TE OGH 2019/5/29 15Os45/19k

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Veröffentlicht am 29.05.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Mai 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und Dr. Oshidari sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Strafsache gegen Birgit M***** wegen des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB, AZ 6 U 80/16f des Bezirksgerichts Voitsberg, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 19. Jänner 2017, GZ 6 U 80/16f-10, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Bezirksgerichts Voitsberg vom 19. Jänner 2017, GZ 6 U 80/16f-10, verletzt § 293 Abs 2 StGB.

Dieses Urteil wird aufgehoben und es wird in der Sache selbst erkannt:

Birgit M***** wird von dem wider sie erhobenen Vorwurf gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, sie habe am 6. Juli 2016 in V***** durch Vorlage einer von ihr unterschriebenen Erklärung über das Nichtvorliegen von Gewerbeausschließungsgründen nach § 13 Abs 1 GewO 1994 bei der Bezirkshauptmannschaft, in der sie ihre wegen § 83 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen erfolgte Verurteilung durch das Bezirksgericht V***** vom 15. Jänner 2007, AZ 6 U 184/06k, verschwieg, ein falsches Beweismittel in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren gebraucht.

Text

Gründe:

Mit in Rechtskraft erwachsenem, in gekürzter Form ausgefertigtem Urteil des Bezirksgerichts Voitsberg vom 19. Jänner 2017, GZ 6 U 80/16f-10, wurde Birgit
M***** des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt.

Danach hat sie am 6. Juli 2016 in V***** durch Vorlage einer von ihr unterschriebenen Erklärung über das Nichtvorliegen von Gewerbeausschließungsgründen gemäß § 13 Abs 1 GewO 1994 für das freie Gewerbe „Verkauf von Pommes frites, Langos, Kartoffelpuffern, gebratenen Kartoffeln und Früchten auf der Straße“, in der sie ihre wegen § 83 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen erfolgte Verurteilung durch das Bezirksgericht V***** vom 15. Jänner 2007, AZ 6 U 184/06k, verschwieg, bei der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg, Anlagenreferat, ein falsches Beweismittel in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren gebraucht.

Dieses Urteil steht – wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt – mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Der in § 293 StGB verwendete – auf Sachbeweise einzuschränkende – Begriff „Beweismittel“ umfasst alles, was dazu dienen kann, ein Gericht oder eine Behörde von der Wahrheit oder Unwahrheit einer Behauptung zu überzeugen (RIS-Justiz RS0096383; Plöchl/Seidl in WK² StGB § 293 Rz 9). Falsch im Sinn der Gesetzesstelle ist ein Beweismittel, wenn es bei seinem Gebrauch geeignet ist, die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen in eine falsche (oder andere) Richtung zu lenken, weil es (formell) unecht ist (den Anschein anderen Ursprungs erweckt) oder einen unrichtigen Inhalt hat (vgl RIS-Justiz RS0104980; 15 Os 41/15s; Plöchl/Seidl in WK2 StGB § 293 Rz 17; Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 147 Rz 38). Eine schriftliche Lüge ist aber nur dann tatbildlich, wenn ihr ein über die bloße Behauptung des Vorliegens der dem jeweiligen Verfahren zugrunde liegenden Anspruchsvoraussetzungen oder das bloße Vorbringen des eigenen Verfahrensstandpunkts hinausgehender Beweiswert zukommt (Plöchl/Seidl in WK² StGB § 293 Rz 18; Tipold SbgK § 293 Rz 19 f). Diesen Kriterien entsprechen unwahre schriftliche Erklärungen von Verfahrensparteien, die der Sache nach nicht über unrichtiges Vorbringen oder Behauptungen hinausgehen, nicht (vgl RIS-Justiz RS0117739; zur Gewerbeanmeldung: 14 Os 71/14v; 15 Os 41/15s; 15 Os 15/19y).

Demgemäß stellt die von Birgit M***** unterfertigte Erklärung über das Nichtvorliegen von Tatsachen, die einer Eintragung in das Gewerberegister entgegenstehen können, bloß die (unrichtige) Behauptung des Gewerbeanmelders dar, dass die – von der Behörde zu prüfenden (§ 340 Abs 1 GewO) – gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Gewerbes vorliegen, ohne dass ihr ein darüber hinausgehender Beweiswert zukommt.

Das Bezirksgericht Voitsberg hat daher den Gebrauch der schriftlichen Erklärung anlässlich der Gewerbeanmeldung bei der Bezirkshauptmannschaft zu Unrecht dem Tatbestand der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB unterstellt.

Die aufgezeigte Gesetzesverletzung gereichte der Verurteilten zum Nachteil; der Oberste Gerichtshof sah sich veranlasst, ihrer Feststellung wie aus dem Spruch ersichtlich konkrete Wirkung zuzuerkennen (§ 292 letzter Satz StPO). Rechtslogisch davon abhängige weitere Entscheidungen und Verfügungen gelten damit gleichermaßen als beseitigt (RIS-Justiz RS0100444).

Textnummer

E125506

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00045.19K.0529.000

Im RIS seit

12.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

12.07.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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