TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/25 I414 2198738-1

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Veröffentlicht am 25.03.2019
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Entscheidungsdatum

25.03.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §41 Abs2
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I414 2198738-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX (SMS) vom XXXX, betreffend den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses, nach nichtöffentlicher Sitzung, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Frau XXXX, geb. am XXXX (in der Folge als Beschwerdeführerin bezeichnet) beantragte am 23.08.2017 die Ausstellung eines Behindertenpasses. Vom Sozialministeriumservice (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) wurde Dr. N. mit der Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beauftragt.

Die Fachärztin für Orthopädie hielt in ihrem Gutachten nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin am 05.10.2017 fest:

"[...] Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Wirbelsäule, Wirbelsäule - Funktionseinschränkungen mittleren Grades Z.n. Sequesterektomie L4/5 rechts über eine interarcuäre mikrochirurgische Dekompression und BARRICAID-Implantation (8 mm-Implantat) am 06.08.2014, ausstrahlende Schmerzen in die rechte UE mit 4/5-Großzehenstreckerparese rechts und Sensibilitätsminderung rechter Unterschenkel lateral, NSAR b. Bed.

02.01.02

40

2

Endokrine Störung, Endokrine Störungen leichten Grades med. einfach zu subst,. Schilddrüsenunterfunktion

09.01.01

10

Gesamtgrad der Behinderung: 40 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Der GdB durch Leiden 1 erhöht sich durch Leiden 2 nicht, da dieses von geringer funktioneller Relevanz ist. [...]"

Mit Bescheid vom 10.10.2017 wurde der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses aufgrund des Ermittlungsergebnisses abgewiesen und erwuchs in Rechtskraft.

Am 02.05.2018 stellte sie neuerlich einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Als Gesundheitsschädigung wurde wiederum "residuales radikuläres Syndrom L5 re. Bei Z.n. OP 2014" angegeben. Es wurde ein aktueller Befundbericht von Dr. B. vom 14.04.2018 beigelegt.

Mit Bescheid vom 18.05.2018 wies die belangte Behörde den Antrag zurück und führte begründend aus, dass seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen sei und keine offenkundige Änderung einer Funktionseinschränkung glaubhaft gemacht worden sei.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig und zulässig Beschwerde und brachte vor, dass der aktuelle MRT-Befund nicht berücksichtigt worden sei. Daraus sei ersichtlich, dass ihre Behinderung stets größer werde.

Vom erkennenden Gericht wurde Dr. N. mit der Erstellung eines Ergänzungsgutachtens beauftragt. Insbesondere soll beurteilt werden, ob und in wie weit sich der Grad der Behinderung im Vergleich zum Gutachten vom 05.10.2017 geändert hat.

Dr. N. hielt in ihrer Stellungnahme vom 06.08.2018 unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens und der aktuellen Befunde fest:

"Der neu eingebrachte Befund des Neurologen Dr. B. bestätigt die bereits bekannte Diagnose residuales radikuläres Syndrom L5 re. Bei Z.n. OP 2014; es besteht nach wie vor eine Großzehen- Heberparese re KG 4/5, sonst keine Paresen, Hypästhesie L5 re., sonst keine Sensibilitätsstörungen, kein Hinweis für rad. Ausfälle oder Läsionen eines peripheren Nerves i.B.d U.E., kein Hinweis auf spinale Läsion. Laut MRI liegt ein Bandscheibenvorfall L4/5 vor. Als Schmerzmedikation wird Seractil 400mg bei Bedarf eingenommen. Daher ändert sich auch bei der Feststellung des Grades der Behinderung nichts [...]"

Die Verfahrensparteien wurden vom Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt. Die belangte Behörde schloss sich den Ausführungen der Sachverständigen an. Von der Beschwerdeführerin langte bis dato keine Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist am XXXX geboren und hat ihren Wohnsitz in Österreich.

Sie stellte am 23.08.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und wurde dieser mit Bescheid vom 10.10.2017 rechtskräftig abgewiesen.

Am 02.05.2018 stellte sie neuerlich einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Es wurde die selbe Gesundheitsschädigung angegeben, wie bereits im vorhergehenden Antrag.

Die Beschwerdeführerin leidet nach wie vor an einer Funktionseinschränkung nach 02.01.02 und 09.01.01 nach der Einschätzungsverordnung und blieb der Gesamtgrad der Behinderung im Vergleich zum ersten Verfahren unverändert.

Es liegt keine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung vor, eine solche wurde nicht glaubhaft gemacht und ist seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung bei Antragstellung noch kein Jahr vergangen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Wohnsitz, zur Person der Beschwerdeführerin und zu den Anträgen (Zeitpunkten) ergeben sich aus dem Verwaltungsakt der belangten Behörde und sind unstrittig.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen ergeben sich aus dem Gutachten von Dr. N. vom 05.10.2017, welches im ersten Verfahren erstellt worden ist. Dass es zu keiner Änderung des Gesundheitszustandes gekommen ist, ist aus den vorgelegten Befunden und der Stellungnahme von Dr. N. vom 06.08.2018 zu entnehmen.

Die Sachverständige legt schlüssig und nachvollziehbar dar, dass die neu vorgelegten Befunde die bereits im ersten Verfahren festgestellten Funktionseinschränkungen nur bestätigen, aber keine Änderung aufzeigen. Daran ändert auch der MRI-Befund nichts, eine Verschlechterung, Abänderung oder neue Einschränkung wird damit nicht aufgezeigt. In Gesamtschau konnte schlüssig begründet werden, weshalb es auch unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens zu keiner Änderung des Rahmensatzes und somit auch zu keiner Anpassung des Gesamtgrades der Behinderung kommen konnte.

Der Beschwerdeführerin wurden die Ausführungen von Dr. N. auch zur Kenntnis gebracht und hatte sie die Möglichkeit, dazu noch eine Stellungnahme abzugeben. Von dieser Möglichkeit nahm sie aber nicht Gebrauch. Da die Beschwerdeführerin somit nicht (auf gleicher fachlicher Ebene) entgegengetreten ist, ist der Sachverhalt für den erkennenden Senat eindeutig und abschließend ermittelt.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Nach § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Wurde - wie im vorliegenden Fall - kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße - und zu begründende - Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH). Gemäß Abs. 3 leg.cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und dem weiters eingeholten Gutachten. Dies lässt - gerade auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass eine mündliche Verhandlung nicht beantragt wurde und von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zum Ergänzungsgutachten nicht Gebrauch gemacht wurde - die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

§ 6 und 7 Abs. 1 BVwGG lauten wie folgt:

"Einzelrichter

§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Senate

§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen."

§ 45 Abs. 3 und 4 Bundesbehindertengesetzes (BBG) lautet wie folgt:

"(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.

Die §§ 1, 17 und 58 Abs. 1 und 2 VwGVG lauten wie folgt:

"§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.

(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt."

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Gemäß § 41 Abs 2 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

Dies ist in vorliegender Rechtssache der Fall. Der letzte Antrag wurde rechtskräftig im Oktober 2017 entschieden. Der gegenständliche Antrag wurde innerhalb eines Jahres im Mai 2018 gestellt. Wie das Beweisverfahren ergeben hat, wurde eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung nicht glaubhaft geltend gemacht. De facto ist es zu keinerlei Änderung des Gesundheitszustandes oder zum Grad der Behinderung gekommen.

Als Konsequenz war der Antrag vom 02.05.2018 somit richtigerweise zurückzuweisen. Die eingebrachte Beschwerde ist somit spruchgemäß abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Frist, Grad der Behinderung, offenkundige Änderung,
Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I414.2198738.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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