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60/03 Kollektives Arbeitsrecht;Norm
ArbVG §22;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des S. Altenhilfswerks in G, vertreten durch Dr. Kurt Klein, Dr. Paul Wuntschek und Dr. Berit Mayerbrucker, Rechtsanwälte in Graz, Grazbachgasse 39/III, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 29. Jänner 1997, Zl. 5-s26n27/3-96, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Steiermärkische Gebietskrankenkasse, Graz, Josef-Pongratz-Platz 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 25. Juli 1996 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die beschwerdeführende Partei - ein als Verein eingerichtetes Altenhilfswerk - zur Nachentrichtung von insgesamt S 298.835,81 an allgemeinen Beiträgen, Nebenumlagen, Sonderbeiträgen und Zuschlägen für bestimmte in Beilagen zum Bescheid näher bezeichnete Dienstnehmer und Zeiten. Dieser Bescheid gründete sich im wesentlichen darauf, daß für die Beurteilung der Entgeltsansprüche der Dienstnehmer der Mindestlohntarif für Hausgehilfen und Hausangestellte, der einen eigenen Anknüpfungspunkt für Altenhelfer enthalte, maßgebend sei.
Dem von der beschwerdeführenden Partei gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid nicht Folge.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde und Erstattung einer Gegenschrift durch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Gemäß § 44 Abs. 1 erster Satz ASVG ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge für Pflichtversicherte der im Beitragszeitraum gebührende Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2 ASVG. Als Arbeitsverdienst in diesem Sinne gilt bei pflichtversicherten Dienstnehmern und Lehrlingen das Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6 ASVG.
Gemäß § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr-)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus aufgrund des Dienst(Lehr-)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.
Demnach ist für die Bemessung der allgemeinen Beiträge nicht lediglich das im Beitragszeitraum an den pflichtversicherten Dienstnehmer (Lehrling) tatsächlich gezahlte Entgelt (die Geld- und Sachbezüge) maßgebend, sondern, wenn es das tatsächlich gezahlte Entgelt übersteigt, jenes Entgelt, auf dessen Bezahlung bei Fälligkeit des Beitrages ein Rechtsanspruch des pflichtversicherten Dienstnehmers (Lehrlings) bestand. Ob ein Anspruch auf einen Geld- oder Sachbezug besteht, ist nach zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Grundsätzen zu beurteilen. Danach haben Dienstnehmer, für die ein Mindestlohntarif im Sinne der §§ 22 ff ArbVG gilt, jedenfalls Anspruch auf das in diesem Mindestlohntarif festgesetzte Mindestentgelt. Sondervereinbarungen (Betriebsvereinbarung, Arbeitsvertrag) sind nach § 24 Abs. 2 ArbVG nur gültig, soweit sie für den Arbeitnehmer günstiger sind oder Ansprüche betreffen, die im Mindestlohntarif nicht geregelt sind.
Im vorliegenden Fall tritt die beschwerdeführende Partei der angefochtenen Entscheidung ausschließlich mit dem Argument entgegen, der von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse und der belangten Behörde zur Beurteilung der Entgeltsansprüche herangezogene Mindestlohntarif sei auf die Dienstnehmer der beschwerdeführenden Partei nicht anwendbar. Dieser Standpunkt wird in der Beschwerde wie folgt begründet:
"Die Dienstnehmer des Beschwerdeführers führen in den Räumlichkeiten des Beschwerdeführers keine Tätigkeiten aus.
§ 1 Abs. a lit. bb des Mindestlohntarifes für im Haushalt Beschäftigte führt aus, daß der Anwendungsbereich dann gegeben ist, wenn einschlägige Arbeiten im Sinne des HGHAG verrichtet werden bzw. im Auftrag von Arbeitgebern derartige Arbeiten bei dritten Personen in privaten Haushalten verrichten.
Der überwiegende Teil der von den Dienstnehmern des Beschwerdeführers ausgeführten Arbeiten wird nicht in privaten Haushalten durchgeführt, sondern in Betreuungseinrichtungen diverser Gemeinden. Aus diesem Grund erfolgte die Entlohnung der Dienstnehmer des Beschwerdeführers in Anlehnung an das Lohnschema der Vertragsbediensteten der Gemeindebediensteten des Landes Steiermark.
Bei den in Einrichtungen der Gemeinden durchgeführten Betreuungstätigkeiten handelt es sich um keine im Auftrag des Arbeitgebers verrichtete einschlägige Arbeiten in privaten Haushalten weshalb die Dienstverhältnisse nicht nach dem Mindestlohntarif für im Haushalt Beschäftigte."
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist danach nur strittig, ob die von den Dienstnehmern der beschwerdeführenden Partei in deren Auftrag bei dritten Personen verrichteten Arbeiten auch insoweit "in privaten Haushalten" verrichtet wurden, als dies "in Betreuungseinrichtungen diverser Gemeinden" erfolgte. Zu diesem Thema hielt die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei im Verwaltungsverfahren folgende Behauptungen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vor:
"Wenn der Einspruchswerber weiter einwendet, daß die Beschäftigung der genannten Dienstnehmer nur teilweise in privaten Haushalten, zum überwiegenden Teil jedoch in Einrichtungen der Gemeinden erfolge, das Erfordernis von Arbeiten in 'privaten' Haushalten somit nicht erfüllt sei, so kann dem entgegengehalten werden, daß auch die Betreuungstätigkeit der genannten Dienstnehmer in Einrichtungen der Gemeinden - der Einspruchswerber spricht damit offensichtlich den Umstand an, daß Betreuungstätigkeiten nicht nur für alte Menschen in ihren eigenen Wohnungen, sondern auch für jene in Wohn- und Pflegeheimen vorgenommen werden - unter dem Aspekt, daß die zu betreuenden Personen ihren Haushalt nunmehr in ein Wohn- und Pflegeheim verlegt haben, in einem 'privaten' Haushalt erfolgt."
Auf diesen Vorhalt reagierte die beschwerdeführende Partei im Verwaltungsverfahren nicht. Die belangte Behörde konnte daher nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes davon ausgehen, die von den Altenhelfern der beschwerdeführenden Partei verrichteten Arbeiten hätten insoweit, als sie in Einrichtungen der Gemeinden vorgenommen wurden, der Betreuung von Personen gedient, die "ihren Haushalt in ein Wohn- und Pflegeheim verlegt" hatten. Mit einer nachträglichen Bestreitung dieser weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht unschlüssigen Annahme würde die beschwerdeführende Partei gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG geltende Neuerungsverbot verstoßen. Die bloße Behauptung, der "überwiegende Teil" der Tätigkeiten sei "in Betreuungseinrichtungen diverser Gemeinden" entfaltet worden, zeigt aber ohnehin nicht auf, daß dies aufgrund der konkreten Gestaltung der jeweiligen Unterbringungen nicht in Haushalten geschehen sei, welche die zu betreuenden Personen in diesen Einrichtungen geführt hätten.
Daß die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse und die belangte Behörde unter der Voraussetzung, daß die Arbeiten in Haushalten der zu betreuenden Personen verrichtet wurden, den der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Mindestlohntarif anzuwenden hatten, versucht die beschwerdeführende Partei nicht in Zweifel zu ziehen. Gegenteiliges ist - auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen - auch für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das auf den Ersatz von Schriftsatzaufwand gerichtete Kostenbegehren der nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen mitbeteiligten Partei war abzuweisen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 26. Jänner 1998, Zl. 94/17/0385).
Wien, am 19. Jänner 1999
Schlagworte
Entgelt Begriff AnspruchslohnSondervereinbarungMindestlohnEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997080095.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
31.03.2009