TE OGH 2019/6/13 4Ob100/19p

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.06.2019
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1) S***** AG *****, 2) A***** L*****, 3) R***** H*****, 4) A***** M*****, 5) H***** H*****, und 6) M***** H*****, ebendort, alle vertreten durch Hon.-Prof. Dr. Clemens Thiele, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Wiederherstellung und Unterlassung (Streitwert 25.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 28. Februar 2019, GZ 3 R 5/19d-23, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 22. November 2018, GZ 14 Cg 17/18i-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin und die Erstbeklagte sind Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen und betreiben in W***** jeweils ein Leitungsnetz für Kabel-TV, Internet und Telefonie. Die Zweit- bis Sechstbeklagten sind Eigentümer von Reihenhäusern, die sie nach der Errichtung in den Jahren 2008 und 2009 vom Bauträger gekauft haben. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat 2008 oder 2009 die dortigen Breitbandleitungen für die genannten Dienstleistungen verlegt. Diese verlaufen von einem auf einer (im Miteigentum der Zweit- bis Sechstbeklagten stehenden) Wegparzelle befindlichen Verteilerkasten (mit der Aufschrift „W*****-TV“) jeweils zu den Grundstücken der Beklagten und dort im Erdreich bis zu den jeweiligen Hausanschlüssen und dienen der Versorgung der Grundstücke der Beklagten mit Internet, Fernsehen und Telefonie. Der Bauträger sowie der Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Klägerin trafen in dieser Hinsicht keine Abreden. Die Zweit- bis Sechstbeklagten schlossen in der Folge Telekommunikationsverträge mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin ab, die damals die einzige Anbieterin einer Breitbandversorgung in dieser Gegend war. Im Grundbuch sind ob der Liegenschaften der Zweit- bis Sechstbeklagten keine Dienstbarkeiten zugunsten der Klägerin oder ihrer Rechtsvorgängerin eingetragen.

Nach der Verlegung von Breitbandleitungen durch die Erstbeklagte kündigten die Zweit- bis Sechstbeklagten im Herbst 2017 ihre Telekommunikationsverträge mit der Klägerin und schlossen entsprechende Verträge mit der Erstbeklagten ab. Am 18. Dezember 2017 schloss ein Mitarbeiter der Erstbeklagten die Koaxialkabel für die Hausanschlüsse der beklagten Grundeigentümer vom bisherigen Verteilerkasten ab und klemmte sie in dem von der Erstbeklagten errichteten Verteilerkasten an. Die Klägerin verweigerte die Entfernung des bisherigen Verteilerkastens, die Erstbeklagte die Wiederherstellung der früheren Anschlüsse.

Die Klägerin begehrte, die Beklagten schuldig zu erkennen, den ursprünglichen Zustand der Verbindung des Leitungsnetzes zwischen ihrem Breitbandverteilerkasten und den jeweiligen Leitungen (Koaxialkabel) zu den Reihenhäusern der Beklagten wiederherzustellen und in Hinkunft jede Störung dieser Leitungen zu unterlassen. Die Beklagten hätten die Koaxialkabel im bisherigen Verteilerkasten eigenmächtig abgeklemmt und diese an das Netz der Erstbeklagten angeschlossen. Die auf den Liegenschaften der Beklagten verlaufenden Leitungen sowie der bisherige Verteilerkasten stünden im Eigentum der Klägerin.

Die Beklagten entgegneten, dass kein Eingriff in das Eigentumsrecht der Klägerin vorliege. Die auf den Grundstücken der Zweit- bis Sechstbeklagten befindlichen Leitungen sowie der bisherige Verteilerkasten stünden im Eigentum der Beklagten, weshalb sie darüber frei verfügen könnten. Die von der Klägerin argumentierte analoge Anwendung des Starkstromwegegesetzes scheide aus, weil die in Rede stehenden Leitungen ausschließlich der Versorgung der Liegenschaften der Beklagten dienten. Zugunsten der Klägerin bestünden auch keine Dienstbarkeiten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die in Rede stehenden Breitbandleitungen, die ausschließlich die Liegenschaften der Zweit- bis Sechstbeklagten versorgten, stünden nach dem Grundsatz „superficies solo cedit“ im Eigentum der Beklagten. Dieser Grundsatz werde im Anlassfall nicht durchbrochen, weil kein Durchleitungsnetz vorliege. Die Klägerin könne sich auch nicht auf ihr zustehende Dienstbarkeiten berufen, weil entsprechende Eintragungen im Grundbuch fehlten.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Richtig sei, dass der Oberste Gerichtshof (elektrische) Leitungsnetze, die einen starken faktischen Bezug zu anderen Hauptsachen aufwiesen, als Bestandteil der betreffenden Hauptanlage qualifiziere und Eigentümer des jeweiligen (Strom-)Netzteilstücks der an dieser (Strom-)Anlage Berechtigte und nicht der jeweilige Grundstückseigentümer sei. Demgegenüber seien Leitungen, die wie hier jenem Grundstück dienten, unter dessen Oberfläche sie verlegt seien, dem Eigentümer dieses Leitungsgrundstücks zuzuordnen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zur Frage der sachenrechtlichen Zuordnung von Telekommunikations-leitungen, die ausschließlich dem Leitungsgrundstück dienten, bisher nicht Stellung genommen habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragen die Beklagten, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig.

Trotz Zulässigerklärung der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen.

In ihrer Revision vertritt die Klägerin den Standpunkt, dass ihr auf den Grundstücken der Beklagten vereinbarte Leitungsrechte (in Form von Dienstbarkeiten) zustünden; dies ergäbe sich zum einen aus den Kaufverträgen der Beklagten mit dem Bauträger, wonach die Käufer die Dienstbarkeiten und Lasten im Zusammenhang mit allfälligen Leitungsrechten aller Versorgungs- und Entsorgungsträger übernehmen müssten; außerdem seien solche Dienstbarkeiten konkludent dadurch begründet worden, dass die Zweit- bis Sechstbeklagten in Kenntnis der Telekommunikationsanlage der Rechtsvorgängerin der Klägerin mit dieser Telekommunikationsverträge abgeschlossen hätten. Davon abgesehen stünden die in Rede stehenden Breitbandleitungen im Eigentum der Klägerin, weil diese das rechtliche Schicksal der Hauptanlage teilten.

Mit diesen Ausführungen zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Die Klägerin weist in der Revision zutreffend darauf hin, dass es sich bei der gegenständlichen Anlage um eine Telekommunikationsanlage handelt, die aus Kommunikationslinien im Sinn des § 3 Z 10 TKG 2003 (unter- oder oberirdisch geführte feste Übertragungswege samt Zubehör) besteht (vgl 6 Ob 310/04p). Zur Stützung ihres Begehrens im Hinblick auf die beschriebenen Telekommunikationslinien auf den Grundstücken der Beklagten beruft sich die Klägerin als Rechtsgrund zum einen auf Leitungsrechte in Form von Dienstbarkeitsrechten und zum anderen auf ihr Eigentumsrecht an den fraglichen Leitungsteilstücken.

2.1 Als Leitungsrecht kommt zunächst eine rechtsgeschäftlich durch Vereinbarung begründete Servitut nach den §§ 472 ff ABGB in Betracht. Als Titel bedarf es dafür eines Servitutsbestellungsvertrags oder einer konkludenten Servitutseinräumung. Von einer solchen rechtsgeschäftlichen Regelung hängt auch ab, welche Dienste der Betreiber über das bestehende Kabelnetz erbringen darf. Hinsichtlich des Modus ist für die Begründungen einer Dienstbarkeit mit dinglicher Wirkung – abgesehen von einer hier nicht behaupteten Ersitzung – gemäß § 481 Abs 1 ABGB grundsätzlich, außer bei einer hier nicht vorliegenden Offenkundigkeit, die Eintragung der Dienstbarkeit im Grundbuch erforderlich (3 Ob 125/05m).

Entgegen den Ausführungen in der Revision besteht eine dinglich wirkende Dienstbarkeit zugunsten der Klägerin schon deshalb nicht, weil im Grundbuch ob der Grundstücke der Beklagten keine derartigen Belastungen eingetragen sind.

2.2 Es liegt auch keine Dienstbarkeit mit bloß obligatorischer Wirkung vor. Entgegen der Ansicht der Klägerin begründet die von ihr ins Treffen geführte Bestimmung in den Kaufverträgen der Beklagten mit dem Bauträger keine Dienstbarkeit, sondern setzt bereits wirksam begründete Dienstbarkeitsrechte voraus. Nach den Feststellungen bezieht sich diese Bestimmung ausschließlich auf die von den Beklagten zu übernehmende, schon bestehende Dienstbarkeit für das Grundstück *****, die mit Leitungsrechten der Klägerin nichts zu tun hat.

Im Zusammenhang mit der Versetzung des bisherigen Verteilerkastens (mit der Aufschrift „W*****-TV“) wurden zwischen dem Bauträger und dem Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Klägerin keine Abreden getroffen. Aus der Versetzung des Verteilerkastens allein kann im Hinblick auf die Telekommunikationsleitungen auf den Grundstücken der Beklagten kein konkludent erklärter rechtsgeschäftlicher Wille der beklagten Grundeigentümer abgeleitet werden.

Die ursprünglichen Telekommunikationsverträge zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und den Zweit- bis Sechstbeklagten betreffen ausschließlich die Versorgung der Grundstücke der Beklagten mit den darin vereinbarten Dienstleistungen. Eine Regelung über das rechtliche Schicksal der auf den Grundstücken der Beklagten verlegten Telekommunikationsleitungen wurde nicht festgestellt. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann sich auch im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung in dieser Hinsicht nur ein zeitlich befristetes obligatorisches Leitungsrecht der Klägerin ergeben, das nach dem Verständnis redlicher Parteien nur solange aufrecht ist, als die Telekommunikationsverträge mit den Beklagten bestehen. Das von der Klägerin argumentierte unbefristete Leitungsrecht würde zu einer unzulässigen Knebelung der Beklagten führen.

2.3 Fehlt eine rechtsgeschäftlich begründete Dienstbarkeit auf Basis einer Vereinbarung, so kommt allenfalls ein sondergesetzliches Leitungsrecht (zB am öffentlichen Gut nach § 5 Abs 3 TKG 2003; vgl 7 Ob 36/08g) oder ein durch rechtskräftigen Bescheid der zuständigen Behörde begründetes Leitungsrecht (§ 5 Abs 4 TKG 2003; vgl 3 Ob 125/05m; 7 Ob 36/08g) in Betracht. Auf solche Leitungsrechte hat sich die Klägerin nicht berufen.

2.4 Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass der Klägerin hinsichtlich der von ihr verlegten Telekommunikationsleitungen auf den Grundstücken der Beklagten keine dinglichen oder obligatorischen Leitungsrechte im Sinn von Dienstbarkeitsrechten zustehen.

3.1 Darüber hinaus gehen auch die Ausführungen der Klägerin zum Eigentumsrecht an den Teilstücken der Telekommunikationsleitungen auf den Grundstücken der Beklagten ins Leere. Ausgehend vom Grundsatz „superficies solo cedit“ gemäß § 297 ABGB sind mit einem Grundstück nach der Verkehrsauffassung wirtschaftlich untrennbar verbundene Leitungen als deren unselbständige Bestandteile zu qualifizieren. Dementsprechend gehört nach der Rechtsprechung grundsätzlich – mangels gegenteiliger Vereinbarung oder sondergesetzlicher Regelung – alles was erdfest, mauerfest, nietfest oder nagelfest mit einem Grundstück verbunden ist, zur unbeweglichen Sache (RIS-Justiz RS0009915). Nach der Rechtsprechung gilt dies etwa für Privatgasleitungen (RS0009859), für Steigleitungen für Gas, Strom und Wasser bzw für eine verrohrte Hauswasserleitung und für Heizungsrohre (MietSlg 46.007; 1 Ob 145/00f).

3.2 Die von der Klägerin allein ins Treffen geführte Entscheidung 6 Ob 60/07b, wonach der Grundstückseigentümer nicht Eigentümer des über sein Grundstück verlaufenden (Stom-)Netzteilstücks ist, bezieht sich in erster Linie auf die sondergesetzliche Regelung in § 22 Abs 1 des Starkstromwegegesetzes (BGBl 1968/70; vgl auch § 20 Abs 1 des Starkstromwegegrundsatzgesetzes, BGBl 1968/71).

Richtig ist zwar, dass es nach der Ansicht von P. Bydlinski (Zur sachenrechtlichen Qualifikation von Leitungsnetzen, JBl 2003, 69 [85 ff]) Fälle gibt, in denen
– aufgrund einer Einzelanalogie zu § 22 des Starkstromwegegesetzes oder der Berücksichtigung der besonderen Interessenlagen der Beteiligten bei der Auslegung des § 297 ABGB – die Hauptsache in einem Gesamtleitungsnetz oder einer Versorgungsanlage besteht und das Eigentum an den Netzteilstücken (als selbständige Bestandteile des Netzes) daher nicht dem Grundstückseigentümer, sondern dem Betreiber des Netzes oder der Anlage zugewiesen ist. Der Autor bezieht sich dabei aber auf „Durchleitungsnetze“, die sich auf „Durchleitungsgrundstücken“ befinden.

Im Anlassfall enden die in Rede stehenden Telekommunikationsleitungen auf den Grundstücken der Beklagten; es handelt sich bei diesen um keine „Durchleitungsgrundstücke“. Das Argument der Klägerin, dass die Kommunikationslinie auf den Grundstücken der Beklagten jederzeit weitergeführt werden könne, ist nicht stichhaltig, weil dies ohne Gestattung der Beklagten grundsätzlich nicht zulässig wäre. Es liegt nämlich auch beim bloßen Betrieb von (selbst fremden) Leitungsteilstücken, die sich auf den Grundstücken der Beklagten befinden, eine Benützung des Eigentums der Beklagten vor, was der Liegenschaftseigentümer ohne besonderen Rechtsgrund nicht dulden muss (vgl 3 Ob 125/05m).

3.3 Als weiteres Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die Klägerin auch keine Eigentumsrechte an den in Rede stehenden Telekommunikationsleitungen auf den Grundstücken der Beklagten nachgewiesen hat.

4. Das Klagebegehren zielt auf die Wiederherstellung der Leitungsverbindung zwischen dem bisherigen Breitbandverteilerkasten und den einzelnen Hausanschlüssen auf den Grundstücken der Beklagten sowie auf Unterlassung zukünftiger Störungen durch die Beklagten ab. Dieses Begehren wäre nur dann berechtigt, wenn sich die Klägerin auf einen tauglichen Rechtsgrund stützen könnte. Einen solchen Rechtsgrund hat sie allerdings nicht nachgewiesen.

Mit der Beurteilung, dass die Telekommunikationsleitungen, die nur jenem Grundstück dienen, unter dessen Oberfläche sie verlegt sind, grundsätzlich dem Eigentümer dieses Leitungsgrundstücks zuzuordnen seien, weicht das Berufungsgericht von der dargelegten Rechtslage nicht ab. Eine erhebliche Rechtsfrage vermag die Klägerin nicht aufzuzeigen. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben für ihre Revisionsbeantwortung keine Kosten verzeichnet.

Textnummer

E125489

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00100.19P.0613.000

Im RIS seit

12.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten