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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §11Betreff
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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des H S, vertreten durch Mag. Kathrin Schuhmeister, Rechtsanwältin in 2320 Schwechat, Bruck-Hainburgerstraße 2/1/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2018, Zl. W172 2135862-1/23E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger aus der Provinz Ghazni, stellte am 22. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet und führte dazu im Wesentlichen aus, sich im Herkunftsstaat zum Militär gemeldet und aus diesem Grund einen Drohbrief der Taliban erhalten zu haben. Er sei daraufhin geflohen und fürchte im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan neben einer Verfolgung durch die Taliban auch, von staatlicher Seite verfolgt zu werden, weil er seinen Militärdienst nicht angetreten habe.
2 Mit Bescheid vom 9. September 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 Asylgesetz 2005, erließ eine Rückkehrentscheidung und sprach aus, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für eine freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig. 4 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst aus, das Fluchtvorbringen habe aus näher dargestellten Gründen nicht glaubhaft gemacht werden können. Dem Revisionswerber sei zudem der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen. Da die Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz Ghazni volatil sei, bestehe für ihn im Fall einer Rückkehr in dieses Gebiet ein reales Risiko einer Art. 3 EMRK-Verletzung. Der Revisionswerber verfüge jedoch über eine innerstaatliche Fluchtalternative u.a. in den Städten Mazare Sharif und Herat. In diesem Zusammenhang traf das Bundesverwaltungsgericht - unter Bedachtnahme auf die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 - sowohl Feststellungen zu den individuellen Umständen des Revisionswerbers als auch zu den Gegebenheiten im Herkunftsstaat. Auf dieser Grundlage gelangte das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass es dem Revisionswerber als gesundem Mann im erwerbsfähigen Alter, der einer Landessprache mächtig sowie mit den kulturellen Gepflogenheiten Afghanistans bestens vertraut sei und über Berufserfahrung verfüge, möglich sein werde, sich nach der Rückkehr in den Herkunftsstaat seinen Lebensunterhalt zu sichern. Individuelle Umstände, die die reale Gefahr einer Art. 3 EMRK-Verletzung bei Inanspruchnahme der genannten innerstaatlichen Fluchtalternativen maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen, habe der Revisionswerber nicht darlegen können. Dem Revisionswerber sei die Ansiedlung unter anderem in der über einen internationalen Flughafen erreichbaren Stadt Mazar-e Sharif möglich und zumutbar.
5 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung zusammengefasst gegen die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative wendet. Zum einen habe sich das Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien) nicht eingehend auseinandergesetzt. Zum anderen habe es auf den Bericht des European Asylum Support Office (EASO) aus dem Jahr 2018 sowie auf die UNHCR-Richtlinien vom 19. April 2016 Bezug genommen, obwohl diese Quellen nicht "Bestandteil des Verfahrens" geworden seien. Darüber hinaus habe das Bundesverwaltungsgericht keine Feststellungen zum familiären Netzwerk des Revisionswerbers in den Städten Herat und Mazare Sharif bzw. zu deren Erreichbarkeit getroffen und nicht dargelegt, warum der Revisionswerber in den beiden zuletzt genannten Städten nicht in eine ausweglose Lage geraten würde. Weiters würden dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts Begründungsmängel anhaften, weil in der Beweiswürdigung auf ein Vorbringen zur Blutrache eingegangen werde, welches der Revisionswerber nie erstattet habe. Demgegenüber beschränke sich die Begründung hinsichtlich des tatsächlich erstatteten Vorbringens auf eine Negativfeststellung, was wiederum mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht in Einklang zu bringen sei. Das diesbezügliche Parteienvorbringen sei überdies nicht entsprechend nachvollziehbar gewürdigt worden. Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Soweit sich die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen gegen die Annahme einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative - insbesondere in Mazar-e Sharif - wendet, ist auf die damit in Zusammenhang stehende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach es, um von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, nicht ausreicht, dem Asylwerber entgegen zu halten, dass er in diesem Gebiet keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat. Es muss ihm vielmehr möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Ob dies der Fall ist, erfordert eine Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Asylwerbers. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001).
8 Im vorliegenden Fall hat sich das Bundesverwaltungsgericht entgegen dem Revisionsvorbringen mit den UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 näher auseinandergesetzt und dargestellt, dass diese eine inländischen Fluchtalternative u.a. in der Stadt Mazare Sharif nicht generell ausschließen. Es hat weiters auf die einschlägigen Richtlinien der EASO Bedacht genommen, nach denen für Personen mit dem Profil des Revisionswerbers auch ohne soziales Netzwerk eine inländische Fluchtalternative u.a. in Mazare Sharif zumutbar sei. Dem vermag die Revision nichts Stichhaltiges entgegen zu setzen.
9 In Bezug auf die angesprochenen Richtlinien der EASO macht die Revision zwar erkennbar eine Verletzung des Parteiengehörs geltend, unterlässt es aber, auch nur ansatzweise darzulegen, welche Einwände gegen dieses Beweismittel bei Einräumung des Parteiengehörs erhoben worden wären. Die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels wird somit nicht dargelegt.
10 Der Revision ist zwar zuzustimmen, dass das Erkenntnis sich in seiner Begründung auch mit Fluchtvorbringen beschäftigt, die vom Revisionswerber gar nicht erstattet wurden (Blutrache). Dieser Begründungsmangel erweist sich aber im Ergebnis als nicht von Bedeutung, weil sich das Bundesverwaltungsgericht mit dem tatsächlich erstatteten Vorbringen hinreichend auseinandergesetzt hat.
11 Soweit der Revisionswerber in Bezug auf die zum Fluchtvorbringen getroffenen Negativfeststellungen eine Verletzung der Begründungspflicht rügt, ist ihm zu entgegnen, dass diese Negativfeststellungen konkret die von ihm behaupteten Verfolgungsgründe betreffen und der Beweiswürdigung im angefochtenen Erkenntnis zu entnehmen ist, dass und aus welchen Gründen das Bundesverwaltungsgericht dem Vorbringen des Revisionswerbers zu seinem Fluchtgrund die Glaubwürdigkeit absprach und es seiner rechtlichen Beurteilung daher nicht zugrunde legte. Aus diesem Grund konnten die vom Revisionswerber geforderten positiven Feststellungen - das vom Gericht als unglaubwürdig befundene Fluchtvorbringen betreffend - nicht getroffen werden. Dass die verwaltungsgerichtliche Beweiswürdigung an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leiden würde, zeigt die Revision im Übrigen mit dem pauschalen Vorbringen, wonach die im angefochtenen Erkenntnis angestellten Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht nachvollziehbar seien, nicht auf.
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 19. Juni 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180106.L00Im RIS seit
22.07.2019Zuletzt aktualisiert am
22.07.2019