TE Vwgh Erkenntnis 1999/1/19 97/05/0115

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.01.1999
beobachten
merken

Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82009 Bauordnung Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §38;
AVG §69 Abs1 Z2;
BauO Wr §70;
BauO Wr §83 Abs2;
BauO Wr §83 Abs3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Katharina Kohlberger in Laa an der Thaya, vertreten durch Dr. Volker Lock, Rechtsanwalt in Laa an der Thaya, Stadtplatz 52, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 19. Februar 1997, Zl. MD-VfR - B XIX - 77/96, betreffend Wiederaufnahme eines Bauverfahrens (mitbeteiligte Partei: SEG Stadterneuerungs- und Eigentumswohnungsgesellschaft mbH in Wien, vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien I, Falkestraße 6), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 261, KG Unterdöbling, bestehend aus den Grundstücken Nr. 141/3 Baufläche, Pfarrwiesengasse 17/Zehenthofgasse 16, und dem südlich daran anschließenden Grundstück Nr. 141/10 Garten. Im Osten grenzt unmittelbar daran die der Beschwerdeführerin gehörige Liegenschaft EZ 285, KG Döbling, bestehend aus den Grundstücken Nr. 141/5, Pfarrwiesengasse 15, und Nr. 141/18.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 14. April 1994 wurde der mitbeteiligten Partei die Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf den vorbezeichneten Grundstücken der Liegenschaft EZ 261, KG Unterdöbling, "nach den mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Plänen" gemäß § 70 der Bauordnung für Wien in Verbindung mit § 83 Abs. 2 und 3 leg. cit. und in Anwendung des Wiener Garagengesetzes erteilt. Dem der Baubewilligung zugrunde liegenden Lageplan im Maßstab 1 : 500 in der Parie C 2 des Einreichplanes ist zu entnehmen, daß das bewilligte Gebäude entlang der Grundstücksgrenze in einer Länge von 13,44 m errichtet werden soll. Eine Inanspruchnahme von Grundstücksteilen der Grundstücke der Beschwerdeführerin ist weder dem Baubewilligungsbescheid noch den Plänen zu entnehmen.

Die dem Baubewilligungsverfahren beigezogene Beschwerdeführerin hat kein Vorbringen erstattet, aus welchem entnommen werden könnte, daß die Grundgrenze zu ihren Grundstücken strittig wäre.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 1. Dezember 1995 wurden, abweichend vom bewilligten Bauvorhaben, Änderungen bewilligt, welche - soweit für das Beschwerdeverfahren interessierend - im Abrücken des Kellergeschoßes von der Grundstücksgrenze zu den Grundstücken der Beschwerdeführerin bestehen. Die in diesem Verfahren von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Einwendungen, die Grundgrenze würde nicht eingehalten, wurden als unzulässig zurückgewiesen, soweit sie sich auf die behauptete Unklarheit in den Plänen beziehen, als unbegründet abgewiesen.

Eine gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 30. April 1996 als unbegründet abgewiesen. Die Planwechselbewilligung betreffe keine Bauteile, die eine Abweichung zum Nachteil der Beschwerdeführerin darstellten; sie sei daher in ihren subjektiven-öffentlichen Rechten nicht verletzt.

