außerstreitverfahren' ist. Dieser Begriff ist ein solcher der Lehre (vgl. Konecny, Wiederaufnahme in Außerstreitverfahren, JBl 1983, 20 ff (24) und die dortigen FN 22 und 23, sowie Klicka - Oberhammer, Außerstreitverfahren, MRTA, 5, Anm. 5).
Daß die in einem außerstreitigen Verfahren ergehenden Enderledigungen jeweils nur ein 'Beschluß', sohin nur eine Entscheidung (und kein Gutachten) sein können, ist schon systemimmanent; demgemäß hat der OGH seine bisherigen Enderledigungen in derartigen Verfahren - wie in allen anderen außerstreitigen Verfahren - auch stets als 'Beschluß' bezeichnet (vgl. etwa OGH 14.9.1994, 9 ObA 801, 802 und 803/1994, Blg./E bis ./G); im Gegensatz dazu hat der OGH in Verfahren auf Grund von Anträgen nach dem (zwischenweilig aufgehobenen) §16 litf OGH-Statut ausdrücklich ausgesprochen, er beschließt das 'Gutachten' (s. etwa SZ IV/154 und 155, sowie Blg./A und ./B).
c) Hiezu kommt, daß der OGH in Verfahren nach dem §54 Abs2 ASGG seine strikte Bindung an den Antrag des jeweiligen Antragstellers stets annimmt und demgemäß Anträge zur Gänze, ja selbst Mehrbegehren mangels diesbezüglicher Schlüssigkeit abweist (s. Blg ./E und ./F).
Mit dieser Praxis bestätigt aber der OGH, daß auch er davon ausgeht, daß in Verfahren nach dem §54 Abs2 ASGG seine Enderledigungen in Rechtskraft erwachsende Entscheidungen darstellen, da sonst für eine Abweisung von Anträgen bzw. von Mehrbegehren kein Raum wäre.
Unterstrichen wird dies bei einem Vergleich mit dem ehemals auf Ersuchen des BMJ durchzuführenden Verfahren nach dem §16 litf GewGG:
In einem solchen Verfahren hat das BMJ an den OGH keinen Antrag gestellt, sondern Fragen vorgelegt, die der OGH im Rahmen eines Gutachtens beantwortet hat (vgl. SZ IV/154 und 155 sowie die Blg./A und ./B). Da keine Anträge zu stellen waren, stellte sich konsequenterweise auch die Frage der Schlüssigkeit nicht, und es kam damit auch eine Abweisung eines Ersuchens des BMJ nicht in Betracht.
Dies zeigt wiederum, daß die Enderledigungen des OGH in Verfahren nach dem §54 Abs2 ASGG nach dessen eigener Rechtsprechung keine Gutachten, sondern in Rechtskraft erwachsende Entscheidungen sind.
d) Dies folgt weiters auch aus dem §54 Abs5 ASGG, wonach die Verfahren über einen Antrag nach dem §54 Abs2 ASGG mit jenen über eine Feststellungsklage nach dem §54 Abs1 ASGG gleichgestellt sind. Während der Anhängigkeit eines der beiden Verfahren sind alle (Verjährungs- bzw. Präklusiv-)Fristen zur Geltendmachung eines Anspruchs eines einzelnen gehemmt.
Im Rahmen eines Verfahrensgesetzes wie dem ASGG würde aber nicht von einem 'Verfahren' bzw. seiner 'Beendigung' gesprochen werden, wäre die Erledigung eines Antrags nach dem §54 Abs2 ASGG (im Gegensatz zur Entscheidung über eine Feststellungsklage nach dem §54 Abs1 ASGG) nicht als eine Entscheidung anzusehen.
Daß von einer 'Beendigung' des Verfahrens gesprochen wird, hat seine Ursache darin, daß in einem Verfahren über eine Feststellungsklage, aber auch über einen Antrag nach dem §54 Abs2 ASGG nicht unbedingt eine Sachentscheidung, also ein Urteil oder ein (Sach-)Beschluß ergehen muß, sondern auch ein Zurückweisungsbeschluß mangels Vorliegens der erforderlichen Verfahrensvoraussetzungen ergehen kann.
Im Ergebnis wird aber an den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft aller dieser Erledigungen die Fortsetzung bzw. der Neubeginn von (Verjährungs- bzw. Präklusiv-)Fristen angeknüpft.
Dem steht nicht entgegen, daß das Ruhen eines Verfahrens seiner Beendigung gleichgestellt ist. Das ist nur aus Gründen der Rechtssicherheit normiert worden, weil sonst - bei einem Ruhen des Verfahrens - offene Verjährungs- bzw. Präklusivfristen nicht abliefen (§54 Abs5 letzter Satz ASGG).