TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/10 G307 1317221-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.04.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

10.04.2019

Norm

AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G307 1317221-2/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, alias XXXX, geb. am XXXX, StA.: Mazedonien, vertreten durch RA Dr. Gerhard KOLLER in 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 04.07.2018, Zahl XXXX, nach öffentlicher mündlichen Verhandlung am 29.01.2019, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben, eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Mazedonien gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt und dem Beschwerdeführer gemäß §§ 58 Abs. 2 iVm. 55 Abs. 1 AsylG, der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes (im Folgenden: AsylG), Gz.:

B5 317.221-1/2008/22E, vom 23.05.2011, wurde der Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF) auf Zuerkennung des internationalen Schutzes vom 21.09.2007 abgewiesen und dieser aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.

2. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 30.01.2017 wurde der BF im Rückkehrentscheidungsverfahren zur Stellungnahme aufgefordert.

Mit Schreiben seines damaligen Rechtsvertreters (im Folgenden: RV), RA Mag. Nikolaus RAST, vom 24.02.2017 nahm der BF hiezu Stellung.

3. Mit neuerlichem Schreiben des BFA vom 07.03.2018 wurde der BF über die beabsichtigte Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot in Kenntnis gesetzt und gleichzeitig zur dahingehenden Stellungnahme binnen 14 Tagen ab Erhalt des Schreibens aufgefordert.

4. Am 29.05.2018 fand eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA statt.

5. Am 29.05.2018 wurde der BF erneut vom BFA schriftlich über die in Aussicht genommene Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot in Kenntnis gesetzt und zur diesbezüglichen Stellungnahme binnen 14 Tagen ab Erhalt des Schreibens aufgefordert.

Mit per Post am 18.06.2018 dem BF übermittelten Schreiben nahm der BF durch seinen aktuellen RV dazu Stellung.

6. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, dem RV des BF zugestellt am 09.07.2018, wurde diesem ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF einen Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Mazedonien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.), gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von 2 Wochen für eine freiwillige Ausreise festgesetzt (Spruchpunkt III.) sowie gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 7 FPG ein Einreiseverbot befristet auf 4 Jahre erlassen (Spruchpunkt IV.).

7. Mit am Postweg am 06.08.2018 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz, erhob der BF durch seinen RV Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurden die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, die Behebung des Bescheides und Stattgabe des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, beantragt.

8. Die gegenständliche Beschwerde und der zugehörige Verwaltungsakt wurden dem BVwG vom BFA vorgelegt, wo diese Unterlagen am 14.08.2018 einlangten.

9. Am 29.01.2019 fand vor dem BVwG, Außenstelle Graz, eine mündliche Verhandlung statt, an welcher der BF, seine Frau und deren Rechtsvertreter teilnahmen.

Die belangte Behörde wurde geladen, verzichtete jedoch auf Anwesenheit eines informierten Vertreters.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Namen und Geburtsdatum), ist Staatsangehöriger der Republik Mazedonien, verheiratet, Vater von fünf minderjährigen Kindern und der albanischen Sprache mächtig.

Der BF reiste am 20.09.2007 ins Bundesgebiet ein, wo er einen Antrag auf Zuerkennung des Internationalen Schutzes stellte, welcher mit Erkenntnis des AsylGH Gz.: B5 317.221-1/2008/22E, vom 23.05.2011, abgewiesen und der BF aus dem Bundesgebiet ausgewiesen wurde.

Der BF hält sich seit 20.09.2007 beinahe durchgehend im Bundesgebiet auf und weist beginnend mit 22.11.2007, abgesehen von Meldelücken zwischen 30.06.2009 und 11.08.2009 sowie 26.09.2009 und 14.03.2010, eine durchgehende Wohnsitzmeldung in Österreich auf.

Der BF stellte erstmals am XXXX.2011 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach dem NAG, welcher am XXXX.2011 von der zuständigen Behörde abgewiesen wurde.

Ein neuerlicher Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 8 Abs. 1 Z 4 NAG vom XXXX.2013 wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Wien, Gz.: VGW-151/005/26428/2014-1, gemäß § 23 Abs. 1 NAG und § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen.

Ein mit Antrag des BF vom XXXX.2014 initiiertes Verfahren hinsichtlich der Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus" wurde am XXXX.2016 eingestellt.

Der BF ist nicht im Besitz eines zum Aufenthalt oder die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet berechtigenden Rechtstitels und ging dennoch innerhalb folgender Zeitspannen Erwerbstätigkeiten im Bundesgebiet nach:

• 01.09.2009 bis 05.03.2010 (Arbeiter)

• 15.04.2010 bis 08.05.2010 (Arbeiter)

• 21.07.2010 bis 30.11.2013 (Arbeiter)

• 29.06.2010 bis 01.07.2010 (Arbeiter)

• 02.12.2013 bis 15.07.2014 (Arbeiter)

• 18.03.2015 bis 05.04.2015 (geringfügig Beschäftigter Arbeiter)

• 21.05.2015 bis 20.01.2018 (Arbeiter)

• 01.02.2018 bis 15.05.2018 (Arbeiter)

Am XXXX.2015 und XXXX.2015 wurde der BF wegen Schwarzarbeit im Bundesgebiet von Organen der Finanzpolizei angezeigt, worüber das BFA jeweils informiert wurde.

Aktuell verfügt der BF über keine aufrechte Sozialversicherung.

Der BF verfügt über eine Einstellungszusage als Pizzakoch für eine monatliche Brutto-Entlohnung von € 2.300,00 für den Fall des Erhalts der notwendigen fremdenrechtlichen Berechtigungen.

Der BF finanzierte seinen bisherigen Aufenthalt in Österreich überwiegend durch Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit und Ersparnissen. Aktuell verfügt der BF über € 2.000,00 an Ersparnissen und konnte ein Bezug von Sozialleistungen nicht festgestellt werden.

Der BF ehelichte am XXXX.2011 die nunmehr seit ca. 4 Jahren in Österreich aufhältige mazedonische Staatsangehörige XXXX und ist Vater von fünf gemeinsamen Kindern, mit welchen er im gemeinsamen Haushalt, einer Mietwohnung in der XXXX, in XXXX, lebt.

Weder die Ehegattin noch die gemeinsamen Kinder des BF sind im Besitz von Aufenthaltstiteln und geht die Ehegattin des BF keiner Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nach.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF Sozialleistungen in Anspruch genommen hat.

Am XXXX.2015 absolvierte der BF eine Deutschprüfung des Niveaus "B1" erfolgreich und wird festgestellt, dass der BF der deutschen Sprache auf besagtem Niveau mächtig ist.

Der BF erweist sich in strafgerichtlicher Hinsicht als unbescholten, hat jedoch eine Verwaltungsstrafe wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich in der Höhe von € 1.000,00 zu Buche stehen.

Im Bundesgebiet halten sich nur weitschichtige Verwandte des BF auf, zu denen er keinen Kontakt pflegt.

Der BF besuchte im Herkunftsstaat für mehrere Jahre die Schule und verfügt über familiäre Anknüpfungspunkte in Mazedonien in Form seiner Eltern und eines Bruders, zu welchen er auch regelmäßigen Kontakt pflegt.

Mazedonien gilt als sicherer Herkunftsstaat.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität (Namen und Geburtsdatum), Staatsangehörigkeit, Familienstand sowie Vaterschaft des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen weder in der gegenständlichen Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten wurde.

Die Albanisch-Kenntnisse des BF wiederum beruhen auf dem übereinstimmenden Vorbringen des BF mit seiner Gattin in der mündlichen Verhandlung, wonach diese angaben, sich zu Hause, auch mit ihren Kindern, auf Albanisch zu unterhalten. Auch gestand der BF in der mündlichen Verhandlung ein, den Albanisch-Dolmetscher gut verstanden zu haben.

Die Einreise des BF nach Österreich, die Antragstellung auf internationalen Schutz, der dahingehend negative Verfahrensausgang und die erlassene Ausweisungsentscheidung beruhen auf einer Ausfertigung des oben zitierten Erkenntnis des AsylGH.

Der beinahe durchgehende Aufenthalt des BF im Bundesgebiet seit 20.09.2007 erschließt sich ebenfalls aus den dem widerspruchsfrei gebliebenen Vorbringen des BF im Verfahren vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung. Die Aufenthaltsdauer wird zudem durch die im Datenbestand des Zentralen Melderegisters (ZMR) abgebildeten Wohnsitzmeldungen des BF sowie durch die in einem Sozialversicherungsauszug ersichtlichen Erwerbstätigkeiten in Österreich untermauert. Insofern der BF innerhalb oben angeführten Zeitspannen Meldelücken in Österreich aufweist, brachte dieser in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vor, weiterhin ungemeldet im Bundesgebiet aufhältig gewesen und bei einem namentliche genannten Freund untergekommen zu sein. Anhaltspunkte, welche das dahingehende Vorbringen des BF widerlegen könnten, konnten nicht festgestellt werden und war dem BF sohin zu folgen und die obige Feststellung zu treffen.

Die wiederholten Antragstellungen auf Erteilung von Aufenthaltstiteln folgen dem Datenbestand des Zentralen Fremdenregisters sowie einer Ausfertigung des oben genannten Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Wien.

Auch das Fehlen eines Aufenthaltstitels und einer Arbeitsbewilligung seitens des BF folgt dem Datenbestand des Zentralen Fremdenregisters sowie des mangelnden Nachweises eines derartigen Rechtstitels und dessen Eingeständnis, über keine solche Rechtstitel zu verfügen in der mündlichen Verhandlung. Ferner ergibt sich auch der Nichtbesitz von Aufenthaltstiteln der Ehegattin und Kinder des BF aus dem besagten Datenbestand, dem Eingeständnis des BF und dessen Ehegattin in der mündlichen Verhandlung.

Die Verehelichung des BF mit seiner Frau, die Personalien derselben, der Kinder des BF und die Geburten der gemeinsamen Kinder in Österreich beruhen auf in Vorlage gebrachten Geburtsurkunden der Kinder, einer Heiratsurkunde sowie Kopien von Reisepässen.

Dem Datenbestand des ZMR kann die gemeinsame Haushaltsführung des BF mit dessen Frau und den Kindern entnommen werden und vermochte der BF den Bestand der Mietwohnung durch die Vorlage eines Mietvertrages nachzuweisen.

Die Erwerbstätigkeiten des BF in Österreich sowie die Beschäftigungslosigkeit seiner Ehegattin beruhen auf dem Inhalt der auf den Namen des BF und seiner Frau lautenden Sozialversicherungsauszüge sowie den sich damit deckenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung. Darüber hinaus brachte der BF Lohnzettel in Vorlage und gaben derselbe sowie seine Frau überstimmend in der mündlichen Verhandlung an, dass der BF die Miet- und Unterhaltskosten seiner Familie zur Gänze decke. Dem konkreten Vorbringen des BF folgt auch dessen Schulbesuch in Mazedonien.

Einem Sozialversicherungsauszug des BF kann zudem nicht entnommen werden, dass dieser jemals Sozialleistungen in Österreich bezogen hat, was wiederum das Vorbringen des BF zur Gänze für den Unterhalt seiner Familie mit seinem Einkommen aus Erwerbstätigkeiten und Ersparnissen aufgekommen zu sein, stützt. Auch aus dem Datenbestand des

GVS-Informationssystems ist ein Bezug von staatlichen Hilfsleistungen nicht zu entnehmen.

Durch die Vorlage eines Deutsch-Diploms des Niveaus "B1" vermochte der BF die positive Absolvierung einer entsprechenden Sprachprüfung nachweisen. Darüber hinaus konnte sich das erkennende Gericht in der mündlichen Verhandlung von den Deutschkenntnissen des BF überzeugen. Dieser vermochte der Verhandlung auch in deutscher Sprache zu folgen und die ihm gestellten Fragen auf Deutsch beantworten.

Ferner war der BF in der Lage, zum Beweis seines Vorbringens, erneut einer Erwerbstätigkeit als Pizzakoch zu dem oben bezifferten Entgelt nachgehen zu können, durch die Vorlage einer Einstellungsbestätigung vom 28.01.2019 nachzuweisen.

Die gerichtliche Unbescholtenheit des BF ergibt sich dem Amtswissen des erkennenden Gerichts (Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich) und folgt die erwähnte Verwaltungsstrafe wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich dem Eingeständnis des BF in der mündlichen Verhandlung.

Der BF brachte in der mündlichen Verhandlung selbst vor, nur über ferne Angehörige in Österreich zu verfügen und zu diesen kaum Kontakt zu pflegen, sich jedoch Familienmitglieder im Herkunftsstaat aufhielten, zu denen er Kontakt halte.

Die wiederholten Anzeigen gegen den BF wegen dessen Schwarzarbeit beruhen jeweils auf an das BFA gerichtete Schreiben der Finanzpolizei vom XXXX.2018 und XXXX.2017.

Die Feststellung, dass Mazedonien als sicherer Herkunftsstaat gilt, beruht zudem auf § 1 Z 4 Herkunftsstaatenverordnung. Offene Kampfhandlungen oder bürgerkriegsähnliche Zustände finden in Mazedonien nicht statt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Stattgabe der Beschwerde:

3.1.1. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt, und gemäß Abs. 4 Z 10 leg cit, jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist, als Drittstaatsangehöriger.

Der BF als Staatsangehöriger von Mazedonien und ist sohin Drittstaatsangehöriger iSd. § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

3.1.2. Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristung oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben (Z 1), oder sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder eine Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind (Z 2).

Gemäß § 13 AsylG ist ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Entzug des Aufenthaltsrechts (§ 62 Abs. 1 FPG) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt.

Der BF fällt nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

Der BF hält sich seit 20.09.2007 im Bundesgebiet auf und war dessen Aufenthalt aufgrund seiner Asylantragsstellung bis zur rechtskräftig negativen Bescheidung dieses seitens des AsylGH rechtmäßig. Antragstellungen auf Erteilungen von Aufenthaltstiteln begründet gemäß § 21 Abs. 6 NAG kein Aufenthaltsrecht in Österreich, sodass der aktuelle Aufenthalt des BF, in Ermangelung des Besitzes eines Aufenthaltstitels seit rechtskräftiger Abweisung des Asylantrages des BF sich als durchgehend unrechtmäßig erweist.

3.1.4. Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG lautet:

"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde."

Der mit "Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK" betitelte § 55 ASylG lautet:

"§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

3.1.5. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:

Die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, insbesondere die gegenständlichen Rückkehrentscheidung, setzt nach § 9 Abs. 1 BFA-VG unter dem dort genannten Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Privat- und/oder Familienleben voraus, dass ihre Erlassung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (vgl. VwGH vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101).

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensität für die Annahme einer familiären Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. "legitimate family" bzw. "famille légitime") oder einer unehelichen Familie ("illegitimate family" bzw. "famille naturelle"), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, Serife Yigit, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007,

Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche - in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte - Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

• die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

• das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

• die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

• den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

• die Bindungen zum Heimatstaat,

• die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

• auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09).

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u. a., Zl. 26940/10).

Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden etwa Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen. Diese Rechtsprechung zu Art. 8 MRK ist auch für die Erteilung von Aufenthaltstiteln relevant (vgl. E 26. Februar 2015, Ra 2015/22/0025; E 19. November 2014, 2013/22/0270). Auch in Fällen, in denen die Aufenthaltsdauer knapp unter zehn Jahren lag, hat der VwGH eine entsprechende Berücksichtigung dieser langen Aufenthaltsdauer gefordert (vgl. E 16. Dezember 2014, 2012/22/0169; E 9. September 2014, 2013/22/0247; E 30. Juli 2014, 2013/22/0226). Im Fall, dass ein insgesamt mehr als zehnjähriger Inlandsaufenthalt für einige Monate unterbrochen war, legte der VwGH seine Judikatur zum regelmäßigen Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt des Fremden zugrunde (vgl. E 26. März 2015,

Ra 2014/22/0078 bis 0082). (Vgl. VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120

Im Fall, dass ein insgesamt mehr als zehnjähriger Inlandsaufenthalt für einige Monate unterbrochen war, legte der VwGH seine Judikatur zum regelmäßigen Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt des Fremden zugrunde (vgl. E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082). (Vgl. VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120

3.2. Daraus ergibt sich Folgendes:

3.2.1. Der BF hält sich seit 11 1/2 Jahren durchgehend im Bundesgebiet auf. Wenn er davon auch nur 3 1/2 Jahre rechtmäßig in Österreich zugebracht hat, ist verfahrensgegenständlich zu erkennen, dass dieser die Zeit zur Integration genutzt hat. So hat er sich bereits im Jahr 2015 Deutschkenntnisse des Niveaus "B1" angeeignet, bis dato keine Sozialleistungen bezogen und seinen Lebensunterhalt überwiegend aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit und Ersparnissen selbst gedeckt. Der BF war zwar nicht im Besitz benötigter Berechtigungen, um eine Erwerbstätigkeit aufnehmen zu dürfen, jedoch ist gegenständlich zu berücksichtigen, dass die Beschäftigungen des BF durchgehend sozialversicherungsrechtlich gemeldet waren.

So kann nicht nur festgestellt werden, dass der Lebensmittelpunkt des BF mittlerweile seit Jahren in Österreich gelegen ist, sondern auch, dass er seinen Aufenthalt in Österreich zur nachhaltigen Integration genutzt und sich mittlerweile sozial und wirtschaftlich integriert hat. Ferner ist vor dem Hintergrund der Berufserfahrung des BF und dessen Deutschkenntnissen von seiner weiteren Selbsterhaltungsfähigkeit auszugehen, was zudem durch die Vorlage einer Einstellungszusage untermauert wird.

Der Aufenthalt des BF erweist sich zwar als überwiegend unrechtmäßig, jedoch kommt den seinerseits während dieser Zeit getätigten Integrationsbemühungen dennoch maßgeblich Bedeutung zu (vgl. VwGH 03.03.2008, 2006/18/0469: "Auf Grund der Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts wird die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration in ihrem Gewicht zwar stark gemindert, kann aber nicht zur Gänze unberücksichtigt bleiben."). Dabei ist auch in Anschlag zu bringen, dass trotz fehlender Hinweise hinsichtlich einer Ausreise des BF aus dem Bundesgebiet, beinahe durchgehender Wohnsitzmeldungen und sozialversicherungsrechtlicher Erfassung des BF in Österreich sowie wiederholten Verständigungen über Anzeigen des BF wegen Schwarzarbeit seitens der Finanzpolizei in den Jahren 2015 und 2017, die Fremdenrechtsbehörden, und letztlich auch das BFA, bis zum Jahr 2017 in der Sache untätig blieben.

Das Gericht verkennt keinesfalls, dass der Beachtung fremdenrechtlicher, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden in Österreich regelnden Normen sowie an der Beendigung unrechtmäßiger Aufenthalte im Bundesgebiet (vgl. VwGH 09.03.2003, 2002/18/0293) und der Verhinderung von Schwarzarbeit (vgl. VwGH 20.12.2013, 2013/21/0047) große Bedeutung zukommt, der BF weiterhin über Bezugspunkte im Herkunftsstaat, wo er auch den Großteil seines Lebens verbracht hat, aufweist, seinen Kernfamilienangehörigen kein Aufenthaltsrecht in Österreich zukommt und er sich letztlich seit Mai 2011 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Selbst unter Berücksichtigung der überwiegenden Rechtswidrigkeit des Aufenthaltes des BF in Österreich, dem unrechtmäßigen Nachgehen von Erwerbstätigkeiten sowie der einmaligen Belangung nach dem FPG ist im Lichte der einschlägigen Judikatur (vgl. VwGH 08.11.2018,

Ra 2016/22/0120; 28.02.2019, Ra 2018/01/0409) nach Abwägung der sich widerstreitenden Interessen im konkreten Fall dennoch ein Überwiegen der privaten Interessen des BF festzustellen.

Die Anordnung einer Rückkehrentscheidung würde sohin eine Verletzung der Rechte des BF nach Art. 8 EMRK nach sich ziehen, und erweist sich eine solche sohin aufgrund des nicht nur vorübergehenden Wesens der dieser Verletzung zugrundeliegenden Umstände, als iSd. § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig.

Insofern liegen die Voraussetzungen für die Erteilungen eines Aufenthaltstitels an den BF gemäß §§ 58 Abs. 2 iVm. 55 AsylG vor (vgl. Szymanski, AsylG § 55 Anm. 1, in Schrefler-König/Szymanski (Hrsg) Fremdenpolizei- und Asylrecht Teil II: wonach § 55 AsylG das Bleiberecht iSd. der Judikatur des VfGH um setzt, und hierfür Bedingung sei, dass eine Aufenthaltsbeendigung im Hinblick auf Art 8 EMRK auf Dauer unzulässig ist).

Angesichts des korrekten Beleges von Sprachkenntnissen des Niveaus "B1" und der damit einhergehenden Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 81 Abs. 36 NAG iVm. §§ 14 und 14a NAG idF. BGBl. I Nr. 38/2011 iVm. § 7 Abs. 1 IV-V idF BGBl. II Nr. 205/2011, war der Beschwerde stattzugeben und spruchgemäß festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig und dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 1 iVm. § 54 Abs. 2 AsylG "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten zu erteilen ist. Ausschlussgründe iSd. § 60 AsylG liegen nicht vor.

3.2.2. Aufgrund erfolgter - die Aufhebung der von der belangten Behörde ausgesprochenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme bewirkender - Feststellung der dauerhaften Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung und Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG an den BF, fällt auch die Voraussetzung für einen Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung (siehe § 52 Abs. 9 FPG) samt Festsetzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise (§ 55 FPG) und Einreiseverbotes (§ 53 FPG) weg, weshalb die entsprechenden Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides - im Zuge der Stattgabe der Beschwerde - als aufgehoben gelten.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus, Deutschkenntnisse, Integration,
Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G307.1317221.2.00

Zuletzt aktualisiert am

16.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten