TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/16 L515 2013251-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.10.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

16.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs10
AVG §66 Abs4
AVG §68 Abs1
BFA-VG §17 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L515 2013252-5/2E

L515 2013248-4/2E

L515 2013244-4/2E

L515 2013249-4/2E

L515 2013250-4/2E

L515 2013251-4/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von

1.) XXXX , geb. am XXXX , vertreten durch RAe Breitenecker Kolbitsch Vana

2.) XXXX , geb. am XXXX , vertreten durch RAe Breitenecker Kolbitsch Vana

3.) XXXX , geb. am XXXX , vertreten durch die Mutter, XXXX , diese vertreten durch RAe Breitenecker Kolbitsch Vana

4.) XXXX , geb. am XXXX , vertreten durch die Mutter, XXXX , diese vertreten durch RAe Breitenecker Kolbitsch Vana

5.) XXXX , geb. am XXXX , vertreten durch die Mutter, XXXX , diese vertreten durch RAe Breitenecker Kolbitsch Vana

6.) XXXX , geb. am XXXX , vertreten durch die Mutter, XXXX , diese vertreten durch RAe Breitenecker Kolbitsch Vana

gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl

1.) vom 20.08.2018, Zl. XXXX

2.) vom 20.08.2018, Zl. XXXX

3.) vom 20.08.2018, Zl. XXXX

4.) vom 20.08.2018, Zl. XXXX

5.) vom 20.08.2018, Zl. XXXX

6.) vom 20.08.2018, Zl. XXXX

zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG BGBl I 33/2013 idgF

abgewiesen, mit der Maßgabe, dass Spruchpunkt I der angefochtenen Bescheide zu lauten hat:

Die Beschwerde wird gem. §§ 55, 58 Abs. 10 AsylG BGBl 100/2005 idgF als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Spruchpunkte II und III der angefochtenen Bescheide werden

gem. § 28 Abs. 1 iVm Abs. 5 VwGVG BGBl I 33/2013 idgF behoben.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von

1.) XXXX , geb. am XXXX , vertreten durch RAe Breitenecker Kolbitsch Vana

2.) XXXX , geb. am XXXX , vertreten durch RAe Breitenecker Kolbitsch Vana

3.) XXXX , geb. am XXXX , vertreten durch die Mutter, XXXX , diese vertreten durch RAe Breitenecker Kolbitsch Vana

4.) XXXX , geb. am XXXX , vertreten durch die Mutter, XXXX , diese vertreten durch RAe Breitenecker Kolbitsch Vana

5.) XXXX , geb. am XXXX , vertreten durch die Mutter, XXXX , diese vertreten durch RAe Breitenecker Kolbitsch Vana

6.) XXXX , geb. am XXXX , vertreten durch die Mutter, XXXX , diese vertreten durch RAe Breitenecker Kolbitsch Vana

gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl

2.) vom 20.08.2018, Zl. XXXX

2.) vom 20.08.2018, Zl. XXXX

3.) vom 20.08.2018, Zl. XXXX

4.) vom 20.08.2018, Zl. XXXX

5.) vom 20.08.2018, Zl. XXXX

6.) vom 20.08.2018, Zl. XXXX

beschlossen:

A) Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird

zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Bisheriger Verfahrenshergang

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als bP1 - bP6 bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Aserbaidschan und brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 26.2.2016 bei der belangten Behörde Anträge auf internationalen Schutz ein.

Die minderjährigen bP3 - bP6 sind die leiblichen Kinder von bP1 und bP2.

I.2. In Bezug auf das bisherige verfahrensrechtliche Schicksal und das Vorbringen der bP wird die angefochtenen Bescheide verwiesen und wird aus dem Bescheid betreffend bP1 wie folgt zitiert:

-

"Sie reisten illegal in das Bundesgebiet ein.

-

Sie stellten am 02.03.2016 zum zweiten Mal einen Antrag auf internationalen Schutz.

-

Zuvor stellten Sie bereits am 23.11.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher in II. Instanz rechtskräftig negativ entschieden worden ist.

...."

I.3. Die letztgestellten Anträge wurden Bescheiden der bB gemäß § 68 Allgemeines Ver-waltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991 idgF (AVG) zurückgewiesen.

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 AsylG iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 FPG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in den bereits genannten Herkunftsstaat zulässig ist.

Gemäß § 55 Absatz 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise.

Der angefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich weder in der Sach- noch in der Rechtslage eine wesentliche Änderung im Vergleich zu jenen Bescheiden ergab, in denen letztmalig inhaltlich über die Anträge entschieden wurde.

Die Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltsrechts liegen nicht vor und insbesondere stellte eine Rückkehrentscheidung keinen unzulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben der bP dar.

1.4.1. Gegen den oa. Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben, welche vom ho. Gericht mit Erk. vom 14.11.2006 abgewiesen wurde (Eintritt der Rechtskraft gegenüber den bP: 18.11.2016). Das ho. Gericht ging davon aus, dass in Bezug auf jene Entscheidung, in der die Ausreisegründe bzw. Rückkehrhindernisse letztmalig geprüft wurden, keine maßgebliche Änderung eintrat.

Ebenso wurde festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung keine Verletzung des durch Art. 8 EMRK darstellte. Dies wurde wie folgt begründet:

"...

II.3.6. Einzelfallspezifische Überlegungen

II.3.6.1. Vorab ist zu prüfen, ob im gegenständlichen Fall ein Privat- und Familienleben im Sinne des Art. 8 Abs 1 EMRK vorliegt.

...

Die bP haben in Österreich über die Kernfamilie hinausgehend keine Verwandten und leben auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen. Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und halten sich bereits seit November 2013 (bP1 - bP4), bzw. seit ihrer Geburt im Mai 2015 (bP5 und bP6) im Bundesgebiet auf. Sie reisten rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein, konnten ihren Aufenthalt nur vorübergehend aufgrund eines unbegründeten Antrages auf internationalen Schutz legalisieren und hielten sich seit rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens rechtswidrig im Bundesgebiet auf. Der mit rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens entstandenen Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebiets kam sie nicht nach, sondern brachten sie einen neuerlichen, unzulässigen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Im gegenständlichen Fall sind sämtliche Familienmitglieder im selben Umfang von aufenthaltsbeenden Maßnahmen im selben Umfang betroffen.

Folgt man Chvosta, welcher, soweit ersichtlich im Schrifttum bisher unwidersprochen ausführte und dem sich auch das erkennende Gericht im gegenständlichen Fall anschließt, dass [Anm: bei damaligen Ausweisungen von Asylwerbern nach § 10 AsylG; hier wohl sinnegmäß anwendbar] ab einer Verfahrensdauer von 6 Monaten jedenfalls ein Eingriff in das Privat- und Familienleben anzunehmen sein wird, der eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nach sich zieht (Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK", ÖJZ 2007/74), so geht das erkennende Gericht im gegenständlichen Fall davon aus, dass ein sich auf die Verweildauer im Bundesgebiet begründetes Privatleben ergibt.

Der angefochtene Bescheid stellt keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar, jedoch einen solchen in das Recht auf Privatleben, wenngleich dieser schon alleine durch den erst -bezogen auf das Lebensalter der bP - kurzen Aufenthalt und den niedrigen Integrationsgrad in Österreich, welcher darüber hinaus nur durch die unbegründete Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz und im Anschluss die Missachtung der Verpflichtung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet erreicht werden konnte, relativiert wird.

...

Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten im Lichte der soeben zitierten Judikatur Folgendes:

-

Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:

Die bP sind seit dem bereits genannten Zeitraum in Österreich aufhältig. Sie reisten rechtswidrig in das Bundesgebiet ein und konnten ihren Aufenthalt lediglich durch die Stellung eines unbegründeten Antrages auf internationalen Schutz vorübergehend legalisieren. Hätten sie diese unbegründeten Anträge nicht gestellt, wären sie vom Anfang an rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig gewesen und wäre davon auszugehen, dass der rechtswidrige Aufenthalt bereits durch entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit beendet worden wäre und sie sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten würden.

Nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ignorierten die bP ihre ihnen gesetzlich obliegende Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes und brachten neuerlich -nunmehr unzulässige- Anträge auf internationalen Schutz ein.

-

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens [Privatlebens]

Die bP verfügen über keine familiären und die beschriebenen privaten Anknüpfungspunkte

-

die Schutzwürdigkeit des Familienlebens [Privatlebens]

Die bP begründeten ihr Privat- bzw. Familienleben zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt durch die Stellung eines unbegründeten Antrages auf internationalen Schutz vorübergehend legalisiert wurde. Auch war der Aufenthalt der bP zum Zeitpunkt der Begründung der familiären Anknüpfungspunkte ungewiss und nicht dauerhaft, sondern auf die Dauer des mittlerweile rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens beschränkt.

Des Weiteren wurden die privaten Anknüpfungspunkte zu jenem Zeitpunkt perpetuiert, als die bP ihrer Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebietes nicht nachkamen, rechtswidrig in diesem verharrten und letztlich einen weiteren, nunmehr unzulässigen Antrag auf internationalen Schutz stellten.

Letztlich ist auch festzuhalten, dass die bP nicht gezwungen sind, nach einer Ausreise die bestehenden Bindungen zur Gänze abbrechen müssten. So stünde es ihnen frei, diese durch briefliche, telefonische, elektronische Kontakte oder durch gegenseitige Besuche aufrecht zu erhalten (vgl. Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK", ÖJZ 2007/74 mwN). Ebenso stünde es ihnen frei, nach ihrer Ausreise sich -wie jeder andere Fremde auchum eine legale Einreise und einen legalen Aufenthalt zu bemühen. Soweit die minderjährigen bP über private Anknüpfungspunkte verfügen, ist ihnen dies -zumindest eingeschränkt- mit Unterstützung ihrer Eltern möglich.

Das ho. Gericht verkennt zwar nicht, dass sich die Kinder das Verhalten der Eltern im Rahmen der Interessensabwägung gemäß Ar. 8 EMRK nicht im vollen Umfang subjektiv verwerfen lassen müssen, doch ist dieses Verhalten dennoch nicht unbeachtlich. Hier sei etwa auf eine Zusammenschau der Erkenntnisse des VfGH vom 12.6.2010 U 614/10 (Beschwerdeführerin wurde 1992 geboren, war zum Zeitpunkt der Einreise nach Österreich minderjährig, hatte zumindest am Anfang ihres Aufenthaltes in Österreich keinen Einfluss auf das bzw. die Asylverfahren, entzog sich aufenthaltsbeendenden Maßnahmen im Alter der mündigen Minderjährigkeit und prolongierte ihren Aufenthalt durch die Stellung verschiedener Anträge), U613/10 (Beschwerdeführerin wurde 1962 geboren, war während des gesamten Verfahrens handlungsfähig und prolongierte ihren Aufenthalt durch die Stellung verschiedener Anträge) und den Beschluss des selben Tages U615/10 ua (minderjährige Asylwerber während des gesamten Asylverfahrens, welche auf den Verlauf des Verfahrens bzw. der Verfahren keinen Einfluss hatten). In diesen Verfahren stellte der VfGH in Bezug auf die 1962 geborene Beschwerdeführerin im vollen Umfang und in Bezug auf die 1992 geborene Beschwerdeführerin (Tochter der 1962 geborenen Beschwerdeführerin) in einem gewissen eingeschränkten Umfang fest, dass sich diese das Verhalten, welches zum langen Aufenthalt in Österreich führten, zurechnen lassen müssen und es daher nicht zu ihren Gunsten im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK geltend machen kann. Obwohl die minderjährigen Beschwerdeführer auf das Verhalten ihrer 1962 geborenen Mutter und 1992 geborenen Schwester keinerlei Einfluss hatten und ihnen deren Verhalten, insbesondere jenes der Mutter nicht subjektiv vorgeworfen werden konnte, wurde die Behandlung derer Beschwerden dennoch mit Beschluss U615/10 ua. abgewiesen. Im Lichte der Erk. des VfGH B 950-954/10-08, S. 19, bzw.

v. 10.03.2011, B1565/10, wo die Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführer in Österreich aufgrund den Beschwerdeführern nicht zurechenbarer Dauer der Asylverfahren als wesentliches Argument für eine Interessensabwägung zu Gunsten der Beschwerdeführer herangezogen wurde, ist ableitbar, dass in den in Beschluss U615/10 genannten Fällen trotz fehlender subjektiver Vorwerfbarkeit des Verhaltens der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Verfahrensdauer aufgrund deren Minderjährigkeit und des Verhaltens der Mutter gerade dieses Verhalten der Mutter im Rahmen der Interessensabwägung in Bezug auf die minderjährigen Kinder dennoch eine Rolle spielte, sie sich dieses zwar nicht vorwerfen aber in einem gewissen Umfang zurechnen lassen mussten, da ansonsten davon auszugehen gewesen wäre, dass ein mit den in den Erk. des VfGH B 950-954/10-08, S. 19, bzw. v. 10.03.2011, B1565/10 beschriebener Fällen vergleichbarer Fall vorliegen würde und zu einer vergleichbaren Entscheidung geführt hätte.

Auch ist zu bedenken, dass es aus dem fremdenpolizeilichen Blickwinkel nicht primär auf die subjektive Vorwerfbarkeit, sondern auf die objektive Zurechenbarkeit des beschriebenen Verhaltens ankommt.

-

Grad der Integration

Die volljährigen beschwerdeführenden Parteien sind -in Bezug auf ihr Lebensalter- erst einen relativ kurzen Zeitraum in Österreich aufhältig, haben hier keine qualifizierten Anknüpfungspunkte und mussten im Rahmen der letztmaligen Befragung durch die belangte Behörde ein Dolmetsch beigezogen werden, wenngleich im Verfahren hervorkam, gewisse Deutschkenntnisse inzwischen vorhanden sind.

Ebenso geht aus dem Akteninhalt nicht hervor, dass die bP selbsterhaltungsfähig wären bzw. taugliche Bemühungen zur Herstellung der Selbsterhaltungsfähigkeit unternommen hätten.

In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die -hier bei weitem nicht vorhandenen-Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029). Selbst Einstellungszusagen würde entsprechend der höchstgerichtlicher Judikatur nur ein untergeordneter Wert zukommen (vgl. Erk. des VwGH 21.1.2010, 2009/18/0523; 29.6.2010, 2010/18/0195; 17.12.2010, 2010/18/0385; 22.02.2011, 2010/18/0323)

Zu den vorgelegten Referenzschreiben ist anzuführen, dass es sich bei deren Verfassern im Wesentlichen um Personen aus dem unmittelbaren Lebensbereich der bP handelt, welche keinen umfassenden, sondern lediglich einen partiellen Einblick in die privaten Anknüpfungspunkte der bP haben und im Wesentlichen aus ihrer subjektiven Sichtweise angeben, dass die bP im Wesentlichen allgemein anerkannte Regeln eine geordneten Zusammenlebens in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld einhalten und sich in einem gewissen Umfang an öffentlichen Aktivitäten beteiligen. Hieraus ergibt sich zwar, dass die bP in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld nicht in sozialer Isolation leben, sondern mit einem überschaubaren Personenkreis im Kontakt stehen, bzw. zum Teil Freundschaften aufbauten und in einem gewissen Umfang bestrebt sind, die deutsche Sprache zu erlernen. Herausragende integrative Leistungen werden jedenfalls nicht bescheinigt und ergaben sich solche auch nicht im Ermittlungsverfahren.

Zum Schulbesuch von bP3 ist festzuhalten, dass dies die Erfüllung einer durchsetzbaren gesetzlichen Verpflichtung darstellt, welche im Rahmen der Interessensabwägung nur sehr untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH v. 26.9.2007 2006/21/0288 mwN). Ähnlich verhält es sich mit dem Besuch des Kindergartens durch bP5. Hierbei handelt es sich um keine über ein hierzulande mehrheitlich übliches Verhalten hinausgehendes außergewöhnliches Integrationsmerkmal.

Auch ist im gegenständlichen Fall darauf hinzuweisen, dass die hier vorliegende Aufenthaltsdauer viel zu kurz ist um schon aufgrund der Verweildauer von einer rechtlich relevanten Integration sprechen zu können (ho. Erk. 30.4.2014, L515 2006140-1; Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029; ebenso Erk. d. VfGH U 485/2012-15 vom 12.06.2013).

Das Vorbringen der bP lässt auch erkennen, dass diese sichtlich hier sichtlich auch die Sach- und Rechtslage, wonach ein Aufenthalt in Österreich primär und regelmäßig unter Einhaltung der fremden- und niederlassungsrechtlichen Bestimmungen zu begründen und fortzusetzen ist, verkennen. Auch ergibt sich hieraus, dass beim Fehlen eines gültigen Aufenthaltstitels den Fremden die Obliegenheit zukommt, das Bundesgebiet zu verlassen.

Nur beim Vorliegen von außergewöhnlichen, besonders berücksichtigenden Sachverhalten kann sich ergeben, dass den Fremden, welche rechtswidrig in das Bundesgebiet einreisten oder sich rechtswidrig in diesem aufhalten, ihre Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebietes ausnahmsweise nachgesehen und ein Aufenthaltsrecht erteilt wird. Derartige Umstände liegen im gegenständlichen Fall jedoch nicht einmal ansatzweise vor. Sollte bei der bP die gegenteilige Erwartungshaltung geweckt wurden sein, hat das ho. Gericht dennoch im Rahmen der Gesetze (Art. 18 B-VG) entgegen dieser Erwartungshaltung zu entscheiden.

Keinesfalls entspricht es der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Systematik, dass das Knüpfen von privaten bzw. familiären Anknüpfungspunkten nach rechtswidriger Einreise oder während eines auf einen unbegründeten Antrag fußenden Asylverfahrens und im Anschluss an einen nach dem Abschluss des Asylverfahrens folgenden rechtswidrigen Aufenthaltes oder einer wiederholten Antragstellung auf internationalen Schutz im Rahmen eines Automatismus zur Erteilung eines Aufenthaltstitels führen. Dies kann nur ausnahmsweise in Einzelfällen, beim Vorliegen eines besonders qualifizierten Sachverhalts der Fall sein, welcher hier bei weitem nicht vorliegt (vgl. hier etwa Erk. d. VfGH U 485/2012-15 vom 12.06.2013).

-

Bindungen zum Herkunftsstaat

Die bP1 - bP2 verbrachtem den überwiegenden Teil ihres Lebens in Aserbaidschan, wurden dort sozialisiert, gehören der dortigen Mehrheits- und Titularethnie an, bekennen sich zum dortigen Mehrheitsglauben und sprechen die dortige Mehrheitssprache auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso ist davon auszugehen, dass in Aserbaidschan Bezugspersonen etwa im Sinne eines gewissen Freundes- bzw. Bekanntenkreises der Beschwerdeführer existieren, da nichts darauf hindeutet, dass die bP vor ihrer Ausreise in ihrem Herkunftsstaat in völliger sozialer Isolation gelebt hätten. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es der bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren. Ebenso leben noch Verwandte der bP in Aserbaidschan.

Zu den minderjährigen bP ist festzustellen, dass schon aufgrund ihres geringeren Alters und der Aufenthaltsdauer in Österreich die Abwägung zwischen den Bindungen zum Herkunftsstaat und den nunmehrigen Bindungen zu Österreich anders zu werten sein wird, als im Hinblick auf die Eltern. Hier wird von geringeren Bindungen zum Herkunftsstaat und stärkeren Bindungen zu Österreich auszugehen sein. In die Überlegungen ist jedoch einzufließen, dass sie über ihre Eltern die Kultur und Sprache ihres Herkunftsstaates auch über den Zeitpunkt der Ausreise hinaus vermittelt bekamen. Auch kann aufgrund der Sprachkenntnisse der Eltern davon ausgegangen werden, dass im Familienverband zumindest noch teilweise zumindest mit den Eltern in der Sprache des Herkunftsstaates kommuniziert wird und somit dieser "Vermittlungseffekt" bis in die Gegenwart nachwirkt. Ebenso befinden sich die minderjährigen bP in einem Alter erhöhter Anpassungsfähigkeit (vgl. Dr. Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK", ÖJZ 2007/74 mwN) und haben bP3 und bP4 auch ihre Anpassungsfähigkeit durch das Vorbringen ihrer Eltern zur ihrer Integration in Österreich bzw. das hier nicht widerlegte Vorbringen bewiesen. Es kann daher angenommen werden, dass es ihnen unter Nutzung dieser Fähigkeiten gelingt, sich spiegelbildlich betrachtet, sich ebenso wie in die österreichische auch in die Gesellschaft ihres Herkunftsstaats vollständig zu integrieren. In Bezug auf bP4 und bP5 ist anzunehmen, dass es sich bei deren Eltern und Geschwister um ihre primären Bezugspersonen handelt.

Aufgrund der oa. Umstände ist daher davon auszugehen, dass auch den Kindern eine Integration in der aserbaidschanischen Gesellschaft möglich ist und es nunmehr an den Eltern liegen wird, ihren Kindern eine solche nicht durch einen weitergehendes rechtswidriges Verbleiben im Bundesgebiet zu erschweren.

-

strafrechtliche Unbescholtenheit

Die bP sind strafrechtlich unbescholten.

Die Feststellung, wonach die bP strafrechtlich unbescholten ist, relativiert sich zum einen in Bezug auf die minderjährigen und strafunmündigen bP und die verhältnismäßig kurze Aufenthaltsdauer von bP1 und bP2 und stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten der bP ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht (vgl. Erk. d. VwGH vom 27.2.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).

-

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts

Die bP1 - bP4 reisten schlepperunterstützt und unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Gebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge rechtswidrig in das Bundesgebiet ein.

Mit negativem Abschluss des Asylverfahrens lebt auch die Rechtswidrigkeit des Aufenthalts, sowie die Strafbarkeit der rechtswidrigen Einreise in Bezug auf bP1 und bP2 wieder auf (vgl. § 120 Abs. 1 iVm Abs. 7 FPG; § 120 Abs. 7 FPG lautet: ("Eine Verwaltungsübertretung nach Abs. 1 oder 1a liegt nicht vor, wenn der Fremde einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und ihm der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Während des Asylverfahrens ist das Verwaltungsstrafverfahren unterbrochen."), bzw. kommt die Strafbarkeit gem. § 120 Abs. 1a leg. cit. im Falle der unterlassenen Ausreise innerhalb der festgesetzten Frist hinzu. Dieser Umstand stellt einen Sachverhalt mit hohem sozialen Unwert dar, was sich insbesondere auch in den vergleichsweise hohen Strafdrohungen zeigt, woraus abzuleiten ist, dass der Gesetzgeber bereits durch diese generalpräventiv wirkende Strafdrohung Einhaltung der Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes als einen äußerst erstrebenswerten Umstand im Rahmen der öffentlichen Ordnung betrachtet.

Auch wenn im Rahmen dieses Faktums entsprechend der aktuellen Judikatur zu berücksichtigen ist, dass eine Antragstellung vom Ausland aus nicht möglich und daher -de facto in den überwiegenden Fällen- eine solche erst nach illegaler Einreise möglich ist, muss auch darauf hingewiesen werden, dass die bP die rechtswidrige Einreise sichtlich in Umgehungsabsicht von fremden- und niederlassungsrechtlichen Vorschriften zur Stellung eines sichtlich unbegründeten Antrages auf internationalen Schutzes vornahmen was wiederum sehr wohl fremdenrechtlichen Interessen, im Sinne eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung berührt. Auch entsprachen sie nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens nicht ihrer Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebiet, sondern hielten sich weiterhin rechtswidrig in diesem auf.

Soweit die minderjährigen bP keinen Einfluss auf das Verhalten ihrer gesetzlichen Vertretung im Zusammenhang mit der Einreise hatten, wird auf die bereits getroffenen Ausführungen in Bezug auf die Zurechenbarkeit des Verhaltens der gesetzlichen Vertretung auf die Kinder verwiesen.

-

die Frage, ob das Privat- und Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren

Den bP1 und bP2 musste bei der Antragstellung klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz nur ein vorübergehender ist und ihr ein weiterer Aufenthalt mangels entsprechenden Aufenthaltstitels verwehrt wird. Ebenso indiziert die ursprünglich rechtswidrige und schlepperunterstützte Einreise den Umstand, dass der bP die Unmöglichkeit der legalen Einreise und dauerhaften Niederlassung bewusst war, da davon auszugehen ist, dass sie in diesem Fall diese weitaus weniger beschwerliche und kostenintensive Art der legalen Einreise und Niederlassung gewählt hätten.

In Bezug auf die minderjährigen bP wird auf die bereits getroffenen Ausführungen zur Zurechenbarkeit des Verhaltens ihrer Eltern verwiesen.

-

mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden in Bezug auf die Verfahrensdauer

Ein derartiges Verschulden kann aus der Aktenlage nicht entnommen werden.

-Auswirkung der allgemeinen Lage in Aserbaidschan auf die bP

Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass dem Art. 8 EMRK innewohnenden Recht auf das Privat- und Familienleben auch ein Recht auf körperliche Unversehrtheit abzuleiten ist (vgl. etwa Erk. d. VwGH vom 28.6.2016, Ra 2015/21/0199-8). Vor diesem Hintergrund ist die Zulässigkeit von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen im Lichte des Art. 8 EMRK auch vor dem Hintergrund der Lage im Herkunftsstaat, welche die bP im Falle einer Rückkehr vorfindet, zu prüfen, wobei bereits an dieser Stelle Art. 8 EMRK -anders als Art. 3 leg. cit.- einen Eingriffsvorbehalt kennt und können hier bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls keine Umstände erblickt werden, welche eine aufenthaltsbeendende Maßnahme rechtswidrig erscheinen ließen.

-

weitere Erwägungen

...

Letztlich ist festzustellen, dass eine Gegenüberstellung der von der bP in deren Herkunftsstaat vorzufindenden Verhältnissen mit jenen in Österreich im Rahmen einer Interessensabwägung zu keinem Überwiegen der privaten Interessen der bP am Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen an einem Verlassen des Bundesgebietes führen würde.

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie die bP erfolgreich auf das Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen.

Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrag bzw. ein Nichtentsprechen ihrer Obliegenheit zur Ausreise unterlassen, bzw. nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ihrer Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebietes entsprechen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip ["no one can profit from his own wrongdoing"], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).

Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme der Verhängung seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste femdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.

Aufgrund der oa. Ausführungen ist der belangten Behörde letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe dass der angefochtene Bescheid einen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben darstellt.

...

II.3.6.3. Hinweise auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 57 AsylG wurden weder seitens der bP behauptet, noch ergab sich derartiges bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen auch nicht aus der Aktenlage.

II.3.6.4. Umstände, welche das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung begründen würden, kamen nicht hervor. Ebenso ergibt sich aus den oa., sowie den im bereits genannten Asylverfahren in Rechtkraft erwachsenen Ausführungen, welchen noch ausreichende Aktualität zukommt und den Verfahrensparteien zur Kenntnis gebracht wurden, dass keine Umstände vorliegen, welche eine Abschiebung in den Herkunftsstaat Armenien unzulässig erscheinen würden.

II.3.6.5. Letztlich war festzustellen, dass gem. § 55 Abs. 1a FPG eine Frist zur freiwilligen Ausreise nicht besteht, zumal der gegenständliche Antrag gem. § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen war.

II.4. Da in Bezug auf sämtliche Familienmitglieder ein inhaltlich gleichlautender Spruch erging, kann sich auch aus dem Titel des Familienverfahrens gem. § 34 AsylG kein anderslautendes Verfahrensergebnis hergeleitet werden."

I.5. Nachdem die ho. Erkenntnisse in Bezug auf die Zurückweisung der Folgeanträge erlassen wurden, reisten die bP neuerlich nicht aus.

Die bP, insbesondere bP1 und bP2 ignorierten ihre gesetzliche Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebietes und verharrten als rechtswidrig aufhältige Fremde in diesem.

I.6.1. Am 8.5.2017 brachten die bP Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 55 FPG ein.

Hierbei legten sie insbesondere einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag, Schulbesuchs-bestätigungen, Sprachzertifikate (A2) und Referenzschreiben bzw. Unterstützungslisten vor.

I.6.3. Da die bP nicht innerhalb der gesetzlichen Frist nicht entschied, brachte die rechtsfreundliche Vertretung der bP eine Säumnisbeschwerde ein. Inhaltlich gingen die bP hierbei auf ihre "fortgeschrittene Integration" insbesondere durch ihren mehrjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet und die sich hieraus ergebenden Umstände ein und verwiesen sie auf den bereits im gegenständlichen und dem dem ho. Erk. vom 14.11.2016 beschriebenen Sachverhalt, insbesondere einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag, Schulbesuchs-bestätigungen, Sprachzertifikate (A2) und Referenzschreiben bzw. Unterstützungslisten.

I.6.4. Über die Anträge wurde in weiterer Folge innerhalb der Frist des § 16 Abs. 1 VwGVG entschieden und wurden diese abgewiesen. Weiters wurden Rückkehrentscheidungen erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung nach Aserbaidschan zulässig und die Frist für die freiwillige Ausreise mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

I.6.5. Gegen die oa. Bescheide wurde im vollen Umfang Beschwerde eingebracht. Im Wesentlichen wurde auf das bisherige Vorbringen verwiesen und vorgebracht, dass die bB rechts- und tatsachenirrig entschied. Im Wesentlichen wurde das bisherige Vorbringen wiederholt und auf die sozialen Anknüpfungspunkte der bP im Bundesgebiet. Ebenso sei das Parteiengehör in Bezug auf die Lage in Aserbaidschan verletzt worden. Details werden an den entsprechenden Stellen des gegenständlichen Erkenntnisses erörtert.

I.7. Das Säumnisbeschwerdeverfahren wurde zwischenzeitig mit Beschluss gemäß § 16 (1) VwGVG eingestellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

Der maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem beschriebenen Verfahrenshergang.

In Bezug auf die Anknüpfungspunkte der bP in Österreich gem. § 8 EMRK trat im Vergleich zu den Ausführungen im ho. Erk. vom 14.11.2016 keine relevante Änderung ein.

2. Beweiswürdigung

Aufgrund der vorliegenden, unbedenklichen und von den Verfahrensparteien nicht beanstandeten Aktenlage ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

Die seitens der bB zur Beurteilung der Lage im Herkunftsstaat herangezogenen Quellen stellen sich als schlüssig und aktuell dar. Auch traten die bP diesen nicht substantiiert und konkret entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet im gegenständlichen Fall der Einzelrichter.

II.3.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerde-verfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

II.3.3. Prüfungsumfang, Übergangsbestimmungen

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

II.3.4. Weitere relevante Bestimmungen:

§ 55 AsylG 2005, Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK:

"§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

§ 58 AsylG lautet:

Antragstellung und amtswegiges Verfahren

"§ 58. (1) ...

(2) ...

(3) ...

(4) ...

(5) ...

(6) ...

(7) ...

(8) ...

(9) ...

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) ...

(12) ...

(13) ...

Die Bestimmung des § 58 Abs. 10 AsylG entspricht im Wesentlichen dem § 44b NAG idF BGBl I Nr. 38/2011 (vgl. ErlRV (BGBl I 2012/87; Schrefler-König in Schrefler-König/Szymansky, Fremdenpolizei- und Asylrecht (2014) § 58 AsylG, S 4 u Anm 5.), weshalb das ho. Gericht davon ausgeht, dass die in Bezug auf die genannte Vorgängerbestimmung ergangene höchstgerichtliche Judikatur auch im gegenständlichen Falle anzuwenden ist.

Der bB ist in Bezug auf die Auslegung des Begriffs des Familienlebens gem. Art. 8 EMRK nicht entgegen zu treten und handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.

Im gegenständlichen Fall ist davon auszugehen, dass seitens der bB bzw. des ho. Gerichts über die privaten und familiären Anknüpfungspunkte, welche in Bezug auf die bP bis zum Zeitpunkt der Erlassung der in Rechtskraft erwachsenen Rückkehrentscheidung rechtskräftig und somit verbindlich abgesprochen wurde. Wie bereits der VwGH zur Vorgängerbestimmung des § 44b NAG in einer Mehrzahl von Erkenntnissen entschied, war die Überprüfung der in einem vorausgegangenen Verfahren ergangenen Ausweisung nicht Gegenstand des Verfahrens vor der Niederlassungsbehörde (Hinweis E vom 22. Juli 2011, 2011/22/0112, mwN), ist aufgrund der vergleichbaren Interessenslage im gegenständlichen Verfahren nicht die Rechtmäßigkeit der vorausgegangenen Rückkehrentscheidung zu prüfen und entwickelt diese die volle Rechtskraftwirkung. Ob der nunmehr vorgetragene Sachverhalt, der sich vor Beendigung des Verfahrens über die Rückkehrentscheidung im Erstverfahren auch vorgetragen wurde oder nicht, ist im gegenständlichen Fall daher ohne belange. Auch ein Sachverhalt, der nicht vorgetragen wurde, ist von der Rechtskraftwirkung des Vorbescheides mitumfasst (vgl. auch Erk. d. VwGH vom 17.9.2008, 2008/23/0684, ho. Erk. vom 17.4.2009, GZ. E10 316.192-2/2009-8E). Die beschriebene Rechtskraftwirkung gilt selbst dann, wenn die Behörde im bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren etwa eine Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hätte (vgl. etwa das Erkenntnis des VwGH vom 08.04.1992, Zl. 88/12/0169, ebenso Erk. d. VwGH v. 15.11.2000, 2000/01/0184).

Die maßgebliche, zu klärende Rechtsfrage ist daher jene, ob nach der rechtskräftig erlassenen Rückkehrentscheidung aus dem begründeten Antragsvorbringen der bP im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, hervorgeht. Die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung ist nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Bei dieser Prognose sind die nach Art. 8 MRK relevanten Umstände jedenfalls soweit einzubeziehen, als zu beurteilen ist, ob es angesichts dieser Umstände nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann, dass im Hinblick auf früher maßgebliche Erwägungen eine andere Beurteilung nach Art. 8 MRK unter Bedachtnahme auf den gesamten vorliegenden Sachverhalt nunmehr geboten sein könnte. Eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 MRK muss sich zumindest als möglich darstellen (vgl. E 3. Oktober 2013, 2012/22/0068).

Bereits in Bezug auf die Vorgängerbestimmung des § 44b NAG in der genannten Fassung ging der VwGH davon aus, dass beim Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen eine Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 abs. 2 EMRK nicht durchzuführen ist (Erk. vom 10.12.2013, 2013/22/0362).

Bei folgenden Konstellationen ging der VwGH von keiner wesentlichen Änderung des Sachverhalts im Sinne der oa. Erwägungen aus (exemplarische und auszugsweise Zitierung der Judikatur ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

-

Erk. vom 27.1.2015, Ra 2014/22/0094: Weder ein Zeitablauf von ca. zwei Jahren [Anm.: in einem anderen Erk. 2, 5 Jahre] zwischen der rechtskräftigen Ausweisung und dem Zurückweisungsbeschluss der Behörde noch verbesserte Deutschkenntnisse und Arbeitsplatzzusagen stellen eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 44b NAG 2005 idF vor 2012/I/087 dar (Hinweis E 22. Juli 2011, 2011/22/0138; E 9. September 2013, 2013/22/0215).

-

Erk. vom 27.1.2015, Ra 2014/22/0108: Ein arbeitsrechtlicher Vorvertrag (dem im Hinblick darauf, dass der Fremde mangels entsprechender Deutschkenntnisse keinen Zugang zum Arbeitsmarkt hat, die Relevanz abgesprochen wurde) und auch der bloße Besuch eines Deutschkurses durch die Fremde können keine umfassende Neubeurteilung iSd Art 8 MRK nach sich ziehen (vgl. E 10. Dezember 2013, 2013/22/0362; E 29. Mai 2013, 2011/22/0013).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten