TE OGH 2019/5/15 18ONc1/19w

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Veröffentlicht am 15.05.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten Dr. Veith sowie die Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. Musger und Mag. Painsi als weitere Richter in der Schiedsrechtssache der Antragstellerinnen (schiedsklagende Parteien) 1. K***** GmbH, *****, 2. K***** Gesellschaft mbH, *****, beide vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Antragsgegnerinnen (schiedsbeklagte Parteien) 1. V***** GmbH, *****, 2. T***** Gesellschaft mbH, *****, beide vertreten durch die Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, 3. V*****gesellschaft mbH & Co KG, *****, 4. V*****gesellschaft mbH, *****, beide vertreten durch die KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, 5. M***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch die Hausmaninger Kletter Rechtsanwälte-Gesellschaft mbH in Wien, 6. G***** GmbH, *****, 7. G***** GmbH, *****, Deutschland, beide vertreten durch die Barnert Egermann Illigasch Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Ablehnung des Schiedsrichters Dr. G***** (§ 589 Abs 3 ZPO), in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Schiedsrichter Dr. G***** ist für die Fortführung des von den Antragstellerinnen als schiedsklagende Parteien gegen die Antragsgegnerinnen als schiedsbeklagte Parteien geführten Schiedsverfahrens befangen.

Die Antragsgegnerinnen sind schuldig, den Antragstellerinnen die mit 8.852,59 EUR (darin 1.105,77 EUR USt und 2.218 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des gerichtlichen Ablehnungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Antragstellerinnen beantragten zu 18 ONc 4/17p unter Berufung auf einen Rahmenvertrag vom 31. 8. 2000, dessen Ergänzung sowie Ausführungsverträge vom 29. 3. 2001 und eine erfolglose Einleitungsanzeige vom 24. 10. 2017 die Bestellung eines Schiedsrichters für die Antragsgegnerinnen. Diesen Antrag wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 6. 2. 2018 im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die Einleitungsanzeige nicht den Anforderungen des § 587 Abs 4 ZPO entsprochen habe.

Im Verfahren 18 ONc 3/18p beantragten die Antragstellerinnen neuerlich die Bestellung eines Schiedsrichters für die Antragsgegnerinnen. Sie hätten mit Brief vom 15. 2. 2018 ihre Einleitungsanzeige vom 24. 10. 2017 im Sinn des Beschlusses des Obersten Gerichtshofs vom 6. 2. 2018 ergänzt. Die Antragsgegnerinnen bestritten und beantragten die Zurück-, in eventu Abweisung des Antrags. Nachdem der Oberste Gerichtshof den Verfahrensparteien seine Absicht bekannt gegeben hatte, für das von den Antragstellerinnen angestrebte Schiedsverfahren eine bestimmte Person als von den Antragsgegnerinnen namhaft zu machenden Schiedsrichter zu bestellen, teilten die Antragsgegnerinnen mit Schreiben vom 9. 7. 2018 den Antragstellerinnen mit, Dr. G***** als Schiedsrichter namhaft gemacht zu haben, und beantragten die Abweisung des Antrags der Antragstellerinnen. Die Namhaftmachung des Schiedsrichters wiesen die Antragsgegnerinnen durch die Vorlage des Schreibens vom 9. 7. 2018 wie auch die erfolgte Zustimmung des Schiedsrichters urkundlich nach. Die Antragstellerinnen schränkten daraufhin ihren Antrag auf Kosten ein.

Am 24. 1. 2019 teilte Dr. G***** den Mitschiedsrichtern und den Parteienvertretern per E-Mail mit, dass die z***** Rechtsanwälte GmbH, deren Gesellschafter er ist, von einer Streitpartei eines Schiedsverfahrens, das in keinerlei Zusammenhang mit diesem Verfahren stehe und an dem auch gänzlich andere Parteien beteiligt seien, als Parteienvertreter beauftragt werde. Dieselbe Partei habe für dasselbe Schiedsverfahren auch die Vertreterin der Erst- und Zweitschiedsbeklagten beauftragt. Diese Auftragsvergaben seien unabhängig voneinander, ohne Absprache der beauftragten Anwaltskanzleien erfolgt. Er sehe sich dadurch in keiner Weise als befangen, teile diesen Umstand aber der guten Ordnung halber mit.

Aufgrund dieser Mitteilung lehnten die Schiedsklägerinnen den Mitschiedsrichter Dr. G***** mit Schriftsatz vom 29. 1. 2019 gemäß § 588 Abs 2 ZPO ab. Die Zusammenarbeit zwischen einem Schiedsrichter und Parteienvertretern zähle nach Punkt 3.3.9 der IBA-Richtlinien zur orangen Liste und sei daher als Umstand zu qualifizieren, der berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit bzw Unparteilichkeit des Schiedsrichters begründe. Die gemeinsame Tätigkeit in einem separaten Schiedsverfahren impliziere nämlich eine koordinierte und intensive Zusammenarbeit zwischen Dr. G***** und der Vertreterin der erst- und zweitbeklagten Parteien und bedeute, dass ständiger Kontakt zwischen Dr. G***** und der Vertreterin der erst- und zweitbeklagten Parteien bestehen werde.

Mit Ausnahme der Fünftschiedsbeklagten, die nicht Stellung nahm, beantragten die Schiedsbeklagten den Ablehnungsantrag zurück- bzw abzuweisen. Die Mitteilung des Dr. G***** zeige keine Umstände auf, die berechtigte Zweifel an seiner Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit erwecken könnten.

Das Schiedsgericht wies den Ablehnungsantrag mit Beschluss vom 28. 2. 2019 ab. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs lehne sich an die Bestimmungen über die Befangenheit und die Ausgeschlossenheit von Richtern (§§ 19 f JN) an und ziehe als „Orientierungshilfe“ die IBA-Richtlinien heran. §§ 19, 20 JN ließen sich naturgemäß auf den vorliegenden Fall nicht anwenden, weil ein Richter nicht gleichzeitig als Parteienvertreter agieren werde. Die sogenannte Schiedsszene sei in Österreich überschaubar und auf eine relativ kleine Zahl an spezialisierten Rechtsanwälten und Universitätsprofessoren beschränkt. Diese würden regelmäßig in Schiedsverfahren (als Schiedsrichter oder Parteienvertreter), bei Kongressen und Seminaren, auf universitärer Ebene oder in losen Arbeitskreisen, die im Interesse der Schiedsgerichtsbarkeit gemeinsame Ziele verfolgen, auftreten. Dies sei bei der Gewichtung offengelegter Umstände in Verbindung mit der Fallgruppe der Beziehung zwischen einem Schiedsrichter und einem Parteienvertreter im Sinn des Punktes 3.3.9 der orangen Liste der IBA-Richtlinien zu beachten. Das Schiedsgericht gehe, wie inzwischen von Dr. G***** bestätigt, davon aus, dass dieser persönlich in die Bearbeitung der anderen Schiedscausa involviert sei. Dass ein Schiedsrichter, sei dies auch zeitgleich, in einer anderen Rechtssache mit einem Rechtsvertreter zusammenarbeite, erscheine dem Gericht als durchaus häufig vorkommendes, keine berechtigten Zweifel auslösendes Phänomen. Solche Verbindungen zählten zu den wirtschaftlichen oder beruflichen Gegebenheiten, die für sich genommen keinen Ablehnungsgrund hergeben würden. Vielmehr müssten weitere Kriterien hinzutreten, die den Anschein der Befangenheit begründen könnten. Solche weiteren Kriterien hätten die Schiedsklägerinnen aber nicht behauptet und lägen nach Ansicht des Schiedsgerichts auch nicht vor. Das Schiedsgericht vermöge daher anhand der Offenlegung des abgelehnten Schiedsrichters, dem Vorbringen im Ablehnungsantrag und den Stellungnahmen der Schiedsparteien keine Umstände erkennen, die berechtigte Zweifel an dessen Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit weckten.

Mit dem hier zu beurteilenden Antrag nach § 589 Abs 3 ZPO beantragten die Schiedsklägerinnen, der Oberste Gerichtshof möge ihrem Ablehnungsantrag stattgeben und den von den Schiedsbeklagten benannten Mitschiedsrichter Dr. G***** für befangen erklären. Die IBA-Richtlinien könnten nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bei der Beurteilung von Befangenheitsgründen als Orientierungshilfe dienen. Die Zusammenarbeit zwischen einem Schiedsrichter und Parteienvertretern zähle zur orangen Liste (Punkt 3.3.9) der IBA-Richtlinien und sei daher als Umstand zu qualifizieren, der berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit bzw Unparteilichkeit des Schiedsrichters begründe. Die gemeinsame Tätigkeit in einem separaten Schiedsverfahren impliziere eine koordinierte und intensive Zusammenarbeit. Zwischen Dr. G*****, der persönlich in die Bearbeitung des separaten Schiedsverfahrens involviert sein werde, und der Vertreterin der Erst- und Zweitschiedsbeklagten werde daher ständiger Kontakt bestehen. Diese enge Zusammenarbeit rechtfertige die Ablehnung von Dr. G***** als Mitschiedsrichter. Es gehe nicht um ein in der Vergangenheit liegendes Naheverhältnis peripherer Natur, sondern es handle sich um ein aktuelles, intensives Naheverhältnis zwischen dem Mitschiedsrichter und der Parteienvertreterin. Der ständige Kontakt und die enge Zusammenarbeit zwischen Dr. G***** und der Vertreterin der erst- und zweitbeklagten Parteien mache eine unabhängige und unparteiliche Ausübung des Schiedsrichteramts, die mit den hohen Standards des § 588 Abs 2 ZPO und Art 6 EMRK im Einklang stehe, unmöglich. Es lägen objektive Tatsachen vor, die bei objektiver vernünftiger Betrachtungsweise geeignet seien, berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit von Dr. G***** zu wecken. An diesem Ergebnis könnten auch wirtschaftliche oder berufliche Gegebenheiten der Schiedsgerichtsbarkeit oder die „vernetzte“ juristische Szene in Österreich nichts ändern.

Der Oberste Gerichtshof räumte dem abgelehnten Schiedsrichter und den Antragsgegnerinnen die Möglichkeit ein, zu diesem Ablehnungsantrag Stellung zu nehmen. Der Schiedsrichter schilderte den Sachverhalt, begründete seine Vorgehensweise und erklärte, sich in seiner Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit in keiner Weise beeinflusst zu fühlen.

Die Erst-, Zweit-, Sechst- und Siebentantragsgegnerinnen beantragten die Ab- bzw Zurückweisung des Ablehnungsantrags. Die weiteren Antragsgegnerinnen äußerten sich nicht.

Der Ablehungsantrag ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1.1. Ein Schiedsrichter kann nur abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit wecken, oder wenn er die zwischen den Parteien vereinbarten Voraussetzungen nicht erfüllt (§ 588 Abs 2 ZPO).

1.2. Die Partei, die einen Schiedsrichter ablehnt, hat – mangels einer Vereinbarung über das Ablehnungsverfahren – binnen vier Wochen, nachdem ihr die Zusammensetzung des Schiedsgerichts oder ein Umstand iSd § 588 Abs 2 ZPO bekannt geworden ist, dem Schiedsgericht schriftlich die Ablehnungsgründe darzulegen. Tritt der abgelehnte Schiedsrichter von seinem Amt nicht zurück oder stimmt die andere Partei der Ablehnung nicht zu, so entscheidet das Schiedsgericht einschließlich des abgelehnten Schiedsrichters über die Ablehnung (§ 589 Abs 2 ZPO).

1.3. Bleibt eine Ablehnung nach dem von den Parteien vereinbarten Verfahren oder nach dem in § 589 Abs 2 ZPO vorgesehenen Verfahren erfolglos, so kann die ablehnende Partei binnen vier Wochen, nachdem ihr die Entscheidung, mit der die Ablehnung verweigert wurde, zugegangen ist, bei Gericht eine Entscheidung über die Ablehnung beantragen (§ 589 Abs 3 ZPO).

         2.1. Der Gesetzestext des § 588 ZPO idF des SchiedsRÄG 2006 verweist zwar – anders als der frühere § 586 ZPO – nicht mehr auf die Bestimmungen über die Befangenheit und die Ausgeschlossenheit von Richtern (§§ 19 f JN). Ungeachtet dessen sind die Gründe für die Ablehnung staatlicher Richter – unter spezieller Berücksichtigung der Besonderheiten der Schiedsgerichtsbarkeit – weiterhin als Richtlinien heranzuziehen (18 ONc 3/15h; 18 ONc 2/14k; 18 ONc 1/14p).

         2.2. Nach der Rechtsprechung zur Befangenheit und Ausgeschlossenheit von Richtern (§§ 19 f JN) sollen Ablehnungsregeln den Parteien nicht die Möglichkeit bieten, sich eines ihnen nicht genehmen Richters zu entledigen (RIS-Justiz RS0046087; RS0109379). Dennoch ist bei der Prüfung der Unbefangenheit eines Richters iSd § 19 JN im Interesse des Ansehens der Justiz ein strenger Maßstab anzulegen (RS0045949; RS0109379 [T1]; RS0046052 [T12]). Es genügt, dass eine Befangenheit mit Grund befürchtet werden muss, auch wenn der Richter tatsächlich unbefangen sein sollte, oder dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte (RS0109379 [T4, T7]; RS0046052 [T10]). Bei der Beurteilung der Fairness eines Verfahrens ist auch der äußere Anschein von Bedeutung. Gerechtigkeit soll nicht nur geübt, sondern auch sichtbar geübt werden (RS0109379 [T4]; RS0046052 [T15]). Daher soll schon der Anschein, der Richter lasse sich bei der Entscheidung von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten, jedenfalls vermieden werden (RS0046052).

         2.3. Dem Ansehen der staatlichen Gerichtsbarkeit, in deren Interesse an die Beurteilung einer allfälligen Befangenheit dieser strenge Maßstab anzulegen ist, ist das Ansehen der Schiedsgerichtsbarkeit gleichzuhalten, setzt doch auch die Akzeptanz der Schiedsgerichtsbarkeit nicht nur Fachkompetenz, sondern auch das Vertrauen der Rechtssuchenden in unabhängige, unparteiische und frei von Interessenkollisionen agierende Schiedsrichter voraus. Die zitierte Rechtsprechung zur Prüfung der Unbefangenheit eines Richters iSd § 19 JN verdient daher auch im Fall der Ablehnung eines Schiedsrichters Beachtung (18 ONc 3/15h).

3.1. Auch die von der IBA erlassenen Richtlinien zu Interessenkonflikten in Internationalen Schiedsverfahren (IBA-Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration; „IBA-Guidelines“) können, ungeachtet dessen, dass sie keinen normativen Charakter haben und zu ihrer unmittelbaren Wirksamkeit der Vereinbarung durch die Parteien bedürfen, bei der Beurteilung von Befangenheitsgründen als Orientierungshilfe dienen (18 ONc 3/15h; 18 ONc 2/14k; 18 ONc 1/14p).

3.2. Die IBA-Guidelines knüpfen den Interessenkonflikt ebenso bereits an das Vorliegen von Fakten oder Umständen, die aus der Sicht eines vernünftigen Dritten in Kenntnis der relevanten Fakten Grund zu berechtigten Zweifeln an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Schiedsrichters geben. Zweifel werden dann als berechtigt erachtet, wenn eine vernünftige und informierte dritte Person auf eine gewisse Wahrscheinlichkeit schließt, dass der Schiedsrichter bei seiner Entscheidungsfindung von anderen Faktoren als dem von den Parteien präsentierten Sachverhalt beeinflusst werden könnte (I.2.b. und c. der IBA-Guidelines; 18 ONc 3/15h).

4.1. Die Antragsteller leiten – aus ihrer Sicht berechtigte – Zweifel an der Unparteilichkeit des abgelehnten Schiedsrichters aus dessen Beziehungen zur Bevollmächtigten zweier Parteien des Schiedsverfahrens ab.

4.2. Dr. G***** ist Gesellschafter der Rechtsanwaltssozietät ***** Rechtsanwälte GmbH. Diese Rechtsanwälte GmbH wurde nach der Namhaftmachung von Dr. G***** als Schiedsrichter und Konstituierung des Schiedsgerichts von einer österreichischen Partei in einem anderen Schiedsverfahren mit ihrer Vertretung beauftragt. Dr. G***** ist persönlich in die Bearbeitung dieser Schiedscausa involviert. Der Mandant hat, weil es sich um eine für ihn sehr bedeutsame Angelegenheit handelt, gleichzeitig auch die Vertreterin der erst- und zweitbeklagten Parteien beauftragt. Die Beauftragung steht in keinerlei Zusammenhang mit dem hier zu beurteilenden Schiedsverfahren. Die Vergabe der Aufträge an die ***** Rechtsanwälte GmbH und an die Vertreterin der erst- und zweitbeklagten Partei erfolgte unabhängig voneinander und insbesondere ohne jegliche Absprache oder Abstimmung der betroffenen Rechtsanwaltskanzleien.

4.3. Dieser Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen aus den übereinstimmenden Darstellungen in den Stellungnahmen des Dr. G***** und der Vertreterin der erst- und zweitbeklagten Parteien. Diesen widersprechende (Tatsachen-)Behauptungen sind auch den Ausführungen der Antragstellerinnen nicht zu entnehmen. In diesem Sinne unstrittig ist auch der Umstand, dass Dr. G***** persönlich in die Bearbeitung der anderen Schiedscausa involviert ist. Das Schiedsgericht hat dies in seiner Entscheidung unter Berufung auf eine Bestätigung des Dr. G***** ausdrücklich so festgehalten und Dr. G***** hat dem in seiner Stellungnahme im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof nicht widersprochen. Auch wenn sich Dr. G***** in dieser Stellungnahme nicht explizit zu seiner persönlichen Involvierung äußert und die Beauftragung der ***** Rechtsanwälte GmbH betont, ist mangels Klarstellung des Gegenteils davon auszugehen, dass er persönlich (und nicht ausschließlich seine Partner der ***** Rechtsanwälte GmbH) in diesem anderen Schiedsverfahren tätig ist und tätig sein wird.

5.1. Aus Beziehungen des Schiedsrichters zu den Bevollmächtigten einer der Schiedsparteien können sich Umstände ergeben, die berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit von Schiedsrichtern wecken (vgl Riegler/Petsche in Liebscher/Oberhammer/Rechberger, Schiedsverfahrensrecht I Rz 5/193; Hausmaninger in Fasching/Konecny³ § 588 ZPO Rz 109 ff). Zweifel sind nicht berechtigt, wenn die Beziehung zur Kanzlei des Parteienvertreters peripherer Natur ist und nicht über ein sachliches Verhältnis beruflicher Natur hinaus geht (18 ONc 2/14k; 18 ONc 1/14p; Hausmaninger in Fasching/Konecny3, § 588 ZPO Rz 118/1). Kontakte von Personen, die im Bereich der privaten Schiedsgerichtsbarkeit tätig sind, sind häufiger und durch wirtschaftliche oder berufliche Gegebenheiten bedingt. Sie dürfen deshalb nicht ohne weiteres als Ablehnungsgrund betrachtet werden. Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass fachliche Kontakte mit nicht aktenführenden Anwälten der Parteienvertreter eine Ablehnung nicht rechtfertigen können. Würde sich jeder prominente Jurist, der sich in Fachkreisen engagiert, über diverse Umwege und Bekanntschaften berechtigten Zweifeln an der Unparteilichkeit aussetzen, wären Schiedsverfahren in der durchaus „vernetzten“ juristischen Szene Österreichs weitgehend ausgeschlossen (18 ONc 2/14k; 18 ONc 1/14p; vgl Hausmaninger in Fasching/Konecny3 § 588 ZPO Rz 109/1).

5.2. Die Zusammenarbeit mehrerer von einer Partei gleichzeitig bestellter Rechtsvertreter bedingt in der Regel aber nicht nur Kontakte peripherer Natur. Aus der Sicht eines vernünftigen Dritten in Kenntnis der relevanten Fakten ist eine solche gemeinsame Vertretungstätigkeit vielmehr mit in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht intensiveren Kontakten verbunden. Den Umstand, dass ein Schiedsrichter und ein Parteienvertreter gemeinsam vertreten oder in den letzten drei Jahren gemeinsam vertreten haben, werten daher auch die IBA-Guidelines als eine Situation, die abhängig vom Einzelfall, Grund zu berechtigten Zweifeln an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Schiedsrichters geben kann (IBA-Guidelines, II.3 iVm orange list 3.3.9 [„The arbitrator and another arbitrator, or counsel for one of the parties in the arbitration, currently act or have acted together within the past three years as co-counsel.“]). Das durch eine solche gemeinsame Vertretung bedingte Naheverhältnis geht zwar nicht über ein sachliches Verhältnis beruflicher Natur hinaus. Eine gemeinsame anwaltliche Rechtsvertretung wäre daher wohl unbedenklich, wenn sie der Vergangenheit angehörte (vgl Hausmaninger § 588 ZPO Rz 117; Riegler/Petsche, Schiedsverfahrensrecht I Rz 5/197; Deixler-Hübner in Czernich/Deixler-Hübner/Schauer, Handbuch Schiedsrecht Rz 9.112). Für eine gemeinsame anwaltliche Rechtsvertretung aufgrund eines erst nach Konstituierung des Schiedsgerichts erteilten Mandats und während des laufenden Schiedsverfahrens gilt das allerdings nicht. Ausgehend von dem von der Rechtsprechung angewandten restriktiven Maßstab vermittelt diese Situation einem verständigen Dritten ungeachtet der Gegebenheiten der Schiedsgerichtsbarkeit und der „vernetzten“ juristischen Szene in Österreich den Anschein eines solchen Ausmaßes an Vertrautheit, das für gewöhnlich einer unvoreingenommenen Beurteilung der Schiedssache entgegensteht. Bei der im Hinblick auf die Wahrung des Ansehens und der Akzeptanz der Schiedsgerichtsbarkeit gebotenen Strenge ist daher im hier zu beurteilenden Einzelfall die zeitgleiche Zusammenarbeit als gemeinsame Rechtsvertreter ein Umstand, der – für sich allein – berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Schiedsrichters aufkommen lässt.

6.1. Dem Ablehnungsantrag war daher stattzugeben und Dr. G***** für die Fortführung des zwischen den Streitteilen geführten Schiedsverfahrens für befangen zu erklären.

6.2. Die Entscheidung über die Verpflichtung der Schiedsbeklagten zum Ersatz der Kosten des gerichtlichen Ablehnungsverfahrens beruht auf § 616 Abs 1 ZPO iVm § 78 Abs 1 Satz 1 AußStrG. Den durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt vertretenen Antragstellerinnen gebührt nur ein Streitgenossenzuschlag von 25 %. Der Streitgenossenzuschlag nach § 15 RATG deckt jenen Mehraufwand ab, der durch die Beteiligung mehrerer Parteien am Prozess entsteht, wenn ein Anwalt mehrere Parteien vertritt und/oder wenn diesen von einem Anwalt vertretenen Parteien mehrere Parteien gegenüberstehen. Das „Gegenüberstehen“ anderer Parteien ist dabei aus der im Verfahren aktiv bezogenen Stellung zu verstehen. Nicht jeder, dem nach den Verfahrensgesetzen Beteiligtenstellung zuzugestehen ist, sondern nur derjenige, der von seinen Möglichkeiten zur Verfahrensbeteiligung auch tatsächlich Gebrauch macht, steht iSd § 15 RATG gegenüber. Damit gebührt auch im Außerstreitverfahren ein Streitgenossenzuschlag nur für die tatsächlich im konkreten Verfahren aktiv als Parteien aufgetretenen Personen. Im Verfahren hier standen den Antragstellerinnen ungeachtet der Parteistellung auch der anderen Schiedsbeklagten nur jene Antragsgegnerinnen tatsächlich gegenüber, die sich am Verfahren beteiligten (5 Ob 61/16f).

Textnummer

E125528

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:018ONC00001.19W.0515.000

Im RIS seit

16.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

13.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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