TE Vwgh Beschluss 2019/6/19 Ra 2019/18/0193

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Veröffentlicht am 19.06.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte

Norm

B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des B A, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. März 2019, Zl. I417 2126853- 1/12E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist Staatsangehöriger des Sudan. Er stellte am 23. April 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen er damit begründete, in seinem Herkunftsstaat mehrere Male willkürlich inhaftiert worden zu sein. Man habe ihm unterstellt, gegen das Regime zu mobilisieren und mit der kommunistischen Partei sowie der sudanesischen Revolutionsfront in Verbindung zu stehen. Da er während seiner Inhaftierungen physischer sowie psychischer Folter ausgesetzt gewesen und von einem Offizier der sudanesischen Sicherheitsbehörden erneut vorgeladen worden sei, habe er sich zur Flucht entschlossen.

2 Mit Bescheid vom 21. April 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Sudan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die Revision erklärte das Gericht für nicht zulässig. 4 Das Bundesverwaltungsgericht erachtete das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers als nicht glaubhaft. Seine Schilderungen in der mündlichen Verhandlung seien vage, oberflächlich und detailarm geblieben. Zudem erscheine es nicht plausibel, dass er im Fall einer staatlichen Verfolgung unter Vorlage eines Reisepasses, einer Ausreisegenehmigung sowie eines Visums für Tschechien ungehindert habe per Flugzeug legal ausreisen können. Die von ihm dazu ins Treffen geführte Erklärung, wonach er von den sudanesischen Behörden erst dann gesucht worden wäre, wenn diese sich sicher gewesen wären, dass er das Land verlassen habe, entbehre jeglicher Logik. Weiters sei es unschlüssig, dass der Revisionswerber im Jahr 2014 bereits nach Kairo ausgereist, im Anschluss jedoch wieder in den Sudan zurückgekehrt sei. Eine tatsächlich verfolgte Person würde sich dem Risiko einer neuerlichen staatlichen Verfolgung nicht aussetzen. Ferner seien auch weitere Aspekte des Fluchtvorbringens aus näher dargestellten Gründen nicht glaubhaft. Im Fall einer Rückkehr des Revisionswerbers in den Sudan drohe ihm keine reale Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte. Zur Rückkehrentscheidung hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, es bestünden in Österreich keine familiären Bindungen. Der Revisionswerber, der ohne regelmäßige Beschäftigung sei und seinen Lebensunterhalt aus Mitteln der Grundversorgung bestreite, habe zwar einen Deutschkurs besucht und sich im Bundesgebiet ehrenamtlich betätigt, eine regelmäßige Erwerbstätigkeit oder sonstige Integrationshinweise in beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht seien jedoch nicht ersichtlich. Im Herkunftsstaat lebten noch Familienangehörige des Revisionswerbers (insbesondere seine Ehefrau und seine beiden minderjährigen Kinder), mit welchen er nach wie vor in Kontakt stehe. 5 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit geltend gemacht wird, das Bundesverwaltungsgericht habe es gänzlich unterlassen, eigenständige Feststellungen zum Herkunftsstaat des Revisionswerbers zu treffen. Dieser Verfahrensfehler sei relevant, weil die beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts auf reinen Vermutungen fußten, ohne entsprechende Länderberichte zur Vorgehensweise sudanesischer Sicherheitsbehörden einzubeziehen. Die Beweiswürdigung sei unschlüssig bzw. mangelhaft, weil es zur Beurteilung, ob eine legale Ausreise trotz staatlicher Verfolgung möglich sei, entsprechender Länderfeststellungen bedurft hätte. Die vom Revisionswerber geschilderten Verhaftungen sowie Misshandlungen fänden in aktuellen Länderberichten Deckung. Zudem seien die privaten Interessen des Revisionswerbers bei Erlassung der Rückkehrentscheidung nicht nachvollziehbar gewichtet worden. Das Gericht sei unzutreffender Weise von einem lediglich knapp vierjährigen anstatt eines richtiger Weise seit viereinhalb Jahren bestehenden Aufenthalts in Österreich ausgegangen. Es fehle im Übrigen eine ausreichende Auseinandersetzung mit den Deutschkenntnissen des Revisionswerbers sowie mit dem Umstand, dass er als Schnee- und Streuarbeiter für die Stadt Wien tätig gewesen sei und ehrenamtliche Arbeiten für die Flüchtlingsunterkunft verrichtet habe.

Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Dass die im angefochtenen Erkenntnis - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - vorgenommene Beweiswürdigung eine am Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes aufzugreifende Unschlüssigkeit aufweisen würde, zeigt die Revision nicht auf. 8 Insofern die Zulässigkeitsbegründung geltend macht, das Bundesverwaltungsgericht habe keine eigenen Länderfeststellungen getroffen, sondern nur auf die diesbezüglichen Feststellungen der Behörde verwiesen, rügt die Revision zwar zutreffend einen Verfahrensmangel (VwGH 19.4.2018, Ra 2017/20/0491; 15.3.2018, Ra 2016/20/0291). Allerdings zeigt die Revision fallbezogen die Relevanz dieses Verfahrensfehlers nicht auf:

Das in diesem Zusammenhang erstattete Vorbringen des Revisionswerbers bekämpft die das Fluchtvorbringen betreffende Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts. Die diesbezüglichen Erwägungen des Gerichts beruhen aber auf mehreren - jeweils für sich betrachtet - als nicht unschlüssig zu qualifizierenden Argumenten und es stehen die zentralen beweiswürdigenden Überlegungen, weshalb das Fluchtvorbringen als nicht glaubhaft zu erachten sei, nicht in Verbindung mit der allgemeinen Situation im Sudan. Vielmehr beruht die verwaltungsgerichtliche Beweiswürdigung in ihren tragenden Begründungssträngen auf Gesichtspunkten, die sich aus dem Fluchtvorbringen selbst ergeben. Die Ausführungen der Zulässigkeitsbegründung beschäftigen sich lediglich mit einem (Teil-)Aspekt dieser Beweiswürdigung, und zwar damit, dass im angefochtenen Erkenntnis aus der ungehinderten legalen Ausreise des Revisionswerbers Rückschlüsse auf eine fehlende staatliche Verfolgung gezogen worden seien.

9 Dabei ist nicht ersichtlich, inwiefern die vom Revisionswerber als relevant erachteten Gesichtspunkte der von sudanesischen Behörden durchgeführten Ausreisekontrollen (nämlich z. B. der Umstand, dass diese nicht lückenlos erfolgten und ein gewisses Maß an Informalität im System vorliege) konkret Auswirkungen auf die von ihm geschilderten Umstände seiner Ausreise hätten haben können. Zum einen gab er im Rahmen seiner niederschriftlichen Befragung am 26. November 2015 selbst an, anlässlich seiner letzten Ausreise in die Türkei im Sudan am Flughafen kontrolliert worden zu sein. Darüber hinaus beziehen sich die in der Zulässigkeitsbegründung angeführten Quellen, die von einer gewissen Informalität der Ausreisekontrollen sprechen, offensichtlich, wie aus den dafür konkret angeführten Beispielen ersichtlich ist, auf die Ausreisemöglichkeiten am Landweg. Der Revisionswerber ist jedoch seinen Angaben zufolge per Flugzeug in die Türkei gereist. Welche Relevanz es fallbezogen haben könnte, dass bis zum Jahr 2013 eine Ausreise aus dem Sudan nach Ägypten ohne entsprechendes Visum möglich gewesen sein soll, ist zudem schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil der Revisionswerber angab, im Jahr 2014 nach Kairo gefahren und zuletzt aus dem Sudan in die Türkei ausgereist zu sein.

10 Auch mit dem Hinweis zur Situation im Sudan, wonach sich entsprechend einer zitierten Quelle Repressionen gegen regierungskritische Kräfte noch verstärkt hätten, die Polizei häufig willkürlich agiere, eine richterliche Kontrolle polizeilichen Handelns kaum stattfinde, willkürliche Verhaftungen ohne richterlichen Haftbefehl Praxis seien und Straffreiheit in allen Teilen der Sicherheitskräfte ein verbreitetes Problem darstelle, legt die Zulässigkeitsbegründung im Hinblick auf die insgesamt als schlüssig zu erachtende Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts die Relevanz des in Rede stehenden Verfahrensmangels nicht dar.

11 Zur Interessenabwägung im Sinn von Art. 8 EMRK ist festzuhalten, dass diese nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 21.3.2018, Ra 2017/18/0416, mwN). Eine solche Mangelhaftigkeit der vom Bundesverwaltungsgericht fallbezogen durchgeführten Interessenabwägung vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

12 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 19. Juni 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180193.L00

Im RIS seit

22.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

22.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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