TE OGH 2019/6/25 14Os37/19a

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.06.2019
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Juni 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Setz-Hummel in Gegenwart des Schriftführers Mag. Binder in der Strafsache gegen Stefan B***** und andere Angeklagte wegen der Verbrechen des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Mag. T***** R*****, Harald P***** und Horst K***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20. September 2018, GZ 41 Hv 18/18t-153, sowie über die Beschwerde des Angeklagten Mag. R***** gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der diesbezüglichen Probezeit, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mag. R***** werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen dieses Angeklagten zu II/A/2 und 4, demgemäß auch im ihn betreffenden Strafausspruch sowie der gemeinsam mit dem Urteil gefasste Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO aufgehoben

,

im Umfang der Aufhebung eine neue

Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Es werden die Nichtigkeitsbeschwerde dieses Angeklagten im Übrigen, jene der Angeklagten P***** und K***** zur Gänze sowie die gegen den Ausspruch über die Schuld gerichtete Berufung des Angeklagten P***** zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung und der Beschwerde wird der Angeklagte Mag. R***** auf den kassatorischen Teil dieser Entscheidung verwiesen.

Über die Berufungen der Angeklagten P***** (soweit sich diese gegen den Ausspruch über die Strafe richtet) und K***** wird das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben.

Den Angeklagten Mag. R*****, P***** und K***** fallen auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant – die Angeklagten Mag. R***** (zu II/A) P***** (zu II/B) und K***** (zu II/C) jeweils mehrerer Vergehen des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nach § 207b Abs 3 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie

(II) Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und zwar die nachgenannten Personen vor deren 18. Geburtstag, unmittelbar durch ein Entgelt dazu verleitet, eine geschlechtliche Handlung, nämlich den Oralverkehr, an ihnen vorzunehmen oder von ihnen an sich vornehmen zu lassen, und zwar

(A) Mag. R***** zwischen Jänner 2015 und 1. August 2017 in jeweils mehreren Angriffen

1. Patrik B*****, geboren am *****,

2. Gustav O*****, geboren am *****,

3. Tibor B*****, geboren am *****,

4. Adrian B*****, geboren am *****,

5. Angel D*****, geboren am *****,

6. Gabriel Ba*****, geboren am *****;

(B) Harald P***** zu nicht näher feststellbaren Zeitpunkten vor August 2017 Patrik B***** (1) und Angel D***** (2);

(C) Horst K*****

1. zwischen Jänner 2015 und 1. August 2017 Patrik B***** (a) und Angel D***** (b);

2. zu nicht näher feststellbaren Zeitpunkten vor August 2017 Tibor B***** (a) und Gustav O***** (b).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die von Mag. R***** aus Z 4, 5 und 5a, vom Angeklagten P***** aus Z 5 und 9 lit a und vom Angeklagten K***** aus Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden. Nur jener des Erstgenannten kommt teilweise Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mag. R*****:

Die Mängelrüge zeigt in Ansehung der diesen Beschwerdeführer betreffenden Schuldsprüche zu II/A/2 und 4 zutreffend auf, dass die Feststellung, nach der der Angeklagte es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass die Tatopfer (hier: Gustav O***** und Adrian B*****) zu den Tatzeitpunkten das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten (US 10),

unvollständig begründet ist (Z 5 zweiter Fall).

Die Tatrichter stützten die Urteilsannahmen zum objektiven Tatgeschehen auf die als glaubwürdig eingestuften belastenden Angaben einer Reihe von Zeugen, darunter auch jene von O***** und Adrian B***** vor der Kriminalpolizei (US 12 ff), und leiteten jene zur subjektiven Tatseite daraus, aus den „umfangreichen Ermittlungsergebnissen“, dem äußeren Erscheinungsbild der Opfer sowie dem Umstand ab, dass „die Freier“ nach den Bekundungen „einiger der Opfer“ vor der Polizei entweder nicht nach deren Alter gefragt oder „in einzelnen Fällen“ genau gewusst hätten, dass sie noch nicht 18 Jahre alt waren (US 15).

Der Zeuge O***** gab in der Hauptverhandlung allerdings an, er habe zwar „business“ (gemeint: Oralverkehr gegen Entgelt) mit dem Beschwerdeführer gemacht, diesem aber auf seine entsprechende Frage geantwortet, dass er bereits 18 Jahre alt sei (ON 142a S 10 ff, 15). Adrian B***** wiederum sagte anlässlich seiner Vernehmung als Zeuge in der Hauptverhandlung aus, dem Angeklagten Mag. R***** den Ausweis seines zu den Tatzeitpunkten über 18-jährigen Bruders Marek B***** vorgewiesen zu haben (ON 105 S 53 f).

Diese Angaben stellen – wie die Mängelrüge insoweit richtig einwendet – ein mit Blick auf die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite erhebliches Beweisergebnis dar, welches die Tatrichter unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit hätten erörtern müssen (RIS-Justiz RS0098646).

Die Begründungspassage, nach der der Zeuge O***** sich in der Hauptverhandlung „daran“ nicht mehr erinnerte, was aber auf die inzwischen verstrichene Zeit zurückzuführen sei (US 14), bezieht sich auf dessen Angaben zum Angeklagten K***** und genügt im hier interessierenden Zusammenhang den Begründungserfordernissen nicht.

Diese Begründungsmängel zwingen zur Aufhebung des Urteils im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang sowie des gemeinsam mit dem Urteil gefassten, diesen Angeklagten betreffenden Beschlusses nach § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO bei der nichtöffentlichen Beratung samt Anordnung einer neuen Verhandlung und Verweisung der Sache an das Erstgericht (§ 285e StPO).

Mit seiner Berufung und der (implizit erhobenen; § 498 Abs 3 StPO) Beschwerde war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Im Übrigen verfehlt die Nichtigkeitsbeschwerde ihr Ziel.

Die Verfahrensrüge (

Z 4) kritisiert die

Nichtzulassung von Fragen der Verteidigung in der Hauptverhandlung (vgl § 249 Abs 2 StPO). Sie scheitert schon daran, dass der Beschwerdeführer nach dem Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 152 S 14) – an dessen Richtigkeit keine Zweifel bestehen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 312) – dazu keinen

Antrag auf Senatsentscheidung, die allein Anfechtungsgegenstand der Verfahrensrüge sein könnte, stellte (RIS-Justiz RS0097971 [T10, T11]).

Die Aussagen der Zeugen Tibor B*****, Patrik B***** und Ernest B***** in der Hauptverhandlung, anlässlich der sie ihre den Beschwerdeführer hinsichtlich der von den verbleibenden Schuldsprüchen umfassten Taten ursprünglich belastenden Bekundungen vor der Kriminalpolizei (Ernest B***** nur zum Teil) relativierten, blieben – dem Einwand der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider – ebensowenig unberücksichtigt wie die Aussage des Zeugen Gabriel Ba*****. Sie wurden vielmehr insgesamt als unzuverlässig eingestuft (US 12 f, 14). Einer Auseinandersetzung mit all ihren – von der Beschwerde relevierten – Details bedurfte es dabei nicht (RIS-Justiz RS0098642).

Soweit die Rüge eine (ausreichende) Begründung für die Beurteilung der Überzeugungskraft der Depositionen der vernommenen Zeugen sowie der Verantwortung der Angeklagten im Urteil vermisst, lässt sie außer Acht, dass die Annahme der Tatrichter von der (in der Regel erheblichen Tatsache der) Glaubwürdigkeit einer Beweisperson als (bloß) beweiswürdigende Erwägung keinen zulässigen Bezugspunkt des hier der Sache nach erhobenen Einwands offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) darstellt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431; RIS-Justiz RS0106588).

Indem sie die Verlässlichkeit der Zeugen Tibor B*****, Adrian B*****, Patrik B***** und Angel D***** (unter Hinweis auf einen angeblich von den drei Erstgenannten zum Nachteil des Angeklagten begangenen Raub, eine „wegen verschiedener Straftaten“ erlittene Verurteilung des Letztgenannten zu einer – derzeit verbüßten – Freiheitsstrafe und die durch die Aussagen der Zeugen in der Hauptverhandlung begründete Gefahr einer eigenen strafrechtlichen Verfolgung) in Zweifel zieht und hervorhebt, dass die Beweispersonen (teilweise) nur über Gehörtes berichteten, ohne über eigene Wahrnehmungen zu verfügen, bekämpft sie bloß unzulässig die erstgerichtliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung. Abgesehen davon, dass auch

Indizienbeweise zulässig sind (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 449, 452; RIS-Justiz RS0098471, RS0098249), haben im Übrigen (mit Ausnahme des Gabriel Ba*****) auch die jeweils unmittelbaren Tatopfer die sie betreffenden Tathandlungen des Angeklagten bestätigt (US 12 ff).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich in einer Wiederholung des Vorbringens der Mängelrüge und lässt solcherart den wesensmäßigen Unterschied der einzelnen Nichtigkeitsgründe außer Acht (RIS-Justiz

RS0115902). Sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen werden damit nicht geweckt. Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird Nichtigkeit aus Z 5a nicht dargetan (RIS-Justiz RS0102162).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten P*****:

Mit der Behauptung, es könne nicht nachvollzogen werden, auf welche konkreten Beweise sich das Erstgericht zur Begründung der Feststellungen zum Tatgeschehen und zur subjektiven Tatseite bezog, zudem seien diese auch auf Aussagen von Zeugen gestützt worden, die den Beschwerdeführer nicht belasteten (der Sache nach Z 5 erster und vierter Fall), rekurriert die Mängelrüge bloß auf einzelne Urteilspassagen, lässt in diesem Zusammenhang die konkret den Beschwerdeführer betreffenden Erwägungen der Tatrichter (US 12 bis 15) außer Acht und orientiert sich solcherart prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370).

Die Ableitung der Feststellungen zum objektiven Sachverhalt aus den als glaubwürdig eingestuften Bekundungen der Tatopfer Patrik B***** und D***** sowie des Zeugen H*****, welche (teils vor der Kriminalpolizei, teils auch in der Hauptverhandlung) nicht nur geschlechtliche Handlungen zwischen den beiden erstgenannten Minderjährigen und dem Beschwerdeführer bestätigten, sondern auch, dass diese gegen Bezahlung eines Entgelts erfolgten (Patrik B*****: US 12 iVm ON 5 S 303 ff; D*****: US 12 iVm ON 5 S 387 ff [„business“]; H*****: US 14 iVm ON 18 S 313 f), begegnet dem Standpunkt des Rechtsmittelwerbers zuwider unter dem Gesichtspunkt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken.

Die von der Rüge hervorgehobenen entlastenden Angaben der Zeugen Patrik B***** und H***** in der Hauptverhandlung wurden im Urteil berücksichtigt und als unglaubwürdig verworfen (US 12 und 14). Indem die Rüge die Depositionen der Genannten insgesamt als „unschlüssig“, „widersprüchlich“ und „unglaubwürdig“ erachtet, ohne aber im Urteil unerörtert gebliebene erhebliche Widersprüche innerhalb ihrer Aussagen zu bezeichnen (RIS-Justiz RS0119422 [T4]), und in Bezug auf Patrik B***** und Angel D***** – zudem ohne Aktenbezug – auf deren „Vorgeschichte hinsichtlich des begangenen Raubes an dem Drittangeklagten“ verweist, übt auch sie bloß unzulässig Beweiswürdigungskritik nach Art einer Schuldberufung.

Mit der leugnenden Verantwortung des Angeklagten haben sich die Tatrichter auseinandergesetzt und diese für – durch die oben angeführten Verfahrensergebnisse – widerlegt angesehen (US 11 ff).

Die Angaben der weiteren von der Rüge genannten Zeugen, die nicht über den Beschwerdeführer betreffende Wahrnehmungen berichten konnten, wurden zur Begründung der auf diesen bezogenen Feststellungen gar nicht herangezogen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) argumentiert nicht auf Basis der Urteilsfeststellungen, sondern bestreitet – unter sinngemäßer Wiederholung des Vorbringens der Mängelrüge – deren Richtigkeit, womit sie den

Bezugspunkt materieller Nichtigkeit verfehlt (RIS-Justiz RS0099810). Welche zusätzlichen Konstatierungen für die vorgenommene Subsumtion erforderlich gewesen wären, legt sie nicht dar.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*****:

Entgegen dem Einwand von Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) bringen die Entscheidungsgründe unmissverständlich zum Ausdruck, dass der Beschwerdeführer die jugendlichen Opfer durch das Anbieten oder die Zuwendung eines Entgelts (in Form von Zahlungen in Höhe von 20 bis 100 Euro) zur anschließenden (vgl US 9: „was danach auch geschah“) Vornahme geschlechtlicher Handlungen (meist von Oralverkehr) verleitet hat (US 9 ff, vgl auch US 16). Ob schon das Anbot oder eine tatsächliche Zahlung die Jugendlichen zum Sexualkontakt veranlasste, ist dabei nicht entscheidend (Fabrizy, StGB13 § 207b Rz 5), sodass eine entsprechende „Differenzierung“ zur Verdeutlichung nicht erforderlich war. Mit Spekulationen zu einer freiwilligen (zuvor nicht besprochenen) Zuwendung nach Abschluss der sexuellen Handlungen orientiert sich die Beschwerde prozessordnungswidrig nicht an den zitierten Konstatierungen (RIS-Justiz

RS0119370).

Ihre Überzeugung von der Kausalität des Entgelts für die Bereitschaft der – in schlechten finanziellen Verhältnissen lebenden und gerade zwecks Ausübung der „Prostitution in der Homosexuellenszene“ nach Österreich verbrachten (US 8) – Jugendlichen, geschlechtliche Handlungen mit dem Angeklagten vorzunehmen, stützten die Tatrichter (deutlich genug) auf die für glaubwürdig erachteten (belastenden) Aussagen der Zeugen Tibor B*****, Adrian B*****, Patrik B*****, D*****, O***** und H***** (US 12 ff).

Aus welchem Grund diese Erwägungen den Kriterien logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen widersprechen sollten (

RIS-Justiz

RS0108609), obwohl die beiden Letztgenannten explizit Zahlungen des Angeklagten K***** in Höhe von 30 bis 50 Euro für die Inanspruchnahme derartiger Dienste durch die Jugendlichen bestätigten (ON 18 S 323 und 363) und – wie die Beschwerde einräumt – sämtliche der genannten Zeugen angaben, dass die jeweiligen Tatopfer „business“ mit dem Beschwerdeführer machten, worunter – bei gebotener Betrachtung der Aussagen in ihrem Gesamtzusammenhang – nichts anderes als die Vornahme geschlechtlicher Handlungen gegen ein dafür zu leistenden Entgelt zu verstehen ist, vermag die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) nicht darzutun.

Der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand von

Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) behauptet die unrichtige

Wiedergabe des Inhalts von Beweismitteln nicht, sondern kritisiert bloß unzulässig die vom Erstgericht aus diesen gezogenen Schlüsse (RIS-Justiz RS0099431).

Der Vorwurf unvollständiger und offenbar unzureichender Begründung der Feststellung, wonach der Angeklagte K***** sich gezielt in den in der Homosexuellenszene als „Schwulenstrich“ bekannten S***** begab (US 9), bezieht sich nicht auf entscheidende Tatsachen (RIS-Justiz RS0117499).

Die Ableitung der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite aus dem objektiven Tatgeschehen und
– in Bezug auf das jugendliche Alter der Opfer – aus deren äußerem Erscheinungsbild (US 15) begegnet unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit gleichfalls keinen Bedenken (RIS-Justiz

RS0116882). Indem die Rüge bestreitet, dass aus dem Aussehen einer Person auf deren tatsächliches Alter geschlossen werden kann, bekämpft sie bloß unzulässig die Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung.

Mit Blick auf die für glaubwürdig erachteten, insoweit belastenden Angaben anderer Zeugen (US 12 bis 14) gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) mit dem Hinweis darauf, dass Tibor B***** und O***** eigene sexuelle Kontakte mit dem Beschwerdeführer (schon vor der Polizei oder erst in der Hauptverhandlung) bestritten, ebensowenig erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (hier in Bezug auf die Schuldsprüche II/2/a und b) zu wecken wie mit der – nicht näher ausgeführten – Behauptung „erheblicher Differenzen“ zwischen den Angaben „der Zeugen“ vor der Polizei und jenen vor Gericht und dem Verweis auf Aussagen einzelner Zeugen zur Vernehmungssituation bei der Kriminalpolizei. Davon abgesehen lässt sie außer Acht, dass die Tatrichter die entlastenden Angaben der Zeugen Tibor B***** und O***** in der Hauptverhandlung für unglaubwürdig ansahen (US 12, 14) und die Depositionen der Zeugen Gena und Ernest B***** gar nicht zur Begründung der den Beschwerdeführer betreffenden Urteilsannahmen heranzogen (US 12, 13). Die Zeugen Adrian B***** und H***** hielten wiederum ihre belastenden Angaben trotz gleichzeitig aufgestellter Behauptungen von Problemen bei der Befragung durch die Kriminalpolizei in der Hauptverhandlung aufrecht (US 13, 14).

