TE Vwgh Erkenntnis 1999/1/19 97/05/0031

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.01.1999
beobachten
merken

Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;

Norm

BauO OÖ 1976 §29 Abs1;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Dr. Adolf Schürer in Linz, vertreten durch Dr. Bruno Binder und Dr. Georg Lehner, Rechtsanwälte in Linz, Wischerstraße 30, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 9. März 1995, Zl. BauR - 011411/1 - 1995 Pe/Lan, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien:

1.

Landeshauptstadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister,

2.

Wolfgang und Karin Winetzhammer in Linz, vertreten durch Prof. Dr. Alfred Haslinger, DDr. Heinz Mück, Dr. Peter Wagner, Dr. Walter Müller, Dr. Wolfgang Graziani-Weiss, Rechtsanwälte in Linz, Kroatengasse 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die zweitmitbeteiligten Parteien sind Eigentümer des Grundstückes Nr. 445/14, KG Katzbach (zum Zeitpunkt der Antragstellung noch Teil des Grundstückes Nr. 445/10).

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der im Osten unmittelbar angrenzenden Grundstücke Nr. 447/9 und Nr. 737/6, KG Katzbach.

Die vorgenannten Grundstücke liegen im Wohngebiet; für die Grundstücke Nr. 445/14 und Nr. 737/6 sowie für einen Teil des Grundstückes Nr. 747/9 gilt im hier entscheidungserheblichen Zeitraum der Bebauungsplan NO 100/9 Pferdebahnpromenade-Wolfauerstraße der Landeshauptstadt Linz. Für das Grundstück Nr. 445/14 sind in diesem Bebauungsplan Baufluchtlinien mit einem "Bezugspunkt für Höhenangaben" und eine bebaubare Grundfläche pro Hauptgebäude einschließlich Neu- und Zubauten mit maximal 200 m2 angeordnet.

Mit Eingabe vom 19. Oktober 1994 beantragten die zweitmitbeteiligten Parteien die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines unterkellerten Wohnhauses und einer angebauten unterkellerten Doppelgarage. Laut der mit dem im Verwaltungsakt erliegenden Einreichplan übereinstimmenden Baubeschreibung soll auf dem "leicht geneigten Gelände" das Hauptgebäude in einem Abstand von 3 m zur nördlichen Grundgrenze entlang der dort angeordneten Baufluchtlinie errichtet werden. Die im Osten unmittelbar an dieses Gebäude angebaute unterkellerte Doppelgarage von 33,24 m2 soll im Osten an der Grundstücksgrenze zum Grundstück Nr. 447/9 über eine Länge von 5,10 m und an der Grundstücksgrenze zum südlich daran anschließenden Grundstück Nr. 737/6 in einer Länge von 1 m angebaut werden. An der nördlichen Seite ist die Doppelgarage, gemessen von der Außenmauer des Hauptgebäudes bis zur östlichen Grundstücksgrenze, mit 5,45 m geplant. Die an der östlichen Seite des zu bebauenden Grundstückes angeordnete Baufluchtlinie (Bauwich), welche 3 m von der Grenze der Grundstücke der zweitmitbeteiligten Parteien entfernt ist, wird daher überschritten, sodaß sich die unterkellerte Doppelgarage jedenfalls mehr als 8 m2 im Bauwich befindet.

Die Gesamthöhe des Garagengebäudes vom tiefsten Punkt des Geländeanschnittes an der der Bauplatzgrenze nächstgelegenen Gebäudewand bis zum höchsten Punkt dieses Gebäudes ist plangemäß 5 m. Die Traufenhöhe des Garagengebäudes ist an der Nordseite geringer als 3 m.

In der mündlichen Bauverhandlung vom 15. Dezember 1994 wendete der Beschwerdeführer u.a. ein, eine Verbauung bis an die Grundgrenze, wie beantragt, sei unzulässig.

Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 29. Dezember 1994 wurde die beantragte Baubewilligung unter Nebenbestimmungen erteilt. Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 1. Februar 1995 - soweit für das Beschwerdeverfahren entscheidungserheblich - keine Folge gegeben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der

O.ö. Landesregierung vom 9. März 1995 wurde der dagegen erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers mit der Feststellung keine Folge gegeben, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten nicht verletzt wird. In der Begründung wurde hiezu ausgeführt, es sei zwar dem Beschwerdeführer darin zu folgen, daß "Garagen und überdeckte Stellplätze" von der Festlegung des Bebauungsplanes ausgenommen seien, es wäre jedoch unzulässig, daraus im Gegenschluß ein gänzliches Verbot von Garagen außerhalb von Baufluchtlinien abzuleiten, da mit jener Festlegung im Bebauungsplan lediglich zum Ausdruck gebracht werde, daß die dort vorgesehene "Privilegierung" nur für Nebengebäude, die nicht Garagen und überdeckte Stellplätze seien, gelte, dem für solche Bauten aber schon ex lege bestehenden "Privileg" des § 33 Abs. 1 lit. h iVm § 30 Abs. 6 lit. a O.ö. BauO keinesfalls derogiert werde. Da es sich bei dieser Festlegung somit um keine "anderslautende Vorschrift des Bebauungsplanes" im Sinne des § 30 Abs. 6 lit. a leg. cit. handle, liege der in diesem Punkt behauptete Widerspruch zum Bebauungsplan nicht vor. Nach § 29 Abs. 1 der O.ö. Bauordnung bestimme sich die Traufenhöhe vom (erdgeschossigen) Fußbodenniveau der Garage. Da nach dem Einreichplan die diesbezügliche Höhe von 3 m nicht überschritten werde und ein Verstoß gegen die zulässige Gesamthöhe von 5 m nicht einmal behauptet werde, komme der bewilligten Garage die Qualifikation eines Nebengebäudes zu. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei in die Nutzfläche des § 30 Abs. 6 lit. a O.ö. Bauordnung weder eine Unterkellerung (sofern sie nicht als Abstellplatz oder Garage verwendet werde) noch eine offene Terrasse am Dach der Garage einzubeziehen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 2. Dezember 1991, Zl. 88/05/0230). Der eigentliche Garagenraum umfasse jedoch nur eine Nutzfläche von 33,24 m2. Eine Unterkellerung im Bauwich sei im Hinblick auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. August 1994, Zl. 94/05/0099, zulässig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluß vom 9. Oktober 1996, B 1233/95-14, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-G an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Nichtbewilligung des beschwerdegegenständlichen Bauvorhabens verletzt. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligten Parteien - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf die Einleitung des Baubewilligungsverfahrens

vor dem 1. Jänner 1995 ist im Beschwerdefall die

O.ö. Bauordnung 1976 (BO) und die O.ö. Bauverordnung 1985 anzuwenden (vgl. hiezu die §§ 58 und 60 O.ö. Bauordnung 1994 und § 66 O.ö. Bautechnikgesetz).

Der Beschwerdeführer trägt vor, das bewilligte Garagengebäude verletze die Abstandsbestimmungen.

Bezüglich des unterkellerten Garagengebäudes geht der Verwaltungsgerichtshof wie die Baubehörden und die belangte Behörde davon aus, daß es sich hiebei um ein Nebengebäude im Sinne des § 29 Abs. 1 BO handelt, weil zwischen ihm und dem Hauptgebäude kein solcher bautechnischer und funktioneller Zusammenhang besteht, daß beide Gebäude als eine Einheit betrachtet werden müssen (siehe hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. April 1996, Zl. 95/05/0219).

§ 29 Abs. 1 leg. cit. definiert Nebengebäude als Gebäude mit einer Traufenhöhe bis zu 3 m über dem Fußboden und einer Gesamthöhe bis zu 5 m, die im Vergleich zur gegebenen oder voraussehbaren Hauptbebauung nur untergeordnete Bedeutung haben (z.B. Flugdächer, Schuppen, Garagen und ähnliche Gebäude).

Auch Garagen sind demnach Nebengebäude.

Gemäß § 30 Abs. 3 zweiter Satz BO sind Garagen allseits umschlossene Gebäude oder ebensolche Gebäudeteile, die zum Abstellen von Kraftfahrzeugen bestimmt sind.

Bezüglich der Lage von Stellplätzen (Garagen) - sofern sie nicht im Hauptgebäude untergebracht werden - ordnet § 30 Abs. 6 leg. cit. folgendes an:

"a) mit Schutzdächern versehene Abstellplätze und Garagen (Nebengebäude, auch wenn sie an das Hauptgebäude angebaut sind) mit einer Nutzfläche bis zu fünfzig Quadratmeter können, auch wenn sie unterkellert sind, auf den nach der festgelegten Bauweise bzw. gemäß § 32 Abs. 2 von einer Bebauung freizuhaltenden Grundfläche errichtet werden;"

Diese Anordnung gilt jedoch nach dem Einleitungssatz des § 30 Abs. 6 BO nur, "Soweit sich aus baurechtlichen Vorschriften und dem Bebauungsplan nichts anderes ergibt".

Der hier anzuwendende Bebauungsplan ordnet in diesem Zusammenhang an:

"Nebengebäude gartenseitig außerhalb der Baufluchtlinie (Garagen und überdeckte Stellplätze ausgenommen) bis maximal 25 m2 oder im Bauwich nur bis maximal 8 m2 und Schwimmbecken ohne Überbauung zulässig, aber nicht im Vorgarten."

Der Bebauungsplan unterscheidet demnach zwischen "Baufluchtlinie" und "Bauwich", ohne diese Begriffe abweichend von der O.ö. Bauordnung 1976 zu definieren, geht also vom diesbezüglichen Begriffsinhalt des Gesetzes aus.

§ 32 Abs. 3 Z. 2 des seit 1. Jänner 1994 in Geltung stehenden O.ö. Raumordnungsgesetzes 1994 enthält wie die Vorläuferbestimmung des § 20 O.ö. ROG 1974 eine Begriffsbestimmung der "Baufluchtlinien", welche wie folgt lautet:

"Baufluchtlinien, das sind die Grenzen, über die gegen den Vorgarten, den Seitenabstand (Bauwich), den Hof oder den Garten (vordere, seitliche, innere Baufluchtlinien) mit dem Bau oder Bauteilen nicht vorgerückt werden darf, sofern die O.ö. Bauordnung nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt;"

Nach dem im Beschwerdefall anzuwendenden Bebauungsplan sind also Nebengebäude - mit Ausnahme der Garagen und überdeckten Stellplätze - außerhalb der gartenseitigen Baufluchtlinie (d.i. die Grenze, über die gegen den Garten mit dem Bau oder Bauteilen nicht vorgerückt werden darf) bis maximal 25 m2 zulässig. Die zum Bauwich hin angeordnete Baufluchtlinie darf nach diesem Bebauungsplan aber zulässigerweise mit Nebengebäuden "nur bis maximal 8 m2" überschritten werden; mangels entsprechender Ausnahmeregelung - es fehlt der bei den im Bebauungsplan zur gartenseitigen Baufluchtlinie getroffenen Anordnungen verfügte Klammerausdruck - gilt diese Anordnung für sämtliche Nebengebäude, also auch für Garagen und überdeckte Stellplätze. Die beschwerdegegenständliche Doppelgarage ragt jedoch mit mehr als 8 m2 in den Bauwich. Insoweit wird daher der Beschwerdeführer in dem von ihm geltend gemachten subjektiven Recht auf Einhaltung des Seitenabstandes verletzt.

Die von der Berufungsbehörde und der belangten Behörde zur Stützung ihrer - gegenteiligen - Rechtsansicht herangezogene Norm des § 33 Abs. 1 lit. h O.ö. Bauordnung 1976 vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Diese Gesetzesstelle lautet wie folgt:

"§ 33

Vorbauten

(1) Über die Baufluchtlinie eines Bebauungsplanes darf nach Maßgabe der Bestimmungen des § 23 vorgebaut werden:

.....

h) mit Bauvorhaben gemäß § 30 Abs. 6 unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen."

Um gemäß § 33 Abs. 1 BO über die Baufluchtlinie eines Bebauungsplanes mit einem Bauvorhaben nach § 30 Abs. 6 leg. cit. vorbauen zu dürfen, ist es also erforderlich, daß die in dieser Gesetzesstelle normierten Voraussetzungen eingehalten werden. § 30 Abs. 6 BO enthält aber hinsichtlich der Lage von Stellplätzen die Einschränkung, daß sich aus baurechtlichen Vorschriften und dem Bebauungsplan nichts anderes ergibt. Im vorliegenden Fall ergibt sich aber aus dem Bebauungsplan, daß eine Garage mit einer Nutzfläche bis zu 50 m2 nur mit 8 m2 in den Bauwich hineingebaut werden darf.

Aus diesem Grund war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Bezüglich der übrigen Beschwerdegründe wird der Beschwerdeführer auf die zutreffenden Ausführungen in den Gegenschriften der belangten Behörde und der erstmitbeteiligten Stadtgemeinde verwiesen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. Jänner 1999

Schlagworte

Planung Widmung BauRallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997050031.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten