TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/17 W163 2149438-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.04.2019
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Entscheidungsdatum

17.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AVG §68
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch

W163 2149438-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Daniel LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.04.2019, Zahl XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 68 Abs 1 AVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

I.1. Erstes Verfahren

1.1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein indischer Staatsangehöriger aus dem Bundesstaat Punjab, Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Sikhs und ledig, reiste nach seinen Angaben irregulär und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 28.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

1.1.2. In seiner Erstbefragung am 29.03.2016 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion (PI) Schwechat, gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Punjabi im Wesentlichen zum Fluchtgrund befragt an, er hätte eine Beziehung zur Tochter des Nachbarn gehabt und als die Familie des Mädchens davon erfahren habe, sei er von dieser Familie bedroht worden, weil sie sich in ihrer Ehe verletzt gesehen hätte.

1.1.3. Der BF wurde am 31.01.2017 vor dem Bundesasylamt (in der Folge BAA), Außenstelle Traiskirchen, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Punjabi einvernommen. Der BF wiederholte seine Angaben zum Fluchtgrund im Wesentlichen. Er gab ergänzend an, dass der Vater des Mädchens seinem Vater gesagt hätte, er werde den BF umbringen, woraufhin der Vater des BF die Ausreise organisiert habe.

1.2.4. Mit Bescheid vom 09.02.2017 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 28.03.2016 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status einer Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor. Er habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht, und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des BF sowie gegen eine Ausweisung des BF nach Indien. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde, Abschiebungshindernis läge keines vor.

Das BFA beurteilte das Fluchtvorbringen des BF als vage, unsubstantiiert und widersprüchlich, weshalb er keine Glaubwürdigkeit erlangen hätte können. Weiters lägen beim BF keine individuellen Umstände vor, die dafür sprächen, dass er bei einer Rückkehr nach Indien in eine extreme Notlage gerate, die eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen würde.

1.1.5. Mit Erkenntnis vom 15.05.2017, Zahl W191 XXXX , wies das BVwG die verspätet eingebrachte Beschwerde als unzulässig zurück.

I.2. Beschwerdegegenständliches Zweitverfahren

1.2.1. Am 30.04.2018 stellte der BF den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005.

1.2.2. In seiner Erstbefragung am 20.03.2019 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, verneinte der BF die konkrete Frage, ob er nach Abschluss des ersten Asylverfahrens Österreich verlassen habe. Zu den Gründen der neuerlichen Antragstellung befragt gab der BF zusammengefasst an, dass es nach wie vor Auseinandersetzungen mit jener Familie, mit deren Tochter der BF ein Liebesverhältnis gehabt hätte, gebe. Ein Bruder dieses Mädchens und der Vater des BF hätten sich bei der Wahl als Kandidaten aufstellen lassen und es sei zu einer Losentscheidung wegen Stimmengleichheit gekommen, die zugunsten des Vaters des BF ausgefallen wäre. Vor einigen Tagen hätte es einen Anschlag auf das Haus des BF gegeben, Fenster seien zerstört und Familienmitglieder verletzt worden. Es sei eine Anzeige wegen Körperverletzung gegen Familienmitglieder des BF und auch ihn erstattet worden, der Vater sei inhaftiert worden und der Bruder des BF sei nach Dubai geflohen. Der Vater des BF habe sogar geschossen, er sei ein "angry man". Wenn der BF zurückkehre werde entweder seine Familie ihn umbringen, weil der Vater des BF ihm die Schuld gebe oder die gegnerische Familie werde den BF umbringen. Beweise für die Vorfälle gebe es auf "Youtube" und über den Vorfall sei in den Nachrichten berichtet worden.

1.2.3. Bei der Einvernahme vor dem BFA am 01.04.2019 wiederholte der BF die Angaben in der Erstbefragung. Der BF verwies zudem auf einen Zeitungsbericht, den er auf dem Smartphone abgespeichert hätte und aus dem sich ergebe, dass im Rahmen des Streits, der am 15. oder 16. Jänner 2019 stattgefunden habe, auch Anzeige gegen ihn erstattet worden wäre. Sein Name sei in diesem Artikel erwähnt worden, weshalb er im Falle der Rückkehr verhaftet werde. Im Rahmen der Einvernahme wurde der vom BF angesprochene Film gesichtet und der Inhalt protokolliert.

Aus der Protokollierung ergibt sich zusammengefasst zum Inhalt des Videos, dass über einen Streit zwischen zwei Familien und polizeiliche Ermittlungen berichtet wird. Nach der Wahl zum Dorfvorsteher sei das Haus des Vaters des BF angegriffen und beschädigt worden. Der Hausbesitzer (der Vater des BF) habe zur Abwehr des Angriffes Schüsse abgegeben, verletzt worden wären der Vater des BF sowie Gegner.

Zudem wurde protokolliert, dass der BF einen Zeitungsbericht (auf seinem Smartphone) vorwies und dazu ausführte, dass gegen alle eine Anzeige erstattet worden wäre und auch sein Name in diesem Zeitungsbericht erwähnt worden wäre. Eine Übersetzung des Zeitungsberichts sei nicht erfolgt.

1.2.4. Mit dem im Spruch genannten Bescheid, zugestellt am 03.04.2019, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I. und II.). Dem BF wurde gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgeführt, dass gem. § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Das BFA stellte im Wesentlichen fest, dass nicht festgestellt worden konnte, dass der BF einer konkreten Gefährdung oder Bedrohung in Indien ausgesetzt sei oder eine solche im Falle der Rückkehr zu befürchten hätte. Der BF hätte keinen nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens neu entstandenen und asylrelevanten Sachverhalt vorgebracht. Das Vorbringen werde als Ergänzung zu den Fluchtgründen im Erstverfahren gesehen und auch unter der Annahme, dass es sich bei den Personen im Video tatsächlich um die Familie des BF und die gegnerische Familie handle, gehe eindeutig hervor, dass die Polizei im diesem Falle ermittle und sich der indische Staat damit als schutzfähig und auch schutzwillig zeige.

1.2.5. Gegen den oben genannten Bescheid des BFA richtet sich die fristgerecht beim BFA eingebrachte und mit 11.04.2019 datiere Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

1.2.6. Die Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG am 15.04.2019 vom BFA vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht stellt den Verfahrensgang fest, wie er unter Punkt I. wiedergegeben ist.

Insbesondere stellt das Bundesverwaltungsgericht dazu fest, dass der in der Sache erledigte - erste - Antrag auf internationalen Schutz des BF damit begründet wurde, dass der BF wegen einer Beziehung zu einem Mädchen durch deren Familie eine Verfolgung befürchtete. Mit in Rechtskraft erwachsendem Bescheid des BFA vom 09.02.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz für den Status eines Asylsowie subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen.

Insbesondere stellt das Bundesverwaltungsgericht zum Verfahrensgang schließlich fest, dass der hier maßgebliche Antrag auf internationalen Schutz nunmehr zu einem erheblichen Teil auf ein Vorbringen von Verfolgungshandlungen gestützt wurde, welche sich nach Abschluss des ersten Verfahrens ereignet hätten, weshalb die Auffassung der belangten Behörde, der BF hätte keinen nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens neu entstandenen und asylrelevanten Sachverhalt vorgebracht, nicht mit der Aktenlage in Übereinstimmung zu bringen ist.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass einige Aspekte des Vorbringens (drohende Verfolgung wiederum durch dieselbe Familie) auch Elemente des ersten Verfahrensganges darstellen, doch stützt sich das neue Vorbringen zu einem nicht unerheblichen Teil auf ein neues Vorbringen in Bezug auf nunmehr gegen den BF und die Familie des BF gerichtete Verfolgungshandlungen im Zusammenhang mit der Wahl des Vaters zum Dorfvorsteher. In Hinblick auf die vorgelegten Beweismittel ("Youtube" Video und Zeitungsbericht) kann nicht gesagt werden, dass das neue Vorbringen bereits prima vista völlig unglaubwürdig ist und keinen glaubhaften Kern aufweist.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte sowie unter Pkt. II. festgestellte Verfahrensgang ergibt sich aus den unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalten der Verwaltungsakten des Bundesasylamts bzw. des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und aus den Gerichtsakten des Asylgerichtshofes sowie des Bundesverwaltungsgerichtes.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber der Vorentscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides bzw. -erkenntnisses entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN).

Infolge des in § 17 VwGVG normierten Ausschlusses der Anwendbarkeit des 4. Hauptstücks des AVG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, welcher auch die in § 68 Abs. 1 AVG normierte Zurückweisung wegen entschiedener Sache umfasst, kommt eine unmittelbare Zurückweisung einer Angelegenheit aufgrund der genannten Bestimmung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht in Betracht. Davon unberührt bleibt, dass das Verwaltungsgericht im Verfahren über Bescheidbeschwerden zur Überprüfung der rechtmäßigen Anwendung von § 68 AVG in Bescheiden durch die Verwaltungsbehörde berufen ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K10.; vgl. auch VfSlg. 19.882/2014). Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG ist somit zunächst die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht die neuerlichen Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

In Beschwerdeverfahren über zurückweisende Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG ist "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags auf internationalen Schutz durch die erstinstanzliche Behörde gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgt ist, ob die Behörde also auf Grundlage des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht davon ausgegangen ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen vorangegangenen Verfahren auf internationalen Schutz keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist.

Gelangt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Behörde nicht von entschiedener Sache hätte ausgehen dürfen, sondern aufgrund des Vorliegens neuer Sachverhaltselemente eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz hätte durchführen müssen, hat es den zurückweisenden Bescheid auf Grundlage des für zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren anzuwendenden § 21 Abs. 3 BFA-VG zu beheben, wodurch das Verfahren vor der Behörde zugelassen ist und eine neuerliche Zurückweisung des Antrages gemäß § 68 AVG unzulässig wird. Hingegen ist dem Bundesverwaltungsgericht ein inhaltlicher Abspruch über den zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz in einem Beschwerdeverfahren über einen zurückweisenden Bescheid nach § 68 AVG verwehrt, weil diesfalls die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten würde (vgl. Filzwieser/Frank/ Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K11., K17.).

Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage stützen dürfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhalts nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können im Rechtsmittelverfahren nicht neu geltend gemacht werden (s. zB VwSlg. 5642A; VwGH 23.05.1995, 94/04/0081; zur Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. VwSlg. 12799 A). Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, 99/01/0400; 07.06.2000, 99/01/0321).

Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, 92/12/0127; 23.11.1993, 91/04/0205; 26.04.1994, 93/08/0212; 30.01.1995, 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, 83/07/0274; 21.02.1991, 90/09/0162; 10.06.1991, 89/10/0078; 04.08.1992, 88/12/0169; 18.03.1994, 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A, VwGH 05.05.1960, 1202/58; 03.12.1990, 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung - obgleich auch diese Möglichkeit besteht - nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung hat zumindest einen "glaubhaften Kern" aufzuweisen, dem Asylrelevanz zukommt (VwGH 21.3.2006, 2006/01/0028, sowie VwGH 18.6.2014, Ra 2014/01/0029, mwN). Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH vom 24.6.2014, Ra 2014/19/0018, mwN).

Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. in Bezug auf mehrere Folgeanträge VwGH 26.07.2005, 2005/20/0226, mwN). Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls feststellbar - zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des BF (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen. (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; vgl. auch VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684; 19.02.2009, 2008/01/0344).

Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).

Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U 1533/10; VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344 mwN).

3.2. Zum hier maßgeblichen Antrag auf internationalen Schutz bringt der BF im Wesentlichen vor, seine Familie sei im Zusammenhang mit der Wahl zum Bezirksvorsteher Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen und dies würde im Falle der Rückkehr auch ihn als dieser Familie zugehörig treffen.

Somit stützt der BF seinen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz auf erhebliche Umstände, die sich erst nach Eintritt der Rechtskraft der genannten abweisenden Entscheidung des BFA zugetragen haben sollen. Dass dieses Vorbringen zumindest prima vista nicht als völlig unglaubwürdig erachtet werden kann, wurde bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt.

Schließlich ist es für dieses Vorbringen - sollte es als glaubhaft gemacht festgestellt werden können - nicht von vornherein völlig ausgeschlossen, zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zu führen.

Daher ging das Bundesamt nicht zu Recht davon aus, dass für das zu seinem Folgeantrag auf internationalen Schutz erstattete Vorbringen des BF eine entschiedene Sache vorliege. Der Antrag wäre mithin nicht wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, sondern in der Sache zu erledigen gewesen.

Deswegen sind die Spruchpunkt I. und II. (sowie die von Spruchpunkt I. und II. bedingten übrigen Spruchpunkte) des angefochtenen Bescheides mangels Vorliegen entschiedener Sache zu beheben.

Die belangte Behörde wird sich daher in weiterer Folge - ohne dem Ergebnis des Glaubhaftigkeitsprüfung vorzugreifen - im inhaltlichen Verfahren mit dem Vorbringen des BF auseinanderzusetzen zu haben.

Daher ist spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

entschiedene Sache, neu entstandene Tatsache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W163.2149438.2.00

Zuletzt aktualisiert am

15.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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