Soweit die Beschwerde den Versuch unternimmt, die Glaubwürdigkeit der Zeugen Tibor B*****, Patrik B***** und D***** grundsätzlich in Frage zu stellen, indem sie auf deren zwischenzeitig wegen Vermögensdelikten erlittenen Verurteilungen sowie auf Details aus den Depositionen des Patrik B***** verweist, welche nach ihrem Standpunkt dessen „offensichtlichen Wankelmut und die Neigung zu niedrigen Motiven“ verdeutliche, sowie schließlich die differenzierende Beurteilung der Überzeugungskraft von be- und entlastenden Aussagen durch das Erstgericht als „auffällig“ bezeichnet, übt sie bloß unzulässig Beweiswürdigungskritik nach Art einer Schuldberufung.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) stellt allgemeine rechtstheoretische Überlegungen an, auf deren Grundlage sie zum Schluss kommt, die bloße Annahme des (zulässigen) Anbots eines Jugendlichen, geschlechtliche Handlungen gegen Entgelt vorzunehmen, stelle – zufolge bereits vorhandenen entsprechenden Entschlusses des Anbieters – schon in objektiver Hinsicht kein „Verleiten“ im Sinn des § 207b Abs 3 StGB dar, verweist (erneut) auf die Möglichkeit freiwilliger (zuvor nicht besprochener) Zuwendungen nach Abschluss des sexuellen Kontakts und erblickt in der Aussage des Zeugen Adrian B***** (im Zusammenhang mit dem Überfall auf einen anderen Angeklagten) Indizien für einen „auf Seiten der Jugendlichen … konkret vorhandenen Entschluss zu sexuellen Handlungen“. Mit diesem Vorbringen lässt sie jedoch die Feststellungen außer Acht, nach denen die Tatopfer vom Beschwerdeführer erst unmittelbar durch ein Entgelt zur (nachfolgenden) Vornahme geschlechtlicher Handlungen verleitet wurden (US 9 ff) und verfehlt solcherart den in tatsächlicher Hinsicht in der Gesamtheit des im Urteil festgestellten Sachverhalts gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

Aus welchem Grund es neben diesen Konstatierungen zusätzlicher Feststellungen „zu den konkreten Begleitumständen, unter denen es … zu konkreten Akten des 'Verleitens' gekommen war“, bedurft hätte, erklärt sie nicht.

Bleibt mit Blick auf § 290 StPO anzumerken, dass ein unmittelbares Verleiten zu einer geschlechtlichen Handlung gegen Entgelt vorliegt, wenn die Zuwendung oder auch das bloße Anbieten von Entgelt für die Bereitschaft des (der) Jugendlichen zum Sexualkontakt ursächlich ist, das Opfer also dadurch konkret zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen bestimmt wird (Fabrizy, StGB13 § 207b Rz 5). „Verleiten“ im Sinn des § 207b StGB bedeutet nichts anderes als „bestimmen“, nämlich das Erwecken eines Handlungsentschlusses (Hinterhofer, SbgK § 207b Rz 31 iVm Rz 20), wobei es nicht darauf ankommt, ob die jugendliche Person grundsätzlich zu geschlechtlichen Handlungen gegen Entgelt mit individuell noch nicht bestimmten Tätern bereit war (vgl Fabrizy in WK² StGB § 12 Rz 55). Entscheidend ist, dass sie – wie hier – in concreto erst durch das (unter Umständen über ihr Verlangen) angebotene oder zugewendete Entgelt tatsächlich zur Vornahme geschlechtlicher Handlungen veranlasst worden ist (vgl dazu 15 Os 40/07g; RIS-Justiz RS0122318).

Inwieferne es den Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 10 f) trotz der Darstellung der Tathandlungen samt des für die geschlechtlichen Handlungen angebotenen und bezahlten Entgelts (US 9 f) am Sachverhaltsbezug (RIS-Justiz RS0119090) fehlen sollte und welche weiteren Konstatierungen für die vorgenommene Subsumtion erforderlich gewesen wären, legt die – substanzlosen Gebrauch der verba legalia behauptende – Beschwerde (Z 9 lit a, nominell verfehlt auch Z 5) gleichfalls nicht dar (RIS-Justiz RS0095939).

Soweit sie die entsprechenden Urteilsannahmen unter Wiederholung des Vorbringens der Mängelrüge bestreitet, hält sie erneut nicht am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt fest.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mag. R***** war daher im Übrigen, jene der Angeklagten P***** und K***** zur Gänze bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Ebenso war mit der im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung gegen den Ausspruch über die Schuld des Angeklagten P***** zu verfahren (§§ 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO).

Über die gegen den Ausspruch über die Strafe gerichteten Berufungen der Angeklagten P***** und K***** wird das Oberlandesgericht zu entscheiden haben (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E125533

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00037.19A.0625.000

Im RIS seit

16.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

09.04.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten