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L55007 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Tirol;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Toifl, über die Beschwerde des A in Lienz, vertreten durch Dr. Reinhard Kraler, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Johannesplatz 4, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 27. August 1998, Zl. U-12.889/23, betreffend naturschutzrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 9. August 1995 wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers auf naturschutzrechtliche Bewilligung der Errichtung eines Forst- und Almweges auf näher bezeichneten Flächen nach den §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 lit. k, 27 Abs. 1 und 40 Abs. 1 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1991 abgewiesen.
Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 2. Oktober 1996 als unbegründet abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der den Bescheid mit Erkenntnis vom 26. Jänner 1998, Zl. 98/10/0028, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufhob, weil der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 5. Dezember 1997, G 21/97 u.a., ausgesprochen hatte, daß das Tiroler Naturschutzgesetz 1991, LGBl. Nr. 29, verfassungswidrig war und es sich im Gegenstand um einen Anlaßfall im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG handelte.
Im fortgesetzten Verfahren versagte die Tiroler Landesregierung dem Beschwerdeführer auf Grund seiner Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 9. August 1995 mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. August 1998 neuerlich die beantragte naturschutzrechtliche Bewilligung, wobei sie sich - nach dessen Begründung - auf die §§ 3 Abs. 2, 6 lit. d und 27 Abs. 1 und 6 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1997, LGBl. Nr. 33, stützte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der erstinstanzliche Bescheid vom 9. August 1995 beruhte auf dem Tiroler Naturschutzgesetz 1991. Mit Erkenntnis vom 5. Dezember 1997, G 21/97, u.a. hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß dieses Gesetz verfassungswidrig war. Nach Art. 140 Abs. 7 B-VG sind, wenn ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden ist oder der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen hat, daß ein Gesetz verfassungswidrig war, alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht.
Durch den Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes wurde für den Anlaßfall (rückwirkend) das Tiroler Naturschutzgesetz 1991 aus der Rechtsordnung eliminiert. Die belangte Behörde hatte daher bei ihrer Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers das Tiroler Naturschutzgesetz 1991 nicht mehr anzuwenden. Sie hätte daher richtigerweise den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos beheben müssen. Hat der Verfassungsgerichtshof nämlich ausgesprochen, daß das Gesetz, auf das sich der Bescheid der unterinstanzlichen Behörde stützt, nicht mehr anzuwenden ist, so kann die Entscheidung der Berufungsbehörde nur in einer ersatzlosen Behebung des erstinstanzlichen Bescheides bestehen. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß mit 1. Juni 1997 - also noch vor Erlassung des angefochtenen Bescheides - das Tiroler Naturschutzgesetz 1997 in Kraft getreten ist. Dieses enthält keine rückwirkenden Bestimmungen und konnte daher dem Bescheid der BH vom 9. August 1995 die ihm durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1997 entzogene Zuständigkeitsgrundlage nicht wieder verschaffen, weil für die Zuständigkeit einer Behörde die Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides maßgeblich ist (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1998, Zl. 98/10/0147).
Die belangte Behörde hat, indem sie statt mit einer ersatzlosen Behebung des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 66 Abs. 4 AVG vorzugehen, dem Beschwerdeführer die beantragte naturschutzrechtliche Bewilligung versagt hat, ihre Ermächtigung zur Sachentscheidung im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG überschritten. Der solcherart mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastete angefochtene Bescheid war daher - ohne auf das Beschwerdevorbringen weiter einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 18. Jänner 1999
Schlagworte
Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Inhalt der Berufungsentscheidung Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998100371.X00Im RIS seit
20.11.2000