Entscheidungsdatum
03.06.2019Norm
BAO §4 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Hofrat Mag. Röper als Einzelrichter über die Beschwerde von Frau A, ***, ***, vom 5. April 2019 gegen den Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 5. März 2019, Zl. ***, mit dem der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 14. Jänner 2019 betreffend Vorschreibung einer Kanalabenützungsgebühr (mit Wirkung ab 1. Jänner 2019) teilweise Folge gegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheides abgeändert worden war, zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) stattgegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend abgeändert, dass es wie folgt zu lauten hat:
Gemäß § 5 Abs. 3 NÖ Kanalgesetz 1977 wird Frau A für die Liegenschaft ***, ***, mit Wirkung ab 1. Jänner 2019 für die Benützung des öffentlichen Kanals (Schmutzwasser) unter Zugrundelegung einer Berechnungsfläche von 312,90 m² und eines Einheitssatzes von € 2,32 eine jährlich zu entrichtende Kanalbenützungsgebühr im Ausmaß von € 725,93 (zzgl. USt.) vorgeschrieben.
2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Sachverhalt:
1.1. Abgabenbehördliches Verfahren:
1.1.1.
Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 14. Jänner 2019, Zl. ***, wurde Frau A (in der Folge: Beschwerdeführerin) für die in ihrem Eigentum befindliche Liegenschaft mit der topographischen Anschrift ***, ***, unter Zugrundelegung einer Berechnungsfläche von 330,02 m² und eines Einheitssatzes von € 2,32 eine jährlich zu entrichtende Kanalabenützungsgebühr (mit Wirkung ab 1. Jänner 2019) im Betrag von € 765,65 (exkl. USt.) für die Benützung des öffentlichen Kanals vorgeschrieben.
1.1.2.
Gegen diesen Bescheid richtete sich die als „Einspruch“ bezeichnete Berufung der Beschwerdeführerin vom 29. Jänner 2019. Begründend wird im Wesentlichen dargelegt, dass in den zur Baubewilligung vorgelegten Plänen die Kegelbahn und die Kegelbahnstube, dezidiert als Nebengebäude des Hauses, aufgelistet seien. Beide seien nicht vom Haus aus begehbar, hätten einen eigenen Eingang und seien daher als Nebengebäude einzustufen:
Hauptgebäude (Erdgeschoss ohne Keller, einschließlich Garage): 172,60 m²
Nebengebäude Kegelbahnstube: 39,20 m²
Nebengebäude Kegelbahn: 68,80 m²
In der Garage (24,30 m²) befinde sich kein Waschbecken, sodass von 172,60 m² noch 24,30 m² abzuziehen seien. Der Keller befindet sich mit mehr als 50% unter der Erde. Bisher seien von der Gemeinde 330,02 m² als Gebührengrundlage berechnet worden. Neue Gebührengrundlage wäre demnach 158,30 m². Sie ersuche um Berichtigung einer korrigierten Vorschreibung und um Rückvergütung.
1.1.3.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 5. März 2019, Zl. ***, wurde der Berufung gegen den angefochtenen Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** teilweise Folge gegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend abgeändert, als nun unter Zugrundelegung einer Berechnungsfläche von 279,45 m² und eines Einheitssatzes von € 2,32 eine jährlich zu entrichtende Kanalabenützungsgebühr (mit Wirkung ab 1. Jänner 2019) im Betrag von € 648,32 (exkl. USt.) für die Benützung des öffentlichen Kanals vorgeschrieben wurde. Die Berechnungsfläche setze sich wie folgt zusammen:
Kegelstube 7,00 x 5,60 m = 39,20 m²
Kegelbahn 23,75 x 2,90 m = 68,88 m²
Speisezimmer, Küche, Diele, Nassräume, Gang 14,50 x 4,70 m = 68,15 m²
Abstellraum, Schleuse, Kammer, Gang, Schlafzimmer 12,10 x 4,00 m = 48,40 m²
Schlafzimmer, Wohnraum 12,80 x 4,40 m = 56,32 m²
abzüglich Rundbogen d. Mauerverlaufs minus 1,50 m²
Gesamt 279,45 m²
Begründend wird nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der als maßgeblich erachteten Rechtsvorschriften ausgeführt, dass es sich bei der Kegelstube und Kegelbahn nicht um einen Gebäudeteil handle, der von der Berechnung auszunehmen wäre, weil die Nutzung weder als Garage, als gewerblicher oder industrieller Lager- oder Ausstellungsraum erfolge noch eine Nutzung für land- und forstwirtschaftliche Zwecke vorliege. Der Keller sei nie in die Berechnung einbezogen worden. Auch sei die Garage bei der Berechnung unberücksichtigt geblieben. Eine „Rückvergütung“ von Abgabenleistungen aufgrund früherer rechtskräftiger Abgabenvorschreibungen sei im Gesetz nicht vorgesehen und könne deshalb nicht gewährt werden.
