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L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe WienNorm
ASVG §324 Abs3Betreff
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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision des Fonds Soziales Wien in Wien, vertreten durch Dr. Clemens Lintschinger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fleischmarkt 1 / 6. Stock, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 14. August 2018, Zl. VGW- 141/025/764/2018-3, betreffend Kostenersatz nach dem Wiener Sozialhilfegesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:
Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Partei: E B, vertreten durch Dr. Agnes Maria Kienast, Rechtsanwältin in 2100 Korneuburg, Hauptplatz 24), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 1. Dezember 2017 wurde die mitbeteiligte Partei verpflichtet, Kostenersatz für entstandene Kosten der Pflege und Betreuung aufgrund hinreichenden Einkommens zu leisten, dies im Betrag von EUR 32.197,22 "im Zeitraum vom 1.1.2016 bis 30.11.2016" (Spruchpunkt I.). Weiters wurde die mitbeteiligte Partei verpflichtet, Kostenersatz für Kosten der Pflege und Betreuung, die "im Zeitraum vom 1.6.2013 bis 31.10.2016" entstanden seien, im Betrag von EUR 133.859,18 zu leisten, dies aufgrund hinreichenden Vermögens (Spruchpunkt II.). Als Rechtsgrundlagen wurden die §§ 25, 26 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 Wiener Sozialhilfegesetz (WSHG) genannt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 14. August 2018 wurde einer dagegen erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Verfahren eingestellt. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
3 Den zuletzt genannten Ausspruch nach § 25a Abs. 1 VwGG begründete das Verwaltungsgericht damit, dass es - soweit ersichtlich - an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage fehle, "ob ab 01.01.2018 die Vorschreibung eines Kostenersatzes für Leistungen der Mindestsicherung bei stationärer Pflege zulässig" sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende
Revision des Fonds Soziales Wien.
5 Die Revision ist unzulässig:
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemal3 Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
9 Mit der oben wiedergegebenen Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes wird nicht konkret dargelegt, welche im Revisionsfall relevante Rechtsfrage zu lösen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Frage des Verbots des Pflegeregresses im Sinne des § 330a ASVG bereits Stellung genommen (vgl. VwGH 8.8.2018, Ra 2018/10/0076; 29.11.2018, Ra 2018/10/0062; 30.1.2019, Ra 2018/10/0100; 30.1.2019, Ra 2018/10/0101). Unter welchem Aspekt es im Revisionsfall einer weiteren höchstgerichtlichen Klärung bedarf, wird mit der wiedergegebenen Zulässigkeitsbegründung nicht dargelegt.
10 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. VwGH 30.1.2019, Ro 2017/10/0037; 8.8.2018, Ro 2017/10/0002; 4.7.2018, Ro 2017/10/0031). Die vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmende Kontrolle einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung stützt sich für außerordentliche und ordentliche Revisionen in gleicher Weise jeweils auf eine gesonderte Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzun gen einer Revision (vgl. VwGH 17.10.2017, Ro 2016/01/0011; 26.9.2017, Ro 2015/05/0018; 31.1.2017, 2017/03/0001). 11 Die vorliegende Revision - die zur Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes ausführt, es sei nicht nachvollziehbar, inwieweit Fragen zu Leistungen aus der Mindestsicherung für den gegenständlichen Sachverhalt einschlägig sein sollten - bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es bestehe zur Frage, ob "Einkünfte aus Pflegegeld und Pension, welche die Ersatzpflichtige laufend bezieht (aber rechtswidrig trotz Mahnungen nicht zur Kostenbeitragserstattung heranzieht), beziehungsweise bereits bezahlt hat, als ,Einkommen' oder als ,Vermögen' anzusehen sind, keine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung". 12 Mit diesem allgemein gehaltenen Vorbringen wird nicht konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufgezeigt, welche Rechtsfrage von grunds??tzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte bzw. welche Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet worden sein soll. Der Revisionswerber führt in seiner Revision - neben dem wiedergegebenen Verweis darauf, dass ein Kostenbeitrag "bereits bezahlt" worden sei - selbst aus, dass aufgrund der Legalzessionsbestimmung des § 324 Abs. 3 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) bzw. des § 13 Bundespflegegeldgese tz (BPGG) "ab Juli 2013 die 80%igen Anteile" der Pension und des Pflegegeldes der mitbeteiligten Partei von der Pensionsversicherungsanstalt an den Revisionswerber überwiesen worden seien. Dieses Vorbringen wurde vom Revisionswerber bereits im Antrag vom 15. November 2016 erstattet, wobei dort - im Hinblick auf Spruchpunkt I. des Bescheides der belangten Behörde vom 1. Dezember 2017 - ausgeführt wurde, dass für die Zeit der Pflege "von 1.1.2016 bis November 2016 ... ein Kostenbeitrag aus Pension und Pflegegeld in der Höhe von EUR 2.026,09 unberichtigt" aushafte und sich dieser Betrag erkennbar (lediglich) auf den Bezug einer "privaten Rentenversicherung in der Höhe von (monatlich) EUR 240,24" bezogen hat, bei der "eine Direktverrechnung nicht möglich" sei.
13 Soweit das Verwaltungsgericht daher den von der belangten Behörde mit Spruchpunkt I. des Bescheides vom 1. Dezember 2017 auferlegten Kostenersatz im Umfang der (gemäß § 324 Abs. 3 ASVG und § 13 BPGG eingetretenen) Legalzession behoben hat, genügt es darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den sozialhilferechtlichen Bestimmungen der Länder der (Ersatz-)Anspruch des Sozialhilfeträgers (gegen den Hilfeempfänger) im Umfang der Legalzession erfüllt ist und insoweit kein Raum für eine verwaltungsbehördliche Entscheidung über den Anspruch besteht (vgl. VwGH 22.4.2015, Ro 2014/10/0082, VwSlg. 19100 A; 18.3.2015, Ro 2014/10/0063, VwSlg. 19075 A).
14 Soweit in dem mit Spruchpunkt I. des Bescheides der belangten Behörde vom 1. Dezember 2017 auferlegten Kostenersatz aber die erwähnte (von der mitbeteiligten Partei von Jänner bis November 2016 bezogene) "private Rentenversicherung" einbezogen wurde, bezüglich der eine Verpflichtung zum Kostenersatz vom Verwaltungsgericht ebenfalls behoben wurde, wird mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht aufgezeigt, entspricht es doch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei der Frage des nachträglichen Kostenersatzes die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung maßgeblich ist (vgl. das vom Verwaltungsgericht genannte, zu § 24 Abs. 2 Wiener Mindestsicherungsgesetz ergangene Erkenntnis VwGH 28.2.2018, Ra 2016/10/0055, mwN) und in einem Rückersatzverfahren eine "rückwirkende Kostenbeitragsvorschreibung" , mit der ein am seinerzeitigen Einkommen orientierter Betrag und nicht ein auf die nunmehrigen wirtschaftlichen Verhältnisse des Hilfeempfängers abzustellender Rückersatz vorgeschrieben wird, nicht zulässig ist (vgl. das zum Stmk. Sozialhilfegesetz 1977 ergangene Erkenntnis VwGH 15.11.2000, 98/03/0114, mwN). Die vom Revisionswerber eingenommene gegenteilige Sichtweise, wonach ein in der Vergangenheit (hier: mehr als ein Jahr vor der verwaltungsbehördlichen Entscheidung über den Kostenersatz) bezogenes Einkommen in einem Rückersatzverfahren nach § 26 Abs. 1 Z 1 WSHG einem Ersatzanspruch als "hinreichendes Einkommen" zugrunde zu legen sei, steht mit der genannten hg. Rechtsprechung nicht im Einklang.
15 Der Revisionswerber macht in der Zulässigkeitsbegründung im Weiteren geltend, es liege eine widersprüchliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes vor, weil dieses in einem näher genannten Verfahren entschieden habe, dass "Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als ,Einkommen' anzusehen" seien.
16 Dem ist zu erwidern, dass mit diesem Vorbringen schon nicht dargelegt wird, warum insoweit von einer uneinheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes auszugehen wäre bzw. warum dem für den vorliegenden Fall Relevanz zukommen sollte. Davon abgesehen ist aber darauf hinzuweisen, dass eine uneinheitliche Rechtsprechung eines oder mehrerer Verwaltungsgerichte für sich genommen nicht den Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B-VG erfüllt (vgl. VwGH 17.4.2018, Ra 2018/08/0041, mwN). Maßgeblich ist vielmehr, ob die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes uneinheitlich beantwortet wird.
17 Soweit der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung darauf Bezug nimmt, dass der "Auslegung der Bestimmungen des WSHG in Zusammenschau mit den neu eingeführten Verfassungsbestimmungen zum Verbot des Pflegeregresses" wegen des großen Personenkreises eine erhebliche Bedeutung zukomme, wird auch damit nicht aufgezeigt, welche grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen wäre. Der Umstand, dass die (hier: nicht konkret benannte) zu lösende Frage in einer Vielzahl von Fällen auftreten könnte, bewirkt allein noch nicht ihre Erheblichkeit iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. VwGH 29.7.2015, Ra 2015/07/0084, mwN).
18 Der Revisionswerber macht auch geltend, es sei noch nicht über die Rechtsfrage erkannt worden, "ob sich das Verbot des Pflegeregresses aus Vermögen nur auf Sozialhilfegesetze bezieht, aber dann nicht greift, wenn der Antragsteller sich in einem Vertrag zur Kostenerstattung verpflichtet hat".
19 Auch mit diesem Vorbringen wird schon mangels jeglicher Darlegung, warum das Schicksal der Revision von dieser Frage abhängen sollte, eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht aufgezeigt. Dem mit dem angefochtenen Erkenntnis behobenen Spruchpunkt II. des Bescheides der belangten Behörde vom 1. Dezember 2017 liegt ein Kostenersatzverfahren nach § 26 Abs. 1 Z 1 WSHG zu Grunde. Weshalb in diesem Verfahren das Verbot des Pflegeregresses gemäß § 330a ASVG nicht greifen sollte, wird vom Revisionswerber nicht dargelegt. Eine - unabhängig von den Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Z 1 WSHG bestehende - vertragliche Verpflichtung der mitbeteiligten Partei zum Kostenersatz war nicht Gegenstand des zugrunde liegenden Verwaltungsverfahrens.
20 Der Revisionswerber macht schließlich als Verfahrensmangel geltend, er sei im Beschwerdeverfahren vom Verwaltungsgericht nicht angehört bzw. sei seine Parteistellung nicht anerkannt worden. Der Verfahrensmangel sei relevant, da er bei dessen Vermeidung darlegen hatte können, dass "Einkünfte aus Pflegegeld und Pension kein Vermögen im Sinne des § 330a ASVG" darstellten, insbesondere dann nicht, wenn "sie laufend geltend gemacht wurden, aber nicht bezahlt wurden".
21 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Zulässigkeit der Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mangelfreien Verfahrens zu einer anderen - für die revisionswerbende Partei günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. VwGH 27.6.2017, Ra 2017/10/0076; 26.4.2017, Ra 2016/10/0035; 25.1.2017, Ra 2014/10/0032). Mit dem wiedergegebenen Vorbringen wird Derartiges allerdings nach dem Gesagten nicht aufgezeigt.
22 Die Revision war daher zurückzuweisen.
23 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf
§§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 28. Mai 2019
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2Organisationsrecht Justiz - Verwaltung Verweisung auf den Zivilrechtsweg VwRallg5/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019100002.J00Im RIS seit
26.07.2019Zuletzt aktualisiert am
26.07.2019