TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/29 W250 2214366-2

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Veröffentlicht am 29.05.2019
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Entscheidungsdatum

29.05.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W250 2214366-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein Staatsangehöriger Nigerias, reiste mit einem von 23.10.2016 bis 15.11.2016 gültigen Touristenvisum in den Schengenraum ein und stellte am 30.10.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 11.09.2017 vollinhaltlich abgewiesen. Gleichzeitig wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung getroffen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.07.2018 als unbegründet abgewiesen, die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.01.2019 zurückgewiesen.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 02.01.2019 wurde dem BF gemäß § 46 Abs. 2a und 2b Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG die Mitwirkungsverpflichtung zur Erlangung eines Heimreisezertifikates aufgetragen. Dieser Bescheid wurde dem BF am 10.01.2019 durch persönliche Übernahme zugestellt.

3. Am 18.01.2019 wurde der BF von seinem Grundversorgungsquartier abgemeldet.

4. Am 26.01.2019 versuchte der BF auf dem Luftweg unter Gebrauch eines fremden österreichischen Reisepasses nach London auszureisen. Er wurde von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf Grund eines vom Bundesamt am 26.01.2019 erlassenen Festnahmeauftrages festgenommen. Bei seiner Einvernahme durch eine Landespolizeidirektion am 26.01.2019 gab der BF an, dass er bereits drei Mal einen negativen Asylbescheid bekommen habe, er habe Angst bekommen und wolle weiterreisen.

5. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 28.01.2019 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG Fluchtgefahr vorliege. Der BF habe sich bei seiner versuchten Ausreise aus Österreich am 26.01.2019 als österreichischer Staatsbürger ausgegeben um seine nigerianische Identität zu verschleiern und sei nach rechtskräftig negativer Entscheidung über seinen Asylantrag untergetaucht. Gegen den BF bestehe eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, sozial sei er im Bundesgebiet nicht verankert. Die Anordnung der Schubhaft sei verhältnismäßig und könne mit der Anordnung eines gelinderen Mittels nicht das Auslangen gefunden werden.

Dieser Bescheid wurde dem BF am 28.01.2019 durch persönliche Übernahme zugestellt, die Unterschrift zur Bestätigung der Zustellung wurde vom BF verweigert. Gegen diesen Bescheid erhob der BF das Rechtsmittel der Beschwerde.

6. Am 30.01.2019 wurde der BF vom Bundesamt unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Englisch zur Abklärung fremdenpolizeilicher Maßnahmen einvernommen. Dabei gab der BF im Wesentlichen an, dass er gesund sei und keine Medikamente einnehme, in einem Krankenhaus oder in einer sonstigen medizinischen Behandlung habe er sich nicht befunden. Er sei ledig und habe keine Kinder. Identitätsdokumente besitze er nicht. Seinen Wohnsitz in Österreich habe er vor ca. zwei Wochen verlassen, da er zur nigerianischen Botschaft gewollt habe. Nach Nigeria wolle er nicht ausreisen. Er besitze EUR 700,--.

7. Am XXXX wurde der BF einer Delegation der nigerianischen Vertretungsbehörde vorgeführt. Dabei wurde seine nigerianische Staatsangehörigkeit bestätigt und die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugesagt.

8. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.02.2019 wurde die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 28.01.2019 abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft vorliegen. Die Unterschrift zur Bestätigung der Übernahme dieses Erkenntnisses wurde vom BF verweigert.

9. Das Bundesamt führte am 15.03.2019 und am 23.04.2019 Schubhaftprüfungen durch.

10. Das Bundesamt legte am 21.05.2019 den Verwaltungsakt zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft dem Bundesverwaltungsgericht vor. Dazu wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF am 23.04.2019 im Rahmen einer Rückkehrberatung angegeben habe, trotz angebotener freiwilliger Rückkehr nicht rückkehrwillig zu sein. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates sei wiederholt, zuletzt am XXXX sowie am XXXX bei der nigerianischen Vertretungsbehörde urgiert worden. Nach einer Einzelurgenz am XXXX sei das Bundesamt zuversichtlich, am XXXX die Zustimmung zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF zu erhalten.

11. Der Rechtsvertreter des BF teilte am 23.05.2019 im Rahmen des Parteiengehörs mit, dass die Schubhaft mittlerweile unverhältnismäßig lange dauere. Der Ausreiseversuch des BF könne nicht als Fluchtversuch gewertet werden, weshalb mit der Anordnung eines gelinderen Mittels das Auslangen gefunden werden könne. Falls am XXXX kein Heimreisezertifikat für den BF erlangt werden könne, sei davon auszugehen, dass für den BF kein Heimreisezertifikat ausgestellt werde, weshalb er aus der Schubhaft zu entlassen sei.

12. Das Bundesamt teilte am 27.05.2019 mit, dass am XXXX kein Heimreisezertifikat ausgestellt worden sei. Hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass für den BF doch noch ein Heimreisezertifikat erlangt werden kann teilte das Bundesamt ergänzend mit, dass zuletzt am XXXX die Ausstellung eines Heimreisezertifikates urgiert worden sei. Im Rahmen des Vorführungstermines am XXXX seien von der nigerianischen Vertretungsbehörde 20 Heimreisezertifikate überreicht und 10 Zusagen für die Ausstellung von Heimreisezertifikaten erteilt worden, für den BF sei jedoch kein Heimreisezertifikat ausgestellt worden. Auf die Gründe, die zur Nichterteilung für den BF geführt hätten, sei nicht näher eingegangen worden. Da mit der nigerianischen Botschaft generell eine sehr gute Zusammenarbeit bestehe, beim BF sämtliche Verfahren abgeschlossen seien und er von der nigerianischen Delegation bereits als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert worden sei, gehe das Bundesamt weiterhin davon aus, dass für ihn ein Heimreisezertifikat ausgestellt werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang

Der unter I.1. bis I.12. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Der BF ist ein volljähriger Staatsangehöriger Nigerias. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht, er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Der BF ist in Österreich unbescholten.

2.2. Der BF litt vor Anordnung der Schubhaft unter keinen Krankheiten und nahm keine Medikamente ein. Am 04.02.2019 wurde festgestellt, dass der BF an Varizellen (Windpocken) erkrankt ist. In stationärer Behandlung in einem Krankenhaus befand er sich auf Grund dieser Erkrankung nicht, Anhaltspunkte für weitere Erkrankungen des BF liegen nicht vor. Er ist gesund und haftfähig.

2.3. Der BF wird seit 28.01.2019 in Schubhaft angehalten.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

3.1. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 11.09.2017 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung getroffen, die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.07.2018 abgewiesen, die dagegen erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.01.2019 zurückgewiesen. Es liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.2. Der BF tauchte im Bundesgebiet unter, nachdem ihm am 10.01.2019 ein Bescheid des Bundesamtes, mit welchem er zur Mitwirkung an der Erlangung eines Heimreisezertifikates verpflichtet wurde, zugestellt worden ist. Er wurde am 18.01.2019 von seinem Grundversorgungsquartier abgemeldet. Eine neue Zustelladresse gab er dem Bundesamt nicht bekannt, seiner Meldeverpflichtung nach dem Meldegesetz kam er nicht nach.

3.3. Am 26.01.2019 versuchte der BF unter Gebrauch eines fremden österreichischen Reisepasses aus dem Bundesgebiet nach London auszureisen um sich seiner Abschiebung zu entziehen.

3.4. Obwohl der BF mit einem von 22.06.2016 bis 21.06.2021 gültigen nigerianischen Reisepass in den Schengenraum eingereist ist, hat er weder seinen Reisepass den Fremdenbehörden vorgelegt noch hat er die Ausstellung von Identiätsdokumenten bei der nigerianischen Vertretungsbehörde veranlasst.

3.5. Der BF zeigt insofern ein unkooperatives Verhalten, als er die Unterschriften zur Bestätigung der Übernahme des Schubhaftbescheides am 28.01.2019 sowie des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.02.2019 verweigerte. Im Rahmen der Rückkehrberatung gab der BF am 23.04.2019 an, dass er nicht nach Nigeria zurückkehren wolle und verweigerte eine freiwillige Rückkehr.

3.6. In Österreich leben keine Familienangehörigen des BF, er verfügt über kein nennenswertes soziales Netz. Der BF ist ledig und hat keine Kinder.

3.7. Der BF wurde seit seiner Antragstellung vom 23.10.2016 bis 18.01.2019 in der Grundversorgung betreut. Er verfügt über kein Einkommen sowie über kein die Existenz sicherndes Vermögen. Über eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung verfügt er nicht. Der BF verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.

4. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

4.1. Der BF wurde bereits am XXXX der nigerianischen Vertretungsbehörde vorgeführt. Dabei wurde der BF als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert. Die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesamt und der nigerianischen Vertretungsbehörde ist generell sehr gut. Es finden zwei Mal pro Monat Vorführungstermine statt, bei denen im Regelfall die ausgestellten Heimreisezertifikate gesammelt von der nigerianischen Vertretungsbehörde überreicht werden. Da beim BF bereits sämtliche Verfahren abgeschlossen sind und er als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert wurde, ist weiterhin damit zu rechnen, dass für ihn ein Heimreisezertifikat ausgestellt wird.

4.2. Das Bundesamt ist seiner Verpflichtung, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, nachgekommen, da der BF bereits am XXXX der nigerianischen Vertretungsbehörde vorgeführt wurde und die Ausstellung eines Heimreisezertifikates regelmäßig, zuletzt am XXXX , XXXX sowie am XXXX urgiert wurde.

4.3. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit 28.01.2019 hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes, den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren sowie die Schubhaftbeschwerde des BF betreffend und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Bundesamtes, dem vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes und dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren des BF betreffend.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Die Identität des BF steht insofern fest, als für ihn von der Vertretungsbehörde Griechenlands in Abuja ein von 23.10.2016 bis 15.11.2016 gültiges Touristenvisum ausgestellt wurde. Es steht daher fest, dass der BF ein volljähriger Staatsangehöriger Nigerias ist. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, finden sich im Verwaltungsakt ebensowenig wie dafür, dass er Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist. Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde abgewiesen. Die Unbescholtenheit des BF konnte nach einer Einsichtnahme in das Strafregister bereits im Verfahren die Schubhaftbeschwerde des BF betreffend festgestellt werden. Gegen den BF wurde zwar wegen Urkundenunterdrückung und des Gebrauchs fremder Ausweise Anklage erhoben, die diesbezügliche Gerichtsverhandlung hat jedoch entsprechend dem Inhalt des Verwaltungsaktes noch nicht stattgefunden.

2.2. Dass der BF vor Anordnung der Schubhaft gesund war und keine Medikamente einnahm steht auf Grund seiner Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme vom 30.01.2019 fest. Aus der im Verwaltungsakt befindlichen Meldung einer Landespolizeidirektion vom 04.02.2019 ergibt sich, dass der BF an Varizellen erkrankt ist. Auf Grund dieser Erkrankung befand er sich laut den Aufzeichnungen in der Anhaltedatei am 04.02.2019 in ambulanter Behandlung in einem Krankenhaus. Hinweise auf Komplikationen, die auf diese Erkrankung zurückzuführen sind, lassen sich dem Verwaltungsakt nicht entnehmen. Insbesondere sind in der Anhaltedatei keine weiteren Aufenthalte des BF in einem Krankenhaus vermerkt. Aus der Anhaltedatei ergibt sich vielmehr, dass es der Gesundheitszustand des BF bereits am 06.02.2019 zugelassen hat, dass er aus der Einzelzelle, in die er wegen Ansteckungsgefahr verlegt worden war, rückverlegt werden konnte und der BF am 09.02.2019 Besuch empfangen hat. Weitere Anhaltspunkte über das Vorliegen von Erkrankungen lassen sich dem Verwaltungsakt nicht entnehmen und wurde ein derartiger Sachverhalt auch im Rahmen des nunmehr durchgeführten Parteiengehörs nicht vorgebracht. Es konnte daher die Feststellung getroffen werden, dass der BF gesund und haftfähig ist.

2.3. Der Zeitpunkt, seit dem der BF in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie einer Einsichtnahme in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

3.1. Die Feststellungen zu der vorliegenden Rückkehrentscheidung ergeben sich aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren des BF betreffend.

3.2. Die Feststellungen das Untertauchen des BF betreffend beruhen zum einen auf einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister und das Grundversorgungs-Informationssystem, wonach der BF am 18.01.2019 von seinem Grundversorgungsquartier abgemeldet wurde, und zum anderen auf den Angaben des BF in seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 30.01.2019, in der er angab, seinen Wohnort in Österreich verlassen zu haben, da er nicht nach Nigeria ausreisen wolle. Seiner Angabe, wonach er seinen Wohnort verlassen habe um Kontakt mit der nigerianischen Botschaft Kontakt aufzunehmen kommt keine Glaubhaftigkeit zu, da er einerseits von sich aus keinen Kontakt mit der nigerianischen Vertretungsbehörde aufgenommen hat und andererseits am 26.01.2019 versucht hat, Österreich unrechtmäßig zu verlassen.

3.3. Dass der BF versuchte unter Gebrauch eines fremden Reisepasses Österreich zu verlassen, ergibt sich aus dem diesbezüglichen Amtsvermerk einer Landespolizeidirektion vom 26.01.2019.

3.4. Aus dem Visa-Informationssystem ergibt sich, dass der BF bei Erteilung des Touristenvisums im Besitz eines von 22.06.2016 bis 21.06.2021 gültigen nigerianischen Reisepasses war. Diesen hat er in seinem Verfahren in Österreich jedoch nie vorgelegt. In seiner Erstbefragung vom 31.10.2016 und in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 17.08.2017 gab der BF an, dass ihm sein Reisepass im Zug gestohlen worden sei. Eine Diebstahlsanzeige habe er nicht gemacht. Anhaltspunkte dafür, dass er von sich aus die Ausstellung von Identitätsdokumenten bei der nigerianischen Vertretungsbehörde veranlasst hat, lassen sich dem Verwaltungsakt nicht entnehmen.

3.5. Dass der BF die Unterschriften zur Bestätigung der Übernahme des Schubhaftbescheides sowie des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.02.2019 verweigert hat, ergibt aus den jeweiligen Zustellnachweisen. Dass er nicht freiwillig nach Nigeria ausreisen will, steht auf Grund der Mitteilung jener Organisation, die die Rückkehrberatung durchführte, fest.

3.6. Dass der BF über keine Familienangehörigen in Österreich verfügt, ergibt sich aus seinen darin übereinstimmenden Angaben im Asylverfahren und in der Einvernahme durch das Bundesamt am 30.01.2019. Anhaltspunkte dafür, dass der BF in Österreich über ein nennenswertes soziales Netz verfügt, lassen sich dem Verwaltungsakt und der Beschwerde nicht entnehmen.

3.7. Aus dem Grundversorgungs-Informationssystem ergibt sich, dass der BF seit seinem Antrag auf internationalen Schutz in der Grundversorgung betreut wurde. Zu seinen finanziellen Mitteln befragt gab der BF in seiner Einvernahme vom 30.01.2019 an, dass er EUR 700,-- besitze. Es konnte daher die Feststellung getroffen werden, dass der BF über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen verfügt. Dass er über kein Einkommen verfügt und keiner beruflichen Tätigkeit nachgeht ergibt sich daraus, dass er über keine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung verfügt. Dass er über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz verfügt, ergibt sich daraus, dass er durchgehend - bis 18.01.2019 - in der Grundversorgung betreut wurde.

4. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

4.1. Dass der BF am XXXX der nigerianischen Vertretungsbehörde vorgeführt und als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert wurde, ergibt sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Bericht über den gegenständlichen Vorführungstermin. Die Feststellungen zur Zusammenarbeit des Bundesamtes mit der nigerianischen Vertretungsbehörde beruhen ebenso auf der Stellungnahme des Bundesamtes vom 27.05.2019, wie die Feststellung, dass die Erlangung eines Heimreisezertifikats für den BF weiterhin möglich ist.

4.2. Dass das Bundesamt regelmäßig die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF urgiert hat, ergibt sich aus dem diesbezüglich im Verwaltungsakt einliegenden Schriftverkehr sowie aus den Stellungnahmen vom XXXX und 27.05.2019.

4.3. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit 28.01.2019 ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung ist das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Zur Sicherung der Abschiebung kommt Schubhaft darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.1.4. Im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Der BF wurde bereits der nigerianischen Vertretungsbehörde vorgeführt, wobei er als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert wurde. Da bisher von der Vertretungsbehörde nicht mitgeteilt wurde, dass für den BF kein Heimreisezertifikat ausgestellt wird, erscheint die Erlangung eines Heimreisezertifikates und damit eine Abschiebung des BF auch weiterhin möglich.

3.1.5. Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus.

Dabei ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Der BF hat seine Abschiebung insofern behindert, als er im zeitlichen Zusammenhang mit der Zustellung eines Mitwirkungsbescheides gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG untergetaucht ist. Damit hat der den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Da gegen den BF eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt und er seine Abschiebung durch Untertauchen erschwert hat, ist auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG auch der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. In Österreich befinden sich keine Familienangehörigen des BF, ein nennenswertes soziales Netz liegt nicht vor. Der BF geht keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt weder über finanzielle Mittel noch über einen eigenen gesicherten Wohnsitz. Es liegen daher keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der BF auf Grund des Grades seiner familiären, sozialen und beruflichen Verankerung in Österreich einen so verfestigten Aufenthalt hat um nicht neuerlich seine Abschiebung zu erschweren und unterzutauchen.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG vor.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Anordnung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Der BF hat zwar an seinem Asylverfahren mitgewirkt und durchgehend über eine Meldeadresse verfügt, zeigte sich aber schlussendlich als rückkehrunwillig. So führte die Zustellung eines Bescheides, mit dem ihm seine Verpflichtung an der Erlangung eines Heimreisezertifikates mitzuwirken aufgetragen wurde, dazu, dass er untertauchte und schließlich versuchte, mit einem fremden österreichischen Reisepass unrechtmäßig auszureisen. Der BF ist im Bundesgebiet auch nicht familiär, beruflich oder sozial verankert und verfügt über keinen eigenen Wohnsitz. Es ist daher im Fall des BF von Sicherungsbedarf auszugehen.

3.1.6. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Der BF hält sich unrechtmäßig in Österreich auf, er ist untergetaucht als ihm seine Verpflichtung an der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes mitzuwirken mit Bescheid aufgetragen wurde und hat versucht, Österreich unter Begehung einer Straftat durch Gebrauch eines fremden österreichischen Reisepasses zu verlassen. Der BF verfügt in Österreich über keine Angehörigen und er ist in Österreich weder sozial noch beruflich verankert. Über eigene Mittel zu Existenzsicherung verfügt er ebensowenig wie über einen eigenen gesicherten Wohnsitz.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des BF daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung. Der BF hat bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass er die ihn treffenden Verpflichtungen nicht einhält.

Die Dauer der Schubhaft ist durch das Verhalten des BF selbst bedingt, da er bisher keine Dokumente vorgelegt hat, die seine Angaben zu seiner Identität bestätigen.

Den persönlichen Interessen des BF kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen - insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung - zumal der BF bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass er die ihn treffenden Verpflichtungen nicht einhält und im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er dieses Verhalten in Zukunft ändert.

Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt. Dies auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Behörde auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, da das Bundesamt bereits wenige Tage nach Anordnung der Schubhaft die Vorführung des BF vor die nigerianische Vertretungsbehörde veranlasst und seither die Ausstellung eines Heimreisezertifikates regelmäßig urgiert hat.

Bei einer im Sinne des § 80 Abs. 4 Z. 2 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten erscheint die Aufrechterhaltung der seit 28.01.2019 bestehenden Anhaltung des BF in Schubhaft verhältnismäßig.

3.1.7. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens - insbesondere der Tatsache, dass er im zeitlichen Zusammenhang mit der bescheidmäßig angeordneten Verpflichtung an der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes mitzuwirken untergetaucht ist und anschließend versucht hat unter Gebrauch eines fremden österreichischen Reisepasses Österreich unrechtmäßig zu verlassen - kann ein gelinderes Mittel nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen. Der BF schreckte nicht einmal vor der Begehung einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung im Sinne des § 231 Strafgesetzbuch zurück, um sich seiner Abschiebung zu entziehen. Da er dieses Verhalten bereits zu einem Zeitpunkt zeigte, als das Verfahren zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes noch nicht abgeschlossen war, ist nicht zu erwarten, dass ein gelinderes Mittel für die Sicherung der Abschiebung ausreichend ist. Dies wird noch dadurch untermauert, dass der BF nicht einmal bereit war, mit den Behörden insoweit zu kooperieren um mit seiner Unterschrift die Übernahme des Schubhaftbescheides sowie des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.02.2019 zu bestätigen.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.1.8. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine "ultima ratio" dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.1.9. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Ausreisewilligkeit, Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft,
öffentliche Interessen, Rückkehrentscheidung, Schubhaft,
Sicherungsbedarf, Überprüfung, Untertauchen, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W250.2214366.2.00

Zuletzt aktualisiert am

15.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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