1.2. Beschwerdevorbringen:
Mit Schreiben vom 5. April 2019 erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und begründete diese im Wesentlichen wie die Berufungsschrift vom 29. Jänner 2019. Ergänzend wurde vorgebracht, dass knapp 20 Jahre von ihr zu viel an Gebühren an die Gemeinde *** bezahlt worden sei. Sie ersuche daher abermals die Rückerstattung des bisher zu viel bezahlten Betrages. Der erste Quartalsteilbetrag 2019 beruhe ebenfalls noch auf den bereits aufgehobenen Abgabebescheid vom 14. Jänner 2019. Das noch immer einberechnete Holzgebäude „Kegelbahn“ (68,88m²) sei nicht an den Kanal angeschlossen und nicht zu Wohnzwecken geeignet; es habe keine Verbindung zum Haupthaus und von diesem durch eine Mauer getrennt. Es werde als Original 70er Jahre-Museumsbetrieb mit kleiner Gastgewerbekonzession von ihrer Tochter als Social Entrepreneur Projekt ohne Subventionen geführt, um hier am Rande des Biosphärenparks und des Jakobsweges im *** eine *** Tradition zu erhalten. Dieser klar in der Baubeschreibung als Nebengebäude titulierte Teil des Hauses sei jedoch weiterhin in die Berechnungsgrundlage einberechnet worden. Sie beantrage daher, zusätzlich 68,88 m² aus der Berechnungsgrundlage zu streichen. Der Museumsbetrieb sei iSd § 1a Abs. 7 NÖ Kanalgesetz 1977 einem Ausstellungsraum gleichzusetzen. Die Original-Kegelbahn aus dem Jahre 1968 sei ein Sonderfall, der nicht im Gesetz aufscheine und daher nach Ermessen zu beurteilen sei. Dass unter der Erde liegende Kellergeschoss mit 27,54 m² sei bisher zu Unrecht mitgerechnet worden.
1.3. Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich:
1.3.1.
Mit Schreiben vom 11. April 2019 legte die Marktgemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt (samt Plänen, Gutachten sowie Einladungskurrende und Sitzungsprotokoll der maßgeblichen Sitzung des Gemeindevorstandes) vor.
1.3.2.
Vom erkennenden Gericht wurde für den 8. Mai 2019 eine mündliche Verhandlung anberaumt, in deren Verlauf von der Beschwerdeführerin und ihrer Vertreterin über Vorhalt des Lageplans vom 30. Juni 1965 bestätigt wurde, dass das im Plan im Bereich der „Kegelstube“ dargestellte WC und der Waschraum vorhanden sind. Die Kegelbahn könne im Winter nicht benutzt werden (Holzbau), sodass dieser Bereich eigentlich bei der Ermittlung der Berechnungsfläche auszunehmen wäre. Weiters wird ausgeführt, dass – wie im Plan dargestellt – die Garage über die „Schleuse“ mit dem Wohngebäude verbunden ist. Für die Kegelstube/Kegelbahn habe die Vertreterin der Beschwerdeführerin (Tochter) eine aufrechte Gewerbeberechtigung. Mehrheitlich sei der Betrieb in den Sommermonaten geöffnet, die Kegelbahn nur bei entsprechender warmer Witterung. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass auch im Winter - bei Bedarf - die Gaststube geöffnet wird. Die Kegelbahn sei mittlerweile einzigartig, was bei der Vorschreibung zu berücksichtigen wäre.
1.4. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den bezughabenden Akt der Marktgemeinde *** und durch Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch sowie Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 8. Mai 2019.
1.5. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. ***, EZ ***, KG ***, mit der topographischen Anschrift ***, ***:
[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]
„…
(Quelle: imap geodaten des Landes Niederösterreich, Abfrage vom 10. April 2019)“
Auf dieser Liegenschaft befindet sich ein Wohnhaus, welches mit einem Geschoß (Erdgeschoß) an den öffentlichen Kanal angeschlossen ist und eine bebaute Fläche (inkl. einer überdachten Terrasse) von 332,70 m² aufweist. Die Fläche des Erdgeschoßes (Garage, Wohntrakt, Kegelstube und Bohlenbahn - ohne überdachte Terrasse) beträgt in Summe 312,90 m²:
[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]
„…
(Quelle: Akt der belangten Behörde)“
1.6. Beweiswürdigung:
Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, soweit dieses den Feststellungen (siehe unten oben Punkt 1.5.) nicht entgegentritt, und den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung.
2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
2.1. Bundesabgabenordnung (BAO):
§ 1. ( 1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.
§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …
§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
§ 254. Durch Einbringung einer Bescheidbeschwerde wird die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten.
§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
2.2. NÖ Kanalgesetz 1977, LGBl. 8230-9:
Begriffe
§ 1a. Im Sinne dieses Gesetzes gelten als:
…
6. Geschoßfläche: die sich aus den äußersten Begrenzungen jedes Geschoßes ergebende Fläche. (…)
7. Gebäudeteil: ein Gebäudeteil ist ein vom übrigen Gebäude durch eine bis zu seiner obersten Decke durchgehende Wand getrennter Teil mit einer Nutzung als Garage, als gewerblicher oder industrieller Lager- oder Ausstellungsraum oder mit einer Nutzung für land- und forstwirtschaftliche Zwecke. Räume innerhalb eines Gebäudeteils gelten auch dann als eigener Gebäudeteil, wenn bis zur obersten Decke durchgehende Wände nicht vorhanden sind.
§ 5. (1) Für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage ist eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat.
(2) Die Kanalbenützungsgebühr errechnet sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche und dem Einheitssatz zuzüglich eines schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles. Dieser wird nur dann berücksichtigt, wenn die eingebrachte Schmutzfracht den Grenzwert von 100 Berechnungs-EGW überschreitet. Werden von einer Liegenschaft in das Kanalsystem Schmutzwässer und Niederschlagswässer eingeleitet, so gelangt in diesem Fall ein um 10 % erhöhter Einheitssatz zur Anwendung.
(3) Die Berechnungsfläche ergibt sich aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen. Die Geschoßfläche angeschlossener Kellergeschoße und nicht angeschlossener Gebäudeteile wird nicht berücksichtigt. Angeschlossene Kellergeschoße werden jedoch dann berücksichtigt, wenn eine gewerbliche Nutzung vorliegt, ausgenommen Lagerräume, die mit einem Unternehmen im selben Gebäude in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Wird die Liegenschaft trotz bestehender Anschlussverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so ist die Berechnungsfläche so zu ermitteln, als ob die Liegenschaft an die Kanalanlage angeschlossen wäre.
§ 12. (3) Die Abgabenschuld für die Kanalbenützungsgebühr entsteht mit dem Monatsersten des Monats, in dem erstmalig die Benützung des Kanals möglich ist oder die Abfuhr der Fäkalien erfolgt. Wird eine Liegenschaft trotz bestehender Anschlußverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so entsteht die Kanalbenützungsgebühr mit dem Monatsersten des Monats in dem der Anschluß an den Kanal möglich ist. Diese Gebühren sind, soferne der Gemeinderat in der Kanalabgabenordnung nichts anderes bestimmt, im vorhinein in vierteljährlichen Teilzahlungen, und zwar jeweils bis zum 15. Jänner, 15. April, 15. Juli und 15. Oktober, zu entrichten.
§ 14. (1) Den Abgabepflichtigen ist die Abgabenschuld mit Abgabenbescheid vorzuschreiben. Durch je einen besonderen Abgabenbescheid sind vorzuschreiben:
a) die Kanaleinmündungsabgaben, Ergänzungsabgaben und Sonderabgaben (§§ 2 und 4);
b) die Kanalbenützungsgebühren und die Fäkalienabfuhrgebühren (§§ 5 und 8);
c) Änderungen der im Abgabenbescheid nach lit.b festgesetzten Gebühren;
d) die Kosten für die Behebung von Kanalverstopfungen (§ 17 Abs. 5) und der Behebung von Schäden auf fremden Liegenschaften (§ 18 Abs. 1).
(2) Der Abgabenbescheid hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung als Abgabenbescheid;
b) den Grund der Ausstellung;
c) bei der Fäkalienabfuhr die Zahl der jährlichen Einsammlungen;
d) die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe;
e) den Fälligkeitstermin, im Falle des Abs. 1 lit.b und c die Fälligkeitstermine und die Höhe der jeweiligen Teilbeträge;
f) die Rechtsmittelbelehrung und
g) den Tag der Ausfertigung.
(3) Die in der Abgabenentscheidung festgesetzte Kanalbenützungsgebühr oder Fäkalienabfuhrgebühr ist so lange zu entrichten, solange nicht ein neuer Abgabenbescheid ergeht.
(4) Der Abgabenbescheid nach Abs. 1 lit.c ist insbesondere auf Grund einer im § 13 Abs. 1 genannten Veränderung, ferner bei Änderung der Einheitssätze, bei der Fäkalienabfuhr auch bei Änderung des Einsammlungsplanes zu erlassen.
2.3. Kanalabgabenordnung der Marktgemeinde *** idF vom 5. Dezember 2018 (gültig ab 1. Jänner 2019):
§ 4 Kanalbenützungsgebühren für Schmutzwasser- und Regenwasserkanal (Trennsystem)
(1) Die Kanalbenützungsgebühren sind nach den Bestimmungen des § 5 des NÖ
Kanalgesetzes 1977 zu berechnen.
(2) Der Einheitssatz für die Berechnung der laufenden Gebühren für die Benutzung der öffentlichen Kanalanlage wird beim Schmutz- und Regenwasserkanal (Trennsystem) mit € 2,32 festgesetzt.
Werden von einer Liegenschaft in das Kanalsystem Schmutzwässer und Niederschlagswässer eingeleitet, so gelangt in diesem Fall ein um 10 % erhöhter Einheitssatz zur Anwendung.
2.4. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG:
§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:
1. Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;
2. Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;
3. Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.
(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden. …
(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
3. Würdigung:
3.1. Zu Spruchpunkt 1:
Die Beschwerde ist teilweise begründet.
3.1.1.
In der Sache selbst ist eingangs festzuhalten, dass die von den Abgabenbehörden der mitbeteiligten Gemeinde der Abgabenfestsetzung zugrunde gelegten Berechnungsflächen, die auf dem im Akt aufliegenden Bauplan vom 30. Juni 1965 beruhen, dem Grunde nach außer Streit stehen. Genauso unstrittig ist der Umstand, dass das auf der streitgegenständlichen Liegenschaft errichtete Objekt mit dem Erdgeschoß an den Ortskanal angeschlossen ist.
Das Beschwerdevorbringen lässt sich somit auf die Frage reduzieren, ob näher bezeichnete Räume (Garage, Kegelstube und Kegelbahn) bei der Ermittlung der Berechnungsfläche zu berücksichtigen sind.
3.1.2.
Nach § 4 Abs. 1 der von den Verwaltungsbehörden (und dem erkennenden Gericht) anzuwendenden BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Angesichts der Komplexität der Sachlage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass aus der rechtlichen Konstruktion der Abgabenschuldverhältnisse folgt, dass dieses bereits mit Verwirklichung eines gesetzlich normierten Abgabentatbestandes entsteht. Der Abgabenbescheid ist seinen wesentlichen Merkmalen nach lediglich feststellender Natur. Er bringt den Abgabenanspruch nicht zum Entstehen, sondern stellt den aus dem Gesetz erwachsenden Anspruch lediglich fest (vgl. VwGH 94/17/0419). Daraus ergibt sich, dass die Abgabenbehörde die Abgabe festzusetzen hat, sobald der Abgabenanspruch entstanden ist. Da sich der Abgabenanspruch der Gemeinde aus der Sicht des Abgabepflichtigen als Abgabenschuld darstellt, ist die Abgabenfestsetzung zulässig, sobald die Abgabenschuld entstanden ist.
3.1.3.
Gegenstand des angefochtenen Bescheids ist die Festsetzung der Kanalbenützungsgebühr. Dem in § 5 Abs. 1 NÖ Kanalgesetz 1977 normierten Abgabentatbestand zufolge ist für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat. Die Einhebung von Kanalbenützungsgebühren durch die beteiligte Marktgemeinde ergibt sich vorliegenden Falls aus § 5 Abs. 2 der vom Gemeinderat der Marktgemeinde *** erlassenen Kanalabgabenordnung idF vom 1. Jänner 2019. Aus § 4 Abs. 2 der Kanalabgabenordnung ergibt sich ferner der Einheitssatz von € 2,32, der Abgabenfestsetzung gemäß § 5 Abs. 2 erster Satz NÖ Kanalgesetz 1977 zu Grunde zu legen ist. In diesem Zusammenhang ist ferner darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Festsetzung von Abgaben nach dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften jene Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, die zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes gegolten hat (vgl. VwGH 2005/17/0055 und VwGH 2005/17/0168). Diesen Überlegungen folgt, dass infolge der Erhöhung des Einheitssatzes mit Wirkung ab 1. Jänner 2019 ebenso auf dieser Basis ein neuer Abgabenbescheid (ebenfalls mit Wirkung ab 1. Jänner 2019) zu erlassen war. Die Erlassung des Abgabenbescheides vom 14. Jänner 2019 (mit Wirkung ab 1. Jänner 2019) erfolgte somit grundsätzlich zu Recht.
3.1.4. Zur Frage der „Nachverrechnung/Rückforderung“:
Bei dem der (infolge der Erhöhung der Einheitssätze betreffend die Kanalbenützungsgebühr) neuen Abgabenvorschreibung zu Grunde liegenden Abgabenverfahren handelt es sich um ein Abgabenverfahren, das von den vorangegangenen Abgabenvorschreibungen zu Grunde liegenden Abgabenverfahren unabhängig ist, weshalb es der Abgabenbehörde auch frei stand, bei der beschwerdegegenständlichen Abgabenbemessung von ihrer geänderten rechtlichen Beurteilung des Erdgeschoßes auszugehen und dieses neu zu bewerten (vgl. VwGH 2010/17/0105 und VwGH 2010/17/0234). Umgekehrt stünde es im Falle der Erlassung eines neuen Kanalbenützungsgebührenbescheides auch der Abgabepflichtigen frei, den neuen abgeänderten Bescheid in jeder Richtung (z.B. hinsichtlich Abgabepflicht, Bemessungsgrundlage) zu bekämpfen, selbst wenn dieser Bescheid die Kanalbenützungsgebühr ausschließlich in Bezug auf den geänderten Einheitssatz neu festgesetzt hat (vgl. VwGH 1107/72). Vor diesem Hintergrund ist die geänderte Abgabenvorschreibung mit Wirkung ab dem 1. Jänner dem Grunde nach 2019 nicht zu beanstanden. Die von der Beschwerdeführerin geforderte Nachforderung/Rückverrechnung scheidet somit aus.
3.1.5. Zur Neuberechnung:
Im Lichte der Bestimmungen des § 1a NÖ Kanalgesetz 1977 ist die bebaute Fläche durch die äußerste Begrenzung des Grundrisses des über das Gelände hinausreichenden Teils einer Baulichkeit definiert (vgl. VwGH 98/17/0221). Daraus folgt, dass die im Plan als „gedeckte Terrasse“ bezeichnete Fläche mit einem Ausmaß von 29,80 m² (4,40 m x 4,50 m) bei der Ermittlung der Berechnungsfläche nicht zu berücksichtigen ist. Die im Plan ausgeführte gesamte bebaute Fläche von 332,70 m² ist somit um 29,80 m² auf 312,90 m² zu reduzieren.
Für die Qualifikation eines Gebäudeteiles im Sinne des § 1a Z 7 NÖ Kanalgesetz 1977 maßgeblich ist zunächst die bauliche Gestaltung. Dafür ist eine bestimmte bauliche Trennung des Gebäudeteils erforderlich. Als ein Kriterium für die Qualifikation eines Gebäudeteiles im Sinne des § 1a Z 7 NÖ Kanalgesetz 1977 maßgeblich ist eine Nutzung als Garage, als gewerblicher oder industrieller Lager- oder Ausstellungsraum oder mit einer Nutzung für land- und forstwirtschaftliche Zwecke. Bei den genannten Nutzungsarten handelt es sich um eine taxative Aufzählung (vgl. VwGH 2002/17/0276). Im konkreten Fall kommt ist eine Garage vorhanden, die durch eine Türe mit einem im Plan als „Schleuse“ bezeichneten Raum verbunden. Ein Gebäudeteil iSd NÖ Kanalgesetzes 1977 muss - neben der Nutzung - vom übrigen Gebäude durch eine bis zu seiner obersten Decke durchgehende Wand getrennt sein. Der Beurteilung einer Wand als "durchgehend" steht entgegen, wenn diese an einzelnen Stellen Öffnungen (Durchgänge, z.B. Türen, Fenster) aufweist. Wie der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat (vgl. VwGH 99/17/0262 und VwGH 2002/17/0048), kann schon im Hinblick auf das - unbestrittene - Vorhandensein von Durchbrüchen in den Verbindungswänden zwischen Garage und Wohngebäude nicht mehr vom Vorliegen einer durchgehenden Wand gesprochen werden (vgl. auch VwGH 2003/17/0224). Diesen Überlegungen folgt, dass die Fläche der Garage bei der Ermittlung der Berechnungsfläche zu berücksichtigen ist.
Was den Bereich von Kegelstube und Bohlenbahn betrifft, so weist zum einen die Kegelstube ein WC und einen Waschraum – somit Anschlüsse an die Kanalanlage – auf. Zum anderen gibt es zwischen Kegelstube und Bohlenbahn keine bauliche Trennung – die gemeinsame Nutzung dieser Räume ist ja ausdrücklich beabsichtigt. Daraus folgt, dass diese beiden Räume bei der Ermittlung der Berechnungsfläche zu berücksichtigen sind (zu diesem Ergebnis käme man auch dann, wenn man bei der Bohlenbahn von einer Nutzung als gewerblicher Ausstellungsraum ausginge).
3.1.6.
Diesen Überlegungen folgt, dass die Berechnungsfläche für das mit einem Geschoß angeschlossene Gebäude mit 312,90 m² festzusetzen ist.
In der Folge war daher – auf Basis des mit einem Geschoß im Ausmaß von 312,90 m² angeschlossenen Gebäudes – eine Neuberechnung der zu entrichtenden Kanalbenützungsgebühr vorzunehmen.
Die jährlich zu entrichtende Kanalbenützungsgebühr - unter Zugrundelegung einer Berechnungsfläche von 312,90 m² und eines Einheitssatzes von € 2,32 - beträgt sohin € 725,93. Zuzüglich Umsatzsteuer ist somit ein Gesamtjahresbetrag von € 798,52 zu entrichten.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt 2 - Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Hinblick auf die obigen Ausführungen (siehe 3.1.) liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
Schlagworte
Finanzrecht; Kanalbenützungsgebühr; Gebäudeteil; Abgabenbescheid; Abgabenanspruch;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.417.001.2019Zuletzt aktualisiert am
15.07.2019