Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen N*****, geboren am ***** 2008, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen, vertreten durch das Land ***** (Bezirkshauptmannschaft *****) als Kinder- und Jugendhilfeträger, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 22. August 2018, GZ 15 R 334/18w-27, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Perg vom 26. Juni 2018, GZ 2 Pu 178/15s-22, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung lautet:
„Der Vater ***** ist schuldig, der minderjährigen N***** ab 1. 5. 2018 bis auf weiteres, längstens jedoch bis zu ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 475 EUR am Ersten eines jeden Monats im Voraus zu Handen des jeweiligen gesetzlichen Vertreters, das ist derzeit die Bezirkshauptmannschaft *****, und die bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses fällig gewordenen Beträge binnen 14 Tagen zu zahlen.“
Text
Begründung:
Die Minderjährige lebt im Haushalt ihrer Mutter und wird von ihr betreut. Mit Beschluss vom 14. 4. 2016 verpflichtete das Erstgericht den Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung in Höhe von 369 EUR an seine Tochter. Der Vater verfügt aus einer unselbständigen Tätigkeit über ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 2.446,53 EUR und hat monatliche Mieteinkünfte von 100 EUR. Er hat keine weiteren Sorgepflichten.
Mit Eingabe vom 12. 4. 2018 beantragte die Minderjährige, den vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeitrag ab 1. 5. 2018 auf 475 EUR zu erhöhen.
Das Erstgericht verpflichtete den Vater beginnend mit 1. 5. 2018 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von (gerundet) 460 EUR. Dabei zog es den von ihm für krankheitsbedingte Aufwendungen getragenen Selbstbehalt, den es auf 12 Monate aufteilte, von der monatlichen Unterhaltsbemessungsgrundlage ab, ermittelte nach der Prozentmethode einen Unterhaltsbetrag von 502 EUR monatlich und berücksichtigte die von der Mutter bezogene Familienbeihilfe, wobei es ein steuerpflichtiges Einkommen des Vaters von 25.026 EUR jährlich zugrunde legte.
Dagegen erhob die Minderjährige Rekurs, in dem sie den Abzug eines Selbstbehalts für krankheitsbedingte Aufwendungen von der Unterhaltsbemessungsgrundlage bemängelte und – für das Revisionsrekursverfahren bedeutsam – geltend machte, dass die Transferleistungen (Familienbeihilfeanrechnung) unrichtig angerechnet worden seien, weil der Kinderfreibetrag nicht berücksichtigt worden sei.
Der Vater beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.
Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel teilweise Folge und setzte den vom Vater ab 1. 5. 2018 zu leistenden Unterhaltsbetrag mit monatlich 465 EUR fest, weil der Selbstbehalt bereits vor Mai 2018 angefallen und daher bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht zu berücksichtigen sei. Hingegen sei der Kinderfreibetrag in die Formel für die Anrechnung der Transferleistungen nicht zusätzlich einzubeziehen. Die in der Entscheidung zu 6 Ob 240/17p vertretene gegenteilige Rechtsauffassung lehnte es ausdrücklich ab. Da es in Bezug auf die Berücksichtigung der Steuerersparnis durch den Kinderfreibetrag im Rahmen der Anrechnungsformel von den Grundsätzen dieser Entscheidung abwich, erklärte es den Revisionsrekurs für zulässig.
Der Vater erstattete keine Revisionsrekursbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist; er ist auch berechtigt.
1. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist zunächst die Frage, ob bei Inanspruchnahme des Kinderfreibetrags nach § 106a EStG durch den geldunterhaltspflichtigen Elternteil der sich aus der Anrechnung der Transferleistungen ergebende Kürzungsbetrag um die Steuerersparnis durch den Kinderfreibetrag zu reduzieren, der Kindesunterhalt somit um diese Steuerersparnis zu erhöhen ist.
1.1 Die Bestimmung des § 106a EStG wurde durch das Jahressteuergesetz 2018 (JstG 2018 – BGBl Nr I 62/2018) aufgehoben. Nach § 124b Z 336 EStG ist § 106a EStG, in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl I Nr 62/2018 letztmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2018 anzuwenden. Für den Zeitraum bis 31. 12. 2018 ist die Frage, ob die Steuerersparnis durch den Kinderfreibetrag nach § 106a EStG aF bei Bemessung des vom Vater an seine Tochter zu leistenden Geldunterhalts zu berücksichtigen ist, daher noch beachtlich.
1.2 Der Kinderfreibetrag nach § 106a EStG (aF), der – anders als der Unterhaltsabsetzbetrag nach § 33 Abs 4 Z 3 EStG – nicht von der Einkommensteuer, sondern von der Steuerbemessungsgrundlage abzuziehen war, ist mit der Steuerreform 2009 eingeführt und mit der Steuerreform 2015 deutlich erhöht worden. Zuletzt betrug die Steuerentlastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils – abhängig von der jeweiligen Steuerbelastung – zwischen 6,25 und 13,75 EUR monatlich (vgl die konkreten Beträge etwa bei Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht8 145).
1.3 In der Entscheidung zu 6 Ob 240/17p hat sich der Oberste Gerichtshof mit den im Schrifttum vertretenen Meinungen (dazu Gitschthaler, Unterhaltsrecht3 [2015] Rz 757/4; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht8 [2016] 140, 145; Heiderer, Kinderfreibetrag nach § 106a EStG und Unterhaltsbemessung, EF-Z 2009, 208; Kolmasch, Die Anrechnung der Familienbeihilfe auf den Kindesunterhalt nach der Steuerreform 2009, Zak 2009, 163; Neuhauser in Schwimann/Neumayr, ABGB-Taschenkommentar4 [2017] § 231 ABGB Rz 98) auseinandergesetzt und dargelegt,
dass der sich aus der Anrechnung der Transferleistungen ergebende Kürzungsbetrag jedenfalls um die Steuerersparnis durch den Kinderfreibetrag zu reduzieren, der Kindesunterhalt somit um diese Steuerersparnis zu erhöhen ist. Die von Tews (Neue Kürzungsformel für die Anrechnung der Familienbeihilfe, EF-Z 2015, 169) vertretene Auffassung, der sich das Rekursgericht anschloss, hat er ausdrücklich abgelehnt. Von der zu 6 Ob 240/17p vertretenen Ansicht abzugehen, bieten die Ausführungen in der Rekursentscheidung keinen Anlass.
1.4
Auf
eine Kürzung der Anrechnung von Transferleistungen um die Steuerersparnis aus dem Kinderfreibetrag zu verzichten, kommt nicht in Betracht (6 Ob 240/17p). Das steuerpflichtige Einkommen des Vaters ist nicht strittig.
Seine Steuerentlastung aus dem Kinderfreibetrag betrug für das Jahr 2018 (gerundet) 9 EUR
(siehe dazu die Beträge bei Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht8 145). Nach der vom Obersten Gerichtshof zuletzt um die Steuerersparnis aus dem Kinderfreibetrag erweiterten Formel (6 Ob 240/17p) zur Ermittlung des Kürzungsbetrags (Unterhaltsanspruch = Prozentunterhalt – [Prozentunterhalt x Grenzsteuersatz {als ganze Zahl} x 0,004] + Unterhaltsabsetzbetrag + Steuerersparnis durch Kinderfreibetrag) ergibt sich für den Zeitraum bis 31. 12. 2018 rechnerisch ein monatlicher Unterhaltsanspruch von 474 EUR, der auf den von der Antragstellerin begehrten Betrag aufzurunden ist. Für den Zeitraum 1. 5. 2018 bis 31. 12. 2018 beläuft sich der Geldunterhaltsanspruch damit auf monatlich 475 EUR.
2. Sofern nicht das Übergangsrecht etwas anderes bestimmt, sind Änderungen des zwingenden Rechts vom Rechtsmittelgericht von Amts wegen seiner Entscheidung zugrundezulegen (RIS-Justiz RS0106868; vgl für Dauersachverhalte: RS0008751). Da die Bestimmung des § 106a EStG aF für Veranlagungen über das Kalenderjahr 2018 hinaus nicht mehr anzuwenden ist (§ 124b Z 336 EStG idF BGBl Nr I 62/2018), kann das im Revisionsrekursverfahren noch relevante Erhöhungsbegehren von 10 EUR für den Zeitraum ab 1. 1. 2019 nicht mehr auf eine steuerliche Entlastung aus diesem Freibetrag gestützt werden. Damit ist zu untersuchen, ob der noch strittige Erhöhungsbetrag von 10 EUR monatlich auch nach der neuen Rechtslage zusteht.
3.1 Mit 1. 1. 2019 hat der Gesetzgeber mit § 33 Abs 3a EStG einen neuen Steuerabsetzbetrag eingeführt. Der sogenannte Familienbonus Plus (in der Folge auch nur Familienbonus) ersetzt den Kinderfreibetrag nach § 106a EStG aF sowie die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten. Er beträgt bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat, für jeden Kalendermonat 125 EUR (§ 33 Abs 3a Z 1 lit a EStG) und steht im Regelfall den Eltern jeweils zur Hälfte zu (§ 33 Abs 3a Z 3 lit b; Gitschthaler, Familienbonus Plus und Unterhaltsrecht, EF-Z 2019/62, 116; Neuhauser, Einige Auswirkungen des Familienbonus Plus auf die Bemessung des Kindesunterhalts, iFamZ 2018, 196 [197]). Vom geldunterhaltspflichtigen Elternteil kann aus unterhaltsrechtlicher Sicht jedenfalls erwartet werden, dass er (auch) einen Antrag auf Bezug des Familienbonus stellt, was regelmäßig zu dessen Teilung führt (§ 33 Abs 3a Z 3 lit c EStG). Der Einwand, der andere Elternteil beziehe den Betrag zur Gänze, wird ihm damit aus unterhaltsrechtlicher Sicht im Allgemeinen verschlossen bleiben (Neuhauser aaO 197).
3.2 Für unselbständig Erwerbstätige besteht die Möglichkeit, den Entlastungseffekt des Familienbonus im Weg der Lohnverrechnung bereits seit Jänner 2019 laufend zu beanspruchen; sie profitieren dann sofort von diesem Entlastungseffekt (vgl Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht9, 160). In Verfahren zur Festsetzung des Unterhalts ist der geldunterhaltspflichtige Elternteil, der einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht, grundsätzlich auf den halben Betrag anzuspannen, wenn er den Familienbonus mangels Antragstellung nicht bezieht. Er muss sich den steuerlichen Vorteil bei der Unterhaltsbemessung laufend anrechnen lassen (Gitschthaler aaO 116; Peyerl, Der steuerliche Familienbonus Plus in der Unterhaltsbemessung, iFamZ 2018, 193 [195]; Tews, Familienbonus Plus – Ende der Familienbeihilfen-Anrechnung?, EF-Z 2019/3, 8 [9]).
3.3 Für den geldunterhaltspflichtigen Elternteil ist der Bezug (im Regelfall der Hälfte) des Familienbonus zwar an den Bezug des Unterhaltsabsetzbetrags gekoppelt und damit von der Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltspflicht abhängig (Neuhauser aaO 197; § 33 Abs 3a Z 3 lit b letzter Satz EStG). Auch in diesem Zusammenhang kommt jedoch der Anspannungsgrundsatz zum Tragen. Der geldunterhaltspflichtige Elternteil, der mangels Erfüllung seiner Verpflichtungen den Unterhaltsabsetzbetrag und deswegen den Familienbonus nicht erhält, ist im Verhältnis zu seinem unterhaltsberechtigten Kind so zu behandeln, als ob er diese Beträge erhielte (Neuhauser aaO 197). Zu diesem Ergebnis zwingt schon die Überlegung, dass sonst jede Nichtleistung des Unterhalts wegen der dadurch bedingten Minderung der Kürzung in der Anrechnung der Transferleistungen um diese Beträge gleichzeitig die Verringerung des Unterhaltsanspruchs nach sich ziehen müsste.
3.4 Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass der Vater als unselbständig Erwerbstätiger aus unterhaltsrechtlicher Sicht jedenfalls so zu behandeln ist, als ob er den Unterhaltsabsetzbetrag bezieht, was die Vorinstanzen ihren Berechnungen des (zukünftigen) Unterhalts von ihm unbekämpft ohnedies auch unterstellten, und bei pflichtgemäßem Vorgehen im Weg der Lohnverrechnung laufend seit Jänner 2019 vom steuerlichen Entlastungseffekt des Familienbonus zumindest im Ausmaß von 50 % profitiert. Sollte er bislang eine entsprechende Antragstellung unterlassen haben, wäre er in jedem Fall im Weg der Anspannung so zu stellen, dass den weiteren Überlegungen der Bezug des Familienbonus im Ausmaß von 50 % unterstellt werden kann. Eine solche Anspannung hat auch ohne ein darauf abzielendes Vorbringen zu erfolgen (vgl 6 Ob 240/17p; Tews aaO 11).
4.1 Nach der Rechtsprechung muss der nach der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und den Bedürfnissen des Unterhaltsberechtigten zu bemessende
(dazu
RS0057284) Geldunterhalt um jenen Teil der Familienbeihilfe, der zur steuerlichen Entlastung des Unterhaltspflichtigen bestimmt ist, gekürzt werden, sofern die
nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001, B 1285/00, geforderte Entlastung nicht schon durch den Unterhaltsabsetzbetrag oder (bis 31. 12. 2018) durch den Kinderfreibetrag des § 106a aF EStG eingetreten war.
4.2 Ausgehend von der zuletzt in der Entscheidung zu 6 Ob 240/17p um die Berücksichtigung der Steuerersparnis durch den Kinderfreibetrag nach § 106a EStG aF erweiterten Formel (UhAnspr = ProzentUh - [ProzentUh × Grenzsteuersatz {als ganze Zahl} × 0,004] + UhAbsetzbetrag + Ersparnis durch Kinderfreibetrag; RS0117084 [T12]) wird in der Literatur zur Anrechnung des Familienbonus bei der Unterhaltsbemessung vertreten, dass in der vom Obersten Gerichtshof entwickelten Formel ab 1. 1. 2019 an die Stelle der Steuerersparnis durch den Kinderfreibetrag der (in der Regel halbe) Familienbonus tritt (Schwimann/Kolmasch aaO 161; Kolmasch, Die Anrechnung der Familienbeihilfe auf den Kindesunterhalt ab 2019, Zak 2018, 324 [325]). Peyerl (aaO 195) tritt ebenfalls dafür ein, dass steuerliche Entlastungen, die dem Unterhaltspflichtigen zugute kommen, wie der Unterhaltsabsetzbetrag und (ab 1. 1. 2019) der Familienbonus, die Anrechnung von Transferleistungen kürzen und damit zu einer Erhöhung des Kindesunterhalts im Ausmaß der Steuerersparnis führen. Zu einem vergleichbaren Ergebnis gelangt Neuhauser (aaO 197) mit seiner Berechnungsformel.
Diese Ansichten beruhen offensichtlich auf der Überlegung, dass in einem System der mittelbaren Steuerentlastung von Unterhaltsleistungen zusätzliche Absetz- oder Freibeträge für den geldunterhaltspflichtigen Elternteil ein „Nullsummenspiel“ darstellen und mittelbar dem Kind durch geringere Anrechnung der Transferleistungen zugute kommen müssen (vgl Gitschthaler aaO 117; 6 Ob 240/17p).
4.3 Gegen die Variante, den (halben) Familienbonus als Kürzungsbetrag bei den anrechenbaren Transferleistungen zu berücksichtigen, wendet sich Tews (aaO 11 ff) und tritt primär dafür ein, den Familienbonus (anteilig) den Eltern zu belassen, also bei der Unterhaltsbemessung überhaupt nicht zu berücksichtigen. Dieser Standpunkt entspricht sinngemäß der von ihm zum Kinderfreibetrag nach § 106a EStG aF vertretenen Ansicht, dass der geldunterhaltspflichtige Elternteil die Steuerersparnis nicht an das unterhaltsberechtigte Kind weitergeben müsse (Tews, Neue Kürzungsformel für die Anrechnung der Familienbeihilfe, EF-Z 2015/89). Abgesehen davon, dass der Oberste Gerichtshof diesen Argumenten in der Entscheidung zu 6 Ob 240/17p entgegengetreten ist, betrug die Steuerentlastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils
– abhängig von der jeweiligen Steuerbelastung – nach § 106a EStG aF zwischen 6,25 und 13,75 EUR monatlich, sodass eine Vernachlässigung (auch) bei der Ermittlung des Kindesunterhalts zumindest diskutiert werden konnte, mag sich diese Ansicht letztlich auch nicht durchgesetzt haben. Demgegenüber führt der Absetzbetrag nach § 33 Abs 3a EStG bei einem noch nicht volljährigen Kind zu einer steuerlichen Entlastung von 125 EUR im Monat oder 1.500 EUR jährlich bzw bei einer Teilung (§ 33 Abs 3 Z 3 lit c) von 62,5 EUR monatlich oder 750 EUR pro Jahr. Durch die Nutzung dieses steuerlichen Vorteils erhöht sich jedenfalls das Nettoeinkommen entsprechend, das grundsätzlich der Unterhaltsleistung zugrunde zu legen ist (2 Ob 115/11t; Gitschthaler aaO 118). Selbst bei einer Teilung des Familienbonus gemäß § 33 Abs 3a Z 3 lit c EStG blieben die Auswirkungen auf die Bemessungsgrundlage keinesfalls so gering, dass sie bei der Ermittlung des Kindesunterhalts zur Gänze unberücksichtigt bleiben könnten. Eine Vernachlässigung des Familienbonus sowohl bei der Kürzung der Anrechnung von Transferleistungen um die Steuerersparnis als auch bei der Ermittlung des für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Nettoeinkommens kommt daher selbst unter Bedachtnahme auf den Rundungsbereich (vgl dazu etwa 6 Ob 15/09p) nicht in Betracht.
4.4 Ob der Familienbonus die Anrechnung von Transferleistungen kürzen und damit zu einer Erhöhung des Kindesunterhalts im Ausmaß der Steuerersparnis führen soll oder es nicht bloß sachgerecht, sondern richtig erscheint, den Familienbonus (nur) bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksichtigen, womit das unterhaltsberechtigte Kind (nur) mit seiner Unterhaltsquote nach der Prozentwertmethode partizipiert (so Gitschthaler aaO 118), muss im vorliegenden Fall nicht abschließend geklärt werden, weil der im Revisionsrekursverfahren noch strittige Erhöhungsbetrag von 10 EUR und damit insgesamt der für die Zeit ab 1. 1. 2019 begehrte Unterhalt von 475 EUR bei einem monatlichen Nettoeinkommen des Vaters von 2.546 EUR in beiden Varianten Deckung findet, gleich ob man die anrechenbaren Transferleistungen um den Betrag von 62,50 EUR kürzt (vgl dazu das Rechenbeispiel 1 bei Schwimann/Kolmasch aaO 164) oder diesen Betrag dem Nettoeinkommen des Vaters und damit (nur) der Unterhaltsbemessungsgrundlage hinzuschlägt.
5. Im Unterhaltsverfahren gilt das Antragsprinzip und der in § 8 Abs 1 AußStrG verankerte Dispositionsgrundsatz (2 Ob 42/13k). Der Antragstellerin darf daher weder ein Plus noch ein Aliud zugesprochen werden (§ 36 Abs 3 und 4 AußStrG; für das Revisionsrekursverfahren: § 70 Abs 1 AußStrG). Ob allenfalls die besprochene Neuregelung oder das Übergangsrecht des § 124b Z 336 EStG zugunsten der Antragstellerin eine günstigere Entscheidung denkbar erscheinen ließe, muss mit ihr daher nicht erörtert werden. Diese Übergangsbestimmung ermöglicht für die Kalenderjahre 2019 bis 2021 die Teilung des Familienbonus unter bestimmten Voraussetzungen im Verhältnis 90:10 zwischen den Familienbeihilfenberechtigten oder dem Steuerpflichtigen, der den gesetzlichen Unterhalt im Kalenderjahr zur Gänze leistet. Selbst bei der für den Vater denkbar günstigsten Variante, dass eine Teilung in diesem Verhältnis zu seinen Lasten vorliegt und sich daher die Kürzung der Transferleistungen verringern würde, fände der begehrte Unterhalt immer noch Deckung im Berechnungsmodel (UhAnspr = ProzentUh - [ProzentUh × Grenzsteuersatz {als ganze Zahl} × 0,004] + UhAbsetzbetrag + 10 % Familienbonus). Wenn man den derart reduzierten Betrag nur bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage berücksichtigen wollte, ergäbe sich zwar insgesamt ein geringfügig niedriger Unterhaltsanspruch als von der Antragstellerin begehrt, doch läge die Differenz jedenfalls noch im Rundungsbereich (Erhöhung des Kindesunterhalts um weniger als 2 %; vgl etwa 6 Ob 15/09p) und wäre damit so geringfügig, dass sie bei einer Unterhaltsbemessung, die rechnerisch nicht penibel genau zu erfolgen hat (dazu jüngst 8 Ob 3/18a), unberücksichtigt bleiben müsste.
6. Damit kann der Vater insgesamt kein seiner Verfahrensposition zweckdienlicheres Vorbringen erstatten. Eine Erörterung der mit 1. 1. 2019 neu geschaffenen Rechtslage mit ihm ist damit nicht erforderlich, weswegen die Sache zur Entscheidung reif ist und der Oberste Gerichtshof abschließend entscheiden kann (§ 70 Abs 2 AußStrG). Dem Revisionsrekurs ist dabei zur Gänze Folge zu geben.
Textnummer
E125500European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00236.18V.0521.000Im RIS seit
12.07.2019Zuletzt aktualisiert am
12.12.2019