Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerald Fida (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. G*****, vertreten durch Mag. Doris Braun, Rechtsanwältin in Graz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr. Eva-Maria Bachmann-Lang und Dr. Christian Bachmann, Rechtsanwälte in Wien, wegen Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld, über die außerordentlichen Revisionen der klagenden Partei und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. April 2019, GZ 7 Rs 19/19x-10, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Beide außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Anspruch der beklagten Partei auf Rückzahlung des an den Kläger anlässlich der Geburt der Zwillinge S***** und A***** (1. 2. 2012) im Zeitraum von 1. 2. 2013 bis 31. 3. 2013 ausgezahlten einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes in Höhe von 3.894 EUR.
Unstrittig ist, dass der Kläger innerhalb der Zweijahresfrist des § 8 Abs 1 Z 2 Satz 3 KBGG keinen Nachweis vorgelegt hat, in welchem Ausmaß Einkünfte vor Beginn oder nach Ende des Anspruchszeitraums angefallen sind.
Das Erstgericht sprach aus, dass der Anspruch auf Rückersatz nicht zu Recht bestehe.
Rechtlich ging das Erstgericht unter Hinweis auf die (erstmals) im sozialgerichtlichen Verfahren vorgelegte Zuordnungserklärung und die daraus für den Zeitraum von 1. 2. 2013 bis 31. 3. 2013 hervorgehenden Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von lediglich 867 EUR davon aus, dass die Zuverdienstgrenze des § 24 Abs 1 Z 3 KBGG objektiv nicht überschritten sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge. Es bestätigte das Urteil des Erstgerichts insoweit, als festgestellt wurde, dass der Anspruch auf Rückersatz in Höhe von 3.231,40 EUR nicht zu Recht bestehe; das Mehrbegehren auf Feststellung, dass der Anspruch auf Rückforderung eines weiteren Betrags von 662,60 EUR nicht zu Recht bestehe, wurde hingegen abgewiesen. Rechtlich verwies das Berufungsgericht zur Zweijahresfrist des § 8 Abs 1 Z 2 Satz 3 KBGG zusammengefasst auf die dazu in der Entscheidung 10 ObS 146/17v getroffenen Aussagen. Zutreffend weise die Berufung aber darauf hin, dass die Zuverdienstgrenze auch bei Berücksichtigung der aufgrund der Zuordnungserklärung im Anspruchszeitraum erzielten Einkünfte von 867 EUR überschritten sei: 867 EUR : 2 x 12 + 30 % ergebe einen Gesamtbetrag der maßgeblichen Einkünfte von 6.762,60 EUR, sodass die für das Jahr 2013 geltende Zuverdienstgrenze von 6.100 EUR um 662,60 EUR überschritten sei.
Das Berufungsgericht ließ die Revision nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Beide Revisionen sind wegen Fehlens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung unzulässig.
1. Zur außerordentlichen Revision des Klägers:
1.1 Im erstinstanzlichen Verfahren brachte der Kläger vor, er habe im Zeitraum von 1. 2. 2013 bis 31. 3. 2013 lediglich 867 EUR bzw 650,25 EUR (Ergebnis nach Abzug von Steuern) an Einkünften aus Gewerbebetrieb erzielt (Seite 2 der Klage). Das erstmals in der Revision erstattete Vorbringen, bei diesen Einkünften handle es sich (doch) nicht um solche aus Gewerbebetrieb, sondern um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, weshalb sie keine „maßgeblichen Einkünfte“ im Sinne des § 8 Abs 1 KBGG darstellten, verstößt gegen das Neuerungsverbot (§ 482 Abs 2 ZPO).
1.2 Mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers daher zurückzuweisen.
2. Zur außerordentlichen Revision der beklagten Partei:
2.1 Die Revisionswerberin nimmt den Rechtsstandpunkt ein, sie sei berechtigt, das dem Kläger gewährte Kinderbetreuungsgeld zurückzufordern, weil er seine Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht innerhalb der zweijährigen Frist des § 8 Abs 1 Z 2 Satz 3 KBGG abgegrenzt habe und die maßgeblichen Einkünfte für das gesamte Kalenderjahr des Bezugs die Zuverdienstgrenze des § 24 Abs 1 Z 3 KBGG übersteigen. Die Unterlassung einer fristgerechten Zuordnungserklärung habe zur Folge, dass es dem Anspruchswerber auch im gerichtlichen Verfahren über eine Rückforderung gemäß § 31 Abs 2 Satz 2 KBGG nach Verstreichen der Zweijahresfrist verwehrt sei darzulegen, dass objektiv die Zuverdienstgrenze während des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes nicht überschritten sei.
2.2 Die Vorinstanzen lehnten diese Rechtsansicht im Sinn der ausführlich begründeten Entscheidung 10 ObS 146/17v vom 23. 5. 2018 ab.
2.3 Der Oberste Gerichtshof hat mittlerweile in mehreren Entscheidungen an den zu 10 ObS 146/17v dargelegten Grundsätzen festgehalten und die von der beklagten Partei auch hier vorgebrachten Argumente verworfen (10 ObS 15/19g; 10 ObS 20/19t; 10 ObS 22/19m; 10 ObS 25/19b). Eine erhebliche Rechtsfrage ist nicht mehr zu beantworten, weshalb auch die außerordentliche Revision der beklagten Partei als unzulässig zurückzuweisen ist.
Textnummer
E125529European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:010OBS00058.19F.0528.000Im RIS seit
16.07.2019Zuletzt aktualisiert am
16.07.2019