TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/25 I414 2204342-1

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Veröffentlicht am 25.03.2019
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Entscheidungsdatum

25.03.2019

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I414 2204342-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Vorsitzenden und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID und die fachkundige Laienrichterin Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzerin über die Beschwerde vonXXXX, geb. am XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice vom XXXX, betreffend den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Herr XXXX (in der Folge als Beschwerdeführer bezeichnet) beantragte am 23.04.2018 die Ausstellung eines Behindertenpasses und gleichzeitig die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung". Vom Sozialministeriumservice (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) wurde Dr. G. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt.

Dr. G. ist Fachärztin für Innere Medizin und hielt sie in ihrem Gutachten nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers am 19.06.2018 fest:

"[...] Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Alkoholabhängigkeitsyndrom, rez. depressive Störung Z. n. 3maligem stationärem Entzug, Probleme im sozialen Umfeld, derzeit kontrolliertes Suchtverhalten.

03.08.01

40

2

Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD II) RS entsprechend der klinischen Ausprägung.

06.06.02

30

3

Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom Eine CPAP-Maske wird derzeit angepasst.

06.11.02

30

4

Chron. Niereninsuffizienz G3 Schwere Hypertonie und Diurese.

05.04.01

30

5

Diabetes mellitus II Monotherapie.

09.02.01

20

Gesamtgrad der Behinderung: 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Der GdB des führenden Leidens wird durch Leiden 2 und 3 erhöht um 1 Stufe, da diese Leiden gemeinsam das Gesamtbild maßgeblich negativ beeinflussen.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Adipositas. [...]"

Zur Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel stellte Dr. G. fest:

"1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? Keine. Bei vorliegender Adipositas und COPD Grad II ist das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke zumutbar.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor? Nein."

Dem Beschwerdeführer wurde das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht und ihm ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50% ausgestellt. Mit Bescheid vom 18.07.2018 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung abgewiesen, da das Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen nicht vorliegen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Das Sachverständigengutachten bescheinige ihm eine COPD II-Erkrankung, eine Diagnose des Schlaflabors LKH Hohenems nach Untersuchung am 02.07.2018 sogar COPD III. Deshalb sei ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel jedenfalls nicht zumutbar.

Vom Bundesverwaltungsgericht wurde ein ergänzendes Gutachten von Dr. G. eingeholt. Unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens führte die Sachverständige aus:

"[...] Neu vorgelegt

Arztbrief Abteilung für Pulmologie LKH Hohenems vom 09.07.2018

Diagnosen:

Schweres obstruktives Schlafapnoesyndrom, nach Anpassung eines CPAP-Systems nur noch 1 Atempause/Stunde (Normbereich 0-5).

COPD Grad III, exazerbiert mit Lungenemphysem und respiratorischer Globalinsuffizienz

Arterielle Hypertonie

Diabetes mellitus II

Adipositas permagna

Chronischer Alkoholabusus

Chronischer Nikotinabusus

Intertrigo

Z.n. AE, TE

Z.n. Schienbeinbruch links

Ad a) Bei COPD Grad III/ Lungenemphysem und Adipositas permagna ohne notwendige Langzeitsauerstofftherapie kann eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe zurückgelegt werden

Ad b) Der Beschwerdeführer kann eine kurze Wegstrecke langsam ohne Pausen zurücklegen.

Ad c) Der erforderliche Behelf (CPAP - System) ist nur nachts im Liegen über 4 - 5 Stunden zu verwenden.

Ad d) Die vorliegenden Gesundheitsschädigungen lassen das Ein- und Aussteigen und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel zu.

Ad e) Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor.

Ad f) Bei COPD Grad III/ Lungenemphysem und Adipositas permagna ist die körperliche Belastbarkeit eingeschränkt, jedoch nicht in erheblichen Ausmaß.

Ad g) Es bestehen keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen. [...]"

Dem Beschwerdeführer wurde das Ergänzungsgutachten zur Kenntnis gebracht, von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme nahm er bis dato nicht Gebrauch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist am XXXX geboren und hat seinen Wohnsitz in Österreich. Der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt 50 %. Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses seit 18.07.2018.

Der Beschwerdeführer leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen:

1. Alkoholabhängigkeitssyndrom, rez. depressive Störung (mit einem Grad der Behinderung von 40%),

2. chronisch obstruktive Lungenerkrankung (mit einem Grad der Behinderung von 30%),

3. obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (mit einem Grad der Behinderung von 30%),

4. chronischer Niereninsuffizienz (mit einem Grad der Behinderung von 30%) und

5. Diabetes mellitus II (mit einem Grad der Behinderung von 20%).

Dem Beschwerdeführer sind das Ein- und Aussteigen in/aus das/dem Transportmittel sowie das sichere Transport im Verkehrsmittel möglich. Weiters kann er auch kurze Wegstrecken (300-400 m) ohne Unterbrechung und ohne fremde Hilfe zurücklegen. Die Verwendung eines Behelfes ist nur in den Nachtstunden notwendig.

Beim Beschwerdeführer bestehenden Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, jedoch nicht in erheblichen Ausmaß. Es besteht keine generelle Einschränkung der körperlichen, psychischen, neurologischen oder intellektuellen Fähigkeiten oder Funktionen. Er ist nicht hochgradig sehbehinderte, blind oder taubblind. Beim Beschwerdeführer besteht auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu Wohnort, zur Person des Beschwerdeführers und zum Behindertenpass ergeben sich aus dem Verwaltungsakt der belangten Behörde und sind unstrittig.

Der Gesamtgrad der Behinderung von 50 % ergibt sich aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr. G. vom 19.06.2018.

Feststellungen zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ergeben sich aus dem Sachverständigengutachten von Dr. G. vom 19.06.2018 nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers sowie aus dem vom erkennenden Gericht ergänzend eingeholten Gutachten vom 01.10.2018. Die Sachverständige stellte ausführlich, schlüssig und nachvollziehbar begründen fest, dass die körperlichen Funktionseinschränkungen zu keiner Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führen. Ausreichend miteinbezogen wurde auch das Beschwerdevorbringen und alle vom Beschwerdeführer vorgelegten ärztlichen Bestätigungen und Befunde. Insbesondere wurde von der medizinischen Sachverständigen dargelegt, dass auch bei Vorliegen einer Lungenerkrankung in Verbindung mit Adipositas permagna eine kurze Wegstrecke von 300-400 Metern zwar langsam aber ohne Pausen und ohne fremde Hilfe für den Beschwerdeführer bewältigbar ist. Die Sachverständige geht nochmals auf die Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit ein und führt aus, dass die Einschränkung zwar vorhanden ist, nicht aber in erheblichen Ausmaß vorliegt. Von einer dauerhaften Mobilitätseinschränkung kann deshalb aber nicht ausgegangen werden, zumal auch keine sonstigen erheblichen Einschränkungen der Extremitäten oder der psychischen, neurologischen, intellektuellen Funktionen bestehen. Es wurde nachvollziehbar erklärt, dass in Zusammenschau aller vom Beschwerdeführer vorgebrachter Leiden, insbesondere der Leiden 1 bis 3, eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.

Die Gutachten von Dr. G. stehen mit den allgemeinen Gesetzen der Logik in Einklang, sind schlüssig und vollständig und wurde ihnen nicht (auf derselben fachlichen Ebene) entgegengetreten. Vom Beschwerdeführer wurde weder zum Gutachten vom 19.06.2018 noch zum Ergänzungsgutachten vom 01.10.2018 eine Stellungnahme eingebracht und geht der erkennende Senat daher von einem unbestritten und abschließend geklärten Sachverhalt aus. Aus diesen Gründen legt der erkennende Senat diese Gutachten unter freier Beweiswürdigung seiner Entscheidung zugrunde.

Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:

Nach § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Wurde - wie im vorliegenden Fall - kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße - und zu begründende - Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH). Gemäß Abs. 3 leg.cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde sowie aus den eingeholten Gutachten. Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zu den eingeholten Sachverständigengutachten wurde nicht Gebrauch gemacht. Der Sachverhalt gilt für den erkennenden Senat somit als erwiesen und unbestritten. Dies lässt - gerade auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass eine mündliche Verhandlung nicht beantragt wurde - die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

§§ 6 und 7 Abs. 1 BVwGG lauten wie folgt:

"Einzelrichter

§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Senate

§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen."

§ 45 Abs. 3 und 4 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl 1990/283 in der geltenden Fassung, lauten wie folgt:

"(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.

Die §§ 1, 17, 28 Abs. 1 und 2 und 58 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG) lauten wie folgt:

"§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.

(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt."

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten wie folgt:

"§ 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu."

§ 1 Abs 4 Z 3 und Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 2016/263, lautet wie folgt:

"Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen."

3.2.1. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080).

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. ua. VwGH vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186, oder vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128).

Nach den Ausführungen der Gutachterin Dr. G. wirken sich die dauernden Gesundheitsschädigungen nicht maßgebend auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens sowie auf das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke aus. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht dauernd eingeschränkt. Insbesondere wird Augenmerk darauf gelegt, dass das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ohne Unterbrechung und ohne fremde Hilfe möglich ist.

Eine Einschränkung des Immunsystems, die ein Benützen von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zulässt, besteht nicht.

Das Ermittlungsverfahren hat des Weiteren ergeben, dass der Beschwerdeführer weder blind noch hochgradig sehbehindert oder taubblind ist. Auch ist er nicht in seinen psychischen, neurologischen oder intellektuellen Funktionen erheblich eingeschränkt.

Ebenso wurde im Gutachten ausgeführt, dass Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit zwar bestehen, diese aber nicht erheblich sind. Der Behelf des CPAP-Systems ist auch nur in der Nacht, im Liegen, für 4 bis 5 Stunden nötig, nicht also während der Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels. Von einer dauernden Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kann nicht ausgegangen werden. Insgesamt ist daher festzuhalten, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung" im Behindertenpass nicht vorliegen, weshalb die Beschwerde abzuweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I414.2204342.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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