Entscheidungsdatum
20.05.2019Norm
NAG 2005 §11 Abs2 Z2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Richter Dr. Marvin Novak, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von Frau A, vertreten durch die B Rechtsanwalt GmbH, ***, ***, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 17. September 2018, Zl. ***, zu Recht:
1. Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid wird behoben und der Beschwerdeführerin wird ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 iVm § 8 Abs. 1 Z 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Weitere Rechtsgrundlagen:
ad 1.: § 28 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG)
ad 2.: § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG)
Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG)
Entscheidungsgründe:
1. Maßgeblicher Verfahrensgang:
1.1. Die nunmehrige Beschwerdeführerin, Frau A, eine Staatsangehörige der Republik Mazedonien, beantragte am 16. Jänner 2018 beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung die Erteilung eines Erstaufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zum Zwecke der Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich niedergelassenen Ehemann.
1.2. Mit Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 17. September 2018 wurde dieser Antrag mangels Nachweises eines Rechtsanspruches auf eine ortsübliche Unterkunft und mangels Nachweises von Deutschkenntnissen abgewiesen.
Begründend wurde zur Unterkunft im Wesentlichen ausgeführt, dass kein ausreichender und tragfähiger Nachweis hinsichtlich des Bestehens eines Wohnrechtes an der angegebenen Adresse, an der neben der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann drei weitere Personen Wohnsitz genommen hätten, vorliege. Der Mietvertrag verlange eine ausdrückliche Zustimmung der Vermieterin für die Aufnahme von Personen und es sei den vorgelegten Wohnrechtsvereinbarungen keine solche Erlaubnis zu entnehmen. Darüber hinaus würde auch weder der Beschwerdeführerin noch ihrem Ehemann auf Grund familienrechtlicher Titel ein Wohnrecht zustehen. Zum Nachweis der Deutschkenntnisse wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im Verfahren kein Sprachdiplom bzw. Kurszeugnis vorgelegt worden sei. Ebenso liege kein von ENIC NARIC Austria erstellter Nachweis betreffend das Vorliegen der allgemeinen Universitätsreife oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule vor. Den vorgelegten Zeugnissen der dt. „***-Schule“ sei lediglich für die Schuljahre 2011/12, 2012/13 und 2013/14 ein positiver Deutschabschluss zu entnehmen. In den Schreiben der dt. „***-Oberschule“ sei ein positiver Deutschabschluss nicht dokumentiert. Bei den Zeugnissen des „Oberstufenzentraums Körperpflege ***“ handle es sich um einen berufsqualifizierenden Lehrgang und nicht um einen Schulbesuch.
Von den fehlenden Erteilungsvoraussetzungen könne auch mit Blick auf Art. 8 EMRK nicht abgesehen werden.
1.3. Dagegen wurde fristgerecht eine rechtsanwaltliche Beschwerde erhoben, wobei mehrere Unterlagen vorgelegt und im Wesentlichen Folgendes ausgeführt wurde:
Die behördlichen Bedenken betreffend die Unterkunft seien nicht nachvollziehbar. Der Ehemann der Beschwerdeführerin lebe mit seiner Familie seit 2008 in dieser vom Schwiegervater der Beschwerdeführerin gemieteten Wohnung. Der Schwiegervater sei im besten Einvernehmen mit der Vermieterin und bezahle regelmäßig und pünktlich Miete und Betriebskosten. Die Wohnung sei groß genug, ordentlich und der Haushalt gut geführt. Sämtliche dort wohnhafte Familienmitglieder seien ordnungsgemäß gemeldet. Die Wohnungen in der Nachbarschaft bzw. Gegend würden genauso benützt und bewohnt wie die vorliegende. Seitens der Vermieterin würden keine Einwendungen oder Bedenken gegen die Wohnungnahme der Beschwerdeführerin bestehen. Die zu treffende Prognoseentscheidung falle positiv aus. Weiters habe die Beschwerdeführerin in Deutschland die Pflichtschule und die Berufsschule absolviert, eine Lehre begonnen und am Arbeitsleben teilgenommen. Sie spreche sehr gut Deutsch. Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung habe bestätigt, dass die nachgewiesenen Qualifikationen der Beschwerdeführerin einem Abschluss der neunten Schulstufe einer allgemeinbildenden Pflichtschule entsprächen bzw. damit vergleichbar seien. In Deutschland gehe die Notenskala auch von 1 bis 6. Wenngleich die Schulleistungen der Beschwerdeführerin nicht überdurchschnittlich gut gewesen seien, habe sie dennoch das Fach Deutsch positiv absolviert und sie habe aufsteigen können. Modul 2 der Integrationsvereinbarung werde von ihr erfüllt. Zusätzlich und zur Ausräumung jeglicher Zweifel sei aber auch ein Deutschzertifikat erworben worden.
Davon abgesehen sei ihr Privat- und Familienleben jedenfalls schützenswert.
Beantragt wurde die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.
1.4. Mit Schreiben vom 22. Oktober 2018 wurde seitens der Beschwerdeführerin ein Beschwerdenachtrag übermittelt.
1.5. Die eingebrachte Beschwerde samt Verwaltungsakt wurde von der belangten Behörde – ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung – dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung vorgelegt.
1.6. Seitens der Vermieterin der verfahrensgegenständlichen Wohnung wurde über hg. Anfrage mit Schreiben vom 11. April 2019 mitgeteilt, dass das an den Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin gesendete E-Mail betreffend Gestattung des Wohnens naher Angehöriger vollinhaltlich aufrecht bleibe.
1.7. Mit Schreiben vom 6. Mai 2019 wurde seitens der Beschwerdeführerin eine Urkundenvorlage betreffend die Frage des gesicherten Lebensunterhaltes erstattet.
1.8. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 16. Mai 2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Im Rahmen dieser Verhandlung wurde die Beschwerdeführerin zur Sache befragt und es wurde ihr Ehemann als Zeuge unter Wahrheitspflicht einvernommen.
Seitens der belangten Behörde wurde mit Schreiben vom Vortag darauf hingewiesen, dass das Kriterium der ortsüblichen Unterkunft durch die Bestätigung der Vermieterin nunmehr vorliegen dürfte und dass nach den übermittelten Unterlagen auch der ausreichende Unterhalt derzeit gegeben erscheine. Auch ein Deutsch-Diplom sei vorgelegt worden. Es werde daher kein Behördenvertreter an der Verhandlung teilnehmen.
2. Feststellungen und Beweiswürdigung:
2.1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Republik Mazedonien. Sie beantragte persönlich am 16. Jänner 2018 beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung die Erteilung eines Erstaufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zum Zwecke der Familienzusammenführung mit ihrem Ehemann.
Die Beschwerdeführerin wurde am *** in Deutschland geboren, hat dann aber in Mazedonien gelebt. Mit ca. zwölf Jahren ist sie wieder nach Deutschland zurückgekehrt, wo sie über ein Aufenthaltsrecht verfügt.
Nach den im Verfahren vorgelegten Bestätigungen und Zeugnissen hat die Beschwerdeführerin ab Oktober 2010 die ***-Oberschule (Integrierte Sekundarschule mit gymnasialer Oberstufe) in *** besucht, dann die 7. Integrierte Sekundarschule in *** und nachfolgend die ***-Schule (Integrierte Sekundarschule) in ***, wo sie gemäß dem Abgangszeugnis vom 8. Juli 2014 im Unterrichtsfach Deutsch die Note 5 (mangelhaft) bei einer Notengebung von 1 bis 6 erhielt. Danach besuchte sie 2014/15 einen berufsqualifizierenden Lehrgang am Oberstufenzentrum Körperpflege in ***, wobei das Abschlusszeugnis im Unterrichtsfach Deutsch/Kommunikation die Note 3 aufweist, sowie das erste Schulhalbjahr in der ersten Jahrgangsstufe im Ausbildungsberuf Friseurin.
Gemäß dem im Verfahren vorgelegten Schreiben des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung vom 31. Juli 2018 wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass ihre vorgelegten Zeugnisse einem Abschluss der neun Schulstufen umfassenden allgemeinbildenden Pflichtschule in Österreich grundsätzlich vergleichbar sind, womit jedoch kein Vorbehalt gegenüber einem Antrag auf höherwertige Einstufung im Wege der Nostrifikation ausgesprochen werde.
Die Beschwerdeführerin hat mit der Beschwerde ein ÖSD-Zertifikat A1 vom 3. Oktober 2018 samt ÖSD-Karte in Kopie vorgelegt, wonach sie die Sprachprüfung mit „sehr gut“ bestanden hat.
In der hg. durchgeführten Verhandlung hat die Beschwerdeführerin das ÖSD-Zertifikat und die ÖSD-Karte auch im Original vorgelegt.
Die Beschwerdeführerin verfügt über Deutschkenntnisse, die ihr eine problemlose Verständigung in der hg. durchgeführten Verhandlung ermöglichten.
Die Beschwerdeführerin und ihr am *** geborener Ehemann, ein Staatsangehöriger von Mazedonien, der in Österreich über den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, haben am 8. August 2017 in Mazedonien geheiratet. Es handelt sich dabei um eine rechtmäßige Eheschließung.
Die Beschwerdeführerin beabsichtigt in Österreich bei ihrem Ehemann an der Adresse ***, ***, Unterkunft zu nehmen bzw. hat sie sich bereits im Rahmen der visumfreien Zeiträume dort aufgehalten. Es handelt sich bei der Unterkunft um eine vom Schwiegervater der Beschwerdeführerin im Jahr 2008 unbefristet angemietete Wohnung. In dieser Wohnung wohnen neben der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann die Schwiegereltern der Beschwerdeführerin und ihre Schwägerin. Die Wohnung weist eine Größe von rund 89 m2 auf, zusätzlich ist eine Loggia und ein Kellerabteil vorhanden. Die Wohnung besteht aus drei Schlafzimmern, einem Wohnzimmer, Küche, Bad, WC, Abstellraum und Vorraum. Das Schlafzimmer mit der Größe von 12,04 m2 wird dabei von der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann benützt, die beiden weiteren Schlafzimmer werden von den Schwiegereltern der Beschwerdeführerin und ihrer Schwägerin benützt. Die Wohnung ist in ordnungsgemäßem Zustand und für die Wohngegend in keiner Weise unüblich. Die Wohnkosten werden vom Schwiegervater der Beschwerdeführerin getragen.
Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann haben im Februar 2018 jeweils Wohnrechtsvereinbarungen mit dem Schwiegervater der Beschwerdeführerin geschlossen, wonach sie die Unterkunft unbefristet unentgeltlich mitbenützen dürfen und ihnen ein Wohnrecht eingeräumt wird, das nicht jederzeit widerrufen, sondern nur aus wichtigen Gründen unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist zum Monatsletzten gerichtlich aufgekündigt werden kann.
Gemäß § 12 des zwischen dem Schwiegervater der Beschwerdeführerin und der Vermieterin abgeschlossenen Mietvertrages ist der Mieter ohne ausdrückliche schriftliche Erlaubnis der Vermieterin weder zur Untervermietung noch zur anderweitigen Abgabe oder zur Aufnahme von Kostgängern berechtigt, wobei die Erlaubnis nur erteilt werden darf, wenn Größe und Beschaffenheit der Räume es zulassen und sittliche Bedenken nicht entgegenstehen.
Mit E-Mail der Vermieterin vom 22. Oktober 2018 wurde dem Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin bestätigt, dass es dem Schiegervater als Hauptmieter „natürlich gestattet sei, seine nahen Angehörigen bei sich wohnen zu lassen“.
Dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wurde seitens der Vermieterin über hg. Anfrage mit E-Mail vom 11. April 2019 mitgeteilt, dass das E-Mail vom 22. Oktober 2018 „vollinhaltlich aufrecht“ bleibt.
Der Magistrat der Stadt Krems hat im Verfahren u.a. mitgeteilt, dass es sich bei der Unterkunft um keine Scheinadresse handelt, eine aufrechte Bau- und Benützungsbewilligung vorliegt, das Recht zur Benützung der Wohneinheit ohne gegenteilig anhängiges Verfahren besteht und dass keine Umstände bekannt sind, wonach die Wohneinheit nicht benutzbar wäre bzw. eine Zwangsversteigerung oder ein Abbruchauftrag vorläge.
Der Ehemann der Beschwerdeführerin ist seit 1. Jänner 2018 bei der C Versicherung AG als Mitarbeiter im telefonischen Kundenservice für 38,5 Wochenstunden beschäftigt. Das Entgelt bei Arbeitsbeginn betrug 2.162,28 Euro brutto, das aktuelle Entgelt beträgt 2.222,85 Euro brutto zuzüglich
72,-- Euro Essenspauschale. Die nächste Gehaltsvorrückung wird mit 1. Jänner 2020 wirksam. Unter Einbeziehung der Sonderzahlungen erhält der Ehemann der Beschwerdeführerin für seine Arbeitstätigkeit ein Nettomonatsgehalt in Höhe von zumindest ca. 1.900,-- Euro.
Der Ehemann der Beschwerdeführerin verfügt über Ersparnisse in Höhe von insgesamt rund 37.500,-- Euro (ca. 5.500,-- Euro am Girokonto und ca. 32.000,-- Euro am Sparkonto). Der Ehemann beabsichtigt allerdings den Ankauf eines Autos für ca. 6.000,-- bis 8.000,-- Euro.
An regelmäßigen Aufwendungen bestehen für die Beschwerdeführerin und ihren Ehemann lediglich die Kosten für die Mitversicherung in der Krankenversicherung (ca. 78 Euro monatlich) und allenfalls zukünftig Versicherungskosten für das Auto, das sich der Ehemann anschaffen will.
Der Anspruch auf eine alle Risken abdeckende und in Österreich leistungspflichtige Krankenversicherung ist für die Beschwerdeführerin gegeben. Ein Quotenplatz für die Beschwerdeführerin liegt vor.
Aufenthaltsbeendende Maßnahmen oder ein Einreiseverbot wurden gegen die Beschwerdeführerin nicht verhängt. Ebenso wenig wurde die Beschwerdeführerin wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet bestraft. Eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthaltes liegt nicht vor. Im Strafregister der Republik Österreich scheint hinsichtlich der Beschwerdeführerin keine Verurteilung auf. Die Beschwerdeführerin ist auch in Deutschland und in Mazedonien unbescholten und es scheint im Schengener Informationssystem keine Vormerkung auf. Dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtsobjekt wesentlich beeinträchtigen würde ist nicht erkennbar.
Der Reisepass der Beschwerdeführerin weist eine Gültigkeit bis 18. Dezember 2022 auf.
2.2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf die Inhalte des vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsaktes, insbesondere auch auf die Ergebnisse der durchgeführten mündlichen Verhandlung. Festzuhalten ist hinsichtlich der Verhandlung, dass die Beschwerdeführerin zur Sache befragt und dass ihr Ehemann als Zeuge unter Wahrheitspflicht einvernommen wurde. Beide haben keinen unglaubwürdigen Eindruck hinterlassen und es sind die von ihnen getätigten Angaben mit den im Verfahren vorgelegten Unterlagen in Einklang zu bringen. Ein Vertreter der belangten Behörde ist zur Verhandlung nicht erschienen, es hat die belangte Behörde somit von der mit der Verhandlung gebotenen Gelegenheit zur Kenntnisnahme von den Beweisergebnissen und zur Stellungnahme nicht Gebrauch gemacht (vgl. etwa VwGH 29.1.2003, 2001/03/0194; 29.6.2011, 2007/02/0334).
Im Einzelnen ist im Rahmen der Beweiswürdigung Folgendes hervorzuheben:
Zur Person der Beschwerdeführerin ist insbesondere auf den vorgelegten Reisepass, den dt. Aufenthaltstitel und die Geburtsurkunde zu verweisen, darüber hinaus zu ihren Aufenthalten in Deutschland und Mazedonien auf ihre Angaben in der Verhandlung (Verhandlungsschrift S 4). Zum verfahrensgegenständlichen Antrag ist auf den Verwaltungsakt zu verweisen, ebenso zu den vorgelegten Bestätigungen und Zeugnissen sowie dem Schreiben des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Zum ÖSD-Zertifikat und zur ÖSD-Karte ist auf die Beschwerdevorlage und die Verhandlung zu verweisen (Verhandlungsschrift S 2). Zu den Sprachkenntnissen der Beschwerdeführerin ist festzuhalten, dass ihr eine problemlose Verständigung in der Verhandlung ohne Beiziehung eines Dolmetschers möglich war, sowohl betreffend eine eingangs gestellte Alltagsfrage als auch betreffend alle weitere Fragen in der Verhandlung.
Zum Ehemann der Beschwerdeführerin ist auf den vorgelegten Reisepass und die vorgelegte Aufenthaltskarte zu verweisen, ebenso auf die im Zentralen Fremdenregister enthaltenen Daten. Zur Eheschließung ist neben der aktenkundigen Heiratsurkunde auf die übereinstimmenden Angaben der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes zu verweisen (insb. Verhandlungsschrift S 4 f. und 7). Festzuhalten ist, dass im Verfahren kein Sachverhalt hervorgekommen ist, der Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Eheschließung erwecken würde (vgl. dazu etwa VwGH 24.11.2000, 2000/19/0126, mit Hinweis auf EGMR 28.5.1985, Fall Abdulaziz ua., Appl. 9214/80 ua.).
Die Feststellungen zur Unterkunft in Österreich basieren auf den vorliegenden Unterlagen und den dazu getätigten Angaben. Vorgelegt wurden insbesondere: Mietvertrag, Kontoauszüge betreffend Mietzahlungen des Schwiegervaters, Wohnungsplan, Wohnrechtsvereinbarungen, Wohnungsfotos und mehrere Schreiben der Vermieterin inklusive dem E-Mail vom 22. Oktober 2018. Aktenkundig sind darüber hinaus auch Meldeabfragen, die im Verfahren erstattete Mitteilung des Magistrates der Stadt Krems sowie die hg. eingeholte E-Mail-Bestätigung der Vermieterin vom 11. April 2019.
Zu den Angaben der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes ist festzuhalten, dass beide die Aktualität der Wohnrechtsvereinbarungen bestätigt haben (Verhandlungsschrift S 3 und 6). Der Ehemann hat auch bestätigt, dass er für die Wohnung nichts bezahlen muss und dass die Miete sein Vater bezahlt (Verhandlungsschrift S 6) bzw. hat er auch die aktenkundige Wohnungsgröße und die Aufteilung der Wohnung bestätigt (Verhandlungsschrift S 8).
Zur Arbeitstätigkeit des Ehemannes ist auf den aktenkundigen Dienstvertrag zu verweisen, insbesondere aber auf die im Verfahren vorgelegten Lohnzettel von Jänner 2018 bis Mai 2019 sowie auf den vorgelegten Kontoauszug betreffend Entgelteingang. Aus den vorgelegten Lohnzettel ergibt sich dabei auch das festgestellte Datum der nächsten Gehaltsvorrückung. Das festgestellte Nettomonatsgehalt bei Einbeziehung der Sonderzahlungen ergibt sich unter Heranziehung des BMF-Brutto-Netto-Rechners. Der Ehemann hat in der Verhandlung insbesondere auch bestätigt, dass er unbefristet angestellt und ungekündigt ist (Verhandlungsschrift S 6).
Zu den Ersparnissen ist auf die mit Schreiben vom 6. Mai 2019 vorgelegte Finanzübersicht zu verweisen, wobei der Ehemann in der Verhandlung angegeben hat, dass der Betrag am Girokonto aktuell vielleicht um 1.000,-- Euro weniger sein könnte als die aufscheinenden 6.540,18 Euro. Zum Sparkonto gab er an, dass der Betrag jedenfalls gleich sei und er verwies auf seine langjährige Arbeitstätigkeit (Verhandlungsschrift S 6). Des Weiteren gab der Ehemann an, dass er sich ein Auto kaufen und dafür 6.000,-- Euro bis 8.000,-- Euro von seinen Ersparnissen ausgeben wolle (Verhandlungsschrift S 6 f.).
Zu den regelmäßigen Aufwendungen ist festzuhalten, dass sowohl die Beschwerdeführerin als auch der Ehemann schriftlich bekannt gegeben haben, dass sie keine Unterhaltsverpflichtungen, keine Alimentationszahlungen, keine Kreditverbindlichkeiten und keine Pfändungen haben. Auch der betreffend den Ehemann vorgelegte KSV1870-Auszug weist keine Eintragungen auf. Die Beschwerdeführerin hat das Vorliegen regelmäßiger Belastungen in der Verhandlung verneint, ebenso hat sie angegeben, keine Kinder zu haben (Verhandlungsschrift S 3). Selbiges hat der Ehemann angegeben (Verhandlungsschrift S 6).
Aus der vorliegenden Aktenlage ergeben sich an regelmäßigen Aufwendungen lediglich die Kosten für die Mitversicherung der Beschwerdeführerin mit ihrem Ehemann (3,4% der Beitragsgrundlage, somit ca. 78,-- Euro monatlich) und allenfalls zukünftig Versicherungskosten für das Auto, das sich der Ehemann anschaffen will.
Zum Anspruch auf eine alle Risken abdeckende und in Österreich leistungspflichtige Krankenversicherung ist auf die aktenkundigen Schreiben der Gebietskrankenkasse betreffend Mitversicherung der Beschwerdeführerin zu verweisen. Dass die Beschwerdeführerin über einen Quotenplatz verfügt, ergibt sich aus dem behördlichen Aktenvermerk vom 6. Februar 2018.
Die Feststellungen, wonach aufenthaltsbeendende Maßnahmen oder ein Einreiseverbot gegen die Beschwerdeführerin nicht verhängt wurden und wonach die Beschwerdeführerin wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet nicht bestraft wurde, ergeben sich mangels gegenteiliger Anhaltspunkte (s. dazu insbesondere auch die aktenkundigen Abfragen des Zentralen Fremdenregisters). Dass die Beschwerdeführerin die Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthaltes nicht überschritten hat, ergibt sich mangels gegenteiliger Anhaltspunkte (wobei darauf hinzuweisen ist, dass die Beschwerdeführerin etwa am 24. Juli 2018 in Deutschland den behördlichen Verbesserungsauftrag entgegengenommen hat und dass die mit der Beschwerde vorgelegten Fotos die Beschwerdeführerin und ihren Ehemann erkennbar u.a. in München zeigen) sowie aus den von ihr und ihrem Ehemann getätigten Angaben (Verhandlungsschrift S 4 und 7).
Des Weiteren scheint im Strafregister der Republik Österreich gemäß hg. durchgeführten Abfragen keine Verurteilung der Beschwerdeführerin auf. Weiters weist das dt. Führungszeugnis der Beschwerdeführerin keinen Eintrag auf und es ist auch das vorgelegte mazedonische Führungszeugnis negativ. Die Beschwerdeführerin hat auch selbst angegeben, sowohl in Österreich und Deutschland als auch in Mazedonien unbescholten zu sein (Verhandlungsschrift S 4). Ebenso scheint im Schengener Informationssystem keine Vormerkung auf.
Auch dafür, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtsobjekt wesentlich beeinträchtigen würde, liegen keine Anhaltspunkte vor.
Die Gültigkeit des Reisepasses der Beschwerdeführerin ergibt sich aus dem im Verfahren vorgelegten Reisepass.
3. Maßgebliche Rechtslage:
3.1. Die für die Beurteilung des vorliegenden Falles maßgeblichen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, (NAG) lauten:
„Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel
§ 11. […]
(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn
[…]
2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;
[…]
4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;
[…]
(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.“
„Nachweis von Deutschkenntnissen
§ 21a. (1) Drittstaatsangehörige haben mit der Stellung eines Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Dieser Nachweis hat mittels eines allgemein anerkannten Sprachdiploms einer durch Verordnung gemäß Abs. 6 oder 7 bestimmten Einrichtung zu erfolgen, in welchem diese schriftlich bestätigt, dass der Drittstaatsangehörige über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau verfügt. Das Sprachdiplom darf zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein.
[…]
(3) Der Nachweis gilt überdies als erbracht, wenn
1. die Voraussetzungen zur Erfüllung des Moduls 1 oder 2 der Integrationsvereinbarung (§§ 9 und 10 IntG) vorliegen oder
[…]
(6) Durch Verordnung des Bundesministers für Inneres sind jene Einrichtungen zu bestimmen, deren Sprachdiplome als Nachweis gemäß Abs. 1 gelten.“
3.2. § 7 Abs. 1 sowie § 9b der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung, BGBl. II Nr. 451/2005 idgF, (NAG-DV) lauten:
„Urkunden und Nachweise für alle Aufenthaltstitel
§ 7. (1) Dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels (§ 1) sind – unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise nach den §§ 8 und 9 – folgende Urkunden und Nachweise anzuschließen:
1. gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG);
2. Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument (nur bei Erstanträgen);
3. Lichtbild des Antragstellers gemäß § 2a;
4. erforderlichenfalls Heiratsurkunde, Urkunde über die Ehescheidung, Partnerschaftsurkunde, Urkunde über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, Urkunde über die Annahme an Kindesstatt, Nachweis oder Urkunde über das Verwandtschaftsverhältnis, Sterbeurkunde;
5. Nachweis des Rechtsanspruchs auf eine ortsübliche Unterkunft, insbesondere Miet- oder Untermietverträge, bestandrechtliche Vorverträge oder Eigentumsnachweise;
6. Nachweis über einen in Österreich leistungspflichtigen und alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz, insbesondere durch eine entsprechende Versicherungspolizze, sofern kein Fall der gesetzlichen Pflichtversicherung bestehen wird oder besteht (§ 11 Abs. 2 Z 3 NAG);
7. Nachweis des gesicherten Lebensunterhalts, insbesondere Lohnzettel, Lohnbestätigungen, Dienstverträge, arbeitsrechtliche Vorverträge, Bestätigungen über Pensions-, Renten- oder sonstige Versicherungsleistungen, Nachweise über das Investitionskapital, Nachweis eigenen Vermögens in ausreichender Höhe oder in den bundesgesetzlich vorgesehenen Fällen eine Haftungserklärung.“
„Zu § 21a NAG
„Nachweis von Deutschkenntnissen
§ 9b. (1) Kenntnisse der deutschen Sprache zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau im Sinne des § 21a Abs. 1 NAG entsprechen dem A1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen, Berlin u.a., Langenscheidt 2001).
(2) Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse im Sinne des § 21a Abs. 1 NAG gelten allgemein anerkannte Sprachdiplome von folgenden Einrichtungen:
1. Österreichisches Sprachdiplom Deutsch;
2. Goethe-Institut e.V.;
3. Telc GmbH;
4. Österreichischer Integrationsfonds.
(3) Aus dem Sprachdiplom muss hervorgehen, dass der Fremde über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest auf A1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen verfügt. Andernfalls gilt der Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse als nicht erbracht.“
3.3. § 292 Abs. 3 zweiter Satz sowie § 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955 idgF, (ASVG) lauten:
„§ 292. […]
(3) […] Für die Bewertung der Sachbezüge gilt, soweit nicht Abs. 8 anzuwenden ist, die Bewertung für Zwecke der Lohnsteuer mit der Maßgabe, daß als Wert der vollen freien Station der Betrag von 216,78 € (Anm.: gemäß BGBl. II Nr. 391/2016 für das Kalenderjahr 2017: 284,32 €, gemäß BGBl. II Nr. 339/2017 für das Kalenderjahr 2018: 288,87 € und gemäß BGBl. II Nr. 329/2018 für 2019: 294,65 €) heranzuziehen ist; […]“
„Richtsätze
§ 293. (1) Der Richtsatz beträgt unbeschadet des Abs. 2
a) für Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung,
aa) wenn sie mit dem Ehegatten (der Ehegattin) oder dem/der eingetragenen PartnerIn im gemeinsamen Haushalt leben 1 120,00 €,
(Anm. 1: gemäß BGBl. II Nr. 391/2016 für das Kalenderjahr 2017: 1 334,17 €, gemäß BGBl. II Nr. 339/2017 für das Kalenderjahr 2018: 1 363,52 € und gemäß BGBl. II Nr. 329/2018 für 2019: 1 398,97 €)“
4. Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich:
4.1. Zur Erteilung des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“:
4.1.1. Die belangte Behörde stützte die erfolgte Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin auf erstmalige Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ (§ 46 Abs. 1 Z 2 iVm § 8 Abs. 1 Z 2 NAG) auf das Fehlen des Nachweises eines Rechtsanspruches auf eine für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehene Unterkunft (§ 11 Abs. 2 Z 2 NAG) und auf den fehlenden Nachweis von Deutschkenntnissen (§ 21a Abs. 1 NAG).
Dazu ist Folgendes auszuführen:
a) Zum Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft ist auszuführen:
Gemäß § 11 Abs. 2 Z 2 NAG dürfen einem Fremden Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verschafft ein Mietvertrag in der Regel einen Rechtsanspruch auf die gemietete Unterkunft (vgl. etwa
VwSlg. 15.504 A/2000). Auch eine Wohnrechtsvereinbarung, in der die Beendigung durch gerichtliche Kündigung unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist zum Letzten eines Monats und nur aus wichtigen Kündigungsgründen vorgesehen ist, begründet einen Rechtsanspruch (vgl. etwa VwGH 24.2.2009, 2008/22/0409).
Des Weiteren hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass im Regelfall – selbst bei einem nur eingeschränkt kündbaren Mietvertrag – nicht garantiert werden kann, dass gerade eine bestimmte Unterkunft über den gesamten Zeitraum der Gültigkeit des Aufenthaltstitels zur Verfügung stehen wird, weil auch hier eine gewisse rechtliche und/oder tatsächliche Unsicherheit vorhanden ist. Deshalb ist in einer Prognoseentscheidung zu beurteilen, ob begründete Aussicht besteht, dass der Fremde (bzw. der zusammenführende Familienangehörige) in der Lage sein wird, seine Wohnbedürfnisse bzw. die der Familie befriedigen zu können, ohne wegen Obdachlosigkeit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darzustellen oder eine Gebietskörperschaft finanziell zu belasten (s. VwGH 9.9.2014, Ro 2014/22/0032).
Zur Ortsüblichkeit einer Unterkunft hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu § 5 Abs. 1 AufG und § 8 Abs. 5 FrG 1997 (den Vorgängerbestimmungen des § 11 Abs. 2 Z 2 NAG) und dem darin enthaltenen Erfordernis einer „für Inländer ortsüblichen Unterkunft“ ausgeführt, dass die Behörde dann, wenn sie die Ortsüblichkeit einer von einem Antragsteller zur Verfügung stehend angegebenen Wohnung in Zweifel zieht, Feststellungen über die Beschaffenheit der Wohnung zu treffen und zu ermitteln und darzulegen hat, ob Inländer mit vergleichbarer Familienstruktur und sozialer Schichtung in vergleichbaren Wohngegenden (Bezirksteilen) zu einem noch ins Gewicht fallenden Anteil vergleichbare Wohnungen so nutzen, wie es fallbezogen beabsichtigt ist (vgl. etwa VwGH 14.5.1999, 97/19/1352). Der Verwaltungsgerichtshof hat dabei in seiner einschlägigen Rechtsprechung aufgezeigt, dass keine allgemein gültigen Grundsätze hinsichtlich Wohnungsgröße sowie Anzahl und Alter der Bewohner bestehen. Ausdrücklich festgehalten hat der Gerichtshof etwa, dass auch „beengte Wohnverhältnisse“ ortsüblich sein können (vgl. VwSlg. 15.416 A/2000) und er hat insbesondere betont, dass es sich bei der behördlichen Feststellung, eine für Inländer ortsübliche Unterkunft liege nur dann vor, wenn auf jede der dort gemeinsam wohnenden Personen mindestens 10 m2 an Nutzfläche entfalle, nicht um eine offenkundige Tatsache handle (vgl. etwa VwGH 28.2.1997, 95/19/0566). Ebenso sei es keinesfalls offenkundig, dass eine ortsübliche Unterkunft bei Familien mit Kindern nur dann vorliege, wenn für die Kinder ein eigener Schlafraum zur Verfügung stehe (vgl. etwa VwGH 14.5.1999, 97/19/0815).
Im Lichte dieser Rechtsprechung und ausgehend von den getroffenen Feststellungen ist festzuhalten, dass der erforderliche Nachweis des Rechtsanspruches auf eine ortsübliche Unterkunft im hg. Entscheidungszeitpunkt jedenfalls erbracht wurde.
Zum Rechtsanspruch ist festzuhalten, dass es sich bei der Unterkunft um eine vom Schwiegervater angemietete Wohnung handelt und dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann entsprechende Wohnrechtsvereinbarungen mit dem Schwiegervater abgeschlossen haben. Seitens der Vermieterin wurden keine Einwände hinsichtlich der Wohnungnahme der Beschwerdeführerin erhoben bzw. wurde mit E-Mails vom 22. Oktober 2018 und vom 11. April 2019 ausdrücklich die Erlaubnis erteilt. Zur Ortsüblichkeit ist festzuhalten, dass diesbezüglich angesichts der Anzahl der dort lebenden Personen, bei denen es sich um Familienangehörige handelt, und angesichts der Größe und Beschaffenheit der Wohnung keine Bedenken entstanden sind (vgl. zur Maßgeblichkeit des Umstandes, mit welchen Personen das Zusammenleben stattfindet etwa VwGH 22.5.1996, 95/21/0383; vgl. zur Größe auch etwa VwGH 24.11.2000, 98/19/0181).
Anhaltspunkte dafür, dass die Gefahr der Obdachlosigkeit eintreten könnte, bestehen nicht, zumal das Mietverhältnis bereits seit dem Jahr 2008 besteht.
Die Beschwerdeführerin erfüllt somit die Voraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 2 NAG.
b) Zum Nachweis der erforderlichen Deutschkenntnisse:
Gemäß § 21a Abs. 1 NAG haben Drittstaatsangehörige mit der Stellung eines Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6 oder 8 Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Dieser Nachweis hat mittels eines allgemein anerkannten Sprachdiploms oder Kurszeugnisses einer durch Verordnung gemäß Abs. 6 oder 7 bestimmten Einrichtung zu erfolgen, in welchem diese schriftlich bestätigt, dass der Drittstaatsangehörige über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau verfügt. Das Sprachdiplom oder das Kurszeugnis darf zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein. Gemäß § 9b Abs. 1 NAG-DV entsprechen Kenntnisse der deutschen Sprache zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau dem A1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gilt gemäß § 9b Abs. 2 leg.cit. u.a. ein allgemein anerkanntes ÖSD-Sprachdiplom.
Darüber hinaus gilt der Nachweis als erbracht, wenn die Voraussetzungen zur Erfüllung des Moduls 1 oder 2 der Integrationsvereinbarung vorliegen, etwa bei Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule (§ 9 Abs. 4 Z 3 IntG) oder bei einem positiven Abschluss im Unterrichtsfach „Deutsch“ nach zumindest vierjährigem Unterricht in der deutschen Sprache an einer ausländischen Sekundarschule (§ 10 Abs. 2 Z 6 IntG).
Wie sich aus den getroffenen Feststellungen ergibt, hat die Beschwerdeführerin mehrjährig in Deutschland Sekundarschulen besucht und im Abgangszeugnis im Unterrichtsfach Deutsch die Note 5 (mangelhaft) bei einer Notengebung von 1 bis 6 erhalten. Im 2014/15 von ihr besuchten berufsspezifischen Lehrgang hat sie im Unterrichtsfach Deutsch/Kommunikation die Note 3 erhalten. Mit der Beschwerde hat die Beschwerdeführerin zudem dann ein ÖSD-Zertifikat A1 vom 3. Oktober 2018 samt ÖSD-Karte in Kopie vorgelegt und in der Verhandlung dann das Zertifikat und die Karte auch im Original. Die Beschwerdeführerin hat in der Verhandlung gezeigt, dass sie über Deutschkenntnisse verfügt, die ihr eine problemlose Verständigung in der Verhandlung ermöglichten.
Die gemäß § 21a NAG erforderlichen Sprachkenntnisse sind somit nachgewiesen.
c) Die von der belangten Behörde herangezogenen Abweisungsgründe können daher im vorliegenden Entscheidungszeitpunkt nicht aufrechterhalten werden. Darauf hinzuweisen ist, dass offenkundig auch die belangte Behörde davon ausgeht, dass sowohl der Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft als auch die erforderlichen Sprachkenntnisse nachgewiesen sind (s. Punkt 1.8. des dargelegten Verfahrensganges).
4.1.2. Zu den weiteren Voraussetzungen für die Erteilung des Aufenthaltstitels:
Gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 NAG iVm § 11 Abs. 5 NAG dürfen einem Fremden Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte.
Die Prüfung, ob der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, ob also ausreichende Unterhaltsmittel zur Verfügung stehen, hat durch eine Prognose über die Erzielbarkeit ausreichender Mittel zu erfolgen (vgl. etwa VwGH 23.11.2017, Ra 2017/22/0144; VfGH 4.10.2018, G 133/2018).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. etwa VwGH 3.4.2009, 2008/22/0711) zur konkreten Berechnung der notwendigen Mittel ausgeführt, dass bei der Unterhaltsberechnung nach § 11 Abs. 5 NAG bei einem gemeinsamen Haushalt unter Berücksichtigung der zu versorgenden Personen zu prüfen ist, ob das Haushaltsnettoeinkommen den „Haushaltsrichtsatz“ nach § 293 Abs. 1 ASVG erreicht. Auf das Existenzminimum des § 291a EO ist in einer solchen Konstellation nicht Bedacht zu nehmen. Er hat in diesem Zusammenhang in seiner Judikatur aufgezeigt, dass es zur Existenzsicherung nicht für jede Person eines Einkommens nach dem für einen alleinstehenden Pensionsempfänger vorgesehenen Richtsatz bedarf, sondern das Haushaltsnettoeinkommen eben am „Familienrichtsatz“ zu messen ist, sofern der Anspruchsberechtigte mit einem Ehepartner (und allenfalls Kindern) im gemeinsamen Haushalt lebt.
Für die Berechnung der Unterhaltsmittel maßgeblich ist dabei jenes Einkommen, das dann erzielt wird, wenn dem Fremden der begehrte Aufenthaltstitel erteilt wird (vgl. VwGH 20.10.2011, 2009/18/0122). Bei der Berechnung des vorhandenen Einkommens sind die anteiligen Sonderzahlungen zu berücksichtigen (vgl. etwa VwGH 21.6.2011, 2008/22/0356). Zudem kommt der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel auch durch Sparguthaben in Betracht (vgl. etwa VwGH 10.9.2013, 2013/18/0046; VfGH 4.10.2018, G 133/2018).
§ 11 Abs. 5 zweiter Satz NAG zählt jene Beträge („regelmäßige Aufwendungen“) demonstrativ auf, die vom Einkommen in Abzug zu bringen sind, wobei jedoch – sofern tatsächlich Aufwendungen in dieser Höhe anfallen – einmal ein Betrag in Höhe des sog. „Werts der freien Station“ unberücksichtigt zu bleiben hat (vgl. etwa VwGH 28.5.2015, Ra 2015/22/0009).
Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben ist im vorliegenden Fall Folgendes auszuführen:
Der Ehemann der Beschwerdeführerin erhält für seine Arbeitstätigkeit ein Nettomonatsgehalt von zumindest ca. 1.900,-- Euro (Sonderzahlungen einbezogen). Zudem bestehen Ersparnisse im Ausmaß von insgesamt rund 37.500,-- Euro bzw. unter Berücksichtigung, dass der Ehemann ein Auto für ca. 6.000,-- Euro bis 8.000,-- Euro erwerben will, im Ausmaß von zumindest 29.500,-- Euro: Aufgeteilt auf einen Zeitraum von zwölf Monaten ergibt dies einen monatlichen Betrag von zumindest 2.458,33 Euro. Es ist damit von einem deutlich über dem gesetzlichen Richtsatz für Ehegatten (1.398,97 Euro gemäß § 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa ASVG) liegenden monatlichen Nettoeinkommen auszugehen, zumal keine über dem „Wert der freien Station“ (294,65 Euro) liegenden regelmäßigen Aufwendungen vorliegen.
Gründe, die nahelegen würden, dass das zukünftig erzielte Nettoeinkommen des Ehemannes maßgeblich niedriger anzunehmen wäre, sind nicht zu erkennen. Ebensowenig liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass im Prognosezeitraum mit maßgeblich höheren regelmäßigen Aufwendungen zu rechnen wäre. Im Entscheidungszeitpunkt des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich ist somit nicht davon auszugehen, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Gegenteiliges hat sich im gesamten Verfahren nicht ergeben.
Die Beschwerdeführerin erfüllt somit die Voraussetzung der § 11 Abs. 2 Z 4 iVm § 11 Abs. 5 NAG.
Wie aus den getroffenen Feststellungen ersichtlich ist, sind im vorliegenden Fall auch die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung des von der Beschwerdeführerin begehrten Aufenthaltstitels erfüllt. Erteilungshindernisse liegen nicht vor.
Der Anspruch auf eine alle Risken abdeckende und in Österreich leistungspflichtige Krankenversicherung ist im vorliegenden Fall mit Blick auf § 123 Abs. 1 ASVG nicht zweifelhaft (vgl. etwa VwGH 8.11.2018, Ra 2018/22/0168).
Des Weiteren wurden aufenthaltsbeendende Maßnahmen oder ein Einreiseverbot gegen die Beschwerdeführerin nicht verhängt und es ist auch das Vorliegen einer Aufenthaltsehe, eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthaltes oder eine Bestrafung wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet nicht gegeben. Ebenso sind dem Aufenthalt der unbescholtenen Beschwerdeführerin in Österreich widerstreitende öffentliche Interessen – Gegenteiliges wurde jedenfalls im gesamten Verfahren weder vorgebracht noch aufgezeigt – nicht gegeben (vgl. etwa VwGH 19.9.2012, 2011/22/0161). Es ist auch nicht zu erkennen, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtsobjekt (wesentlich) beeinträchtigen würde. Die Beschwerdeführerin verfügt schließlich auch über einen Quotenplatz und sie ist als Ehefrau Familienangehörige eines Drittstaatsangehörigen, der über einen von § 46 Abs. 1 Z 2 NAG verlangten Aufenthaltstitel verfügt.
4.1.3. Der Beschwerde ist somit stattzugeben und es ist der Beschwerdeführerin der beantragte Aufenthaltstitel – in konstitutiver Weise – zu erteilen (vgl. etwa VwGH 15.12.2015, Ra 2015/22/0125). Die Befristung auf zwölf Monate gründet sich auf § 20 Abs. 1 NAG. Gemäß § 19 Abs. 10 NAG hat die belangte Behörde nunmehr die Herstellung einer Aufenthaltstitelkarte zu beauftragen und diese auszufolgen.
4.2. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Derartige Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind im vorliegenden Fall nicht hervorgekommen. Die Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich folgen der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und sie beinhalten eine – keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung darstellende – einzelfallbezogene Beurteilung (vgl. etwa VwGH 8.11.2018, Ra 2018/22/0211). Eine mündliche Verhandlung wurde durchgeführt.
Schlagworte
Fremden- und Aufenthaltsrecht; Aufenthaltstitel; Rot-Weiß-Rot-Karte-plus; Erteilungsvoraussetzung; ortsübliche Unterkunft; Sprachnachweis; Familienrichtsatz;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.1145.001.2018Zuletzt aktualisiert am
15.07.2019