Mit der am 20. August 1996 beim Magistrat der Stadt Wien eingelangten Eingabe beantragte die Beschwerdeführerin die Wiederaufnahme des Bauverfahrens mit dem Vorbringen, anläßlich einer Vorsprache im Vermessungsamt Gänserndorf am 13. August 1996 sei sie über die Neuvermessung und Erstellung eines Lageplanes betreffend die streitverfangenen Grundstücke informiert worden. Erst durch Einsichtnahme in diesen Lageplan habe sie erfahren, daß das von der mitbeteiligten Bauwerberin aufgrund der erteilten Baubewilligung errichtete Haus beim Grenzpunkt 1017 in einer Breite von 38 (40) cm auf ihrem Grundstück stehe. Die Grenze verlaufe wie im verbücherten Teilungsplan GZ 1308/1899 vom Punkt C zu B und A; dies entspräche im neuen Lageplan Punkt 2001 (1019) zu 1017 und in der Folge parallel zur Zehenthofgasse bis 6 m vor die Baulinie Pfarrwiesengasse etwa um Punkt 121 (Knick bei 6 m) bis zu Punkt 8. Aus dieser Neuvermessung des Bestandes ergebe sich eindeutig, daß das Gebäude der mitbeteiligten Partei trotz Planwechselbewilligung auf ihren Grundstücken baubehördlich bewilligt und gebaut worden sei. Durch diesen neuen Plan sei der Beschwerdeführerin nunmehr der Beweis möglich, daß die mitbeteiligte Partei auf dem Grund und Boden der Beschwerdeführerin gebaut habe; sie beantrage daher die Wiederaufnahme des baubehördlichen Verfahrens. Gegen den Baubewilligungsbescheid vom 14. April 1994 habe sie deshalb kein Rechtsmittel ergriffen, weil sie im guten Glauben darauf vertraut habe, daß sich dieser letztlich auf das Nachbargrundstück beziehe. Die Grenze sei zu dieser Zeit in der Natur zudem durch eine in ihrem Besitz und Eigentum stehende Mauer als solche klar erkennbar gewesen. Darüber hinaus habe ihr der Geometer der mitbeteiligten Partei, welcher eine öffentliche Urkundsperson sei, bestätigt, daß Natur- und Grundgrenze vollinhaltlich übereinstimmten. Ein in der Folge von der Beschwerdeführerin im Klagswege angestrengtes Besitzstörungsverfahren sei seit Dezember 1994 bei Gericht anhängig.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 17. September 1996 wurde der Wiederaufnahmeantrag der Beschwerdeführerin abgewiesen. Bei der am 20. August 1996 vorgelegten Plankopie handle es sich lediglich um eine Naturaufnahme des nunmehrigen Bestandes. Eine Grenzfeststellung habe bisher nicht stattgefunden; die Grundstücke befänden sich nicht im Grenzkataster. Der Neubau auf Pfarrwiesengasse ONr. 17 sei wieder derart bewilligt worden, daß an die Feuermauer des Hauses Pfarrwiesengasse Nr. 15 angebaut werden dürfe. Die ursprünglich auf den Grundstücken Pfarrwiesengasse 15 und 17 errichteten Häuser seien am Beginn des 20. Jahrhunderts baubehördlich bewilligt worden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 19. Februar 1997 wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Der Wiederaufnahmeantrag der Beschwerdeführerin stütze sich auf den neuerstellten Lageplan vom 9. Juli 1996. Bei diesem Plan handle es sich jedoch um kein Beweismittel, welches im abgeschlossenen Baubewilligungsverfahren bereits bestanden habe. Aus diesem Grund könne der genannte Lageplan keinen Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG bilden. Aus dem Umstand, daß von der mitbeteiligten Bauwerberin eine größere Fläche in Anspruch genommen worden sei als jene, die sich nach dem Katasterstand ergebe, sei noch nicht zwingend abzuleiten, daß diese Abweichung aus einem unrichtig dargestellten Verlauf der Grenze zur Liegenschaft der Beschwerdeführerin resultiere. Hinzu komme, daß es sich bei dem Baubewilligungsverfahren um ein Projektsgenehmigungsverfahren handle, und somit eine tatsächlich vom Plan abweichende Ausführung - wie etwa eine solche, die Nachbargrund in Anspruch nehme, ohne daß dies im Plan dargestellt wäre - von der Baubewilligung nicht erfaßt sein könne und sohin auch keine Wiederaufnahme des mit dem Bewilligungsbescheid abgeschlossenen Verfahrens rechtfertige. Eine Wiederaufnahme eines Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG setze auch voraus, daß die Partei die neuen Tatsachen und Beweismittel im Verfahren ohne ihr Verschulden nicht habe geltend machen können. Die Beschwerdeführerin hätte jedoch schon im erstinstanzlichen Baubewilligungsverfahren die Möglichkeit gehabt, den ihrer Meinung nach in den Bauplänen unrichtig dargestellten Grenzverlauf geltend zu machen; sie habe dies jedoch unterlassen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Bewilligung der beantragten Wiederaufnahme verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 69 Abs. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

...

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen vom Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich vom Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Ihren Wiederaufnahmeantrag stützt die Beschwerdeführerin auf den ihr am 13. August 1996 zur Kenntnis gekommenen Lageplan des Dipl. Ing. Dr. P. vom 9. Juli 1996, aus welchem sich ergeben soll, daß die Grenze wie im verbücherten Teilungsplan aus dem Jahre 1899 verlaufe.

Der Lageplan vom 9. Juli 1996 ist - wie schon die Berufungsbehörde ausgeführt hat - nach Abschluß des Baubewilligungsverfahren errichtet worden und stellt demnach kein Beweismittel im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG dar. Solche Beweismittel dürfen nämlich nicht erst neu entstanden, sondern nur neu hervorgekommen sein, d. h. sie müssen schon zu einem früheren Zeitpunkt bestanden haben, ohne der Behörde bekannt gewesen zu sein, sodaß sie im rechtskräftig durchgeführten Verfahren nicht berücksichtigt werden konnten (vgl. hiezu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 125 zu § 69).

Die Tatsache, welche mit dem Lageplan des Dipl. Ing. Dr. P. vom 9. Juli 1996 bewiesen werden sollte (Grenzverlauf wie im verbücherten Teilungsplan von 1899), war, wie sich aus einem im Verwaltungsakt erliegenden Schreiben der Beschwerdeführerin an die Baubehörde erster Instanz vom 13. Dezember 1994 ergibt, bereits seit diesem Zeitpunkt bekannt. Darauf kann sich somit der Wiederaufnahmeantrag im Hinblick auf den gemäß § 69 Abs. 2 AVG eingetretenen Fristablauf nicht erfolgreich stützen.

Die der mitbeteiligten Partei erteilte Baubewilligung bezieht sich ausschließlich auf die ihr gehörigen Grundstücke. Ob das bewilligte Vorhaben daher deshalb nicht ausgeführt werden kann, weil hiefür Grundstücksteile der Beschwerdeführerin benützt werden müssen, stellt keine neue Tatsache im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG dar, weil die Parteien in dem mit Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 14. April 1994 abgeschlossenen Baubewilligungsverfahren von einem unstrittigen Grenzverlauf ausgegangen sind und die Baubehörde diesen Grenzverlauf daher nicht einer Vorfragenprüfung unterziehen mußte (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zl. 95/05/0337, BauSlg. Nr. 162/1996). Grenzverletzungen hat die Beschwerdeführerin auf dem Gerichtswege zu bekämpfen (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1998, Zl. 98/05/0033). Ob das Bauverfahren über den Änderungsplan deshalb mangelhaft war, weil der Grenzverlauf trotz darauf abzielenden Vorbringens der Beschwerdeführerin nicht einer Vorfragenprüfung unterzogen wurde, hätte durch eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof geklärt werden können. Eine neue Tatsache im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG liegt jedenfalls nicht vor.

Da somit die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war ihre Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. Jänner 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997050115.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten