TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/29 W171 2219242-1

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Veröffentlicht am 29.05.2019
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Entscheidungsdatum

29.05.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch

W171 2219242-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA, als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Armenien, vertreten durch die ARGE Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

V. Gemäß § 35 VwGVG wird der Antrag, dem Beschwerdeführer die Eingabengebühr zu ersetzen, abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in Folge: BF) reiste illegal in Österreich ein, wurde wegen des Verdachts der Begehung strafbarer Handlungen nach § 127 StGB und § 27 Abs. 1 SMG angezeigt und am 07.05.2019 in XXXX einer fremdenrechtlichen Kontrolle unterzogen.

2. Am selben Tag wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) vom illegalen Aufenthalt des BF in Kenntnis gesetzt und gegen ihn die Festnahme ausgesprochen. Der BF wurde sohin in ein Polizeianhaltezentrum verbracht und zur Einvernahme vorgeführt.

3. Im Zuge der am 08.05.2019 durchgeführten Einvernahme gab der BF im Wesentlichen an, er sei armenischer Staatsbürger und seit circa eineinhalb Monaten in Österreich. Die Tochter seines in Österreich lebenden Onkels sei schwer erkrankt und sei er deshalb nachdem er in Polen gearbeitet habe, nach Österreich gereist. Er habe seine Dienstwohnung verloren, da er nicht mehr gearbeitet habe. Bevor er nach Armenien zurückreisen wolle, habe er seinen Onkel in Österreich besuchen wollen. Er habe ein Visum für Polen und eine Arbeitsgenehmigung, mit welcher er sich im Schengenraum bewegen dürfe. Man habe ihm in Polen versichert, dass er während der Dauer des Verfahrens zum Erhalt einer neuen Arbeitsgenehmigung reisen dürfe. In Österreich seien sein Onkel und dessen Töchter. Er habe bei seinem Onkel gewohnt und sei von diesem unterstützt worden. Dieser Onkel habe in Österreich einen Aufenthaltstitel. Nachdem er sein Geschäft in Armenien schließen habe müssen, sei er nach Polen gegangen um zu arbeiten. Er sei nicht wissentlich illegal nach Österreich gereist und habe sich auf die Anwälte und Behörden in Polen verlassen. Diese hätten ihm gesagt, dass er sich hier aufhalten könne.

4. Mit Bescheid vom 09.05.2019 wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde bescheidmäßig festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Armenien zulässig sei und über ihn ein auf fünf Jahre befristetes Einreiseverbot verhängt. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 BFA-VG aberkannt und dem BF zur freiwilligen Ausreise keine Frist eingeräumt.

Gleichzeitig wurde über den BF die gegenständliche Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG verhängt. Darin wurde bescheidmäßig ausgeführt, dass der BF mehrfach wegen Diebstahls angezeigt worden sei, über keinen offiziellen Wohnsitz verfüge, keine ausreichenden finanziellen Mittel habe und jedenfalls, um einer Abschiebung zu entgehen, untertauchen würde. Er sei nicht vertrauenswürdig, verfüge über keinerlei private Bindungen mit Ausnahme eines Onkels und dessen Familie in Österreich. Das BFA gehe daher von Fluchtgefahr aus. Die Verhängung einer Schubhaft diene dem Erhalt der öffentlichen Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates, welchen ein hoher Stellenwert bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zukommen. Dem gegenüber seien die privaten Interessen an der Schonung der persönlichen Freiheit des BF den Interessen des Staates nachgereiht. Die Anordnung eines gelinderen Mittels sei nach Ansicht der Behörde nicht ausreichend, den BF von einem möglichen Untertauchen abzuhalten. Die Verhängung der gegenständlichen Schubhaft sei daher als ultima ratio Maßnahme anzusehen und im Sinne des öffentlichen Wohles erforderlich.

5. Am 13.05.2019 stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft heraus einen Antrag auf internationalen Schutz. In weiterer Folge erstellte das BFA einen Aktenvermerk gemäß § 76 Abs. 6 FPG zur Aufrechterhaltung der laufenden Schubhaft.

6. Am 23.05.2019 brachte die Rechtsvertretung des BF die gegenständliche Beschwerde gegen die Schubhaft ein. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass der BF über einen gültigen polnischen Aufenthaltstitel verfüge, welcher kurz zuvor in Polen verlängert worden sei. Der BF habe bei seinem namentlich genannten Onkel gewohnt und könne dies auch in Zukunft tun.

Die gegenständliche Rückkehrentscheidung sei rechtswidrig, da der BF aufgrund seines polnischen Aufenthaltstitels zunächst hätte aufgefordert werden müssen, sich nach Polen zurückzubegeben. Dies sei nicht der Fall gewesen und sei die sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet auch nicht aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geboten. Die Schubhaft sei daher von Beginn an rechtswidrig gewesen.

Der am 13.05.2019 gestellte Asylantrag sei nicht zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt worden. Der gemäß § 76 Abs. 6 FPG ausgefertigte Aktenvermerk sei daher inhaltlich falsch und nur mangelhaft begründet worden. Nach den Bestimmungen der Dublin III-VO sei eine Rückführung nach Polen zu überprüfen gewesen. Der BF habe erst nach Erlassung der Rückkehrentscheidung realisiert, dass er nunmehr einen Asylantrag stellen müsse, um nicht in seiner Heimat einer Gefahr der Verletzung seiner durch die EMRK geschützten Rechte Gefahr laufen würde.

Darüber hinaus sei keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG gegeben. Dadurch, dass der BF nunmehr einen Asylantrag stellen müsse, um nicht in seiner Heimat einer Gefahr der Verletzung seiner durch die EMRK geschützten Rechte Gefahr zu laufen.

Darüber hinaus sei keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG gegeben.

Weiters sei keine (erhebliche) Fluchtgefahr gegeben. Der Behörde sei bekannt gewesen wo sich der BF aufhalte, da sie diesen am Wohnort des Onkels aufsuchten und festnahmen. Der BF sei sozial verankert und daher auch nicht dazu angehalten, unterzutauchen. Diese soziale Verankerung sei fälschlicherweise durch die Behörde nicht festgestellt worden. Beantragt werde die zeugenschaftliche Einvernahme des Onkels, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, der Ersatz des Aufwandes gemäß § 35 VwGVG sowie der Ersatz der Eingabengebühr in Höhe von € 30,--.

7. Das BFA übermittelte den behördlichen Schubhaftakt am 24.05.2019. Am 27.05.2019 erging eine Stellungnahme mit angeschlossenem Kostenersatzantrag. Neuerlich wurden Kopien des Reisepasses vorgelegt, aus denen sich lediglich ein abgelaufenes polnisches Visum ersehen ließ. Die Behörde führte aus, dass es sich im gegenständlichen Fall um eine Schubhaftbeschwerde handle, in welcher keine Vorfragen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Rückkehrentscheidung zu klären seien. Gemäß § 80 FPG sei die Behörde jedenfalls angehalten, laufend das Vorliegen der Gründe für die Aufrechterhaltung der Schubhaft zu prüfen.

Die Stellung eines Asylantrages könne nach Ansicht des BFA nicht dazu führen, dass letztlich Personen, die die gesetzlichen Bestimmung zur Einreise von Fremden beachten, schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch illegale Einreise oder auch einen unbegründeten Asylantrag erzwingen würden. Aus einer Missachtung der Rechtsordnung seien nach allgemeiner Rechtsprechung des VwGH keine Vorteile für den Rechtsbrecher zu ziehen.

Der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens sei nach der Judikatur des VwGH ein hoher Stellenwert zu verleihen. Im gegenständlichen Fall sei Fluchtgefahr gegeben und sei der BF in keiner Weise vertrauenswürdig aufgetreten. Eine bei der Behörde durchgeführte Einzelfallprüfung habe ergeben, dass Sicherungsbedarf gegeben sei und die Verhängung der Schubhaft auch als verhältnismäßig anzusehen sei. Der BF habe im Rahmen der Verfahren niemals Anzeichen dafür erkennen lassen, dass er freiwillig in seinen Herkunftsstaat zurückkehren würde. In der Beschwerdeschrift sei lediglich ein unsubstantiiertes Sammelsurium an Vorbringen enthalten, welches im gegenständlichen Fall nicht dazu geeignet sei, die Entscheidung der Behörde in Frage zu stellen.

8. Im Rahmen eines Parteiengehörs wurde der Rechtsvertretung des BF die behördliche Stellungnahme vom 27.05.2019 binnen kurzer Frist zur Replik übermittelt.

Fristgerecht wurde seitens der Rechtsvertretung repliziert und ausgeführt, dass sich der BF sicher sei, einen Stempel der polnischen Behörden vom 18.03.2019 in seinem Reisepass zu haben. Die kopierten Seiten des Reisepasses im Rahmen der Stellungnahme der Behörde seien nicht vollständig. Es seien nicht alle Seiten kopiert worden. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass sich ein Stempel auf einer nicht übermittelten Seite befinden könnte. Es werde daher beantragt, dem BVwG den Originalreisepass vorzulegen. Weiters wurde als Beilage ein Dokument in polnischer Sprache der polnischen Vertreterin des BF übersandt. Eine Übersetzung dieses Schriftstückes wurde nicht vorgelegt.

Wie von der Behörde argumentiert, sei jedenfalls aus einer Asylantragstellung keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ableitbar. Die Einvernahme im Asylverfahren erfolgte am 22.05.2019 und wurde damals nicht abgeschlossen bzw. unterbrochen. Der BF sei darüber hinaus ausreisewillig. Bereits in der Einvernahme am 08.05.2019 habe er angegeben, freiwillig nach Polen zurückreisen zu wollen.

9. Mit Kurzbrief vom 28.05.2019 übermittelte das BFA das Ergebnis einer Anfrage an die polnische Fremdenbehörde. Demnach sei der Antrag des BF auf Verlängerung eines Visums mit Entscheidung vom 10.05.2019 abgewiesen worden.

10. Nach Übersendung des Kurzbriefes an die Rechtsvertretung des BF teilte diese mit, dass die Auskunft der polnischen Fremdenbehörde nicht bedeute, dass der BF nicht zuvor bzw. im Wege der Erhebung eines Rechtsmittels seinen rechtmäßigen Aufenthalt in Polen verlängert hätte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person:

1.1. Der BF reiste illegal in das Bundesgebiet ein und ist armenischer Staatsangehöriger. Die Identität des BF ist geklärt. Er ist Fremder i.S.d. Diktion des FPG.

1.2. Der BF verfügte über keinen gültigen und aufrechten Aufenthaltstitel im Schengenraum.

1.3. Er stellte am 13.05.2019 aus der Schubhaft heraus einen Antrag auf internationalen Schutz. Bisher hat der BF keinen gültigen dauerhaften Aufenthaltstitel in Österreich erhalten.

Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Der BF leidet an keinen Erkrankungen.

2.2. Der BF ist haftfähig.

2.3. Ein Aktenvermerk gem. § 76/6 FPG liegt vor.

Zum Sicherungsbedarf:

3.1. Gegen den BF liegt eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme, verbunden mit einem Einreiseverbot vor.

3.2. Zum Zeitpunkt seiner Asylantragsstellung bestand gegen den BF bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme und befand er sich auch in Schubhaft.

3.3. Er ist nicht kooperativ.

3.4. Er ist nicht rückreisewillig.

3.5. Er ist nicht vertrauenswürdig

Zur familiären/sozialen Komponente:

4.1. Bis auf einen Onkel dessen Tochter und deren Familie bestehen in Österreich keine familiären und sonstigen ins Gewicht fallenden sozialen Beziehungen.

4.2. Der BF geht im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, ist nicht selbsterhaltungsfähig und weist keine besonderen Integrationsmerkmale auf.

4.3. Der BF verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Existenzsicherung.

4.4. Er konnte im Verfahren eine Wohnmöglichkeit bescheinigen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person und zum Verfahrensgang (1.1.-1.3.):

Der BF legte einen armenischen Reisepass vor, aus welchem sich seine Identität ergab. Die Einreise erfolgte illegal, da der BF zu diesem Zeitpunkt nicht über ein Visum verfügte (1.1).

Die Feststellung zu 1.2. bezieht sich im Wesentlichen auf die Tatsache, dass im vom BF vorgelegten Reisepass kein gültiger Visumsvermerk für den Schengenraum befindlich ist. Der BF behauptete zwar bis zuletzt, dass er über einen gültigen Aufenthaltstitel für Polen verfügen würde, konnte dies jedoch trotz intensivster Bemühungen im Verfahren nicht glaubhaft geltend machen. Das im Reisepass des BF befindliche Visum für Polen ist bereits abgelaufen. Eine diesbezügliche Verlängerung ist nicht eingetragen und konnte auch bis zuletzt durch die Behörde nicht verifiziert werden. Im Zuge des gerichtlichen Parteiengehörs legte die Rechtsvertretung des BF ein einseitiges, in polnischer Sprache abgefasstes Dokument vor und führte diesbezüglich auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 27.05.2019 ins Treffen, dass sich aus dieser Beilage ergebe, dass der BF einen Aufenthaltstitel für Polen besitze. Nicht näher ausgeführt wurde, aus welchem Grunde dieses Dokument nicht bereits im behördlichen Verfahren vorgelegt wurde, sondern dies erst im laufenden Schubhaftverfahren (am fünften Tag der Wochenfrist) erfolgte. Eine Übersetzung des Schriftstückes beinhaltete der Schriftsatz ebenso nicht. Eine durch das Gericht veranlasste "Arbeitsübersetzung" brachte die Erkenntnis, dass aus dem Schreiben die Fremdenpolizei Warschau vom 18.01.2019 keine Zusage bzw. Bewilligung eines Aufenthaltstitels zu entnehmen ist. Es handelt sich daher um die Vorlage eines Schriftstückes, welches nicht zum Nachweis einer im Verfahren aufgestellten Behauptung geeignet war.

Darüber hinaus erreichte das Gericht ebenso am 27.05.2019 ein Kurzbrief des BFA unter Anhang einer Stellungnahme der polnischen Behörden. Aus dieser Stellungnahme der polnischen Behörden ergibt sich, dass die zuständige Fremdenbehörde mit Entscheidung vom 10.05.2019 dem Ersuchen auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels in Polen nicht stattgegeben hat.

Das Gericht konnte daher nicht von einem aufrechten Titel des BF im Schengenraum ausgehen (1.2.).

Die Feststellung zu 1.3. ergibt sich im Wesentlichen aus den Angaben im Akt. Daraus war zu entnehmen, dass bisher kein Aufenthaltstitel für den BF in Österreich ausgestellt wurde.

2.2. Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft (2.1.-2.3.):

Die Feststellungen zu 2.1. und 2.2. ergeben sich im Wesentlichen aus den Angaben im Akt und liegen diesbezüglich dem Gericht zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung keine anderslautenden Informationen vor. Der für die Fortsetzung der Schubhaft nach Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz notwendige Aktenvermerk gemäß § 76 Abs. 6 FPG liegt im Akt ein.

2.3. Zum Sicherungsbedarf (3.1.-3.5.):

Mit Bescheid vom 09.05.2019 wurde nach dem Akteninhalt, über den BF eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot verhängt. Unter Anwendung des § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG wurde einer allfälligen Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Es konnte daher von einer bestehenden durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme ausgegangen werden. Die Stellung des Asylantrags vom 13.05.2019 erfolgte aus dem Stande der Schubhaft (3.2.).

Wie das Beschwerdeverfahren klar ergeben hat, verfügt der BF nicht über einen polnischen Aufenthaltstitel, wie von ihm mehrmals behauptet. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens beharrte er darauf, dass sich in seinem Pass ein diesbezüglicher Stempel befinden würde und legte er zuletzt am 27.05.2019 noch ein einseitiges polnisches Schreiben seiner Rechtsvertretung vor um zu bescheinigen, dass er über einen Aufenthaltstitel verfüge. Das Verfahren hat jedoch ergeben, dass der BF seit Beginn seiner fremdenrechtlichen Einvernahmen hier die Behörden offenbar täuschen wollte. In Zusammensicht mit der Tatsache, dass der BF in Österreich im zentralen Melderegister bisher ebenso nicht aufschien, kann er daher für sich nicht geltend machen, kooperativ mit den Behörden gewesen zu sein. Das laufende Schubhaftbeschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, dass sich dieses Verhalten grundlegend geändert hätte. Im Gegenteil dazu führte der BF bis zuletzt seine Vorgehensweise fort und behauptete, einen Aufenthaltstitel zu haben.

Aus der Einvernahme vom 08.05.2019 ergibt sich, dass der BF seine Bereitschaft nach Polen zurückzukehren bekundet hat. Die in der Beschwerdeschrift behauptete Rückkehrwilligkeit bezieht sich nach den eigenen Ausführungen des BF lediglich auf eine Rückkehr nach Polen, nicht jedoch nach Armenien. Im Hinblick auf den mittlerweile zusätzlich gestellten Antrag auf internationalen Schutz ergibt sich für das Gericht klar, dass eine freiwillige Rückkehr nach Armenien für den Beschwerdeführer ganz offenbar nicht in Frage kommt und er daher auch nicht als rückreisewillig bezeichnet werden kann (3.4.).

In Zusammensicht des bisherigen Verhaltens des BF geht das Gericht nicht von Vertrauenswürdigkeit des BF aus, zumal sich aus dem Akt darüber hinaus ergibt, dass polizeiliche Erhebungen wegen des Verdachts der Begehung von Straftaten nach dem StGB und SMG in Österreich laufen.

2.4. Familiäre/soziale Komponente (4.1.-4.4.):

Der BF führt in der Einvernahme vom 08.05.2019 glaubhaft aus, in Österreich einen Onkel, eine Cousine und eine Familie dieser Cousine zu haben. Darüberhinausgehende familiäre oder sonstige soziale Beziehungen haben weder das Verfahren zur Rückkehrentscheidung, noch das Schubhaftverfahren ergeben. Bedenkt man, dass der BF nach eigenen Angaben nunmehr seit etwa zwei Monaten in Österreich ist, verwundert es auch nicht, dass diesbezügliche soziale Beziehungen noch nicht entstanden sind. Der BF gab selbst an, keine Erwerbstätigkeit ausgeübt zu haben und konnten im Rahmen der Verfahren auch keine besonderen Integrationsmerkmale wie etwa gute Sprachkenntnisse und dergleichen festgestellt werden (4.2.).

Aus der Anhaltedatei ergibt sich, dass der BF zum Stichtag der Abfrage über € 180,-- verfügte. Der BF ist daher nicht zur selbstständigen Existenzsicherung in der Lage.

Der BF gab selbst an, dass er seit dem Beginn seines Aufenthalts in Österreich bei seinem Onkel gewohnt hat. Für das Gericht ist es ausreichend plausibel, wenn der BF angibt, bei seinem Onkel an einer konkret genannten Adresse auch weiterhin wohnen zu können. Das Gericht konnte daher im Verfahren von einer Wohnmöglichkeit des BF ausgehen (4.4).

2.5. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen:

Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft:

3.1.1. Gesetzliche Grundlage:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Zur Judikatur:

3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig"(VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, "weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese 'Einstellungsänderung' durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken)." (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

3.1.3.

Aufgrund des gerichtlichen Beweisverfahrens sieht das Gericht Sicherungsbedarf für gegeben an. Das bisherige Verhalten des BF hat die Tatbestände des § 76 Abs. 3 Z. 3, 5 und 9 FPG erfüllt. Der BF ist unrechtmäßig nach Österreich eingereist und hat stets behauptet, einen Aufenthaltstitel für Polen zu haben. Er hat dadurch bis zuletzt versucht, die Behörde zu täuschen und sich dadurch auch nicht als kooperativ erwiesen. Gegen den BF wurde in weiter Folge eine Rückkehrentscheidung getroffen, die durchsetzbar ist. Während der laufenden Schubhaft stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Aktenvermerk vom 13.05.2019 gemäß § 76 Abs. 6 FPG wurde die Aufrechterhaltung der Schubhaft ausgesprochen. Der BF war auch in den laufenden Verfahren nicht kooperativ und zeigte sich auch nicht als rückreisewillig in Bezug auf seinen Herkunftsstaat. Auch bestehen soziale Kontakte lediglich zu seinem Onkel und dessen Familie bei der er auch zuvor wohnte. Dennoch wurde der BF an dieser Adresse nicht angemeldet und zeigt dies, dass auch dem Onkel die Erfüllung der melderechtlichen Verpflichtung ganz offensichtlich nicht so wichtig gewesen sein dürfte. Der BF arbeitet in Österreich nicht und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er konnte im Rahmen des Beschwerdeverfahrens lediglich bescheinigen, dass für ihn auch weiterhin eine Wohnmöglichkeit bestünde. In einer Gesamtsicht des bisherigen Verhaltens des BF ergibt sich, dass dieser jedenfalls nicht als vertrauenswürdig erkannt werden kann, zumal gegen ihn polizeiliche Erhebungen wegen des Verdachts der Begehung von Strafdelikten im Laufen sind. Das Gericht geht daher im Rahmen einer Gesamtsicht des Verhaltens des BF unter den oben angeführten und festgestellten Tatbestandelementen des § 76 Abs. 3 FPG jedenfalls vom Bestehen ausreichenden Sicherungsbedarfs aus. Die im Bescheid erwähnten Kriterien zur Annahme des Sicherungsbedarfs haben sich im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens erhärtet.

3.1.4. Darüber hinaus ist die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ebenso gegeben. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der Beschwerdeführer zwar einen Onkel und dessen Familie als soziale Kontakte ins Treffen führen konnte, diese jedoch nach Ansicht des Gerichtes kein ausreichend tragfähiges Netz darstellen können, die den BF tatsächlich vom Untertauchen abhalten können. Außer seinem Onkel verfügt der BF über keine ins Gewicht fallenden soziale Kontakte im Inland, die im Rahmen der gerichtlichen Abwägung ausreichend geeignet waren, die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung zu beeinflussen. Der BF hat gegen eine Meldeverpflichtung verstoßen und laufen gegen ihn Erhebungen wegen des begründeten Verdachts auf Begehung mehrerer Strafdelikt. Er hat in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und wurde über ihn bereits eine Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot verhängt. Die Republik Österreich hat damit nach Ansicht des Gerichts ausreichend klar dargestellt, dass ein Verbleib des BF im Inland rechtlich nicht gedeckt ist und sohin auch ein erhöhtes Interesse an einer Außerlandesbringung des BF kundgetan. Dem gegenüber wiegen die persönlichen Interessen des BF weit weniger schwer als das öffentliche Interesse einer baldigen gesicherten Außerlandesbringung des BF. Das Gericht geht daher - wie oben angeführt - von der Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft aus, zumal die Bemühungen des BFA eine baldige Abschiebung durchführen zu können, im Rahmen des Verfahrens deutlich hervorgekommen sind. Dabei sei die manifestierte Unkooperativität des BF herauszuheben, der bis zuletzt darauf beharrte, in Polen einen Aufenthaltstitel zu haben, was sich jedoch im Beschwerdeverfahren als unwahr herausstellte. Es ist daher dem BF nach Ansicht des Gerichtes zuzumuten, die Zeit bis zu seiner Abschiebung bzw. bis zur Entscheidung über seinen Folgeantrag in Schubhaft zuzubringen.

3.1.5. Die Anordnung eines gelinderen Mittels führt nach Ansicht des Gerichts nicht zu einer ausreichenden Sicherung der Durchführbarkeit einer konkreter werdenden Abschiebung. Die Kriterien, die bereits unter dem Punkt "Sicherungsbedarf" erörtert wurden, zeigen eindeutig, dass eine jederzeitige Erreichbarkeit des Beschwerdeführers nicht mit der erforderlichen Sicherheit gewährleistet wäre zumal der BF in keiner Weise vertrauenswürdig ist. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer, der ein evidentes Interesse daran hat, nicht nach Armenien abgeschoben zu werden, nach einer Freilassung nicht abtauchen und für die Behörde unerreichbar sein würde. Es ist zwar richtig, dass der BF wieder bei seinem Onkel wohnen könnte, doch hat die Vergangenheit bereits gezeigt, dass der BF unangemeldet bei seinem Onkel wohnte und dieser dabei auch von ihm unterstützt wurde. Es scheint dem Gericht daher zu ungewiss, ob der BF nunmehr von seinem Onkel tatsächlich vom Untertauchen abgehalten werden könnte. Es besteht daher für das Gericht kein Grund davon auszugehen, dass ein gelinderes Mittel nunmehr eine ausreichende Sicherung des BF bedeuten würde. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die Behörde daher zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Anordnung gelinderer Mittel das Auslangen nicht gefunden werden kann.

3.1.6. Die gegenständlich verhängte Schubhaft erweist sich daher auch als "ultima ratio" und wird die Schubhaft auch bis zur erfolgreichen Abschiebung vorerst weiterzuführen sein. Auf Grund des zuvor Ausgeführten ergibt sich, dass sowohl Sicherungsbedarf, als auch Verhältnismäßigkeit gegeben sind und die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht als erfolgversprechend zu beurteilen war. In diesem Sinne ist auch das Kriterium der "ultima ratio" im vorliegenden Schubhaftverfahren gegeben.

3.1.7. Die Behörde hat im gegenständlich bekämpfen Schubhaftbescheid die Beweggründe für die Erforderlichkeit der Verhängung der Haft erkennbar aufgezeigt und sich mit der konkreten Situation des BF auseinandergesetzt. Es ergab sich lediglich eine geringe Abweichung bei der Feststellung hinsichtlich des Wohnsitzes des BF aufgrund des glaubhaften Vorbringens im Rahmen des Beschwerdeverfahrens, die jedoch zu keinem anderen Ergebnis führte. Wie oben näher ausgeführt wird, gelangt die gerichtliche Überprüfung der laufenden Schubhaft nicht zu einer Unrechtmäßigkeit der bescheidmäßigen Verhängung.

3.1.8. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens schließlich doch hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten unter Hinzuziehung des Ergebnisses der Parteiengehöre abschließend ermittelt und beurteilt werden. Dem Gericht schien es ausreichend plausibel, dass der BF wieder seinen Wohnsitz bei seinem Onkel begründen könnte, was daher der gegenständlichen Entscheidung ohne weiteres unterstellt werden konnte. Eine Vernehmung eines Zeugen war daher nicht erforderlich.

3.1.9. Im gegenständlichen Schubhaftverfahren wird die Ansicht vertreten, dass das Schubhaftgericht berufen wäre, die Glaubwürdigkeit des eingebrachten Asylvorbringens im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Schubhaft nach § 76/6 FPG zu beurteilen und aufgrund dessen zu einer Aufhebung der Schubhaft zu kommen. Dem ist zu entgegnen, dass die Vorwegnahme eines inhaltlichen Asylverfahrens nicht Aufgabe des gegenständlichen Schubhaftverfahrens ist. Die asylrechtliche Beurteilung ist im Rahmen eines fundierten Ermittlungsverfahrens zu treffen. Es besteht nach Ansicht des Gerichts weder die Kompetenz, noch die faktische Möglichkeit im Rahmen des Schubhaftverfahrens innerhalb der Wochenfrist die asylrechtliche Frage quasi als "Vorfrage im Eilverfahren" ausreichend behandeln zu können.

4.1. Das gegenständliche Beschwerdeverfahren hat ergeben, dass der BF entgegen seinen Ausführungen, kein Visum für Polen hat. Die Behandlung der Punkte 2 und 4 der Beschwerdeschrift kann daher entfallen.

4.2. Gegen den BF liegt bereits eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vor. Die gegenständliche Schubhaft wurde bescheidmäßig auf § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG gestützt und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der am 13.05.2019 gestellte Antrag auf internationalen Schutz führt daher nicht zur Umstellung des Schubhaftgrundes und auch nicht zur Anwendung der privilegierenden Bestimmung des § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG. Die Erlassung eines neuen Bescheides seitens der Behörde war daher ebenso nicht erforderlich.

4.3. Die in der Stellungnahme der Rechtsvertretung des BF vom 27.05.2019 geforderte Vorlage und Übersendung einer Kopie des gesamten Reisepasses des BF und die weiter geforderten gerichtlichen Ermittlungen hinsichtlich der innerstaatlichen Wirkung eines etwaig erhobenen Rechtsmittels gegen die Versagung eines Visums in Polen, sind wie folgt als unzulässiger Erkundungsbeweis zu qualifizieren:

Die an die Rechtsvertretung des BF in Kopie übermittelten Passseiten stellen keine "Unvollständigkeit" dar, sondern spiegeln eine gängige Praxis der Fremdenbehörden. Danach werden nur jede Passseiten kopiert, die einen Vermerk tragen. Die Kopie von leeren Seiten wird damit zu Recht unterlassen und ist nicht als systematischer Versuch, einen bestehenden Aufenthaltstitel zu unterdrücken, zu interpretieren. Dies auch dann nicht, wenn die Rechtsvertretung mit der Vorlage zu erkunden versucht, daraus irgendeinen Anhaltspunkt für ein Visum zu gewinnen. Das gerichtliche Verfahren hat zwar gezeigt, dass der Rechtsvertretung aus nicht nachvollziehbaren Gründen seinerzeit offenbar behördlich die Einsicht in den Reisepass verwehrt wurde. Dies kann jedoch keine Änderung der Tatsache herbeiführen, dass im Reisepass des BF dennoch kein gültiger Visumsvermerk besteht.

Wenn der Vertreter des BF in der letzten Stellungnahme vom 28.05.2019 (Seite 2) feststellt, es sei mit der Erklärung der polnischen Fremdenbehörde nicht erwiesen, dass der BF nicht im Zuge einer allfälligen aufschiebenden Wirkung eines unter Umständen eingebrachten Rechtsmittels doch ein Aufenthaltsrecht, zumindest bis zur Antragsabweisung am 10.05.2019 gehabt haben könnte, übersieht dieser, dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, in einer heillosen Überspannung der Ermittlungsmaxime, ohne weitere Anhaltspunkte, diesbezügliche Nachforschungen im polnischen Recht anzustellen, obgleich durch die Rechtsvertretung zuvor weder geklärt wurde, ob überhaupt ein Rechtsmittel ergriffen worden ist und welche Wirkungen damit verbunden wären. Derartige Erkundungsvorbringen, die lediglich auf unbestimmten Vermutungen basieren, für die keine Anhaltspunkte bestehen, stellen einen unzulässigen Erkundungsbeweis dar und sind daher unbeachtlich (Hengstschläger/Leeb, AVG § 46 Rz 16).

Zu Spruchpunkt II. - Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:

Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Die Bescheinigung einer Wohnmöglichkeit wurde erst nach der Verhängung der gegenständlichen Schubhaft erbracht, konnte allerdings auch für den Fortsetzungsausspruch keine Änderung der Beurteilung des Gerichts herbeiführen.

Zu Spruchpunkt III. und IV. - Kostenbegehren

Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da die Verwaltungsbehörde vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen.

Zu Spruchpunkt IV.:

Dem Mehrbegehren im Umfang der Eingabengebühr war nicht zu entsprechen und der Antrag auf Kostenersatz insoweit abzuweisen, da weder § 35 VwGVG noch das Gebührengesetz 1957 einen Kostenersatzzuspruch im Umfang der Eingabegebühr durch das Bundesverwaltungsgericht vorsehen.

Zu Spruchpunkt B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt I. und II. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Ausreisewilligkeit, Einreiseverbot, Fluchtgefahr, Kostenersatz,
öffentliche Interessen, Rückkehrentscheidung, Schubhaft,
Sicherungsbedarf, Untertauchen, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W171.2219242.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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