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10/11 Vereins- und VersammlungsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 Z1 litaLeitsatz
Keine Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung des VersammlungsG betreffend die Festlegung der Schutzbereiche von Versammlungen; Verpflichtung der Behörde zur Überprüfung der Erforderlichkeit eines angemessenen und erforderlichen Schutzbereichs; keine Unverhältnismäßigkeit des gesetzlich angeordneten Schutzbereichs von 50m für nicht angezeigte (Spontan-)VersammlungenRechtssatz
Abweisung des - zulässigen - Hauptantrags des Verwaltungsgerichts Wien (VGW - LVwG) auf Aufhebung von §7a Abs1 bis 4 des VersammlungsG idF BGBl I 63/2017 (Gerichtsantrag).
Kein Verstoß gegen Art12 StGG und Art11 EMRK, weil die Auffassung des VGW, dass der Umfang des Schutzbereichs einer jeden Versammlung stets mindestens 50 Meter betragen müsse, nicht zutreffend ist:
§7a VersG - insbesondere dessen Abs3 - statuiert - im Gegensatz zum absoluten Höchstumfang von 150 Metern gemäß §7a Abs2 zweiter Satz VersG - keinen absolut geltenden Mindestumfang, sondern trifft eine Regelung für die Fälle, in denen die Versammlungsbehörde von der ausdrücklichen Festlegung eines anderen Schutzbereichs abgesehen oder einen Schutzbereich noch nicht festgelegt hat bzw nicht festlegen konnte.
Durch diese Regelung wird jedoch die Behörde nicht von ihrer gemäß §7a Abs2 VersG bestehenden Verpflichtung entbunden zu überprüfen, welcher "Schutzbereich" für die Versammlung "unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten, der Anzahl der erwarteten Teilnehmer sowie des zu erwartenden Verlaufes" - also unter Berücksichtigung der Gegebenheiten der jeweils angezeigten Versammlung - angemessen und auch erforderlich ist. Das absolut geltende Versammlungsverbot im Schutzbereich einer rechtmäßigen - also dem Versammlungsgesetz entsprechend angezeigten - Versammlung, wird stets somit im Einzelfall zu ermitteln sein; insoweit eine Festlegung des Schutzbereichs ausdrücklich erfolgt, kann dieser null bis 150 Meter um die Versammlung betragen.
Mit dieser Regelung wird gerade im Falle gleichzeitig stattfindender Versammlungen mit unterschiedlichen Positionen und gegensätzlichen Meinungen deren Abhaltung, somit die Ausübung des Versammlungsrechts aller, gewährleistet.
Dass nicht angezeigte (Spontan-)Versammlungen vorerst von Gesetzes wegen einen Schutzbereich von 50 Metern im Umkreis um die Versammelten hinzunehmen haben, ist vor dem Hintergrund und dem Verständnis dieser Regelung im dargestellten Sinn jedenfalls nicht unverhältnismäßig; selbst in solchen Fällen obliegt es der Versammlungsbehörde, sich innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die konkreten Umstände zu verschaffen und gegebenenfalls einen anderen Schutzbereich ausdrücklich festzulegen.
Schlagworte
Versammlungsrecht, Auslegung verfassungskonformeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2019:G271.2018Zuletzt aktualisiert am
06.08.2020